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Pressestimmen zu „Jüdische Geschichte, Jüdische Religion” „[Dies ist] ein kraftvolles Buch, das Juden auffordert … einigen abscheulichen Seiten ihrer eigenen religiösen Halbgötter und Traditionen entgegenzutreten ... Israel Shahaks mitreißende Herausforderung hat tiefe Bedeutung für Israels gegenwärtige Politik.“ Dom Harpur, The Toronto Star „Dies ist ein bemerkenswertes Buch. Seine Kürze verstärkt noch seine kraftvolle Wirkung. Es verdient einen breiten Leserkreis, nicht nur unter den Juden, sondern auch unter denjenigen Christen, die sowohl nach einem besseren Ver- ständnis des historischen ...
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Pressestimmen zu „Jüdische Geschichte, Jüdische Religion”

„[Dies ist] ein kraftvolles Buch, das Juden auffordert … einigen abscheulichen Seiten ihrer eigenen religiösen Halbgötter und Traditionen entgegenzutreten ... Israel Shahaks mitreißende Herausforderung hat tiefe Bedeutung für Israels gegenwärtige Politik.“ Dom Harpur, The Toronto Star „Dies ist ein bemerkenswertes Buch. Seine Kürze verstärkt noch seine kraftvolle Wirkung. Es verdient einen breiten Leserkreis, nicht nur unter den Juden, sondern auch unter denjenigen Christen, die sowohl nach einem besseren Ver- ständnis des historischen Judentums als auch des modernen heutigen Israel suchen.“ Ted Schmidt, Chatholic New Times „Israel Shahak wurde in Israel wegen seiner grundsätzlichen Ausdauer berühmt, Wahrheiten zu äußern, welche die meisten Israelis nicht hören wollen. [Dieses] Buch bietet drei Grundtheorien … [eine] davon ist, daß das Erbe des jüdischen Fanatismus, besonders im Bereich der jüdischen Verhaltensweisen gegenüber Nichtjuden, ein Stein des Anstoßes ist, der die Entwicklung zu einer weltlichen [engl.: secular] und aufgeklärten jüdischen Zivilisation verhindert.“ Benyamin Beit-Hallahmi, Ha'aretz „Die tatsächliche Prüfung, der sich sowohl Israelis als auch Diaspora-Juden gegenübergestellt sehen, ist die Prüfung ihrer Selbstkritik, die auch die Kritik an der jüdischen Vergangenheit einschließen muß. Das Beunruhigendste dabei ist, daß 8hahak darauf besteht, daß die Religion sowohl in ihrer klassischen als auch in ihrer talmudischen Form ,die Seelen und Herzen vergiftet'. Dieser umstrittene Angriff eines Juden auf Israel wird die Judenheit unbedingt weltweit erschrecken.” American Library Association Booklist, „Lassen Sie mich [Shahaks] neuestes Buch empfehlen ... Shahak unterwirft darin die gesamte Geschichte der Orthodoxie ... einer heiteren und peinlichen Kritik.” Christopher Hitchens, The Nation „[Shahak ist] ein vortrefflicher Gelehrter und Israels vorderster Verteidiger der Menschenrechte ... [dies ist] eine erbarmungs- lose, scharfsinnige Untersuchung der jüdischen Religion und Geschichte,” Ian Gilmour, London Review of Books „Shahaks Überblick über die jüdische Geschichte ist sowohl lehrreich als auch lesenswert. ... Das Artilleriegeschoß [engl.: shell], das den polemischen Kern der Abhandlung enthält, in welchem die Einstellung der jüdischen Religion gegenüber den Nichtjuden aufgedeckt und analysiert wird ... ist ein den Weg bahnendes, zweifaches Tabu brechendes Stück Dynamit.” Middle East International „Jeder, der die jüdische Gemeinschaft so verändern möchte, daß sie aufhört, Partei zugunsten der Kräfte der Reaktion zu ergreifen, sollte dieses Buch lesen.” Raphael Salkie, Jewish Socialist „Wir sollten alle dafür dankbar sein, daß Dr. Shahak standhaft geblieben ist und uns dieses bedeutende Werk geschenkt hat. Seine Botschaft berührt den Kern der amerikanisch- israelischen Beziehungen. Nicht nur Juden, sondern auch Christen sollten, ‚Jüdische Geschichte, Jüdische Religion’ lesen.“ Grace Halsell, Middle East Policy „Shahaks Buch befindet sich unter den wenigen Büchern, die für diejenigen von uns höchst unentbehrlich sind, die am Mittleren Osten interessiert sind.” Henry Fischer, The Link,

Israel Shahak Jüdische Geschichte, Jüdische Religion Der Einfluß von

3000 Jahren Gescannt von c0y0te. Seitenkonkordant. Dieses e-Buch ist eine Privatkopie und nicht zum Verkauf bestimmt! Version 2 Lühe-Verlag,

Reihe: Internationale Literatur zur Erforschung

politischer Hintergrundmächte, Band 5

Israel Shahak: Jüdische Geschichte, Jüdische Religion – Der Einfluß von 3000 Jahren

Englischer Originaltitel: „Jewish History, Jewish Religion - The weight of Three Thousand Years“ by Israel Shahak (2. Auflage/London 1997) Foreword by Gore Vidal Foreword to the second printing by Edward Said Englische Originalausgabe: ISBN 0-7453-0818-X PLUTO PRESS, 345 Archway Road, London N6 5AA Vom Verfasser Prof. Dr. Israel Shahak einzig autori- sierte deutsche Übersetzung. Aus dem Englischen über- setzt von: Friedel Wiezoreck und Harm Menkens Bearbeitung der deutschen Ausgabe und Umschlag- gestaltung: Harm Menkens Das Titelbild des Moses Maimonides (nach einem Holzschnitt mit Namenszug) wurde entnommen aus dem 3-bändigen Werk von Prof. Dr. H. Graetz „Volkstümliche Geschichte der Juden“, Wien und Leipzig 1923, 11. Auflage. © Israel Shahak 1994, 1997. This translation of JEWISH HISTORY, JEWISH RELIGION first published in 1994 is published by arrangement with Pluto Press Limited, London. Capters 2,3,4 and 5 first appeared in the Journal Khrnasin and are reproduced with permission. Forewords © 1994 Gore Vidal and © 1997 Edward Said. © Lühe-Verlag GmbH 1998 for the German translation. Postfach 1245, D-24390 Süderbrarup, Germany Alle Rechte vorbehalten. ISBN 3-926328-25-8 Printed in Germany,

Inhaltsverzeichnis

Pressestimmen zur englischen Ausgabe ... l Inhaltsverzeichnis... 5 Vorwort zur deutschen Ausgabe von Armin Hinrichs ... 7 Vorwort zur ersten englischsprachigen Auflage von Gore Vidal... 9 Vorwort zur zweiten englischsprachigen Auflage von Edward Said ... 13 1. Kapitel Israel – ein Utopia für Auserwählte? ... 21 Der wesentliche Charakter des jüdischen Staates ... 23 Die Ideologie vom „erretteten“ Land ... 30 Israelischer Expansionismus ... 33 Ein geschlossenes Utopia? ... 39 d 2. Kapitel Vorurteile und Halbwahrheiten ... 42 Befreiung von außen ... 47 Behinderung der Urteilsfähigkeit ... 50 Eine totalitäre Geschichte ... 51 Verteidigungsmechanismen ... 55 Die Täuschung wird fortgesetzt ... 58 d 3. Kapitel Orthodoxie und Auslegung ... 69 Auslegung der Bibel ... 75 Die Bestandteile des Talmuds ... 80 Die „Dispensationen“ [Ausnahmebewilligungen] ... 85 1. Erhebung von Zinsen... 86 2. Das Sabbatjahr ... 87 3. Melken am Sabbat ... 88 4. Vermischte Feldfrüchte... 89 5. Gesäuerte Lebensmittel ... 90 6. Der Sabbat-Goi... 91 Soziale Aspekte der Dispensationen ... 94, 4. Kapitel Der Einfluß der Geschichte ... 98 Die Hauptmerkmale des klassischen Judentums ... 101 England, Frankreich und Italien... 108 Die moslemische Welt ... 109 Das christliche Spanien ... 113 Polen ... 115 Anti-jüdische Verfolgungen ... 120 Moderner Antisemitismus ... 124 Die zionistische Antwort ... 129 Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ... 135 5. Kapitel Die Gesetze gegen Nichtjuden ... 139 Mord und Völkermord ... 140 Brief des Soldaten Moshe an Rabbi Shim'on Weiser 142 Antwort von Rabbiner Shim'on Weiser an Moshe ... 143 Antwort von Moshe an Rabbiner Shim'on Weiser ... 145 Die Rettung von Leben ... 147 Die Entheiligung des Sabbats, um Leben zu retten ... 150 Sexuelle Vergehen ... 159 Die Rechtsstellung von Nichtjuden ... 161 Geld und Besitz ... 162 1. Geschenke ... 162 2. Forderung von Zinsen ... 163 3. Fundsachen ... 163 4. Täuschung im Geschäftsleben ... 164 5. Betrug ... 164 6. Diebstahl und Raub ... 164 Nichtjuden im Lande Israel ... 165 Haß und Verachtung gegenüber Nichtjuden ... 169 Die Einstellung gegenüber Christentum und Islam ... 177 ff 6. Kapitel Politische Konsequenzen ... 181 Anmerkungen und Referenzen ... 189 Stichwortverzeichnis ... 213,

VORWORTE Vorwort zur deutschen Ausgabe

von Armin Hinrichs Einer der Hauptgründe, weshalb Prof. Dr. Israel Shahak dieses Buch geschrieben hat, ist seine große Sorge über den nicht nur in Israel schleichend – von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt – zunehmenden jüdischen Funda- mentalismus. Während die Presse fortlaufend die verschie- densten Gefahren des islamischen Fundamentalismus be- schwört – ob zu recht oder unrecht sei hier dahingestellt –, wird der jüdische Fundamentalismus in den westlichen Me- dien fast völlig totgeschwiegen. Nach Prof. Shahak sind die Ansichten und Verhaltensweisen des von ihm so bezeichneten „klassischen Judentums“, für das Maimonides eine der angesehensten Autoritäten dar- stellt, nahtlos vom heutigen orthodoxen Judentum und wei- ten Kreisen des Zionismus einschließlich seines linken so- zialistischen Flügels übernommen worden. Shahak rügt die weltweit – nicht nur in Israel – zunehmende Tendenz innerhalb der Judenheit, die Verhaltensweisen des „klassischen Judentums“ wieder stärker und in weitreichen- den jüdischen Kreisen mit der damit verbundenen Konse- quenz des Ausgrenzens zu beleben Diese Tendenz will Ignatz Bubis auch in Deutschland beob- achtet haben. So bemängelte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland („Stern” Nr. 31 vom 29.7.1999, Seite 58): „Ich habe nichts oder fast nichts bewirkt. ... Ich wollte diese Ausgrenzerei, hier Deutsche, dort Juden, wegha- ben. Ich habe gedacht, vielleicht schaffst du es, daß die Men- schen anders übereinander denken, anders miteinander um- gehen. Aber, nein, ich habe fast nichts bewegt. ... Wir sind fremd geblieben; sicher auch, weil sich die Juden in diesem Land teilweise selbst ausgrenzen.“, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Welches sind nun die Gründe für die von Bubis gerügte Aus- grenzung? Hierzu könnte dieses Buch von Israel Shahak möglicherweise eine Antwort liefern. Liegt es vielleicht auch daran, daß in Deutschland vorwiegend nur orthodoxe Rabbi- ner tätig sind? Viele Juden sehen sich selbst auch nicht wie Bubis als „deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens“, son- dern als „Juden in Deutschland“. Es war ein besonderer Wunsch Prof. Shahaks, daß dieses Buch in deutscher Übersetzung auch in Deutschland er- scheint. Shahak hofft, daß sein Buch „Jüdische Geschichte, jüdische Religion“ dazu beitragen möge, den jüdischen Fundamenta- lismus mit seiner ausgrenzenden „jüdischen Ideologie“ näher kennenzulernen und zu verstehen, bevor es zu spät sei. Dieses Buch sollte daher nicht nur von deutschen Christen und Heiden, sondern auch von deutschen Staatsbürgern jü- dischen Glaubens und Juden in Deutschland gelesen werden. - Anmerkungen zur deutschen Übersetzung: Die deutsche Übersetzung hat Prof. Israel Shahak vorgelegen und ist von ihm für die Veröffentlichung durch den Lühe-Verlag autori- siert worden. Um jede Verwechslung auszuschließen, wurden die Anmerkungen des Übersetzers von denjenigen des Verfassers Prof. Shahak streng getrennt: Die Anmerkungen von Shahak sind durchgehend wie im englischen Originaltext mit Zahlen gekenn- zeichnet und am Ende des Buches kapitelweise wiedergegeben. Die Anmerkungen des Übersetzers sind grundsätzlich mit einem Stern versehen und jeweils unten auf der betreffenden Seite abgedruckt. Im Zweifelsfalle werden Anmerkungen ausdrücklich als diejenigen des Übersetzers gekennzeichnet.,

VORWORTE Vorwort zur ersten englisch-

sprachigen Auflage von Gore Vidal Irgendwann gegen Ende der 1950er Jahre erzählte mir John F. Kennedy, dieser Weltmeister des Klatsches und Gelegen- heitshistoriker, wie Harry S. Truman im Jahre 1948 von so ziemlich allen im Stich gelassen worden war, als er sich um das Amt des Präsidenten bewarb. Dann überbrachte ihm ein amerikanischer Zionist in einem Koffer zwei Millionen Dol- lar in bar an Bord seines Wahlpropaganda-Zuges. „Das war dafür, daß unsere Anerkennung Israels so schnell durchge- peitscht wurde.“ Da weder Jack noch ich Antisemiten waren (im Gegensatz zu seinem Vater und meinem Großvater), betrachteten wir dies eben als eine weitere lustige Geschich- te über Truman und die heitere [engl.: serene] Korruption der amerikanischen Politik. Leider hatte die hastige Anerkennung Israels als Staat ein 45 Jahre währendes mörderisches Durcheinander zur Folge und die Zerstörung dessen, was – wie zionistische Mitläufer meinten – ein pluralistischer Staat sein sollte: eine Heimat für seine einheimische [engl.: native] Bevölkerung von Mos- lems, Christen und Juden ebenso wie eine zukünftige Hei- mat für friedvolle europäische und amerikanische jüdische Einwanderer, sogar für diejenigen, die vorgeben zu glauben, daß der große Regisseur [am.: realtor] im Himmel ihnen für alle Ewigkeit das Land von Judäa und Samaria gegeben hätte. Da viele der Einwanderer in Europa gute Sozialisten waren, nahmen wir an, daß sie nicht zulassen würden, daß der neue Staat eine Theokratie wird, und daß die einheimi- schen Palästinenser mit ihnen gleichberechtigt zusammen- leben könnten. Doch dies war nicht beabsichtigt. Ich werde nicht noch einmal die Kriege und Unruhen dieser unglückli- chen Region aufzählen. Aber ich möchte sagen, daß die ha- stige Gründung Israels das politische und intellektuelle Le-, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION ben in den USA – Israels unvergleichlichem Schutzherrn – vergiftet hat. Unvergleichlich deshalb, weil keine andere Minderheit in der amerikanischen Geschichte den amerikanischen Steuerzah- ler jemals so überfallen und ihn um so viel Geld beraubt [engl.: hijacked] hat, um es in einem „Heimatland“ zu inve- stieren. Es ist dasselbe, als wenn der amerikanische Steuer- zahler dazu verpflichtet gewesen wäre, den Papst bei der Zurückeroberung der päpstlichen Staaten zu unterstützen, einfach weil ein Drittel unserer [d.h. der amerikanischen] Bevölkerung römisch-katholisch ist. Wäre dies versucht wor- den, würde es einen gewaltigen Aufruhr gegeben haben, und der Kongreß hätte nein gesagt. Doch eine religiöse Minder- heit von weniger als zwei Prozent der Bevölkerung hat 70 Senatoren (die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit, um ein unwahrscheinliches Veto des Präsidenten zu überstimmen) gekauft oder eingeschüchtert, während sie sich gleichzeitig der Unterstützung durch die Medien erfreuen konnte. In gewisser Hinsicht bewundere ich zutiefst, in welcher Art und Weise sich die israelische Lobby Jahr für Jahr um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert hat, in Anbetracht dessen, daß Milliarden von Dollars flossen, um Israel zu ei- nem „Bollwerk gegen den Kommunismus“ zu machen. Tat- sächlich waren weder die UdSSR noch der Kommunismus jemals in der Region besonders präsent. Was Amerika tat- sächlich gelang, war, daß sich die einst freundlich gesonnene arabische Welt gegen uns wendete. Inzwischen hat die Des- information über das, was im Mittleren Osten* geschieht, sogar noch zugenommen und das Hauptopfer dieser saftigen Lügen ist – neben dem amerikanischen Steuerzahler auf der einen Seite – die amerikanische Judenheit, wie sie fortlau- fend von professionellen Terroristen wie Begin und Shamir eingeschüchtert wird. Noch schlimmer ist – mit wenigen ehrenwerten Ausnahmen –, daß sich jüdisch-amerikanische * Anmerkung des Übersetzers: Im anglo-amerikanischen Sprach- gebrauch versteht man unter Middle East = Mittlerer Osten die arabischen Länder um den Persischen Golf bis nach Nordafrika (Libyen).,

VORWORTE

Intellektuelle vom Liberalismus trennten zugunsten einer Reihe wahnsinniger Allianzen mit der christlichen (antise- mitischen) Rechten und mit dem Pentagon-Industriekom- plex. Im Jahre 1985 schrieb einer von ihnen munter, daß Juden, sobald sie in Amerika auftraten, „die liberale Mei- nung und die liberalen Politiker in ihren Ansichten passen- der, sensitiver gegenüber jüdischen Belangen fanden“, doch jetzt sei es im jüdischen Interesse, sich mit den protestanti- schen Fundamentalisten zu verbünden, denn nach allem: „Gibt es irgendeinen Endzweck, weshalb Juden dogmatisch und heuchlerisch an ihren Ansichten vorn vergangenen Jahre festhalten sollten?“ In diesem Augenblick spaltete sich die amerikanische Linke und diejenigen von uns, die unsere einstigen jüdischen Verbündeten wegen ihres fehlgeleiteten Opportunismus kritisierten, wurden unverzüglich mit dem Ritual-Beinamen [engl.: ritual epithet] „Antisemit“ oder „selbst-hassender Jude“ ausgezeichnet. Glücklicherweise lebt und gedeiht die Stimme der Aufklä- rung vor allem in Israel. Von Jerusalem aus wird Israel Shahak nicht müde, nicht nur die trostlose Politik des heuti- gen Israel zu analysieren, sondern den Talmud selbst und den Einfluß der ganzen rabbinischen Tradition auf einen kleinen Staat, den das rechts gerichtete Rabbinat beabsich- tigt, in eine Theokratie ausschließlich für Juden umzuwan- deln. Ich habe Shahak seit Jahren gelesen. Er hat das Auge eines Satirikers für die Verworrenheiten, die in jeder Religi- on gefunden werden, die versucht, das Irrationale zu ratio- nalisieren. Er hat das scharfe Auge eines Gelehrten für Wi- dersprüche im Wortlaut. Es ist eine Freude, seine Ausfüh- rungen über den großen Nichtjuden-Hasser Dr. Maimonides zu lesen. Unnötig zu sagen, daß Israels Behörden Shahak mißbilligen. Aber was soll man mit einem im Ruhestand befindlichen Chemieprofessor machen, der 1933 in Warschau geboren wurde und seine Kindheit im Konzentrationslager Bergen- Belsen verbrachte? Im Jahre 1945 kam Shahak nach Israel und diente beim israelischen Militär. In den Jahren, als die- ses Mode war, wurde er kein Marxist. Er war – und ist es 1 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION immer noch – ein Humanist, der sowohl den Imperialismus im Namen des Gottes Abrahams als auch des George Bush verabscheut. Gleichfalls widersetzt er sich mit großer Ur- teilskraft und Gelehrsamkeit der totalitären Grundströmung im Judentum. Wie ein hochgelehrter Thomas Paine veran- schaulicht Shahak sowohl die vor uns liegenden Aussichten als auch die lange Geschichte hinter uns; und so setzt er seine Aufklärung [engl.: continues to reason] Jahr für Jahr fort. Diejenigen, die ihm Beachtung schenken, werden si- cherlich einsichtiger und – darf ich wohl behaupten? – besser werden. Er ist einer der letzten Propheten, wenn nicht sogar der letzte der großen Propheten.,

VORWORTE Vorwort zur zweiten englisch-

sprachigen Auflage von Edward Said Prof. Israel Shahak, emeritierter Professor für organische Chemie an der Hebräischen Universität in Jerusalem, ist gegenwärtig eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten im Mittleren Osten. Ich begegnete ihm erstmals – und be- gann einen regelmäßigen Briefwechsel mit ihm – schon vor 25 Jahren während der Nachwirkungen zunächst des Krie- ges von 1967* und dann des Krieges im Jahre 1973**. Er wurde in Polen geboren und kam, nachdem er überlebt hatte und aus einem Nazi-Konzentrationslager entkommen war, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg nach Palästina. Wie alle jungen Israelis jener Zeit diente er in der Armee und absolvierte viele Jahre in jedem Sommer für eine kurze Periode die militärischen Reserveübungen, wie es das israe- lische Gesetz verlangt. Im Besitz eines ungestümen, un- nachgiebigen, wißbegierigen und gründlich forschenden Ver- standes verfolgte Shahak seine Karriere als hervorragender Universitätsdozent und Forscher der organischen Chemie – von seinen Studenten ist er oftmals als der beste Lehrer be- zeichnet worden und erhielt Auszeichnungen für seine aka- demische Leistung – und begann zur selben Zeit seine Pri- vatforschungen darüber, was der Zionismus und die Prakti- ken des Staates Israel an Leiden und Entbehrung nicht nur für die Palästinenser von der West Bank und Gaza mit sich brachten, sondern für die wesentliche nichtjüdische Bevölke- rung (d.h. die palästinensische Minderheit), die während der Austreibung 1948 [Palästina] nicht verließ, sondern geblie- * Sechstagekrieg vom 5.-10.6.1967; Israel besetzt Sinai, Westjorda- nien und Golan. ** Jom-Kippur-Krieg vom 6.-25.10.1973; ägyptisch-syrischer Über- fall auf Israel mit Anfangserfolgen; israelische Truppen stoßen auf syrisches Gebiet und auf das Westufer des Suezkanals vor. 1 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION ben ist und die dann israelische Staatsbürger wurden. Dieses führte ihn dann zu einer systematischen Untersuchung der Natur des israelischen Staates und seiner Geschichte, zu ideologischen und politischen Abhandlungen, die, wie er schnell entdeckte, den meisten Nicht-Israelis unbekannt waren, besonders Diaspora-Juden, für die Israel ein wunder- barer, demokratischer und übernatürlicher Staat war, der bedingungslose Unterstützung und Verteidigung verdiente. Dann erneuerte er die Israelische Liga für Menschenrechte und war einige Jahre ihr Vorsitzender, eine relativ kleine Gruppe gleichgesinnter Leute, deren Idee es war, daß Men- schenrechte für alle in gleicher Weise gelten sollten, nicht nur für die Juden. In diesem spezifischen Zusammenhang wurde ich erstmals auf seine Arbeit aufmerksam. Was Sha- haks politische Position unmittelbar von den meisten ande- ren israelischen und nichtisraelischen jüdischen Tauben unterschied, war allein die ungeschminkte Wahrheit, die er ohne Rücksicht darauf vortrug, ob diese Wahrheit, falls sie deutlich vorgetragen wird, für Israelis oder die Juden nicht „gut“ sein könnte. Er war gründlich und, ich würde sagen, aggressiv und radikal, unrassistisch und antirassistisch in seinen Schriften und öffentlichen Erklärungen. Es gab einen Standard und nur einen Standard für Verletzungen der Menschenrechte, so daß es für ihn keinen Unterschied mach- te, falls meistenteils israelische Juden gewalttätig gegenüber Palästinensern waren, denn als Intellektueller mußte er ge- gen solche Gewalttätigkeiten Zeugnis ablegen. Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, daß er seiner Einstellung tatsächlich so genau treu blieb, daß er in Israel sehr bald eine außergewöhnlich unbeliebte [eng.: unpopulär] Person wurde. Ich erinnere mich daran, daß Shahak vor etwa 15 Jahren für tot erklärt wurde, obwohl er natürlich außeror- dentlich lebendig war. Die „Washington Post“ berichtete sei- nen „Tod“ in einer Geschichte, zu der die „Post“ niemals eine Berichtigung abdruckte. Obwohl Shahak, wie er vergnügt seinen Freunden erzählte, persönlich die „Post“ besuchte, um zu beweisen, daß er nicht „tot“ war, hatte dieses keine Aus- wirkung auf die „Post“. So gilt er für einige Leute immer,

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noch als „tot“, eine Wunschvorstellung, die verrät, wie unbe- haglich sich die „Freunde Israels“ durch ihn fühlen. Es sollte auch erwähnt werden, daß die Art und Weise, in der Shahak die Wahrheit äußerte, immer unerbittlich und kompromißlos gewesen ist. Es gibt nichts Verführerisches über sie, es wird kein Versuch unternommen, um sie zu „be- schönigen“, keine Anstrengungen darauf verwendet, die Wahrheit angenehmer zu machen oder irgendwie erklärlich. Für Shahak ist Töten Mord, ist Töten, ist Mord: Es ist seine Art zu wiederholen, zu schockieren; er läßt die Denkfaulen und Unentschiedenen sich anstrengen, damit bei ihnen die Erkenntnis über die menschliche Pein erwacht, für die sie verantwortlich sein könnten. Gelegentlich hat Shahak auch Leute beunruhigt und verärgert, aber das ist Teil seiner Per- sönlichkeit und, es muß gesagt werden, seines Sendungsbe- wußtseins. Zusammen mit dem verstorbenen Prof. Yehoshua Leibowitch – einem Mann, den er tief verehrte und mit dem er oft zusammenarbeitete – hielt Shahak den Ausdruck „Ju- deo-Nazi“ für zutreffend, um Methoden zu charakterisieren, die von den Israelis angewendet wurden, um die Palästinen- ser unterzuordnen und zu unterdrücken. Er sagte oder schrieb jedoch niemals irgend etwas, das er nicht selbst her- ausgefunden hat, mit seinen eigenen Augen gesehen oder unmittelbar erfahren hat. Der Unterschied zwischen ihm und den meisten anderen Israelis bestand darin, daß er die Verbindungen zwischen Zionismus, Judentum und den Un- terdrückungspraktiken gegenüber den „Nichtjuden“ aufzeig- te: Und natürlich zog er die Schlußfolgerungen. Ein Großteil von dem, was er schreibt, hat die Aufgabe ge- habt, Propaganda und Lügen als das hinzustellen, was sie sind. Israel ist für die Entschuldigungen, die zu seinem Gun- sten gemacht werden, einzigartig auf der Welt: Aus Furcht, auf die schwarze Liste gesetzt zu werden oder aus Angst vor Vergeltung, sehen Journalisten weder die Wahrheit noch schreiben sie, was sie als Wahrheit kennen. Politische, kul- turelle und intellektuelle Persönlichkeiten, besonders in Europa und den Vereinigten Staaten, scheuen keine Mühe, Israel zu preisen und es mit der größten Freigebigkeit, die je 1 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION irgendeiner Nation auf Erden zuteil wurde, zu überschütten, obgleich sich viele von ihnen der Ungerechtigkeiten dieses Landes bewußt sind. Hierüber erwähnen sie jedoch nichts. Das Ergebnis ist ein ideologischer Nebelschleier, den Shahak sich mehr als irgendeine andere Persönlichkeit bemüht hat, verschwinden zu lassen. Als Holocaust-Opfer und Überle- bender kennt er selbst die Bedeutung des Antisemitismus. Doch ungleich den meisten anderen läßt er nicht zu, daß mit den Schrecken des Holocaust die Wahrheit darüber manipu- liert wird, was Israel den Palästinensern im Namen des jüdi- schen Volkes angetan hat. Für ihn ist das Leiden nicht der ausschließliche Besitz von nur einer Gruppe von Opfern; es sollte statt dessen, was aber selten ist, die Basis für eine Humanisierung der Opfer [engl.: for humanizing the victims] sein, es ihnen gegenüber zur Pflicht zu machen, kein Leid in der Form zu verursachen, wie sie es erlitten haben. Shahak hat seine Landsleute ermahnt nicht zu vergessen, daß eine durchgemachte schreckliche Geschichte des Antisemitismus sie nicht berechtigt zu tun, was sie wollen, gerade weil sie gelitten haben. Es ist daher kein Wunder, daß Shahak so unbeliebt gewesen ist, denn dadurch, daß er solche Äuße- rungen machte, hat er Israels Gesetze und politische Prakti- ken gegenüber den Palästinensern moralisch ausgehöhlt. Aber Shahak geht sogar noch weiter. Wenn es um die menschliche Geschichte geht, ist er ein absoluter und nicht wankender Säkularist. Damit beabsichtige ich nicht zu be- haupten, daß er gegen Religion ist, sondern lediglich, daß er nur dann gegen Religion ist, wenn sie dazu dient, Vorkomm- nisse zu erklären, irrationale und grausame Politik zu recht- fertigen, Verherrlichung einer Gruppe von „Gläubigen“ auf Kosten der anderen. Ebenfalls überraschend ist, daß Shahak genau genommen kein Mann der Linken ist. In ganz ver- schiedener Hinsicht sieht er den Marxismus sehr kritisch und führen ihn seine Prinzipien zu den europäischen Frei- denkern, Liberalen und beherzten, allgemein bekannten Intellektuellen wie Voltaire und Orwell. Was Shahak als Unterstützer der palästinensischen Rechte sogar noch furchtbarer macht, ist, daß er nicht der sentimentalen Idee unterliegt, daß, weil die Palästinenser unter den Israelis,

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gelitten haben, sie wegen ihrer Torheiten [engl.: follies] ent- schuldigt werden müßten. Weit davon entfernt: Shahak ist immer sehr kritisch über die Schlampigkeit der PLO gewe- sen, ihrer Ignoranz gegenüber Israel, ihrer Unfähigkeit sich Israel entschieden zu widersetzen, ihrer schäbigen Kompro- misse und ihres Personenkultes, ihres allgemeinen Mangels an Seriosität. Er hat sich auch kraftvoll gegen die Rachsucht oder das Töten von palästinensischen Frauen aus „Ehrge- fühl“ [am.: „honor”] ausgesprochen und ist immer ein stren- ger Unterstützer der Befreiung der Frauen [engl.: feminist liberation] gewesen. Während der 1980er Jahre, als es für palästinensische In- tellektuelle und einige wenige PLO-Offîziere Mode wurde, den „Dialog“ mit den israelischen Tauben der „Peace-Now“- Bewegung*, der Arbeiterpartei und Meretz zu suchen, war Shahak routinemäßig ausgeschlossen. Einerseits war er ge- genüber dem israelischen Friedenslager äußerst kritisch wegen seiner Kompromisse, seiner beschämenden Praxis, Druck auf die Palästinenser auszuüben anstatt auf die is- raelische Regierung zwecks Änderungen in der Politik, we- gen seiner Unwilligkeit, sich selbst von den Zwängen der „Beschützung“ Israels zu befreien, indem es nichts Kritisches darüber gegenüber Nichtjuden äußerte. Andererseits war Shahak nie Politiker: Er konnte einfach nicht an all das in „Positur setzen“ und die Weitschweifigkeiten glauben, der sich Leute mit politischen Ambitionen immer willig hinga- ben. Er kämpfte für Gleichheit, Wahrheit, echten Frieden und den Dialog mit den Palästinensern; die offiziellen israe- lischen Tauben kämpften für Abmachungen, die jene Art von Frieden möglich machen würde, den Oslo gebracht hat und den Shahak als einer der ersten mißbilligte. Als Palästinen- ser schämte ich mich jedoch immer darüber, daß palästinen- sische Aktivisten, die Angst hatten, den Dialog im geheimen oder öffentlich mit der Arbeiterpartei oder Meretz zu führen, sich weigerten, irgend etwas mit Shahak zu tun zu haben. Für sie war er zu radikal, zu freimütig und hinsichtlich der offiziellen Machtverhältnisse zu sehr am Rande. Auch fürchteten * „Peace-Now“ bedeutet „Frieden jetzt“. 1 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION sie, denke ich im geheimen, daß Shahak gegenüber der palästinensischen Politik zu kritisch sein würde. Was er ge- wiß gewesen wäre. Neben seinem Vorbild als Intellektueller, der seinem Ruf nie untreu wurde oder Kompromisse mit der Wahrheit, so wie er sie sah, schloß, vollbrachte Shahak jahrelang einen unge- heueren Dienst für seine Freunde und Anhänger im Aus- land. Von der richtigen Voraussetzung ausgehend, daß die israelische Presse in paradoxer Weise wahrheitsgemäßer und informativer über Israel berichtete als es weder die ara- bischen noch die westlichen Medien taten, hat er in mühe- voller Arbeit Tausende von Artikeln aus der hebräischspra- chigén Presse übersetzt, mit Anmerkungen versehen und dann vervielfältigt und ebenfalls versandt. Es ist unmöglich, seine Dienstleistungen zu überschätzen. Was mich anbe- trifft, einer Person, die über Palästina sprach und schrieb, hätte ich das, was ich getan habe, nicht ohne Shahaks Papie- re und natürlich seinem Beispiel als Sucher nach Wahrheit, Wissen und Gerechtigkeit leisten können. Es ist nichts einfa- cher als das, und dafür schulde ich ihm ein riesiges Danke- schön. Er erledigte diese mühevolle Arbeit zum größten Teil sowohl auf eigene Kosten als auch in seiner Freizeit. Die Fußnoten, die er beifügte und die kleinen Einführungen, die er für seine monatliche Presseauswahl schrieb, waren wegen ihrer durchdringenden Urteilskraft, ihrer hohen nachrichtli- chen Prägnanz und unendlichen pädagogischen Geduld un- bezahlbar. Während all dem setzte Shahak natürlich seine wissenschaftliche Forschungsarbeit und seinen Unterricht fort; keines von beiden hatte irgend etwas mit seinen Kom- mentaren und Übersetzungen zu tun. Irgendwie fand er auch die Zeit, die belesenste Persönlich- keit zu werden, die ich je gekannt habe. Der Umfang seines Wissens über Musik, Literatur, Soziologie und vor allem Geschichte – in Europa, Asien und sonstwo – ist nach meiner Erfahrung unvergleichlich. Aber als Gelehrter des Juden- tums überragt er so viele andere, denn es ist das Judentum, das seine Tatkraft als Gelehrter und politischer Aktivist von Anfang an in Anspruch nahm. Vor ein paar Jahren begann er,,

VORWORTE

seine Übersetzungen mit „Reports“ [Berichten] zu durch- setzen, die bald monatliche Dokumente von einigen tausend Wörtern zu einem aktuellen Thema wurden, z.B.: „Der tatsächliche rabbinische Hintergrund zu Rabins Ermordung“ oder „Warum muß Israel mit Syrien Frieden schließen?“ (überraschenderweise, weil Syrien das einzige arabi- sche Land ist, das Israel tatsächlich militärisch scha- den kann) und so weiter. Dieses waren unschätzbare „Digests”* [Sammlungen] der Presse mit äußerst scharfsinnigen, oft- mals inspirierten Analysen laufender Trends und politischer Sachverhalte, die gewöhnlich von den gleichgeschalteten [engl.: mainstream] Medien verdunkelt oder gar nicht be- richtet werden. Ich habe Shahak immer als großartigen Historiker, hervor- ragenden Intellektuellen und Universalgelehrten gekannt und als politischen Aktivisten: Aber wie ich bereits oben angedeutet habe, bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß sein zentrales „Hobby“ das Studium des Judentums, der rab- binischen und talmudischen Traditionen gewesen ist und der Gelehrsamkeit über diesen Gegenstand. Dieses Buch ist da- her ein machtvoller Beitrag zu diesen Dingen. Es ist nichts weniger als eine kurz gefaßte Geschichte sowohl des „klassi- schen“ als auch des neueren Judentums, soweit diese für ein Verständnis des modernen Israel erforderlich sind. Shahak zeigt, daß die dunklen, engstirnig chauvinistischen Vor- schriften gegen verschiedene unerwünschte Andere im Ju- dentum zu finden sind (natürlich ebenso wie in anderen mo- notheistischen Traditionen), aber er fahrt dann auch fort, um die Beständigkeit zwischen jenen und der Art und Weise, in der Israel die Palästinenser, Christen und andere Nichtjuden * Digests sind die in den angelsächsischen Ländern übliche Art von Zeitschriften mit interessanten Auszügen aus Büchern, Zeitschrif- ten usw. Im deutschen Sprachraum ist z.B. die Monatsschrift „Reader's Digest“ bekannt. 1 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION behandelt, aufzuzeigen. Ein verheerendes Portrait von Voreingenommenheit, Heuchelei und religiöser Intoleranz tritt in Erscheinung. Wichtig daran ist, daß Shahaks Be- schreibung nicht nur die Fiktionen von Israels Demokratie, von denen die westlichen Medien voll sind, als Lüge hin- stellt, sondern auch arabische Führer und Intellektuelle wegen ihrer skandalösen, ignoranten Sicht des Staates [Isra- el] stillschweigend [engl.: implicitly] anklagt, besonders wenn sie ihren Leuten mit dreister Selbstverständlichkeit einreden, daß Israel sich wirklich geändert hätte und nun Frieden mit den Palästinensern und anderen Arabern wün- sche. Shahak ist ein sehr mutiger Mann, der für seine Dienste für die Menschheit geehrt werden sollte. Aber in der heutigen Welt sind die Beispiele unermüdlicher Arbeit, unbeugsamer moralischer Energie und intellektueller Klarheit, die er ge- setzt hat, eine Störung [engl.: embarrassment] des Status quo und eine Beeinträchtigung gegenüber jedem, für den die Arbeit „umstritten“ ist, was „unangenehm“ und „beunruhi- gend“ bedeutet. Ich bin jedoch sicher, daß das, was Shahak in „Jewish History, Jewish Religion“ [„Jüdische Geschichte, jüdische Religion“] sagt, ebenso eine Quelle des Unbehagens für seine arabischen Leser sein wird. Ich bin sicher, er würde sagen, daß es ihm gefällt., ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? Hier schreibe ich, was ich für wahr halte, denn die Erzählungen der Griechen sind zahlreich und meiner Meinung nach lächerlich. (Hekatäus von Milet, wie von Herodot überliefert) Amicus Plato sed magis amica veritas. – Platon ist ein Freund, aber die Wahrheit ist ein größe- rer Freund. (Traditionelle Paraphrase einer Textpassage aus Aristoteles' Ethik) In einem freien Staat kann jedermann denken, was er will, und sagen, was er denkt. (Spinoza)

Kapitel l Israel – ein Utopia für Auserwählte?

Obwohl dieses Buch in Englisch geschrieben wurde und sich an Menschen wendet, die außerhalb des Staates Israel leben, ist es gewissermaßen eine Fortsetzung meiner politischen Aktivitäten als israelischer Jude. Diese Aktivitäten began- nen in den Jahren 1965-1966 mit einem Protest, der seiner- zeit einen beachtlichen Skandal verursachte: Ich war selbst Augenzeuge eines Vorfalls, bei dem ein ultrareligiöser Jude die Erlaubnis verweigerte, sein Telefon am Sabbat zu benut- zen, um einen Rettungswagen für einen Nichtjuden herbei- zurufen, der zufällig in seiner Jerusalemer Nachbarschaft zusammengebrochen war. Anstatt den Vorfall einfach in der Presse zu veröffentlichen, bat ich um ein Treffen mit den Mitgliedern des Rabbinischen Gerichts von Jerusalem, das aus Rabbinern zusammengesetzt ist, die vom Staate Israel 2 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION ernannt werden. Ich fragte sie, ob ein solches Verhalten mit ihrer Interpretation der jüdischen Religion vereinbar war. Sie antworteten mir, daß sich der betreffende Jude richtig, ja sogar fromm verhalten hatte, und untermauerten ihre Fest- stellung, indem sie mich auf eine Passage in einem maßgeb- lichen Handbuch der talmudischen Gesetze hinwiesen, das in diesem Jahrhundert verfaßt worden war. Ich berichtete den Vorfall der wichtigsten hebräischen Tageszeitung Ha'aretz, die mit der Veröffentlichung der Geschichte einen Medienskandal auslöste. Die Folgen des Skandals waren, was mich anbetrifft, ziem- lich negativ. Weder die israelischen noch die in der Diaspora lebenden Autoritäten hoben ihre Vorschrift jemals auf, der- zufolge ein Jude den Sabbat nicht entheiligen dürfe, um das Leben eines Nichtjuden zu retten. Sie fügten dem Sinne nach viel scheinheiliges, albernes Geschwätz hinzu, daß, falls die Auswirkungen solchen Handelns Juden in Gefahr bringe, die Entweihung des Sabbats um ihretwillen erlaubt sei. Es wur- de mir offenbar – nachdem ich mich auf in der Jugend er- worbenes Wissen besann, begann ich die talmudischen Ge- setze zu studieren, welche die Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden regeln –, daß weder der Zionismus, ein- schließlich seines scheinbar weltlichen Anteils, noch die is- raelische Politik seit der Gründung des Staates Israel, noch im besonderen die Politik der jüdischen Unterstützer Israels in der Diaspora verstanden werden konnten, wenn nicht der tiefere Einfluß dieser Gesetze und der Weltanschauung – die sie gemeinsam erzeugen und ausdrücken – berücksichtigt wird. Die tatsächliche Politik, die Israel seit dem Sechs- Tage-Krieg verfolgte, und besonders der Apartheidcharakter des israelischen Regimes in den „Besetzten Gebieten“ und das Verhalten der Mehrheit der Juden zur Streitfrage über die Rechte der Palästinenser haben – sogar theoretisch betrach- tet – diese Überzeugung noch gefestigt. Mit diesen Feststellungen versuche ich keineswegs diejeni- gen politischen oder strategischen Erwägungen, welche die Herrscher Israels ebenfalls beeinflußt haben mögen, zu igno- rieren. Ich sage lediglich, daß die gegenwärtige Politik eine, ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? gegenseitige Beeinflussung aus realistischen Erwägungen (ob wohlbegründet oder verfehlt, ob moralisch oder unmora- lisch sei dahingestellt) und ideologischen Einflüssen ist. Letztere neigen dazu, um so einflußreicher zu sein, je weni- ger sie diskutiert und „bei Licht betrachtet“ werden. Jede Form von Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeind- lichkeit wird mächtiger und gewinnt größeren politischen Einfluß, wenn sie von der Gesellschaft, die sie duldet, als selbstverständlich hingenommen wird. Dies trifft besonders dann zu, wenn die Diskussion darüber verboten ist, sei es gewohnheitsmäßig oder aufgrund stillschweigenden Über- einkommens. Wenn Rassismus, Diskriminierung und Frem- denhaß unter Juden vorherrschen und – angeheizt durch religiöse Motivierung – gegen Nichtjuden gerichtet sind, so gleicht dies seinem Gegenteil: dem Antisemitismus und sei- nen religiösen Motiven. Während man heute jedoch über das zweitgenannte [den Antisemitismus] diskutiert, wird gerade das Bestehen des ersteren [die jüdische Diskriminierung der Nichtjuden] allgemein ignoriert, und zwar außerhalb Israels noch mehr als im Lande selbst.

Der wesentliche Charakter

des jüdischen Staates Ohne eine Erörterung der vorherrschenden jüdischen Ein- stellungen gegenüber Nichtjuden kann selbst das Konzept Israels als „jüdischer Staat“, wie sich Israel offiziell selbst kennzeichnet, nicht verstanden werden. Die weitverbreitete falsche Auffassung, daß Israel – selbst ohne Berücksichti- gung seiner Regierungsform in den „Besetzten Gebieten“ – eine echte Demokratie sei, erwächst aus der Weigerung, der Bedeutung, die der Begriff „ein jüdischer Staat“ für Nichtju- den hat, trotzig entgegenzutreten. Nach meiner Ansicht stellt Israel als „jüdischer Staat“ nicht nur eine Gefahr für sich selbst und seine Einwohner dar, sondern für alle Juden und für alle anderen Völker und Staaten im Mittleren Osten und darüber hinaus. Ebenso ziehe ich in Betracht, daß ande- re Staaten oder Anwesen des Mittleren Ostens, die sich 2 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION selbst als „arabisch“ oder „mohammedanisch“ kennzeichnen, desgleichen – wie die israelische Selbstdefinition, „jüdisch“ zu sein – eine Gefahr darstellen. Während man diese Gefahr auf breiter Basis diskutiert, wird jedoch die Gefahr, die dem jüdischen Charakter des Staates Israel innewohnt, nicht beachtet. Die Grundauffassung von Israel als „einem jüdischen Staat“ war für israelische Politiker seit der Gründung des Staates äußerst wichtig und wurde der jüdischen Bevölkerung mit allen nur denkbaren Mitteln eingeschärft. Als sich in den frühen 1980er Jahren eine winzige Minderheit israelischer Juden herauskristallisierte, die sich diesem Konzept wider- setzte, verabschiedete die Knesset 1985 mit überwältigender Mehrheit ein Verfassungsgesetz (das ist ein Gesetz, das ge- genüber den Bestimmungen anderer Gesetze Vorrang hat und nicht aufgehoben werden kann, es sei denn durch ein spezielles Verfahren). Aufgrund dieses Gesetzes ist es keiner Partei erlaubt, an den Wahlen zur Knesset teilzunehmen, deren Programm öffentlich dem Prinzip „eines jüdischen Staates“ widerspricht oder beabsichtigt, es mit demokrati- schen Mitteln zu verändern. Ich selbst bin ein entschiedener Gegner dieses Verfassungsgrundsatzes. Die rechtliche Aus- wirkung bedeutet für mich, daß ich in dem Staat, dessen Bürger ich bin, keiner Partei angehören kann, deren Prinzi- pien ich zustimmen würde und der es erlaubt ist, an den Knesset-Wahlen teilzunehmen. Allein dieses Beispiel zeigt, daß der Staat Israel wegen der Anwendung einer jüdischen Ideologie, die gegen alle Nichtjuden gerichtet ist und gegen jene Juden, die dieser Ideologie widersprechen, keine Demo- kratie ist. Aber die Gefahr, die diese vorherrschende Ideolo- gie darstellt, ist nicht auf innerstaatliche Angelegenheiten beschränkt. Sie beeinflußt auch Israels Außenpolitik. Diese Gefahr wird solange weiter anwachsen, wie zwei gegenwär- tig wirksame Entwicklungen an Stärke zunehmen: Das An- wachsen des jüdischen Charakters Israels und die Zunahme an Macht, insbesondere an nuklearer Stärke. Ein weiterer unheilvoller [engl.: ominous = von übler Vorbedeutung] Fak- tor ist die Tatsache, daß der israelische Einfluß auf das poli- tische Establishment der USA ebenfalls zunimmt. Deshalb, ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? sind fehlerfreie Informationen über das Judentum und be- sonders über die Behandlung von Nichtjuden durch Israel gegenwärtig nicht nur wichtig, sondern gleichfalls politisch lebensnotwendig. Lassen Sie mich mit der offiziellen israelischen Definition des Begriffes „jüdisch“ beginnen, wodurch der wesentliche Unterschied zwischen Israel als „einem jüdischen Staat“ und der Mehrzahl der anderen Staaten veranschaulicht wird. Nach dieser amtlichen Definition „gehört“ Israel den Perso- nen, und nur diesen allein, die von den israelischen Behör- den als „jüdisch“ definiert werden, ohne Rücksicht darauf, wo sie wohnen. Andererseits „gehört“ Israel offiziell nicht seinen nichtjüdischen Staatsbürgern, deren Status sogar offiziell als untergeordnet angesehen wird. Dies bedeutet praktisch, daß Mitglieder eines peruanischen Stammes, die zum Judentum übergetreten sind und somit als jüdisch an- gesehen werden, sofort berechtigt sind, israelische Staats- bürger zu werden und Nutzen aus etwa 70 % des „West- Bank“-Landes* zu ziehen (und aus 92 % des zu Israel selbst gehörenden Gebietes), das offiziell ausschließlich zum Nut- zen von Juden bestimmt ist. Allen Nichtjuden (nicht nur allen Palästinensern) ist es verboten, Nutzen aus diesen Ländereien zu ziehen. (Das Verbot gilt sogar für israelische Araber, die in der israelischen Armee dienten und einen hohen Rang erreichten.) Der Fall betreffend der zum Juden- tum konvertierten Peruaner ereignete sich tatsächlich vor wenigen Jahren. Diese frisch erschaffenen Juden wurden auf der „West-Bank“ in der Nähe von Nablus auf Land angesie- delt, von dem Nichtjuden offiziell ausgeschlossen sind. Alle israelischen Regierungen nehmen ungeheure politische Risi- ken, einschließlich der Kriegsgefahr, auf sich, damit solche Siedlungen, die sich ausschließlich aus „jüdisch“ definierten Personen zusammensetzen (und nicht etwa „israelischen“, wie die meisten Medien verlogen behaupten), allein von „jü- dischen“ Autoritäten abhängig sein würden. * Von Israel besetztes Gebiet in Westjordanien 2 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Ich vermute, daß die Juden der USA oder von Britannien es als antisemitisch betrachten würden, falls Christen vor- schlagen würden, daß die USA oder das Vereinigte König- reich ein „christlicher Staat“ werden sollten, der nur den Staatsbürgern gehört, die offiziell als „Christen“ definiert werden. Die Folge einer solchen Doktrin wäre, daß Juden, die zum Christentum konvertiert sind, aufgrund ihres Über- trittes zum Christentum vollwertige Staatsbürger werden würden. Es sollte daran erinnert werden, daß Juden die Vor- teile von Glaubensübertritten aus ihrer eigenen Geschichte gut bekannt sind. Als es in christlichen und islamischen Staaten üblich war, alle Personen zu diskriminieren – ein- schließlich der Juden –, die nicht der Staatsreligion angehör- ten, wurde die Diskriminierung von Juden aufgrund ihres Glaubensübertritts sofort eingestellt. Ebenso wird bei einem Nichtjuden, der vom Staate Israel diskriminiert wurde, eine derartige Behandlung in dem Moment aufhören, in dem er oder sie zum Judentum konvertiert. Dies zeigt ganz einfach, daß dieselbe Art der Ausschließlichkeit, die von einer Mehr- heit der Diaspora-Juden als antisemitisch betrachtet wird, von der Mehrheit aller Juden als jüdisch angesehen wird. Sowohl den Antisemitismus als auch den jüdischen Chauvi- nismus zu bekämpfen, wird unter Juden weitgehend als „Selbsthaß“ angesehen, eine Auffassung, die ich für unsinnig halte. Die Bedeutung des Begriffes „jüdisch“ und der Wörter glei- chen Ursprungs einschließlich „Judentum“ [engl.: Judaism] wird auf diese Weise im Zusammenhang mit der israelischen Politik ebenso wichtig wie die Bedeutung von „islamisch“, wenn es offiziell vom Iran verwendet wird, oder „kommuni- stisch“, wenn es offiziell von der UdSSR gebraucht wurde. Die Bedeutung des Begriffes „jüdisch“, wie er weitverbreitet verwendet wird, ist jedoch nicht eindeutig, weder im Hebräi- schen noch in seiner Übersetzung in andere Sprachen, so daß der Begriff offiziell definiert werden mußte. Nach israelischem Gesetz wird eine Person als „jüdisch“ an- gesehen, wenn entweder deren Mutter, Großmutter, Ur- großmutter und Ururgroßmutter der Religion nach Jüdinnen, ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? waren, oder wenn die betreffende Person in einer die israeli- schen Behörden zufriedenstellenden Weise zum Judentum übergetreten war, und unter der Bedingung, daß die betref- fende Person nicht vom Judentum zu einer anderen Religion konvertiert ist, da in solch einem Falle Israel aufhört, diese als „jüdisch“ zu betrachten. Von den drei Bedingungen gibt die erste die Definition des Talmuds, „wer Jude ist“, wieder, eine Definition, der die jüdische Orthodoxie folgt. Der Tal- mud und das nachtalmudische rabbinische Gesetz erkennen auch den Glaubensübertritt eines Nichtjuden zum Judentum (ebenso wie den Kauf eines nichtjüdischen Sklaven durch einen Juden, dem eine besondere Art der Bekehrung folgt) als eine Methode an, jüdisch zu werden, vorausgesetzt, daß die Bekehrung durch bevollmächtigte Rabbiner in gründli- cher Weise vorgenommen wird. Diese „gründliche Weise“ hat für Frauen zur Folge, daß sie nackt in einem „Reinigungs- bad“ von drei Rabbinern untersucht werden, einem Ritual, das – obwohl allen Lesern der hebräischen Presse bekannt – in den englischsprachigen Medien trotz des unbezweifelba- ren Interesses gewisser Leser nicht oft erwähnt wird. Ich hoffe, daß dieses Buch der Anfang eines Prozesses sein wird, der dieses Mißverhältnis verbessern wird. Es gibt aber eine weitere dringende Notwendigkeit für eine offizielle Definition, wer „jüdisch” ist und wer nicht. Der Staat Israel benachteiligt offiziell Nichtjuden in vielen Le- bensbereichen zu Gunsten von Juden, von denen ich drei für besonders wichtig erachte: das Wohnrecht, das Recht auf Arbeit und das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Die Diskriminierung in bezug auf das Wohnrecht gründet sich auf die Tatsache, daß etwa 92 % von Israels Grund und Boden Staatseigentum ist und von der Israelischen Landbe- hörde gemäß Bestimmungen verwaltet wird, die vom Jüdi- schen National Fonds (JNF), einer Tochterorganisation der World Zionist Organization, erlassen wurden. In seinen Be- stimmungen verweigert der JNF jedem, der nicht jüdisch ist, das Recht, [in Israel] zu wohnen, ein Geschäft zu eröffnen und oftmals auch zu arbeiten. Gleichzeitig ist es Juden nicht verboten, sich irgendwo in Israel anzusiedeln oder Unter- 2 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION nehmen zu eröffnen. Eine derartige diskriminierende Be- handlung gegenüber Juden in einem anderen Staat würde sofort und mit Recht als Antisemitismus gebrandmarkt wer- den und ohne Zweifel massive öffentliche Proteste auslösen. Wendet Israel jedoch die gleichen Maßnahmen als Bestand- teil seiner „jüdischen Ideologie“ an, werden diese gewöhnlich geflissentlich ignoriert oder – wenn überhaupt erwähnt – entschuldigt. Die Verweigerung des Rechts auf Arbeit bedeutet, daß es Nichtjuden offiziell verboten ist, auf Grund und Boden zu arbeiten, der von der Israelischen Landbehörde entsprechend den JNF-Bestimmungen verwaltet wird. Diese Bestimmun- gen werden zweifellos nicht immer – oder nicht sehr oft – durchgesetzt, aber gleichwohl existieren sie. Immer wieder versucht Israel durch Kampagnen seiner staatlichen Behör- den die Befolgung dieser Vorschriften durchzusetzen, so bei- spielsweise, wenn das Landwirtschaftsministerium Maß- nahmen ergreift gegen „die Seuche, Obstplantagen, die Ju- den gehören und die auf ,Nationalem Land’ [d.h. Grund und Boden, der dem Staate Israel gehört] gelegen sind, von arabi- schen Arbeitern abernten zu lassen“, selbst wenn die fragli- chen Arbeiter Staatsbürger Israels sind. Auch Juden, die auf „Nationalem Land“ ansässig sind, ist es von Israel streng verboten, auch nur einen Teil ihres Grund und Bodens an Araber – selbst für eine kurze Zeit – weiterzuverpachten; und diejenigen, die dies trotzdem tun, werden gewöhnlich mit hohen Geldbußen bestraft. Es gibt kein Verbot für Nichtjuden, ihr Land an Juden zu verpachten. Dies bedeutet in meinem eigenen Falle, daß ich durch den Vorzug, Jude zu sein, das Recht habe, einen Obstgarten von einem anderen Juden zu pachten, um seine Früchte zu ernten; aber ein Nichtjude – weder als Staatsbürger Israels noch als ansässi- ger Ausländer – besitzt dieses Recht nicht. Nichtjüdische Staatsbürger Israels haben kein Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Diese Diskriminierung kommt in vielen israelischen Gesetzen zum Ausdruck, in denen – ver- mutlich um Schwierigkeiten zu vermeiden – die Begriffe „jüdisch“ und „nichtjüdisch“ gewöhnlich nicht so klar festge-, ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? legt sind, wie dies im maßgeblichen „Rückkehrgesetz“ [Law of Return] erfolgt ist. Nach diesem Gesetz haben nur Personen, die offiziell als ,jüdisch“ anerkannt sind, ein automatisches Recht, in Israel einzureisen und dort zu wohnen. Sie erhal- ten automatisch ein „Einwanderungszertifikat“, das ihnen bei der Ankunft die „Staatsbürgerschaft kraft Rückkehr in das jüdische Heimatland“ zuerkennt und den Anspruch auf viele finanzielle Vorteile, die, je nachdem aus welchem Land sie auswanderten, variieren. Die Juden, die aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion [UdSSR] auswandern, erhalten „eine Aufnahmebeihilfe“ [engl.: absorption grant] von mehr als 20.000 $ je Familie. Alle Juden, die diesem Gesetz ent- sprechend nach Israel einwandern, erlangen unmittelbar das Recht, an Wahlen teilzunehmen und in die Knesset gewählt zu werden – selbst wenn sie kein Wort Hebräisch sprechen. Andere israelische Gesetze verwenden mehr verschwomme- ne Formulierungen wie „jeder, der in Übereinstimmung mit dem Rückkehrgesetz einwandern kann“ und „jeder, der nicht berechtigt ist, aufgrund des Rückkehrgesetzes einzuwandern“. In Abhängigkeit von dem fraglichen Gesetz werden Vergün- stigungen dann der zuerst genannten Kategorie gewährt und der zweiten systematisch verweigert. Das übliche Hilfsmittel für die Aufrechterhaltung der Diskriminierung im täglichen Leben ist die „ID-card“ [identity card = Personalausweis], die jeder ständig bei sich tragen muß. Diese ID-Karte gibt die offizielle „Nationalität“ einer Person an, welche „jüdisch“, „Araber“, „Druse“ oder ähnlich sein kann, mit der bedeutsa- men Ausnahme von „Israeli“. Versuche, den Innenminister zu zwingen, Israelis auf deren Wunsch zu gestatten, sich auf ihrer ID-Karte offîziel als „Israeli“ oder sogar als „Israeli- Jude“ zu bezeichnen, schlugen fehl. Jene, die dies durchzu- setzen versucht hatten, haben vom Innenministerium einen Brief mit dem Hinweis erhalten, daß „es entschieden wurde, keine israelische Nationalität anzuerkennen“. Der Brief macht keine Angaben darüber, wer diese Entscheidung traf oder wann dies geschah. Es gibt in Israel so viele Gesetze und Bestimmungen, die Personen zu Gunsten derjenigen diskriminieren, „die in 2 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Übereinstimmung mit dem Rückkehrgesetz einwandern kön- nen“, daß diese Angelegenheit eine eigene Behandlung erfor- dert. Hier können wir ein einzelnes Beispiel betrachten, das im Vergleich mit den Niederlassungsbeschränkungen scheinbar unbedeutend ist, aber nichtsdestoweniger wichtig, weil es die tatsächlichen Absichten des israelischen Gesetz- gebers enthüllt. Israelische Staatsbürger, die das Land für einige Zeit verließen, aber zu jenen gehören, die „in Überein- stimmung mit dem Rückkehrgesetz einwandern können“, haben bei ihrer Rückkehr Anspruch auf großzügige Begün- stigungen durch den Zoll, auf Zahlung von Beihilfen für die höhere Schulausbildung ihrer Kinder und auf Erhalt entwe- der eines Zuschusses oder einer Anleihe zu günstigen Bedin- gungen für den Kauf einer Etagenwohnung, ebenso wie auf weitere Vergünstigungen. Staatsangehörige, die nicht unter diese Definition fallen, mit anderen Worten, die nichtjüdi- schen Staatsbürger Israels, erhalten keine dieser Begünsti- gungen. Die unverkennbare Absicht solcher diskriminieren- den Maßnahmen besteht darin, die Zahl der nichtjüdischen Staatsbürger Israels zu verringern, um Israel zu einem „jü- discheren“ Staat zu machen.

Die Ideologie vom „erretteten” Land

Israel propagiert unter seinen jüdischen Bürgern auch eine ausgrenzende [engl.: exclusivist] Ideologie vom Rückkauf = Errettung des Landes [engl.: Redemption of Land]*. Das offi- zielle Ziel, die Zahl der Nichtjuden zu verringern, ist in die- ser Ideologie, die in Israel schon den jüdischen Schulkindern * Anmerkung des Übersetzers: Der Ausdruck „redemption“ ist schwer zu übersetzen, da er verschiedene Bedeutungen haben kann. Das Verb „redeem“ kann „zurückkaufen”, „freikaufen”, „wiedergutmachen”, „erlösen” (Theol.) und „erretten” bedeuten. Das Substantiv „redeemer“ kann „Rückkäufer” oder (Theol.) „der Erlöser”, „Erretter” bzw. „Heiland” sein. Diese religiöse Dimension ist beabsichtigt. Nach Mitteilung von Prof. Shahak ist die religiöse Bedeutung des Wortes „redemption” in „Redemption of Land” genau die gleiche wie in der christlichen Religion diejenige des Begriffs „Errettung” in „des Sünders Seele erretten“., ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? eingeprägt wird, gut erkennbar. Ihnen wird gelehrt, daß dies in vollem Umfang sowohl für den Staat Israel als auch für das gilt, was nach 1967 als das Land Israel bezeichnet wird. Nach dieser Ideologie ist das Land, das „zurückgekauft“ = „errettet“ [engl.: redeemed] worden ist, das Land, das aus nichtjüdischem in jüdischen Besitz übergegangen ist. Das Eigentum kann entweder in privater Hand sein oder auch dem JNF oder dem jüdischen Staat gehören. Das Land, das Nichtjuden gehört, wird dagegen als „nicht errettet“ [unre- deemed] betrachtet. Selbst wenn ein Jude, der die denkbar schwersten Verbrechen begangen hat, ein Stück Land von einem tugendhaften Nichtjuden kauft, wird das „nicht erret- tete“ [unredeemed] Land aufgrund dieser Transaktion „erret- tetes“ [redeemed] Land. Kauft jedoch ein unbescholtener Nichtjude Land vom schlechtesten Juden, wird das zuvor makellose und „errettete“ Land wieder zu „nicht errettetem“ Land. Die logische Schlußfolgerung aus einer solchen Ideolo- gie ist die Vertreibung – „Transfer“ genannt – aller Nichtju- den aus dem Gebiet des Landes, das „errettet“ werden muß. Daher beinhaltet die „Utopia“ der „jüdischen Ideologie“, die sich der Staat Israel zu eigen gemacht hat, ein Land, das vollständig „errettet“ ist und von dem nichts im Besitz von Nichtjuden ist oder von diesen bearbeitet wird. Die Führer der zionistischen Arbeiterbewegung bekundeten diese höchst abstoßende Idee mit größter Klarheit: WALTER LAQUEUR, ein ergebener Zionist, erzählt in seiner „History of Zionism“ [„Geschichte des Zionismus”]1, wie einer dieser geistigen Väter, der im Jahre 1919 verstorbene A.D. GORDON, „Gewaltanwendung grundsätzlich ablehnte und Selbstverteidigung nur unter extremen Umständen rechtfertigte. Aber er und seine Freunde wollten, daß jeder Baum und jeder Strauch im jüdischen Heimat- land von niemand anders als von jüdischen Pionieren gepflanzt werden sollte.“ Das bedeutet, daß sie von allen anderen verlangten, einfach fortzugehen und das Land zu verlassen, das von Juden „er- rettet“ werden sollte. GORDONs Nachfolger wandten weitaus mehr Gewalt an als er beabsichtigte, doch das Prinzip des 3 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION „Rückkaufs“ = „Errettung“ und seine Konsequenzen sind geblieben. Auch der Kibbuz, der weithin als Versuch gepriesen wurde, ein Utopia zu schaffen, war und ist eine ausgrenzende [engl.: exclusivist] Utopie. Selbst wenn er aus Atheisten besteht, werden arabische Mitglieder prinzipiell nicht akzeptiert und verlangt, daß potentielle Mitglieder anderer Nationalitäten zuerst zum Judentum übertreten. Es ist daher kein Wunder, daß die Kibbuz-Jungen als der militaristischste Teil der is- raelischen jüdischen Gesellschaft angesehen werden können. Es ist diese ausgrenzende Ideologie – vielmehr als all die „Sicherheitsbedürfnisse“, die von der israelischen Propagan- da vorgegeben werden –, welche in Israel in den 1950er Jah- ren die Übernahme von Land veranlaßte, und wiederum Mitte der 1960er Jahre und in den „Besetzten Gebieten“ nach 1967. Diese Ideologie diktierte auch offizielle israelische Plä- ne für „die Judaisierung von Galiläa“. Diese eigentümliche Bezeichnung bedeutet, daß man Juden ermutigt, sich in Ga- liläa anzusiedeln, indem man ihnen finanzielle Vergünsti- gungen gewährt. (Ich möchte gern wissen, wie wohl die Re- aktion von US-Juden sein würde, wenn in ihrem Lande ein Plan für „die Christinanisierung von New York“ oder eben nur von Brooklyn vorgeschlagen würde.) Doch der Rückkauf = „Errettung des Landes“ beinhaltet mehr als nur regionale „Judaisierung“. Im gesamten Gebiet von Israel stellt der JNF, energisch unterstützt von israelischen staatlichen Or- ganen (besonders von der Geheimpolizei), große Beträge öffentlicher Gelder zur Verfügung, um alles Land, das Nichtjuden zu verkaufen gewillt sind, „zurückzukaufen = „zu erretten“, und durch Anwendung des Vorkaufsrechts jedem Versuch eines Juden zuvorzukommen, sein Land einem Nichtjuden zu verkaufen, weil dieser ihm einen höheren Preis zahlt., ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ?

Israelischer Expansionismus

Die Hauptgefahr, der Israel als „jüdischer Staat“ sein eige- nes Volk, andere Juden und seine Nachbarn aussetzt, ist sein ideologisch begründetes Streben nach territorialer Aus- dehnung und die sich aus diesem Streben ergebende unum- gängliche Serie von Kriegen. Je jüdischer Israel wird oder, wie man auf Hebräisch sagt, je mehr es „zum Judentum zu- rückkehrt“ (ein Prozeß, der in Israel mindestens seit 1967 in vollem Lauf gewesen ist), um so mehr wird seine aktuelle Politik durch jüdische ideologische und weniger durch ratio- nale Erwägungen beeinflußt. Die Verwendung des Begriffs „rational“ bezieht sich hier nicht auf eine moralische Bewer- tung der israelischen Politik oder auf angebliche Verteidi- gungs- oder Sicherheitsbedürfnisse Israels – und ebensowe- nig auf die vermeintlichen Notwendigkeiten des „israelischen Überlebens“. Ich beziehe mich hier auf die israelische regie- rungsamtliche [engl.: imperial] Politik, soweit sie auf Israels vermeintlichen Interessen beruht. Wie moralisch verwerflich oder politisch grob solche Politik auch sein mag, ich halte die Realisierung einer Politik, die auf „jüdischer Ideologie“ fußt, in allen ihren verschiedenen Versionen für noch schlechter. Die ideologischen Begründungen der israelischen Politik basieren in der Regel auf jüdischen religiösen Glaubensvor- stellungen oder – im Falle säkularer Juden – auf den „histo- rischen Rechten“ der Juden, die sich aus solchen Glaubens- vorstellungen ableiten und an dem dogmatischen Charakter des religiösen Glaubensbekenntnisses festhalten. Meine eigene frühe politische Wandlung von einem Bewun- derer BEN-GURIONs zu seinem entschiedenen Gegner begann genau mit solch einer Kernfrage. Im Jahre 1956 nahm ich begierig alle von BEN GURION vorgetragenen politischen und militärischen Gründe Israels für den Beginn des Suez- Krieges für bare Münze, bis er (obwohl er Atheist ist und stolz auf die Mißachtung der Gebote der jüdischen Religion) am dritten Tage jenes Krieges in der Knesset erklärte, daß der wirkliche Grund für den Krieg, „die Wiederherstellung des Königreichs DAVIDs und SALOMONs“ in seinen biblischen Grenzen sei. An dieser Stelle seiner Rede erhoben sich spon- 3 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION tan fast alle Knesset-Mitglieder und sangen die israelische Nationalhymne. Meines Wissens hat kein zionistischer Poli- tiker jemals BEN GURIONs Vorstellung zurückgenommen, daß die israelische Politik (innerhalb der Grenzen pragmati- scher Überlegungen) auf der Wiederherstellung der bibli- schen Grenzen als der Grenzen des jüdischen Staates be- gründet sein müßte. Tatsächlich verdeutlicht eine gründliche Analyse der israelischen Langzeitstrategien und der aktuel- len Prinzipien der Außenpolitik, wie sie auf Hebräisch offen- bart werden, daß es „jüdische Ideologie“ ist – mehr als ir- gendein anderer Faktor –, welche die aktuelle israelische Politik bestimmt. Die Nichtbeachtung des Judentums, wie es tatsächlich ist, und der „jüdischen Ideologie“ machen diese Politik für ausländische Beobachter unverständlich, die ge- wöhnlich – außer einigen plumpen Rechtfertigungen – nichts über das Judentum wissen. Lassen Sie mich eine eher neuere Schilderung des wesentli- chen Unterschieds geben, der zwischen der israelischen re- gierungsamtlichen [engl.: imperial] Planung der meist auf- geblähten aber säkularen Art und den Prinzipien „jüdischer Ideologie“ besteht. Letztere schreiben vor, daß Land, das in uralter Zeit weder von irgendeinem jüdischen Herrscher regiert noch den Juden von Gott versprochen war, weder in der Bibel noch – was politisch tatsächlich noch wichtiger ist – gemäß einer rabbinischen Interpretation der Bibel und des Talmuds, zu Israel gehören sollte, seitdem es ein jüdischer Staat ist. Zweifellos sind viele jüdische „Tauben“ der Mei- nung, daß solche Eroberung auf einen Zeitpunkt zurückge- stellt werden sollte, zu dem Israel mächtiger sein wird als es heute ist, oder daß es – hoffnungsvollerweise – „eine friedli- che Eroberung“ geben würde, d.h. daß sich die arabischen Herrscher oder Völker „überreden lassen“ würden, das fragli- che Land im Austausch gegen Vergünstigungen, die der jü- dische Staat ihnen dann gewähren würde, abzutreten. Es sind eine Anzahl sich widersprechender Versionen von den biblischen Grenzen des Landes Israel im Umlauf, die rabbinische Autoritäten als idealerweise zum jüdischen Staat gehörig interpretieren. Die weitestreichende Version, ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? unter ihnen schließt die folgenden Gebiete innerhalb dieser Grenzen ein: im Süden den gesamten Sinai und einen Teil des nördlichen Ägyptens bis zur Umgebung von Kairo; im Osten ganz Jordanien und ein großes Stück von Saudi- Arabien, ganz Kuwait und einen Teil von Irak südlich des Euphrat; im Norden den gesamten Libanon und ganz Syrien zusammen mit einem sehr großen Teil der Türkei (bis zum Van-See); und im Westen Zypern. Ein gewaltiger For- schungskomplex und gelehrte Diskussionen, die auf diesen Grenzen beruhen, dargestellt in Atlanten, Büchern, Artikeln und mehr volkstümlichen Formen der Propaganda, werden in Israel, oft mit staatlichen Zuschüssen oder anderen For- men der Unterstützung, veröffentlicht. Sicherlich wünschen der verstorbene KAHANE und seine Anhänger, ebenso wie einflußreiche Organisationen wie der Gush Emunim [Gusch Emunim]*, nicht nur die Eroberung dieser Gebiete durch Israel, sondern betrachten es als ein göttlich befohlenes Ge- setz, wobei sie sich ihres Erfolges sicher fühlen, weil Gott ihnen helfen wird. Tatsächlich halten bedeutende jüdische religiöse Persönlichkeiten die israelische Weigerung, einen solchen heiligen Krieg zu unternehmen – oder noch schlim- mer: die Rückgabe des Sinai an Ägypten –, für eine nationale Sünde, die von Gott verdientermaßen bestraft wurde. DOV LIOR, einer der einflußreicheren Gusch-Emunim-Rabbiner, der Rabbiner der jüdischen Siedlungen von Kiryat-Arba und Hebron, betonte wiederholt, daß der israelische Fehlschlag, Libanon 1982-1985 zu erobern, eine wohlverdiente göttliche Strafe für seine Sünde, der „Weggabe eines Teils des Landes Israel“, nämlich des Sinai, an Ägypten wäre. Wenn ich auch zugegebenermaßen ein extremes Beispiel für die biblischen Grenzen des Landes Israel, die zum „jüdischen Staat gehören“, gewählt habe, so sind diese Grenzen doch in national-religiösen Kreisen sehr populär. Es gibt weniger * Anmerkung des Übersetzers: Der Gusch Emunim [hebräisch: Block der Getreuen] ist eine 1974 gegründete außerparlamentari- sche Gruppe in Israel, die sich für eine verstärkte jüdische Besied- lung des Westjordanlandes einsetzt. Die meisten der jüdischen Siedlungen in diesem Gebiet sind von Mitgliedern des Gusch Emu- nim gegründet worden. 3 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION extreme Versionen der biblischen Grenzen, die zuweilen auch „historische Grenzen“ genannt werden. Es sollte jedoch hervorgehoben werden, daß innerhalb Israels und der Ge- meinschaft seiner jüdischen Unterstützer in der Diaspora die Gültigkeit des Konzepts sowohl der biblischen Grenzen als auch der historischen Grenzen – so wie die Grenzen des Landes skizziert werden, das rechtmäßig Juden gehört –, aus prinzipiellen Gründen nicht in Frage gestellt wird; mit Aus- nahme einer winzigen Minderheit, die das Konzept „eines jüdischen Staates“ ablehnt. Andererseits sind Einwände ge- gen eine Realisierung solcher Grenzen durch einen Krieg rein pragmatisch. Man kann einwenden, daß Israel zur Zeit zu schwach sei, all das Land zu erobern, das Juden „gehört“, oder daß der Verlust jüdischer Leben (aber nicht arabischer Leben!), den ein Eroberungskrieg dieser Größenordnung mit sich bringen würde, schwerwiegender als die Eroberung des Landes sei; aber im normativen Judaismus kann nicht be- stritten werden, daß „das Land Israels“, in welchen Grenzen auch immer, nicht allen Juden „gehört“. ARIEL SHARON stell- te im Mai 1993 auf dem Likud-Parteitag formell den Antrag, daß Israel das Konzept der „biblischen Grenzen“ als seine offizielle Politik annehmen sollte. Es gab sowohl innerhalb des Likud als auch außerhalb ziemlich wenige nennenswerte Einwände gegen diesen Vorschlag, und alle waren rein pragmatisch begründet. Nicht ein einziger fragte SHARON, wo die biblischen Grenzen denn genau lägen, die Israel sei- ner Meinung nach erhalten sollte. Wir wollen uns daran erinnern, daß es unter denjenigen, die sich selbst Leninisten nannten, keinen Zweifel gab, daß die Geschichte jenen Prinzi- pien folgt, die von MARX und LENIN festgelegt waren. Es ist nicht nur der eigentliche Glaube, wie dogmatisch er auch immer sein mag, sondern die Weigerung – durch die Verei- telung einer offenen Diskussion –, daß dieser überhaupt an- gezweifelt werden könnte, wodurch eine totalitäre Mei- nungseinschränkung geschaffen wird. Man kann daher sa- gen, daß die israelisch-jüdische Gesellschaft und Diaspora- Juden, die ein „jüdisches Leben“ fuhren und in rein jüdischen Verbänden organisiert sind, charakterlich einen starken Hang zum Totalitarismus besitzen., ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? Gleichwohl ist seit der Gründung des Staates auch eine is- raelische Großstrategie entwickelt worden, die nicht auf den Dogmen der „jüdischen Ideologie“, sondern auf rein strategi- schen oder machtpolitischen [engl.: imperial] Überlegungen basierte. Eine maßgebliche und klare Beschreibung der Prinzipien, die eine solche Strategie beherrschen, war vom General (der Reserve) SHLOMO GAZIT ausgearbeitet worden, einem ehemaligen Leiter des militärischen Abschirmdien- stes.2 So GAZIT: Israels Hauptaufgabe hat sich nicht im geringsten ver- ändert [seit dem Ende der UdSSR] und sie bleibt von entscheidender Wichtigkeit. Die geographische Lage Is- raels im Zentrum des arabisch-moslemischen Mittleren Ostens hat Israel dazu vorherbestimmt, ein hinge- bungsvoller Wächter der Stabilität in all den Ländern zu sein, die es umgeben. Seine [Rolle] besteht darin, die bestehenden Regierungen zu beschützen: die Radikali- sierungsprozesse zu verhindern oder zu stoppen und die Ausbreitung von fundamentalistischem religiösen Fa- natismus zu verhindern. Für diesen Zweck wird Israel Veränderungen verhin- dern, die sich jenseits von Israels Grenzen ereignen, [welche es] bis zu dem Punkt als unerträglich betrach- ten wird, an dem es sich gezwungen fühlt, seine gesam- te militärische Macht in der Absicht ihrer Verhinde- rung oder Ausrottung einzusetzen. Mit anderen Worten: Israel strebt die Errichtung einer Vor- herrschaft über andere Staaten des Mittleren Ostens an. Überflüssig zu sagen, daß Israel, entsprechend den Worten GAZITs, ein wohlwollendes Interesse an der Stabilität der arabischen Regierungen habe. Nach GAZITs Ansicht leistet Israel durch den Schutz der Regierungen des Mittleren Ostens einen lebenswichtigen Dienst für „all jene industriell fortgeschrittenen Staaten, die heftig an der Gewährleistung der Stabilität im Mittleren Osten interessiert sind“. Er be- gründet dies damit, daß die bestehenden Regierungen der Region – außer Israel – schon seit langem zusammengebro- 3 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION chen wären und daß sie nur aufgrund der israelischen Dro- hungen bestehen blieben. Da diese Ansicht heuchlerisch sein mag, sollte man sich in solchen Zusammenhängen LA ROCHEFOUCAULDs Maxime in Erinnerung rufen, daß „Heu- chelei die Steuer ist, die Niedertracht der Tugend zahlt“. Der Rückkauf = Errettung des Landes ist ein Versuch, der Zah- lung irgendeiner solchen Steuer auszuweichen. Unnötig zu sagen, daß ich auch der israelischen nicht- ideologischen Politik ganz und gar widerspreche, wie sie so einleuchtend und treffend von GAZIT erklärt wird. Gleichfalls erkenne ich, daß die Gefahren der von „jüdischer Ideologie“ motivierten Politik BEN GURIONs und SHARONs viel größer sind als diejenigen einer reinen – wenn auch kriminellen – Machtpolitik. Die Ergebnisse der Politik anderer ideologisch motivierter Regierungen weisen in dieselbe Richtung. Die Existenz einer wichtigen Komponente der israelischen Poli- tik, die auf „jüdischer Ideologie“ beruht, macht seine Analyse politisch unumgänglich. Diese Ideologie basiert, als Folge, auf der Einstellung des historischen Judentums gegenüber den Nichtjuden, eines der Hauptthemen dieses Buches. Die- se Verhaltensweisen beeinflussen notwendigerweise, bewußt oder unbewußt, viele Juden. Unsere Aufgabe ist es hier, das historische Judentum im tatsächlichen Wortlaut zu erörtern. Der Einfluß der „jüdischen Ideologie“ wird auf viele Juden um so stärker sein, je mehr sie der öffentlichen Diskussion entzogen ist. Eine solche Diskussion wird – so ist zu hoffen – die Menschen dazu führen, die gleiche Haltung gegenüber dem jüdischen Chauvinismus und der Verachtung einzu- nehmen, die von so vielen Juden den Nichtjuden entgegen- gebracht wird (was weiter unten dokumentiert werden wird), wie dies normalerweise gegenüber dem Antisemitismus und all den anderen Formen von Fremdenfeindlichkeit, Chauvi- nismus und Rassismus geschieht. Es wird mit Recht ange- nommen, daß nur das vollständige Offenlegen auch seiner historischen Wurzeln – nicht nur des Antisemitismus – die Grundlage seiner Bekämpfung sein kann. Gleichfalls bin ich davon überzeugt, daß nur die vollständige Offenlegung des jüdischen Chauvinismus und des religiösen Fanatismus die, ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? Basis sein kann, um diese Erscheinungen zu bekämpfen. Dies gilt besonders heute, wo – im Gegensatz zu der Situati- on, die vor fünfzig oder sechzig Jahren vorherrschte –, der politische Einfluß von jüdischem Chauvinismus und religiö- sem Fanatismus erheblich größer ist als derjenige des Anti- semitismus. Aber es gibt noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Ich glaube fest daran, daß Antisemitismus und jüdi- scher Chauvinismus nur gleichzeitig bekämpft werden kön- nen.

Ein geschlossenes Utopia?

Bis solche Ansichten in weiten Kreisen angenommen sind, bleibt die gegenwärtige Gefahr der auf der „jüdischen Ideo- logie“ basierenden israelischen Politik größer als die Gefahr einer Politik, die auf rein strategische Überlegungen be- gründet ist. Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Politik wurde von HUGH TREVOT-ROPER in seinem Essay „Sir Thomas More and Utopia“3 treffend ausgedrückt, in welchem er sie platonisch und machiavellistisch nannte: Machiavelli rechtfertigte sich schließlich für die Me- thoden, die er in der Politik für notwendig erachtete. Er bedauerte die Notwendigkeit von Gewalt und Betrug und bezeichnete sie auch nicht mit irgendeinem ande- ren Namen. Doch Platon und More rechtfertigten diese unter der Voraussetzung, daß sie ausgeübt würden, um ihre eigenen utopischen Republiken zu erhalten. Auf ähnliche Weise sind treue Gläubige an jene Utopie, die „jüdischer Staat“ – der danach streben wird, die „biblischen Grenzen“ zu errichten – genannt wird, gefährlicher als die Großstrategen vom Schlage eines GAZIT, weil deren Politik entweder durch den Gebrauch der Religion gerechtfertigt wird, oder, was noch schlimmer ist, durch die Anwendung säkularisierter religiöser Prinzipien, die uneingeschränkte Gültigkeit behalten. Während GAZIT schließlich noch eine Notwendigkeit sieht darzulegen, daß das israelische Diktat die arabischen Regierungen begünstige, täuschte BEN- 3 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Gurion nicht darüber hinweg, daß die Wiedererrichtung des Königreiches von DAVID und SALOMON außer den jüdischen Staat niemand begünstigen wird. Die Verwendung der Begriffe des Platonismus, um die israe- lische, auf, „jüdischer Ideologie“ begründete Politik zu analy- sieren, sollte nicht ungewohnt erscheinen. Es ist von ver- schiedenen Gelehrten festgestellt worden, von denen MOSES HADAS der bedeutendste war. Diese behaupteten, daß die Grundlagen des „klassischen Judentums“ – d.h. des Juden- tums, wie es von talmudischen Weisen geschaffen [engl.: established] wurde – auf platonischen Einflüssen beruhen und besonders auf dem Vorbild [engl.: image] von Sparta, wie es bei PLATON4 erscheint. Nach HADAS war es ein ent- scheidendes Merkmal des platonischen politischen Systems, wie es vom Judentum schon in der Makkabäerzeit (142-63 v.d.Ztr.) angenommen wurde, „daß jede Phase menschlicher Führung religiösen Ge- boten unterworfen ist, die aber tatsächlich von den Herrschenden manipuliert werden können“. Es kann keine bessere Definition des „klassischen Juden- tums“ geben und der Art und Weise, in welcher die Rabbiner es manipulierten, als diese platonische Definition. Insbeson- dere macht HADAS geltend, daß das Judentum das über- nommen hat, was „Platon selbst [als] die Ziele seines Pro- grammes zusammenfaßte“, in dem folgenden wohlbekannten Zitat („Platons Gesetze”, 942 ab): „Die Hauptsache ist, daß niemand, weder Mann noch Frau, jemals ohne einen übergeordneten Führer sein sollte und daß niemandes Seele sich daran gewöhnt haben darf, irgendeinen Schritt aus eigener Verantwor- tung – weder im Ernst noch im Scherz – zu unterneh- men. Im Frieden wie im Kriege muß er fortwährend mit auf seinen vorgesetzten Führer gerichteten Augen leben. ... Mit einem Wort: Wir müssen die Seele so erziehen, daß sie nicht einmal auf die Idee kommt, als Individu- um zu handeln oder weiß, wie dies gemacht wird.“, ISRAEL – EIN UTOPIA FÜR AUSERWÄHLTE ? Wird das Wort „Führer“ gegen „Rabbiner“ ausgetauscht, er- halten wir eine perfekte Darstellung des klassischen Juden- tums. Letzteres übt noch immer einen starken Einfluß auf die israelisch-jüdische Gesellschaft aus und bestimmt in großem Ausmaß die israelische Politik. Es war die oben zitierte Passage, die von KARL POPPER in „The Open Society and Its Enemies“ [„Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde“] ausgewählt wurde, als er das Wesen „einer geschlossenen Gesellschaft“ beschrieb. Das historische Juden- tum und seine beiden Nachfolger, die jüdische Orthodoxie und der Zionismus, sind beide – soweit es Israel anbetrifft – verschworene Feinde des Konzepts einer offenen Gesell- schaft. Ein jüdischer Staat kann niemals eine offene Gesell- schaft beinhalten, weder wenn er auf seiner gegenwärtigen jüdischen Ideologie aufbaut, noch wenn er entsprechend der jüdischen Orthodoxie in seinem Charakter sogar noch jüdi- scher wird als er es heute ist. Es gibt zwei Möglichkeiten, der die israelisch-jüdische Gesellschaft gegenübersteht: Sie kann ein vollkommen geschlossenes und kriegsliebendes Ghetto werden, ein jüdisches Sparta, gestützt auf die Arbeitskraft arabischer Heloten*, am Leben erhalten durch ihren [der israelisch-jüdischen Gesellschaft] Einfluß auf das politische Establishment der USA und durch Drohungen, ihre Atom- macht einzusetzen. Oder sie kann versuchen, eine offene Gesellschaft zu werden. Die zweite Möglichkeit ist von einer ehrlichen Aufarbeitung ihrer jüdischen Vergangenheit ab- hängig, von dem Eingeständnis, daß jüdischer Chauvinismus und jüdisches Ausgrenzungsdenken existieren und von einer ehrlichen Überprüfung der Verhaltensweisen des Judentums gegenüber den Nichtjuden. * Anmerkung des Übersetzers: Heloten waren ursprünglich spar- tanische Staatssklaven, die im Kriege als Leichtbewaffnete kämpf- ten. 4 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION

Kapitel 2 Vorurteile und H albwahrheiten

Die erste Schwierigkeit, über dieses Thema zu schreiben, besteht darin, daß der Begriff „Jude“ während der letzten 150 Jahre mit zwei ziemlich verschiedenen Bedeutungen verwendet worden ist. Um dies zu verstehen, wollen wir uns im Geiste in das Jahr 1780 zurückversetzen. Die damals allgemein anerkannte Bedeutung des Begriffes „Jude“ stimmte im wesentlichen mit dem überein, was die Juden selbst als das Grundlegende ihrer eigenen Identität verstan- den. Diese Identität war ursprünglich religiöser Natur, aber die religiösen Vorschriften beherrschten das tägliche Verhal- ten unter den Juden selbst in allen Lebensbereichen – ge- sellschaftlich ebenso wie privat – bis ins einzelne, ebenso wie ihre Beziehung zu Nichtjuden. Es war damals buchstäblich wahr, daß ein Jude nicht einmal ein Glas Wasser in der Wohnung eines Nichtjuden trinken durfte. Und dieselben grundlegenden Verhaltensvorschriften gegenüber Nichtju- den waren in gleicher Weise rechtskräftig vom Jemen bis New York. Mit welchem Begriff die Juden von 1780 auch immer beschrieben werden mögen – und ich möchte hier nicht in eine philosophische Auseinandersetzung über Be- griffe wie „Nation“ und „Volk“ eintreten1 –, es ist unbestreit- bar, daß alle jüdischen Gemeinschaften in jener Zeit von den nichtjüdischen Gesellschaften, in deren Mitte sie lebten, getrennt waren. Alles dies wurde jedoch durch zwei parallele Entwicklungen verändert, die in Holland und England begannen, sich im revolutionären Frankreich und in Ländern, die dem Beispiel der Französischen Revolution folgten, und schließlich in den modernen Monarchien des 19. Jahrhunderts fortsetzten: Die Juden erhielten einen bemerkenswerten Grad individueller Rechte (in einigen Fällen volle Gleichheit vor dem Gesetz), und die gesetzliche Macht der jüdischen Gemeinde über ihre Mitglieder wurde zerstört. Es sollte beachtet werden, daß beide Entwicklungsprozesse gleichzeitig stattfanden und daß, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN der letztere – obwohl weniger allgemein bekannt – sehr viel wichtiger ist als der zuvor geschilderte. Die jüdischen Gemeinden besaßen seit der Zeit des spätrö- mischen Reiches beträchtliche gesetzliche Macht über ihre Mitglieder. Nicht nur Macht, die aus selbstbestimmter Mo- bilisierung sozialen Druckes erwächst (z.B. die Weigerung, irgendwelche Händel oder was auch immer mit einem ex- kommunizierten Juden zu haben, oder selbst seinen Leich- nam zu begraben), sondern eine Macht der nackten Zwangs- gewalt: Auspeitschen, Verhaften, Ausstoßen; – all diese [Strafen] konnten einem einzelnen Juden von den rabbini- schen Gerichten völlig legal für alle Arten von Vergehen auferlegt werden. In vielen Ländern – Spanien und Polen sind bemerkenswerte Beispiele – konnte und wurde sogar die Todesstrafe verhängt, manchmal unter Verwendung be- sonders grausamer Methoden, wie etwa zu Tode peitschen. Alles dies war nicht nur erlaubt, sondern wurde von der Ob- rigkeit des Staates sowohl in christlichen als auch in islami- schen Ländern ausdrücklich unterstützt, die neben ihrem allgemeinen Interesse, „Recht und Ordnung“ aufrecht zu erhalten, ebenso in manchen Fällen eher ein direktes finan- zielles Interesse hatten. In spanischen Archiven, die aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammen, gibt es z.B. Berichte von vielen detaillierten Anordnungen, die von jenen frömmsten katholischen Königen von Kastilien und Aragon erlassen wurden, um ihre nicht weniger frommen Staatsbeamten über die Zusammenarbeit mit den Rabbinern anzuweisen, um die Einhaltung der Sabbatvorschriften durch die Juden durchzusetzen. Warum? Weil, wann immer ein Jude von einem rabbinischen Gericht wegen der Entweihung des Sab- bats verurteilt wurde, die Rabbiner neun Zehntel des Straf- geldes dem König aushändigen mußten – eine sehr einträgli- che und wirkungsvolle Einrichtung. In ähnlicher Weise kann man aus den „Responsa“ [d.h.: Antworten] zitieren, die kurz vor 1832 von dem berühmten Rabbiner MOSHE SOFER von Preßburg (das heutige Bratislava) – im damaligen selbstän- digen Königreich Ungarn in Österreich – geschrieben wur- den und nach Wien im eigentlichen Österreich adressiert waren, wo den Juden bereits beachtliche persönliche Rechte 4 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION gewährt worden waren.2 Er bejammert die Tatsache, daß – seitdem die jüdische Gemeinde in Wien ihre Macht verlor, Gesetzesbrecher zu bestrafen – die Juden dort bei der Ein- haltung der religiösen Gebräuche nachlässig geworden seien, und fügt hinzu: „Wenn mir hier in Preßburg erzählt wird, daß ein jüdi- scher Ladenbesitzer wagte, sein Geschäft während der geringeren Feiertage zu öffnen, schicke ich unverzüg- lich einen Polizisten, um ihn zu verhaften“ Dies war der wichtigste soziale Aspekt jüdischer Existenz vor der Entstehung des modernen Staates: Die Befolgung der religiösen Gesetze des Judentums wurde den Juden – ebenso wie deren Einprägung durch die Erziehung – mit physischer Gewalt aufgezwungen, der man nur durch den Übertritt zur Religion der Mehrheit entkommen konnte, was den Umstän- den entsprechend auf einen totalen sozialen Bruch hinauslief und daher sehr unpraktisch war, außer in Zeiten religiöser Veränderungen.3 Nachdem der moderne Staat nunmehr jedoch in Erschei- nung getreten war, verlor die jüdische Gemeinde ihre Macht, den einzelnen Juden zu bestrafen oder einzuschüchtern. Die Bindungen einer der geschlossensten der „geschlossenen Gesellschaften“, eine der totalitärsten Gesellschaften in der gesamten Geschichte der Menschheit, waren durchbrochen. Dieser Akt der Befreiung kam vorwiegend von außen, ob- gleich es auch einige Juden gab, die dabei von innen heraus halfen; diese waren anfangs aber sehr wenige. Dieser Ablauf der Befreiung hatte sehr ernste Folgen für die Zukunft. Ebenso wie im Falle Deutschlands (entsprechend der mei- sterhaften Analyse A.J.P. TAYLORs) war es einfach, die Ursa- che der Reaktion mit dem Patriotismus zu verbinden, weil die persönlichen Rechte und die Gleichheit vor dem Gesetz tatsächlich von den Armeen der Französischen Revolution und NAPOLEONs nach Deutschland gebracht wurden, und man Freiheit als etwas „Undeutsches“ brandmarken konnte. Genau so ergab es sich, daß es unter den Juden sehr einfach war, besonders in Israel, einen sehr effektiven Angriff gegen, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN alle Vorstellungen und Ideale von Humanismus und der Rechtsordnung (um nicht Demokratie zu sagen) als etwas „Unjüdisches“ oder „Antijüdisches'' zu inszenieren – was sie tatsächlich in einem historischen Sinne sind – und als Prin- zipien, die im „jüdischen Interesse“ angewendet werden mö- gen, die aber keine Gültigkeit „entgegen“ dem „jüdischen Interesse“ haben, wenn z.B. Araber diese gleichen Grundsät- ze anmahnen. Dies hat auch – wiederum gerade in Deutschland und anderen Nationen Mitteleuropas – zu einer trügerischen, rührseligen und ultra-romantischen jüdischen Geschichtsschreibung geführt, aus der alle lästigen Tatsa- chen ausgetilgt worden sind. So wird man in HANNAH ARENDTs umfangreichen Schriften weder über Totalitarismus oder über Juden oder über beides4 – nicht den geringsten Hinweis darüber finden, wie die jüdi- sche Gesellschaft im 18. Jahrhundert in Deutschland tat- sächlich aussah: Bücherverbrennungen, Verfolgung von Schriftstellern, Streitereien über die magische Kraft von Amuletten, Verbot der grundlegendsten „nichtjüdischen“ Erziehung, wie z.B. die Unterrichtung in richtigem Deutsch, ja sogar Deutsch, das mit dem lateinischen Alphabet ge- schrieben wurde.5 Noch kann man in den zahlreichen eng- lischsprachigen Werken der „Jüdischen Geschichte” die grundlegenden Tatsachen über die Geisteshaltung des jüdi- schen Mystizismus (so zur Zeit in Mode in gewissen Kreisen) gegenüber Nichtjuden finden: Daß sie buchstäblich dafür gehalten werden, Gliedmaßen Satans zu sein, und daß die wenigen nicht-satanischen Personen unter ihnen (d.h. dieje- nigen, die zum Judentum übergetreten sind) in Wahrheit „jüdische Seelen“ sind, die verlorengingen, als Satan die Hei- lige Frau [engl.: Holy Lady] (Shekhina oder Matronit, eines der weiblichen Bestandteile der Gottheit, entsprechend der Kabbala Schwester und Gemahlin des jüngeren männlichen Gottes) in ihrem himmlischen Wohnsitz schändete. Die gro- ßen Autoritäten – solche wie Gershom Scholem – haben ihre Autorität in all den „sensiblen“ Bereichen einem System der Täuschungen geliehen, wobei die bekannteren Persönlichkei- ten die unehrlichsten und irreführendsten sind. 4 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Aber die sozialen Auswirkungen dieses Befreiungsprozesses waren, daß ein Jude zum erstenmal seit der Zeit um 200 n.d.Ztr.6 innerhalb der Grenzen der bürgerlichen Gesetze seines Landes frei entscheiden konnte, was er zu tun wünschte, ohne daß er für diese Freiheit mit dem Übertritt zu einer anderen Religion bezahlen mußte. Die Freiheit zu lernen und Bücher in modernen Sprachen zu lesen, die Frei- heit, Bücher in Hebräisch – ohne Genehmigung der Rabbiner (wie es mit allen hebräischen oder jiddischen Büchern früher der Fall war) – zu lesen und zu schreiben, die Freiheit, unko- schere Speisen zu essen, die Freiheit, die zahllosen absurden Tabus, die das Sexualleben regelten, zu ignorieren, sogar die Freiheit zu denken – denn „verbotene Gedanken“ gehören zu den schlimmsten Sünden –, all dieses wurde den Juden Eu- ropas (und danach in anderen Ländern) von modernen oder sogar absolutistischen europäischen Regierungen zugesi- chert, obgleich letztere gleichzeitig antisemitisch und tyran- nisch waren. NIKOLAUS I. von Rußland war ein berüchtigter Antisemit und erließ viele Gesetze gegen die Juden seines Landes. Aber er verstärkte auch die für „Gesetz und Ord- nung“ zuständigen Einrichtungen in Rußland – nicht nur die Geheimpolizei, sondern auch die gewöhnliche Polizei und die Gendarmerie – mit der Folge, daß es schwierig wurde, Juden auf Befehl ihrer Rabbiner zu ermorden, wohingegen dies vor 1795 in Polen ziemlich einfach gewesen war. Die „offizielle“ jüdische Geschichtsschreibung verurteilt ihn [den Zaren] in beiden Klagepunkten. Zum Beispiel ordnete ein „heiliger Rabbi“ (Tzadik) Ende der 1830er Jahre in einer jüdischen Kleinstadt in der Ukraine die Ermordung eines Ketzers an, indem er im städtischen Badehaus in das kochende Wasser geworfen wird, und zeitgenössische jüdische Quellen bemer- ken mit Erstaunen und Schrecken, daß Bestechung „nicht länger wirkungsvoll“ war und daß nicht nur die eigentlichen Täter, sondern auch der Heilige Mann streng bestraft wur- den. Österreichs METTERNICH-Regime war in der Zeit vor 1848 offenkundig reaktionär und sehr unfreundlich gegen- über Juden; es erlaubte aber nicht, Menschen – auch nicht liberale jüdische Rabbiner – zu vergiften. Als während des Jahres 1848 die Macht der Regierung vorübergehend ge- schwächt war, war das erste, was die Führer der jüdischen, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN Gemeinde in der galizischen Stadt Lemberg (das heutige Lvov) mit ihrer neuerlich wiedergewonnenen Freiheit anfin- gen, den liberalen Rabbiner der Stadt zu vergiften, den die winzige nichtorthodoxe jüdische Gruppe in der Stadt aus Deutschland importiert hatte. Eine seiner größten Ketzerei- en war beiläufig die Befürwortung und tatsächliche Verrich- tung der Bar Mizwa-Zeremonie, die erst kurz zuvor ersonnen worden war.

Befreiung von außen

Der Begriff „Jude“ hat daher in den letzten 150 Jahren eine doppelte Bedeutung erlangt, zur großen Verwirrung einiger wohlmeinender Leute, besonders in den englischsprachigen Ländern, die annehmen, daß die Juden, denen sie gesell- schaftlich begegnen, im allgemeinen für die Juden „repräsen- tativ“ seien. In den Ländern Osteuropas wurden die Juden, ebenso wie in der arabischen Welt, durch Kräfte von außen von der Tyrannei ihrer eigenen Religion und ihrer eigenen Gemeinden befreit – zu spät und unter zu ungünstigen Um- ständen für arteigene, aus dem eigenen Selbst kommende [engl.: internalised] gesellschaftliche Veränderungen. In den meisten Fällen, und besonders in Israel, sind die alte Gesell- schaftsordnung, dieselbe Ideologie – insbesondere soweit sie gegen die Nichtjuden gerichtet ist – und dieselbe gänzlich irrige Geschichtsauffassung beibehalten worden. Dies gilt sogar für einige jener Juden, die sich „progressiven“ oder linksgerichteten Bewegungen angeschlossen haben. Eine Untersuchung radikaler, sozialistischer und kommunisti- scher Parteien kann viele Beispiele verkappter jüdischer Chauvinisten und Rassisten aufzeigen, die diesen Parteien lediglich aus Gründen des „jüdischen Interesses“ beigetreten sind und in Israel die „anti-nichtjüdische“ [engl.: anti-Gen- tile] Diskriminierung befürworten. Man braucht nur nach- zuprüfen, wie vielen jüdischen „Sozialisten“ es gelungen ist, über den Kibbuz zu schreiben, ohne sich die Mühe zu ma- chen zu erwähnen, daß dies eine rassistische Einrichtung ist, von der nichtjüdische Bürger Israels rigoros ausgeschlossen 4 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION sind, um zu erkennen, daß das Phänomen, über das wir hier sprechen, keineswegs außergewöhnlich ist.7 Wenn wir Etiketten vermeiden, die auf Unwissenheit oder Heuchelei beruhen, so sehen wir, daß das Wort „Judenheit“ [engl.: Jewry] und damit verwandte Begriffe zwei verschie- dene und sogar gegensätzliche soziale Gruppen umfaßt, – und aufgrund der gegenwärtigen Politik Israels ist die beide Gruppen zusammenhaltende Substanz rasch am schwinden. Auf der einen Seite gibt es die oben diskutierte traditionelle totalitäre Auffassung; andererseits gibt es Juden von der Abstammung her, die sich das Gedankengebäude, das KARL POPPER „die offene Gesellschaft“ genannt hat, zu eigen ge- macht haben. (Es gibt auch einige, insbesondere in den USA, die diese Ideen nicht verinnerlicht haben, aber versuchen so zu tun, als ob sie diese akzeptiert hätten.) Es ist wichtig anzumerken, daß alle vermeintlichen „jüdi- schen charakteristischen Eigenschaften“ – womit ich diejeni- gen Merkmale meine, die bösartige sogenannte Intellektuelle im Westen „den Juden“ zuordnen – moderne Kennzeichen sind, die während des größten Teils der jüdischen Geschichte völlig unbekannt waren, und erst in Erscheinung traten, als die totalitäre jüdische Gemeinde anfing, ihre Macht zu ver- lieren. Nehmen Sie z.B. den berühmten jüdischen Sinn für Humor. Der Humor kommt in der hebräischen Literatur vor dem 19. Jahrhundert nicht nur sehr selten vor (und wird nur während weniger Perioden in Ländern gefunden, in denen die jüdische Oberklasse relativ frei vom rabbinischen Joch war, so wie in Italien zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert oder im moslemischen Spanien), sondern Humor und Späße sind von der jüdischen Religion streng verboten – außer, bezeichnenderweise, Scherze gegen andere Religionen. Sati- re gegen Rabbiner und Gemeindeleiter wurde vom Judentum nie verinnerlicht, nicht einmal im geringen Umfang, wie es im lateinischen Christentum vorkam. Ebenso wie es keine Komödien in Sparta gab, gab es aus ähnlichen Gründen auch keine jüdischen Komödien.8 Oder nehmen Sie die Liebe zum Lernen. Außer einem rein religiösen Lernen, das selbst auf eine primitive und entartete Weise stattfand , wurden die, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN Juden in Europa vor etwa 1780 (und in einem etwas geringeren Umfang auch in den arabischen Ländern) von einer äu- ßersten Geringschätzung und einem Haß gegen alles Lernen beherrscht (ausgenommen der Talmud und die jüdische My- stik). Große Teile des Alten Testaments, alle nicht- liturgische hebräische Dichtung, die meisten Bücher über jüdische Philosophie wurden nicht gelesen, und selbst deren Namen waren oftmals verbannt. Das Studium aller Sprachen war streng verboten, ebenso das Studium von Mathematik und Wissenschaften. Geographie9 und Geschichte – sogar jüdische Geschichte – waren völlig unbekannt. Der kritische Geist, der – wie angenommen wird – so charakteristisch für Juden sei, fehlte vollkommen, und nichts war so verboten, gefürchtet und daher verfolgt, wie die bescheidenste Neuerung oder die harmloseste Kritik. Es war eine Welt, die im elendsten Aberglauben, in Fana- tismus und Unwissenheit versunken war, eine Welt, in der im Vorwort zum ersten Werk über Geographie in Hebräisch (1803 in Rußland herausgegeben) darüber geklagt wird, daß sehr viele große Rabbiner die Existenz des amerikanischen Kontinents verneinten und sagten, daß es „unmöglich“ sei. Zwischen jener Welt und dem, was im Westen häufig benutzt wird, um Juden zu „charakterisieren“, gibt es außer dem mißverstandenen Namen nichts Gemeinsames. Eine große Zahl der heute lebenden Juden sehnt sich jedoch zurück in jene Welt, ihr verlorenes Paradies, die behagliche geschlossene Gesellschaft, aus welcher sie eher vertrieben als befreit wurden. Ein großer Teil der zionistischen Bewe- gung wünschte immer, diese Welt wieder aufleben zu lassen, – und dieser Teil hat die Oberhand gewonnen. Viele der Motive hinter der israelischen Politik, welche die armen, verle- genen westlichen „Freunde Israels“ so verwirren, sind voll- ständig erklärbar, wenn sie einfach als Reaktion gesehen werden, als Reaktion in dem politischen Sinne, den dieses Wort in den letzten zweihundert Jahren gehabt hat: eine erzwungene und in vieler Hinsicht erneuernde und daher illusorische Rückkehr in die geschlossene Gesellschaft der jüdischen Vergangenheit. 4 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION

Behinderung der Urteilsfähigkeit

Historisch kann gezeigt werden, daß eine geschlossene Ge- sellschaft nicht an einer Beschreibung ihrer selbst interes- siert ist, weil jede Beschreibung zweifellos in Teilen eine Art kritischer Analyse darstellt und somit zu kritischen „verbo- tenen Gedanken“ ermuntern mag. Je offener eine Gesell- schaft wird, desto mehr ist sie an einem Widerspiegeln ihrer selbst – zuerst beschreibend und dann kritisch – interessiert, über ihren gegenwärtigen Zustand ebenso wie über ihre Ver- gangenheit. Aber was geschieht, wenn eine Gruppe von In- tellektuellen wünscht, eine Gesellschaft, die sich schon in einem beträchtlichen Umfang geöffnet hat, in ihren früheren totalitären, geschlossenen Zustand zurückzuzerren? Dann werden genau die gleichen Hilfsmittel des vormaligen Fort- schritts – Philosophie, die Wissenschaften, Geschichte und vor allem Soziologie – zu den wirkungsvollsten Instrumenten des „Verrats der Intellektuellen“. Sie werden verdreht, um als Mittel der Täuschung zu dienen, und dabei entarten sie. Das klassische Judentum10 hatte wenig Interesse daran, sich selbst den Mitgliedern ihrer eigenen Gemeinde zu beschrei- ben oder zu erklären, ob gebildet (in Talmud-Studien) oder nicht.11 Es ist bedeutsam, daß die schriftliche Aufzeichnung der jüdischen Geschichte, selbst im dürftigsten Stil einer Chronik, seit der Zeit des JOSEPHUS FLAVIUS (Ende des er- sten Jahrhunderts) bis zur Renaissance vollständig aufhörte; bis das Anfertigen von Geschichtsaufzeichnungen für eine kurze Zeit in Italien und anderen Ländern, wo die Juden unter starkem italienischen Einfluß standen, wiederbelebt wurde.12 Bezeichnenderweise fürchteten die Rabbiner die jüdische Geschichte noch mehr als die allgemeine Geschichte und das erste moderne Geschichtsbuch, das auf Hebräisch veröffentlicht wurde (im 16. Jahrhundert), war betitelt: „Ge- schichte der Könige Frankreichs und der Ottomanischen Kö- nige“. Ihm folgten einige Geschichten, die sich nur mit den Verfolgungen befaßten, denen Juden ausgesetzt gewesen waren. Das erste Buch über echte jüdische Geschichte13 (das, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN sich mit älteren Zeiten befaßte) wurde unverzüglich von den höchsten rabbinischen Autoritäten geächtet und unterdrückt und tauchte vor dem 19. Jahrhundert nicht wieder auf. Die rabbinischen Autoritäten Osteuropas verkündeten ferner, daß alle nicht-talmudischen Studien zu verbieten sind, auch wenn nichts Besonderes in ihnen gefunden werden konnte, das einen Bannfluch verdient hätte, weil sie die Zeit mißbrauchen, die entweder mit dem Studium des Talmud verwendet werden sollte oder mit dem Verdienen von Geld, – welches zur Unterstützung von Talmud-Studenten gebraucht werden sollte. Es gab nur einen Ausweg, nämlich die Zeit, die selbst ein frommer Jude notgedrungen auf dem Abort zubringen mußte. An jenem unreinen Platz sind heilige Studien verboten, und es war daher erlaubt, dort Geschichte zu lesen, vorausgesetzt sie war in Hebräisch geschrieben und vollkommen weltlich, was schließlich bedeutete, daß ausschließlich nichtjüdische Themen behandelt werden mußten. (Man kann sich vorstellen, daß jene wenigen Juden jener Zeit, die – ohne Zweifel vom Satan dazu verleitet – ein Interesse an der Geschichte für die französischen Könige entwickelten, sich ständig bei ihren Nachbarn über die Verstopfung beklagten, unter der sie litten ...) Demzufolge befand sich die große Mehrheit der Juden vor zweihundert Jahren in völliger Unkenntnis nicht nur über die Existenz Amerikas, sondern auch über jüdische Geschichte und den zeitgenössischen Zustand des Judentums; und sie waren sehr damit einverstanden, daß es so blieb.

Eine totalitäre Geschichte

Es gab jedoch einen Bereich, in dem es ihnen nicht erlaubt war, selbstzufrieden zu verbleiben: das Gebiet der christli- chen Angriffe auf jene Textstellen im Talmud und in der talmudischen Literatur, die besonders antichristlich oder mehr im allgemeinen gegen die Nichtjuden gerichtet sind. Es ist wichtig anzumerken, daß diese Herausforderung sich erst verhältnismäßig spät in der Geschichte der christlich- jüdischen Beziehungen entwickelte – erst ab dem 13. Jahr- hundert. (Vor jener Zeit griffen christliche Autoritäten das 5 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Judentum an, indem sie weder biblische oder allgemeine Argumente verwendeten, sondern schienen in völliger Un- kenntnis über den Inhalt des Talmuds zu sein.) Der christli- che Feldzug gegen den Talmud wurde anscheinend durch den Übertritt von Juden zum Christentum verursacht, die im Talmud sehr bewandert waren und die sich in vielen Fällen von der Entwicklung der christlichen Philosophie angezogen fühlten mit seiner starken aristotelischen (und somit universalen) Prägung.14 Es muß am Anfang eingeräumt werden, daß der Talmud und die talmudische Literatur – ganz abgesehen von der allge- meinen anti-nichtjüdischen [engl.: anti-Gentile] Tendenz, die durchgehend in ihnen enthalten ist und in Kapitel 5 aus- führlicher diskutiert werden wird – sehr agressive Behaup- tungen und Vorschriften enthalten, die besonders gegen das Christentum gerichtet sind. Beispielsweise behauptet der Talmud – in Ergänzung zu einer Serie skurriler sexueller Anwürfe gegen Jesus –, daß seine Bestrafung in der Hölle darin besteht, daß er in kochende Exkremente getaucht wird, eine nicht gerade wohlüberlegte Feststellung, um sich mit dem Talmud bei gläubigen Christen beliebt zu machen. Oder man kann eine Vorschrift zitieren, nach der Juden an- gewiesen werden, jede Ausgabe des Neuen Testaments, die in ihre Hände gelangt, zu verbrennen, und zwar wenn mög- lich öffentlich. (Diese Vorschrift ist nicht nur noch in Kraft, sondern wird heute tatsächlich noch angewendet; so wurden am 23. März 1980 hunderte Exemplare des Neuen Testa- ments öffentlich und zeremoniell in Jerusalem unter der Leitung von Yad Le'akhim verbrannt, einer jüdischen reli- giösen Vereinigung, die vom israelischen Religionsministeri- um subventioniert wird.) Wie dem auch sei, entwickelte sich seit dem 13. Jahrhundert in Europa ein kraftvoller, in vielen Punkten wohlbegründe- ter Angriff gegen das talmudische Judentum. Wir verweisen hier nicht auf unkundige Verleumdungen, wie etwa die Blutanklagen, die von beschränkten Mönchen in kleinen Provinzstädten verbreitet wurden, sondern auf seriöse Dis- pute, die an den besten europäischen Universitäten der da-, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN maligen Zeit stattfanden und im ganzen so aufrichtig geführt wurden, wie dies mittelalterliche Umstände zuließen.15 Wie sah die jüdische – oder besser rabbinische – Antwort aus? Die einfachste war die uralte Waffe der Bestechung und Drahtzieherei. In den meisten europäischen Ländern konnte während der überwiegenden Zeit alles durch Bestechung geregelt werden. Nirgends war dieser Grundsatz wahrer als im Rom der Renaissance-Päpste. Die „Editio Princeps“ [Erst- ausgabe alter Werke] der vollständigen Sammlung [Codex] der talmudischen Gesetze, MAIMONIDES' Mischneh Torah – nicht nur mit den widerwärtigsten Vorschriften gegen alle Nichtjuden gesättigt, sondern auch mit deutlichen Angriffen gegen das Christentum und Jesus (hinter dessen Namen der Verfasser fromm hinzufügt: „Möge der Name des Verruchten verderben.'*) – wurde im Jahre 1480 in Rom unter SIXTUS IV., einem politisch sehr aktiven Papst, der ständig und dringend Geldbedarf hatte, unzensiert herausgegeben. (Wenige Jahre zuvor wurde ebenfalls die einzige ältere Ausgabe von „The Golden Ass“ [„Der goldene Esel“] von APULEIUS in Rom her- ausgegeben, aus welcher die heftigen Angriffe gegen das Christentum nicht entfernt worden waren.) Auch ALEXAN- DER VI. BORGIA war in dieser Hinsicht sehr liberal. Sogar in jener Periode gab es, ebenso wie vor ihr, immer Länder, in denen eine Zeit lang eine Woge antitalmudischer Verfolgung einsetzte. Aber ein folgerichtigerer und ausge- dehnterer Ansturm erfolgte erst mit der Reformation und der Gegenreformation, die einen höheren Standard an intel- lektueller Ehrlichkeit, ebenso wie eine bessere Kenntnis des Hebräischen unter den christlichen Gelehrten mit sich brachte. Seit dem 16. Jahrhundert war die gesamte talmu- dische Literatur einschließlich dem Talmud selbst in ver- schiedenen Ländern Gegenstand christlicher Zensur. In Rußland setzte sich dies bis zum Jahre 1917 fort. Einige Zensoren, so wie in Holland, waren nachlässiger, während andere strenger waren und die anstößigen Passagen gestri- chen oder abgeändert wurden. Alle neuzeitlichen Studien über das Judentum, besonders 5 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION von Juden, haben sich aus diesem Widerstreit entwickelt, und sie tragen bis zum heutigen Tage die unverkennbaren Merkmale ihres Ursprungs: Täuschung, Rechtfertigungen oder feindselige Polemik, Gleichgültigkeit oder sogar tätige Feindseligkeit gegen das Streben nach Wahrheit. Nahezu alle sogenannten jüdischen Studien des Judentums sind seit jener Zeit bis zum heutigen Tage mehr Polemik gegen einen äußeren Feind als innerjüdische Auseinandersetzung. Es ist wichtig anzumerken, daß dies ursprünglich der Zu- stand der Geschichtsschreibung in allen bekannten Gesell- schaften war (ausgenommen das alte Griechenland, dessen frühe aufgeklärte Historiker von den späteren Sophisten wegen ihres unzureichenden Patriotismus angegriffen wur- den!). Dies galt auch für die frühen katholischen und prote- stantischen Historiker, die gegeneinander stritten. Ähnlich sind die frühesten europäischen nationalen Geschichtswerke durchdrungen von gröbstem Nationalismus und Verachtung für alle anderen benachbarten Nationen. Aber früher oder später kommt eine Zeit, in der ein Versuch gemacht wird, seinen nationalen oder religiösen Gegner zu verstehen und gleichzeitig gewisse tief erliegende und gewichtige Gesichts- punkte der Geschichte der eigenen Gruppe zu kritisieren; und diese beiden Prozesse gehören zusammen. Nur wenn die Geschichtsschreibung – wie PIETER GEYL es so treffend aus- drückte – „eine Debatte ohne Ende“ wird, anstatt eine Fort- setzung des Krieges mit historischen Argumenten, nur dann kann eine humane Geschichtsschreibung möglich werden, die auf beiden Seiten Sorgfalt und Aufrichtigkeit anstrebt; und dann wird sie sich in eine der machtvollsten Instrumen- te des Humanismus und der Selbsterziehung umwandeln. Dies ist auch der Grund, weshalb moderne totalitäre Regie- rungen die Geschichte umarbeiten lassen oder Historiker bestrafen.16 Wenn eine ganze Gesellschaft versucht, zum Totalitarismus zurückzukehren, wird totalitäre Geschichte geschrieben, nicht aufgrund eines Zwanges von oben, son- dern unter dem Druck von unten, der viel wirksamer ist. Genau dies geschah in der jüdischen Geschichte, und dies bildet das erste Hindernis, das wir überwinden müssen., VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN

Verteidigungsmechanismen

Worin bestanden die Mechanismen im einzelnen (anders als. Bestechung), die von den jüdischen Gemeinden – im Zu- sammenwirken mit außenstehenden Kräften – angewendet wurden, um Angriffe auf den Talmud und andere religiöse Literatur abzuwenden? Es können mehrere Methoden unter- schieden werden, die alle wichtige politische Folgen haben, die sich in der gegenwärtigen israelischen Politik widerspie- geln. Es wäre wohl zu weitschweifig, in jedem Einzelfall die BEGIN'schen oder Labour-zionistischen Parallelen anzufüh- ren, aber ich bin sicher, daß Leser, die einigermaßen mit den Einzelheiten über die Politik des Mittleren Ostens vertraut sind, selbst in der Lage sein werden, die Ähnlichkeiten zu bemerken. Der erste Mechanismus, den ich besprechen werde, ist derje- nige des betrügerischen Hohns, verbunden mit äußerlicher Unterwürfigkeit. Wie schon zuvor erklärt wurde, mußten talmudische Textpassagen, die gegen das Christentum oder gegen Nichtjuden17 gerichtet waren, entfernt oder geändert werden, – der Druck war zu stark. Was getan wurde ist fol- gendes: Einige wenige der anstößigsten Stellen wurden völ- lig aus allen Ausgaben entfernt, die in Europa nach der Mit- te des 16. Jahrhunderts gedruckt wurden. In allen anderen Textpassagen wurden Ausdrücke wie „Gentile“, „Nichtjude“, „Fremder“ (goy, eino yehudi, nokhri) — die in allen frühen Handschriften und Druckwerken ebenso vorkommen wie in allen Ausgaben, die in islamischen Ländern veröffentlicht wurden – durch Formulierungen ersetzt wie „Götzendiener“, „Heide“ oder sogar „Kanaaniter“ oder „Samariter“, Begriffe, mit denen man sich herausreden konnte, die aber ein jüdi- scher Leser als sprachliche Verhüllung der alten Ausdrücke wiedererkennen konnte. Je mehr die Angriffe zunahmen, um so vollendeter wurde die Verteidigung, manchmal mit nachhaltigen tragischen Er- gebnissen. Während bestimmter Perioden wurde die zaristi- 5 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION sche Zensur strenger, erkannte die oben erwähnten Verhül- lungen als das, was sie waren, und verbot diese ebenfalls. Daraufhin setzten die rabbinischen Autoritäten die Aus- drücke „Araber“ oder „Mohammedaner“ (auf Hebräisch: Yishma'eli – was beides bedeutet) oder gelegentlich „Ägyp- ter“ ein, in der richtigen Annahme, daß die zaristischen Be- hörden nichts gegen diese Art der Beschimpfung einwenden würden. Gleichzeitig ließ man handgeschriebene Listen über „Talmudische Auslassungen“ zirkulieren, welche all die neu- en Ausdrücke erklärten und auf all die Auslassungen hin- wiesen. Manchmal wurde eine allgemeine Verzichtserklä- rung vor der Titelseite jedes Bandes talmudischer Literatur gedruckt, in der feierlich erklärt wird – manchmal an Eides Statt –, daß alle feindseligen Ausdrücke in diesem Band nur gegen Götzendiener des Altertums oder sogar gegen die längst verschwundenen Kanaaniter gerichtet seien, nicht aber gegen „die Völker, in deren Ländern wir wohnen“. Nach der britischen Eroberung Indiens kamen einige Rabbiner auf die Ausrede zu behaupten, daß jeder besonders gewalttätige, herabwürdigende Ausdruck, der von ihnen benutzt wurde, nur gegen die Inder gerichtet sei. Gelegentlich wurden auch Ureinwohner Australiens als Prügelknaben hinzugefügt. Selbstverständlich war dies alles von Anfang bis Ende eine berechnete Lüge; und nach der Errichtung des Staates Isra- el, als die Rabbiner sich sicher fühlten, wurden ohne zu zö- gern all die Anstoß erregenden Textpassagen und Ausdrücke in allen neuen Ausgaben wieder eingeführt. (Wegen der enormen Kosten, die eine Neuausgabe mit sich bringt, wird ein beträchtlicher Teil der talmudischen Literatur, ein- schließlich dem Talmud selbst, noch immer von alten Ausga- ben nachgedruckt. Aus diesem Grunde ist die oben erwähnte Schrift „Talmudische Auslassungen“ nun in Israel in einer billig gedruckten Auflage unter dem Titel „Hesronot Shas“ veröffentlicht worden.) So kann man jetzt völlig frei – und jüdischen Kindern wird dies tatsächlich gelehrt – solche Textpassagen wie jene lesen18, die jedem Juden befiehlt, wann immer er in der Nähe eines Friedhofs vorbeikommt, einen Segenswunsch auszusprechen, falls es ein jüdischer Friedhof ist, aber die Mütter der Toten zu verfluchen19, falls, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN es ein nichtjüdischer ist. In den alten Ausgaben war der Fluch weggelassen oder durch eine der sprachlichen Ver- hüllungen für „Nichtjuden“ [„Gentiles“] ersetzt worden. Aber in der neuen israelischen Ausgabe des Rabbiners ADIN STEINSALZ (vollständig mit hebräischen Erklärungen und Randbemerkungen zu den aramäischen Teilen des Textes, damit Schulkinder nicht darüber im Zweifel sind, welche Antworten man von ihnen erwartet) sind die eindeutigen Wörter „Nichtjuden“ und „Fremdlinge“ wieder eingesetzt worden. Unter äußerem Druck haben die Rabbiner in betrügerischer Weise gewisse Textpassagen weggelassen oder abgewandelt – nicht aber die eigentlichen Gebräuche, die in ihnen vorge- schrieben werden. Dies ist eine Tatsache, an die erinnert werden muß, nicht zuletzt von Juden selbst, daß unsere to- talitäre Gesellschaft für Jahrhunderte barbarische und un- menschliche Gebräuche gepflegt hat, um den Geist ihrer Mitglieder zu vergiften und sie tut dies immer noch. (Diese unmenschlichen Gebräuche können nicht als bloße Reaktion auf den Antisemitismus oder die Verfolgung der Juden hin- wegerklärt werden; sie sind mutwillige [engl.: „gratuitous”] Grausamkeiten [engl.: „barbarities”], die gegen alles und jedes menschliche Sein gerichtet sind. Ein frommer Jude, der zum ersten Mal in Australien ankommt, und, fürwahr, zu- fällig in der Nähe eines Friedhofs der Ureinwohner vorbei- kommt, muß – als ein Akt der Verehrung „Gottes“– die Müt- ter der dort beerdigten Toten verfluchen.) Wenn wir dieser tatsächlichen sozialen Wirklichkeit nicht entgegentreten, werden wir alle Beteiligte an dieser Betrügerei werden und Mitschuldige an der fortschreitenden Vergiftung der gegen- wärtigen und zukünftigen Generationen, mit all den Aus- wirkungen dieses Prozesses. 5 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION

Die Täuschung wird fortgesetzt

Moderne Gelehrte des Judentums haben die Täuschung nicht nur fortgesetzt, sondern die alten rabbinischen Metho- den tatsächlich noch vervollkommnet, sowohl an Unver- schämtheit als auch an Verlogenheit. Ich übergehe hier die verschiedenen Darstellungen des Antisemitismus, da sie seriöser Betrachtung nicht wert sind, und werde drei beson- dere Beispiele aufzeigen sowie ein allgemeines Beispiel der moderneren „Gelehrten“-Täuschung. Im Jahre 1962 wurde in Jerusalem ein Teil des schon oben erwähnten Gesetzbuches des MAIMONIDES, das sogenannte „Buch des Wissens“ als zweisprachige Ausgabe veröffentlicht, das die grundlegendsten Richtlinien des jüdischen Glau- bensbekenntnisses und der jüdischen Gebräuche enthält, wobei die englische Übersetzung jeweils dem hebräischen Text20 gegenüberstand. Der letztere ist in seiner ursprüngli- chen Echtheit wiederhergestellt worden, und das Gebot, jüdische Ungläubige auszurotten, erscheint darin in vollem Wortlaut: „Es ist eine Pflicht, diese mit seinen eigenen Händen zu vernichten.“ In der englischen Übersetzung ist dies etwas gemildert: „Es ist eine Pflicht, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu vernichten.“ Dann aber fährt der hebräische Text fort, um die Hauptbei- spiele der „Ungläubigen“, die vernichtet werden müssen, im einzelnen anzuführen: „Solche wie Jesus von Nazareth und seine Schüler, und Zadok und Baitos21 und deren Schüler, möge der Name der Verruchten verrotten.“ Hiervon erscheint im englischen Text auf der gegenüberlie- genden Seite (78a) „kein einziges Wort“. Und was noch be-, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN zeichnender ist: Trotz der weiten Verbreitung dieses Buches unter Gelehrten in den englischsprachigen Ländern, hat meines Wissens kein einziger von ihnen gegen diese offen- kundige Täuschung protestiert. Das zweite Beispiel kommt aus den USA, wieder aus einer englischen Übersetzung eines Buches von MAIMONIDES. Ne- ben seiner Arbeit an der Kodifizierung des Talmuds war er auch Philosoph und sein „Führer der Verirrten“ wird mit Recht als das bedeutendste Werk jüdischer Religionsphiloso- phie angesehen und wird noch heute in weiten Kreisen gele- sen und benutzt. Unglücklicherweise war Maimonides, zu- sätzlich zu seiner Einstellung gegenüber Nichtjuden im all- gemeinen und Christen im besonderen, auch ein „Anti- Schwarzen-Rassist“. Gegen Ende seines „Führers“ diskutiert er in einem entscheidenden Kapitel (Buch III, Kapitel 51), wie verschiedene Teile der Menschheit die höchste religiöse Wertschätzung erreichen können, die wahre Verehrung Got- tes. Unter jenen, die unfähig sind auch nur in die Nähe des- sen zu gelangen, sind: Einige der Türken [d.h. die mongolische Rasse] und die Nomaden im Norden, und die Schwarzen und die No- maden im Süden, und jene, die ihnen in unseren Him- melsstrichen ähnlich sind. Und ihre Eigenart ist wie der Charakter stummer Tiere, und nach meiner An- sicht stehen sie nicht auf dem Niveau der Menschen, und unter den existierenden Dingen ist ihr Niveau un- ter dem eines Menschen und über dem eines Affen, weil sie mehr das Erscheinungsbild und die Ähnlichkeit ei- nes Menschen haben als diejenige eines Affen. Nun, was macht man mit einer solchen Textpassage in ei- nem für das Judentum höchst wichtigen und notwendigen Werk? Der Wahrheit und ihren Folgen ins Auge blicken? Gott behüte! Zugeben (wie es z.B. so viele christliche Gelehr- te in ähnlichen Umständen getan haben), daß eine sehr be- deutende jüdische Autorität auch fanatische Ansichten über die Schwarzen vertrat und mit diesem Eingeständnis einen Versuch zur Selbsterziehung zu wirklicher Humanität zu 5 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION unternehmen? Vergessen Sie den Gedanken! Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie sich jüdische Gelehrte in den USA miteinander berieten: „Was sollen wir tun?“ – denn das Buch mußte wegen des Rückgangs der Hebräisch-Kenntnisse bei den amerikanischen Juden übersetzt werden. Weder durch die Beratungen noch durch persönliche Inspiration ist eine glückliche „Lösung“ gefunden worden: In der populären amerikanische Übersetzung des „Führers“ durch einen FRIEDLÄNDER – erstmals veröffentlicht weit zurückliegend im Jahre 1925 und seitdem in vielen Auflagen nachgedruckt, einige davon in Taschenbuchausgabe – war das hebräische Wort „Kushim“, das „Schwarze“ bedeutet, einfach umge- schrieben worden und erscheint als „Kushites“, ein Wort, das für jene bedeutungslos ist, die keine Kenntnisse des Hebräi- schen besitzen oder denen ein gefälliger Rabbiner keine mündliche Erklärung geben wird.22 Während all dieser Jah- re ist kein einziges Wort geäußert worden, um auf die ur- sprüngliche Täuschung oder die sozialen Tatsachen hinzu- weisen, die ihrer Fortführung zugrunde liegen – und dies während der Aufregung über die Kampagnen von MARTIN LUTHER KING, die von so vielen Rabbinern unterstützt wur- den – ohne andere jüdische Persönlichkeiten zu erwähnen –, von denen einige sich der rassistischen Einstellung gegen- über den Schwarzen als Teil ihres jüdischen Erbes bewußt gewesen sein müssen.23 Natürlich wird man zu der Hypothese getrieben, daß nicht wenige von MARTIN LUTHER KINGs rabbinischen Unterstüt- zern entweder Rassisten gegen die Schwarzen waren, die ihn aus taktischen Gründen wegen des „jüdischen Interesses“ unterstützten (mit dem Wunsch, die Unterstützung der Schwarzen für die amerikanische Judenschaft und für die Politik Israels zu gewinnen), oder vorzügliche Heuchler wa- ren, bis an die Grenze der Schizophrenie, imstande, sehr schnell von einem versteckten Vergnügen an fanatischem Rassismus überzuwechseln zu erklärter Verbundenheit zum antirassistischen Kampf – und zurück – und wieder zurück. Das dritte Beispiel stammt aus einer Arbeit mit weit gerin- gerem wissenschaftlichen Charakter – das dafür aber um so, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN volkstümlicher ist: „The Joys of Yiddish“ [Die Freuden des Jiddischen] von LEO ROSTEN. Diese leichtbeschwingte Arbeit – erstmals 1968 in den USA veröffentlicht und in vielen Auflagen nachgedruckt, einschließlich mehrerer Male als Penguin-Taschenbuch – ist eine Art Spezialwörterbuch jid- discher Wörter, das in englischsprachigen Ländern oft von Juden oder sogar Nichtjuden gebraucht wird. Für jeden Ein- trag gibt es – in Ergänzung zu einer ausführlichen Erklä- rung und mehr oder weniger lustigen Anekdoten, die ihren Gebrauch illustrieren – auch eine etymologische Erklärung, die die Sprache angibt (im großen und ganzen sehr sorgfäl- tig), aus der das Wort ins Jiddische gelangte und seine Be- deutung in jener Sprache. Der Eintrag „Shaygets“ – dessen Hauptbedeutung „ein nichtjüdischer Junge oder junger Mann“ ist – bildet eine Ausnahme: Dort stellt die Etymologie geheimnisvoll „hebräischer Ursprung“ fest, ohne daß die Erscheinungsform oder Bedeutung des original-hebräischen Wortes gegeben wird. Unter dem Eintrag „Shiksa“ – der Fe- mininform von „Shaygets“ – gibt der Verfasser jedoch tat- sächlich das original-hebräische Wort „sheqetz“ (oder in sei- ner Transkription „sheques“) an und definiert seine hebräi- sche Bedeutung als „Makel“. Dies ist eine unverschämte Lü- ge, wie jeder Sprecher des Hebräischen weiß. Das in Israel veröffentlichte „Megiddo Modern Hebrew-English Dictiona- ry“ definiert „sheqetz“ richtig wie folgt: „unreines Tier; ekeler- regende Kreatur, Abscheu (umgangssprachlich – ausgespro- chen shaygets), Elender, störrischer Jüngling, nichtjüdischer Jüngling“. Mein letztes, mehr allgemeines Beispiel ist womöglich noch erschreckender als die anderen. Es betrifft die Einstellung der chassidischen Bewegung gegenüber den Nichtjuden. Der Chassidismus – eine Fortführung (und Verfälschung!) des jüdischen Mystizismus – ist noch immer eine lebende Bewe- gung mit Hunderttausenden aktiver Anhänger, die ihren „heiligen Rabbis“ fanatisch ergeben sind, von denen einige in Israel einen sehr beachtenswerten politischen Einfluß er- langt haben, darunter die Führer der meisten Parteien und in noch größerem Ausmaß die höheren Ränge der Armee. 6 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Was sind also die Ansichten dieser Bewegung bezüglich der Nichtjuden? Nehmen wir als Beispiel das berühmte „Ha- tanya“, ein grundlegendes Buch der Chabad-Bewegung*, einer der wichtigsten Zweige des Chassidismus. Diesem Buch zufolge sind alle Nichtjuden vollständig satanische Kreaturen, „an denen es absolut nichts Gutes gibt“. Sogar ein nichtjüdisches Embryo unterscheidet sich qualitativ von einem jüdischen. Die reine Existenz eines Nichtjuden ist „bedeutungslos“, wo das ganze Weltall doch allein um der Juden willen geschaffen wurde. Dieses Buch ist in unzähligen Auflagen in Umlauf gebracht worden und seine Ideen werden in den zahllosen Abhand- lungen“ des gegenwärtigen erblichen „Führers“ der Chabad, des sogenannten Lubavitcher Rabbi M.M. SCHNEURSSOHN**, weiter verbreitet, der diese machtvolle weltweite Organisati- on von seinem New Yorker Hauptquartier aus leitet. In Isra- el sind diese Ideen weit in der allgemeinen Öffentlichkeit, in den Schulen und in der Armee verbreitet. (Entsprechend dem Zeugnis des Knesset-Mitglieds SHULAMIT ALONI wurde diese Chabad-Propaganda vor Israels Invasion des Libanon im März 1978 teilweise gesteigert, um Militärärzte und Krankenschwestern zu veranlassen, sich der medizinischen Hilfe für „nichtjüdische Verwundete“ zu entziehen. Dieser Nazi-ähnliche Rat bezog sich nicht besonders auf Araber oder Palästinenser, sondern einfach auf „Nichtjuden“, Go- jim.) Ein früherer israelischer Präsident SHAZAR war ein leidenschaftlicher Anhänger von Chabad, und viele israeli- sche und amerikanische Spitzenpolitiker – mit Ministerprä- sident BEGIN an der Spitze – hofierten und unterstützten sie öffentlich. Dies geschah trotz der beachtenswerten Unpopu- larität des Lubavitcher Rabbiners. In Israel wird er in weiten * Anm. d. Übers.: Die Chabad-Bewegung ist eine Abzweigung des Chassidismus; sie wurde vor 1800 gegründet und strebt zur Kabbala zurück. Die Namensgebung ist eine Abkürzung der Sefirot- Bezeichnungen Chochma (Weisheit), Bina (Vernunft) und Daat (Er- kenntnis) = abgekürzt: ChaBaD. ** Der Lubavitcher Rabbi M.M. SCHNEURSSOHN ist inzwischen, nach der Veröffentlichung der englischen Originalausgabe, verstorben., VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN Kreisen kritisiert, weil er sich weigert, auch nur für einen Besuch ins Heilige Land zu kommen, und hält sich selbst aus unklaren [engl.: „obscure“] messianischen Gründen in New York auf, wenngleich seine Anti-Schwarzen-Einstellung in New York offenkundig ist. Die Tatsache, daß die Chabad-Bewegung – trotz dieser prag- matischen Schwierigkeiten – von so vielen hochpolitischen Persönlichkeiten öffentlich unterstützt werden kann, beruht stark auf der gänzlich unredlichen und irreführenden Bear- beitung durch fast alle Gelehrten, die über die chassidische Bewegung und ihren Chabad-Zweig geschrieben haben. Dies betrifft besonders all diejenigen, die über die Chabad- Bewegung auf Englisch geschrieben haben oder schreiben. Sie unterdrücken die offenkundigen Zeugnisse der alten chassidischen Texte ebenso wie die jüngsten politischen Verwicklungen, die sich aus ihnen ergeben, die sogar einem gelegentlichen Leser der israelischen hebräischen Presse in die Augen springen müssen, auf deren Seiten der Lubavit- cher Rabbi und andere chassidische Führer fortwährend die fanatischsten blutrünstigen Erklärungen und Ermunterun- gen gegen die Araber veröffentlichen. Ein Hauptbetrüger in diesem Fall – ein gutes Beispiel für die Macht des Betruges – war MARTIN BUBER. Seine zahlreichen Arbeiten, die die gesamte chassidische Bewegung (ein- schließlich Chabad) lobpreisen, geben nicht den geringsten Hinweis auf die tatsächlichen Grundsätze des Chassidismus in bezug auf Nichtjuden. Der Frevel der Täuschung ist in Anbetracht der Tatsache noch größer, daß BUBERs Lobprei- sungen des Chassidismus zuerst in Deutschland während der Zeit des Aufstiegs des deutschen Nationalismus veröf- fentlicht wurden und während der Machtergreifung des Na- tionalsozialismus. Aber während sich BUBER vorgeblich dem Nationalsozialismus entgegenstellte, verherrlichte er gleich- zeitig eine Bewegung, die Ansichten über die Nichtjuden vertrat und lehrte, die nicht unähnlich den Nazi-Prinzipien gegenüber den Juden waren. Man könnte natürlich behaup- ten, daß die chassidischen Juden vor siebzig oder fünfzig Jahren die Opfer waren und eine „Notlüge“ zu Gunsten eines 6 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Opfers entschuldbar sei. Aber die Auswirkungen der Täu- schung sind unvorhersehbar. BUBERs Arbeiten wurden ins Hebräische übersetzt, wurden zu einem machtvollen Ele- ment der hebräischen Erziehung in Israel gemacht, haben die Macht der blutdürstigen chassidischen Führer in hohem Maße gestärkt und sind somit ein wichtiger Faktor im Em- porkommen des israelischen Chauvinismus und des Hasses auf alle Nichtjuden gewesen. Wenn wir an die vielen Men- schen denken, die an ihren Verwundungen starben, nur weil israelische Heeres-Krankenschwestern – durch chassidische Propaganda aufgestachelt – sich weigerten sie zu pflegen, dann liegt eine schwere Blutschuld [engl.: onus for their blood] auf dem Haupte MARTIN BUBERs. Ich muß hier erwähnen, daß BUBER mit seiner Lobhudelei über den Chassidismus andere jüdische Gelehrte weit über- traf, besonders jene, die hebräisch (oder früher jiddisch) oder sogar in europäischen Sprachen schrieben, jedoch aus- schließlich für einen jüdischen Leserkreis. In Fragen von internem jüdischen Interesse hatte es einst eine große Men- ge berechtigter Kritik an der chassidischen Bewegung gege- ben. Ihr Frauenhaß (viel extremer als derjenige, der bei aller jüdischen Orthodoxie üblich ist), ihr Schwelgen in Alkohol [engl.: indulgence in alcohol], ihr fanatischer Kult ihrer erb- lichen „heiligen Rabbiner“, die von ihnen Geld erpreßten, die zahllosen abergläubischen Gebräuche, die ihnen zu eigen waren – über dieses und viele andere negative Eigenarten wurden kritische Bemerkungen gemacht. Aber BUBERs sen- timentale und betrügerische Romantisierung hat den Sieg davongetragen, besonders in den USA und Israel, weil sie sich mit der totalitären Bewunderung für alles „echt Jüdi- sche“ in Einklang befand und weil gewisse „linke“ jüdische Kreise, in denen BUBER einen besonders großen Einfluß hat- te, sich seine Einstellung zu eigen gemacht hatten. Wenn BUBER mit seinen Ansichten auch nicht allein stand, so war er meiner Meinung nach in bezug auf das Unheil, das er verbreitete, und den Einfluß, den er hinterlassen hat, bei weitem der Schlimmste. Es gab den sehr einflußreichen So- ziologen und Bibelforscher YEHEZKIEL KAUFMAN, ein Befür-, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN worter des Völkermordes nach dem Vorbilde des Buches JOSUA, den idealistischen Philosophen HUGO SHMUEL BERGMAN, der schon 1914-1915 die Vertreibung aller Palä- stinenser in den Irak vorschlug, und viele andere. Nach au- ßen waren sie alle „wie die Tauben“ [engl.: „dovish“], ver- wendeten aber Formulierungen, die im extremsten araber- feindlichen Sinne manipuliert werden konnten; alle hatten Tendenzen zu jenem religiösen Mystizismus, der zur Ver- breitung von Betrügereien ermutigt, und alle schienen sie sanfte Persönlichkeiten zu sein, die, sogar wenn sie Vertrei- bung, Rassismus und Völkermord befürworteten, unfähig schienen, einer Fliege etwas zuleide zu tun, – und gerade aus diesem Grunde war die Wirkung ihrer Betrügereien die grö- ßere. Wir müssen uns gegen die Verherrlichung der Unmensch- lichkeit wehren, die nicht nur von den Rabbinern verkünde- tet wird, sondern auch von jenen, die als die größten und gewiß einflußreichsten Gelehrten des Judentums betrachtet werden. Und unser Kampf richtet sich gegen jene modernen Nachfolger der falschen Propheten und unehrlichen Priester, weshalb wir – auch wenn wir eine nahezu einhellige Mei- nung in Israel und die Mehrheit der Juden in den USA ge- gen uns haben – LUCRETIUS’ Warnung wiederholen müssen, nicht vor der eigenen Beurteilung zugunsten der Deklama- tionen religiöser Führer zu kapitulieren: Tantum religio po- tuit suadere malorum. („Zu solchen Höhen des Bösen werden Menschen durch die Religion getrieben.“) Religion ist nicht immer (wie MARX sagte) Opium für das Volk, aber es kann oftmals so sein; und wenn Religion in diesem Sinne ge- braucht wird, indem ihre wahre Natur verdreht und falsch dargestellt wird, nehmen die Gelehrten und Intellektuellen, die diese Aufgabe durchführen, den Charakter von Opium- schmugglern an. Aber wir können aus dieser Analyse eine weitere, mehr all- gemeine Folgerung über die wirkungsvollsten und empö- rendsten Zwangsmittel ableiten, um Böses zu tun, zu betrü- gen und zu täuschen und – während man seine eigenen Hände von Gewalttätigkeiten schön sauber hält – ganze Völ- 6 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION ker zu verderben und sie in Unterdrückung und Vernichtung zu treiben. (Denn es kann nicht mehr länger irgendeinen Zweifel darüber geben, daß die entsetzlichsten Unterdrük- kungshandlungen auf der Westbank durch jüdischen religiö- sen Fanatismus motiviert sind.) Die meisten Menschen scheinen anzunehmen, daß der schlimmste Totalitarismus physischen Zwang anwendet und würden sich auf die Schil- derung in ORWELLs „1984“ beziehen, um das Muster einer solchen Regierungsform zu veranschaulichen. Aber mir scheint, daß diese allgemeine Ansicht völlig falsch ist und daß die Intuition ISAAC ASIMOVs, in dessen Zukunftsroman die schlimmste Unterdrückung immer innerlich (seelisch) induziert [engl.: internalised] ist, der Wahrheit über die Ge- fahren der menschlichen Natur viel näherkommt. Ungleich STALINs gefügigen Gelehrten sehen sich die Rabbiner – und mehr noch die hier angegriffenen Gelehrten, und mit ihnen das ganze Gesindel [engl.: mob] der gleichförmig schweigen- den geistigen Durchschnittsmenschen [engl. middlebrows], wie z.B. Schriftsteller, Journalisten und öffentliche Persön- lichkeiten, die mehr lügen und täuschen als sie – nicht der Gefahr des Todes oder des Konzentrationslagers ausgesetzt, sondern lediglich sozialem Druck. Sie lügen aus Patriotis- mus, weil sie glauben, daß es ihre Pflicht sei für etwas zu lügen, von dem sie die Vorstellung haben, daß es im jüdi- schen Interesse sei. Sie sind „patriotische Lügner“, und es ist derselbe Patriotismus, der sie zum Stillschweigen bringt, wenn sie mit der Diskriminierung und Unterdrückung der Palästinenser konfrontiert werden. Im vorliegenden Fall stehen wir auch einer anderen Art der Gruppenloyalität gegenüber, aber einer, die von außerhalb der Gruppe kommt und die zuweilen noch verderblicher ist. Sehr viele Nichtjuden (einschließlich christlichen Geistlichen und gläubigen Laien, ebenso wie einigen Marxisten aller marxistischen Gruppierungen) sind der merkwürdigen Mei- nung, daß es wegen der Verfolgung der Juden ein Weg zur „Wiedergutmachung“ sei, sich nicht gegen von Juden verüb- tes Böses zu äußern, sondern sich an den „Notlügen“ über sie zu beteiligen. Die plumpe Beschuldigung des Antisemitis- mus“ (oder im Falle von Juden „Selbsthaß“) gegen jeden, der, VORURTEILE UND HALBWAHRHEITEN gegen die Diskriminierung der Palästinenser protestiert oder auf irgendeine Tatsache über die jüdische Religion oder die jüdische Vergangenheit hinweist, die mit der „anerkannten Version“ in Widerspruch steht, erfolgt mit größerer Feindse- ligkeit und Wucht von nichtjüdischen „Freunden der Juden“ als von Juden selbst. Die Existenz und der große Einfluß dieser Gruppe in allen westlichen Ländern und besonders in den USA (ebenso wie in anderen englischsprachigen Län- dern) ist es, der es den Rabbinern und Gelehrten des Juden- tums erlaubt hat, ihre Lügen nicht nur ohne Widerspruch, sondern mit beträchtlicher Hilfe zu verbreiten. In der Tat haben viele erklärte „Anti-Stalinisten“ das Idol für ihre Verehrung lediglich gegen ein anderes ausgetauscht und neigen dazu, den jüdischen Rassismus und Fanatismus mit noch größerer Begeisterung und Unehrlichkeit zu unter- stützen, als dies unter den ergebensten Stalinisten in der Vergangenheit geschah. Obwohl sich dieses Phänomen der blinden und stalinistischen Unterstützung für alles Böse, solange es „jüdisch“ ist, besonders stark seit 1945 entwickel- te, nachdem die Wahrheit über die Vernichtung der europäi- schen Judenschaft bekannt wurde, so ist es ein Fehler zu glauben, daß es erst dann begann. Im Gegenteil, der Beginn liegt sehr weit zurück, besonders in sozialdemokratischen Kreisen. Einer der früheren Freunde von MARX, MOSES HESS, weit bekannt und geachtet als einer der ersten Soziali- sten in Deutschland, offenbarte sich hernach als ein extre- mer jüdischer Rassist, dessen Ansichten über die „reine jüdi- sche Rasse“ – veröffentlicht im Jahre 1858 – nicht unähnlich dem vergleichbaren Unsinn über die „reine arische Rasse“ waren. Aber die deutschen Sozialisten, die gegen den deut- schen Rassismus kämpften, verblieben stumm über ihren jüdischen Rassismus. Im Jahre 1944 – während des aktuellen Kampfes gegen HITLER – genehmigte die britische Labour Party einen Plan für die Vertreibung der Palästinenser aus Palästina, der HITLERs früheren Plänen (etwa bis 1941) für die Juden äh- nelte. Dieser Plan wurde unter dem Druck der jüdischen Mitglieder der Parteiführung angenommen, von denen viele 6 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION eine stärkere verwandtschaftliche [engl.: „kith and kin“ = Verwandte und Bekannte] Verbundenheit zu jeder israeli- schen Politik offenbart haben, als die konservativen „Ver- wandte und Bekannte“-Unterstützer von IAN SMITH jemals taten. Aber stalinistische Tabus bei der Linken sind in Groß- britannien stärker als bei der Rechten, und es gibt im we- sentlichen keine Diskussion, selbst wenn die Labour Party die Regierung BEGINs unterstützt. In den USA hat eine ähnliche Situation die Vorherrschaft gewonnen, – und wiederum sind die amerikanischen Libe- ralen die Schlimmsten. Es ist hier nicht der Ort, um all die politischen Auswirkun- gen dieser Situation zu erforschen, aber wir müssen der Wirklichkeit ins Auge sehen: In unserem Kampf gegen den Rassismus und Fanatismus der jüdischen Religion werden unsere größten Feinde nicht nur die jüdischen Rassisten (und die Nutznießer des Rassismus) sein, sondern auch jene Nichtjuden, die in anderen Gegenden – fälschlicherweise, wie ich meine – als „Progressive“ bekannt sind., ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG

Kapitel 3 Orthodoxie und Auslegung

Dieses Kapitel ist einer ausführlicheren Beschreibung der religionsgesetzlichen Struktur des klassischen Judentums gewidmet.1 Bevor wir jedoch mit dieser Beschreibung begin- nen, ist es notwendig, wenigstens einige der vielen Mißver- ständnisse auszuräumen, die in beinahe allen fremdsprachli- chen (d.h. nichthebräischen) Darstellungen des Judentums ausgestreut wurden, besonders in denjenigen, die solche gegenwärtig modernen Redewendungen wie „die jüdisch- christliche Tradition“ oder „die gemeinsamen Werte der mo- notheistischen Religionen“ propagieren. Aus Platzgründen werde ich nur den wichtigsten dieser weitverbreiteten Irrtümer ausführlich behandeln: daß die jüdische Religion monotheistisch sei und es immer war. Nun ist diese geschichtswidrige Ansicht, wie viele Bibelforscher wissen und was ein sorgfältiges Lesen des Alten Testaments leicht offenbart, völlig falsch. In vielen, wenn nicht den mei- sten Büchern des Alten Testaments wird die Existenz und die Macht „anderer Götter“ ganz klar anerkannt, aber JHWH (= Jahweh), der der mächtigste Gott ist2, ist auch auf seine Rivalen sehr eifersüchtig und verbietet seinem Volk, diese zu verehren.3 Die Existenz aller anderen Götter, außer derjeni- gen JHWHs, wird in der Bibel bei einigen der späteren Pro- pheten erst zu einem sehr späten Zeitpunkt abgestritten.4 Für uns ist jedoch nicht das biblische, sondern das klassische Judentum von Interesse; und es ist vollkommen klar, wenn auch in weiten Kreisen weitaus weniger erkannt, daß das letztere [das klassische Judentum] während der letzten we- nigen Jahrhunderte größtenteils weit vom reinen Monothe- ismus entfernt war. Das gleiche kann von den tatsächlichen Grundsätzen gesagt werden, die im gegenwärtigen orthodo- xen Judentum vorherrschen, das eine direkte Fortsetzung des klassischen Judentums ist. Der Verfall des Monotheis- mus kam durch die Ausbreitung des jüdischen Mystizismus 6 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION (der Kabbala) zustande, der sich im 12. und 13. Jahrhundert entwickelte und gegen Ende des 16. Jahrhunderts im Grun- de genommen einen fast vollständigen Sieg in allen Zentren des Judentums errungen hatte. Die jüdische Aufklärung, die aus der Krise des klassischen Judentums erwuchs, mußte mehr gegen diesen Mystizismus und seinen Einfluß kämpfen als gegen alles andere, aber in der jüngsten jüdischen Ortho- doxie, besonders unter den Rabbinern, ist der Einfluß der Kabbala vorherrschend geblieben.5 So ist die Gusch Emunim- Bewegung z.B. in großem Ausmaß von kabbalistischen Ideen inspiriert. Die Kenntnis und das Verständnis dieser Ideen ist daher aus zwei Gründen wichtig. Erstens kann man ohne diese die wahren Glaubensvorstellungen des Judentums am Ende seiner klassischen Periode nicht verstehen. Zweitens spielen diese Ideen gegenwärtig insofern eine wichtige politische Rolle, als sie einen Teil des deutlichen Systems der Glau- bensvorstellungen vieler religiöser Politiker, einschließlich der meisten Führer des Gusch Emunim formen und damit einen indirekten Einfluß auf viele zionistische Führer aller Parteien ausüben, einschließlich der zionistischen Linken. Nach der Kabbala wird das Universum nicht von einem Gott beherrscht, sondern von verschiedenen Gottheiten mit ver- schiedenartigen Charakteren und Einflüssen, entstanden durch einen unklaren, fernen Schöpfungsakt [engl.: First Cause = Urgrund, Gott]. Wenn man viele Einzelheiten aus- läßt, kann man das System wie folgt zusammenfassen: Aus dem ersten Schöpfungsakt gingen zuerst ein männlicher Gott namens „Weisheit“ oder „Vater“ und danach eine weibli- che Göttin mit Namen „Wissen“ oder „Mutter“ hervor bzw. wurden geboren. Durch die Hochzeit dieser beiden wurde ein Paar jüngerer Gottheiten geboren: Der „Sohn“, der auch mit vielen anderen Namen benannt wurde, wie z.B. „Kleines Ge- sicht“ oder „Der Heilige Gesegnete“', und die „Tochter“, die auch „Lady“ (oder „Matronit“, ein Wort, das aus dem Lateini- schen abgeleitet wurde), „Shekinah“, „Königin“ usw. genannt wurde. Diese beiden jüngeren Götter sollten vereinigt wer- den, aber ihre Vereinigung ist durch die Ränke Satans ver-, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG hindert worden, der in diesem System eine sehr wichtige und unabhängige Persönlichkeit darstellt. Die Erschaffung ist durch den Schöpfungsakt [First Cause] erfolgt, um ihnen die Vereinigung zu gewähren, doch wegen des Sündenfalles wurden sie mehr denn je getrennt, und tatsächlich ist es Satan gelungen, der göttlichen „Tochter“ sehr nahe zu kom- men und ihr sogar Gewalt anzutun (ob scheinbar oder tat- sächlich – darüber gehen die Meinungen auseinander). Die Erschaffung des jüdischen Volkes wurde unternommen, um den von Adam und Eva verursachten Bruch zu heilen, was am Berge Sinai für einen Augenblick gelungen war: Der männliche Gott „Sohn“, Fleisch geworden [engl.: incarnated] in Moses, wurde mit der Göttin Shekinah vereint. Unglückli- cherweise verursachte die Sünde des Goldenen Kalbes er- neut eine Trennung der Gottheit; doch die Bußfertigkeit des jüdischen Volkes hat die Angelegenheit in gewissem Grade wieder gebessert. In ähnlicher Weise wird geglaubt, daß je- des Ereignis der biblischen jüdischen Geschichte mit der Vereinigung oder Trennung des göttlichen Paares verbunden sei. Die jüdische Eroberung Palästinas von den Kanaanitern und der Bau des ersten und zweiten Tempels sind besonders günstig für ihre Vereinigung, während die Zerstörung der Tempel und die Vertreibung der Juden aus dem Heiligen Land lediglich äußere. Zeichen nicht nur der göttlichen Tren- nung, sondern auch einer tatsächlichen „Unzucht mit frem- den Göttern“ sind: Die „Tochter“ verfällt beinahe der Macht Satans, während der „Sohn“ statt seiner eigentlichen Ge- mahlin verschiedene weibliche satanische Persönlichkeiten in sein Bett nimmt. Es ist die Pflicht frommer Juden, durch ihre Gebete und re- ligiösen Handlungen die vollkommene göttliche Einheit in der Form sexueller Vereinigung zwischen männlicher und weiblicher Gottheit wiederherzustellen.6 Daher wird vor den meisten rituellen Handlungen, die jeder gläubige Jude jeden Tag viele Mal§ vollziehen muß, die folgende kabbalistische Formel aufgesagt: „Um der [sexuellen] Vereinigung7 des Hei- ligen Gesegneten mit seiner Shekhinah willen …“ Die jüdi- schen Morgengebete sind ebenfalls dahingehend zusammen- gestellt, daß sie diese sexuelle Vereinigung begünstigen, und 7 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION sei es auch nur vorübergehend. Aufeinanderfolgende Teile des Gebets entsprechen in mystischer Weise den fortschrei- tenden Stufen der Vereinigung: An einer Stelle nähert sich die Göttin mit ihren Dienerinnen, an einer anderen legt der Gott seinen Arm um ihren Nacken und streichelt ihre Brust und schließlich vermutet man, daß der Liebesakt vollzogen wird. Andere Gebete oder religiöse Handlungen sind dafür be- stimmt – wie von den Kabbalisten erklärt wird –, verschie- dene Engel (die man sich als geringere Gottheiten vorstellt mit einem gewissen Maß an Unabhängigkeit) zu täuschen oder um Satan zu besänftigen [engl.: propitiate]. An einer bestimmten Stelle des Morgengebetes werden einige Verse auf Aramäisch (anstatt des gebräuchlicheren Hebräisch) gesprochen.8 Man nimmt an, daß dies ein Mittel sei, diejeni- gen Engel zu überlisten, die die Tore bedienen, durch welche die Gebete in den Himmel gelangen, und die die Macht ha- ben, die Gebete der Frommen aufzuhalten. Die Engel ver- stehen nur Hebräisch und werden von den aramäischen Ver- sen verwirrt. Da sie irgendwie einfältig sind (vermutlich sind sie weit weniger klug als die Kabbalisten), öffnen sie die To- re, und in diesem Augenblick können alle Gebete, ein- schließlich denen in Hebräisch, hindurch gelangen. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Sowohl vor als auch nach einer Mahlzeit wäscht sich ein frommer Jude in rituel- ler Weise die Hände und stößt dabei einen besonderen Se- genswunsch aus. Bei einer dieser beiden Gelegenheiten betet er zu Gott, indem er die göttliche Vereinigung von „Sohn“ und „Tochter“ befürwortet. Aber bei der anderen betet er Satan an, der jüdische Gebete und rituelle Handlungen so sehr liebt, daß er, sobald ihm wenige davon angeboten wer- den, eine Weile damit beschäftigt ist und vergißt, die göttli- che „Tochter“ zu bedrängen. Tatsächlich glauben die Kabba- listen, daß einige der Opfer, die im Tempel verbrannt wur- den, für Satan bestimmt waren. So wurden z.B. die 70 Och- sen, die während der sieben Tage des Laubhüttenfestes [,,Feast of Tabernacles“]9 geopferten wurden, vermutlich Sa- tan in seiner Eigenschaft als Herrscher aller Nichtjuden10, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG angeboten, um ihn zu beschäftigt zu halten, als daß er am achten Tage stören könnte, wenn das Opfer für Gott darge- bracht wird. Es können viele andere Beispiele derselben Art gegeben werden. Zu diesem System und seiner Bedeutung für das richtige Verständnis des Judentums sollten noch einige Anmerkun- gen gemacht werden, und zwar sowohl bezüglich seiner klas- sischen Periode als auch bezüglich seiner gegenwärtigen politischen Verwicklung mit der zionistischen Praxis. Erstens: Was auch immer über dieses kabbalistische System zu sagen ist, es kann nicht als monotheistisch bezeichnet werden, es sei denn, man ist auch bereit, den Hinduismus, die späte griechisch-römische Religion oder sogar die Religi- on des alten Ägyptens als „monotheistisch“ zu betrachten. Zweitens: Die wahre Natur des klassischen Judentums wird durch die Sorglosigkeit veranschaulicht, mit der dieses Sy- stem angenommen wurde. Glaubensbekenntnis und Glau- bensanschauungen (ausgenommen nationalistische Glau- bensvorstellungen) spielen im klassischen Judentum eine äußerst geringfügige Rolle. Von vorrangiger Wichtigkeit ist die rituelle Handlung, und zwar vielmehr als die vermutete Bedeutung dieses Aktes oder die damit verbundene Glau- bensvorstellung. In Zeiten, in denen sich eine Minderheit gläubiger Juden weigerte, die Kabbala zu akzeptieren (wie es heute der Fall ist), kann man daher einige wenige Juden beobachten, die ein festgelegtes religiöses Ritual ausüben in dem Glauben, daß es ein Akt der Gottesverehrung sei, wäh- rend andere genau das Gleiche in der Absicht tun, Satan zu besänftigen – doch solange die rituelle Handlung die gleiche ist, würden sie zusammen beten und Mitglieder derselben Gemeinde bleiben, soviel sie sich auch immer gegenseitig mißbilligen würden. Würde aber irgend jemand wagen, statt des Sinnes, der mit dem Ritual des Händewaschens verbun- den ist, eine Neuerung in der Art und Weise des Waschens11 einzuführen, würde sicherlich eine tatsächliche Spaltung erfolgen. 7 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Dasselbe kann von allen heiligen Vorschriften des Juden- tums gesagt werden. Unter der Voraussetzung, daß der Wortlaut beibehalten wird, ist die Bedeutung bestenfalls zweitrangig. So kann z.B. die vielleicht heiligste jüdische Glaubensformel [5. Buch Mose, 6:4]* „Höre, oh Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig“, die von jedem from- men Juden mehrere Male an jedem Tage aufgesagt wird, in der gegenwärtigen Zeit zwei gegensätzliche Dinge bedeuten: Sie kann bedeuten, daß der Herr tatsächlich „einzig“ [oder „eins“] ist; sie kann aber auch bedeuten, daß ein bestimmtes Stadium bei der Vereinigung der männlichen und weiblichen Gottheit erreicht worden ist oder durch das richtige Aufsa- gen dieser Gebetsformel begünstigt wird. Wenn jedoch Juden einer reformierten Gemeinde diese Gebetsformel in irgend- einer anderen Sprache als der hebräischen aufsagen, sind alle orthodoxen Rabbiner, ob sie an die Einheit [engl.: unity] oder an die göttliche sexuelle Vereinigung [engl.: divine se- xual union] glauben, in der Tat sehr zornig. Schließlich ist all dies sogar noch heute in Israel (ebenso wie in anderen jüdischen Zentren) von beträchtlicher Wichtig- keit: Die ungeheure Bedeutung, die mit bloßen Formeln ver- bunden ist (solcher wie das „Gesetz von Jerusalem“); die Ide- en und Beweggründe des Gusch Emunim; die Inbrunst hin- ter dem Haß, daß Nichtjuden gegenwärtig in Palästina woh- nen; die fatalistische Einstellung gegenüber allen Friedens- versuchen seitens der arabischen Staaten – all dieses und viele andere Eigenarten der zionistischen Politik, die so vie- len wohlgesonnenen Menschen, die eine falsche Vorstellung vom klassischen Judaismus haben, rätseln läßt, werden vor diesem religiösen und mystischen Hintergrund verständli- cher. Ich muß jedoch davor warnen, nunmehr in das andere Extrem zu verfallen und zu versuchen, jede zionistische Poli- tik entsprechend den Bedingungen dieses Hintergrundes zu erklären. Offensichtlich schwanken die Einflüsse des letzte- ren in ihrem Ausmaß. BEN-GURION war ein Meister darin, * Anmerkung des Übersetzers: Gemäß Luther-Bibel, Stuttgart 1902 (diese Bibel wird auch bei weiteren Bibelzitaten benutzt): „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr.“, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG sie in beschränkter Weise für bestimmte Zwecke zu beein- flussen. Unter BEGIN übte die Vergangenheit einen viel grö- ßeren Einfluß auf die Gegenwart aus. Was man aber nie tun sollte, ist die Vergangenheit und ihre Einflüsse zu ignorie- ren, denn nur durch ihre Kenntnisnahme kann man ihre blinde Macht beherrschen.

Auslegung der Bibel

Aus dem vorhergehenden Beispiel ist ersichtlich, daß das, was die meisten vermeintlich gut informierten Menschen über das Judentum zu wissen glauben, sehr irreführend sein kann, es sei denn, sie können Hebräisch lesen. All die oben erwähnten Einzelheiten können in den Originaltexten aufge- funden werden oder in einigen Fällen in modernen Büchern, die für eine ziemlich spezialisierte Leserschaft in Hebräisch geschrieben wurden. Auf Englisch würde man vergebens nach ihnen suchen, sogar dort, wo die Auslassung solcher aus sozialen Gründen wichtigen Tatsachen das gesamte Bild verdreht. Es gibt noch ein weiteres Mißverständnis über das Juden- tums, das besonders unter Christen verbreitet ist oder bei Menschen, die stark von christlicher Tradition und Kultur beeinflußt sind. Dies ist die irreführende Vorstellung, daß das Judentum eine „biblische Religion“ sei; daß das Alte Te- stament im Judentum die gleiche zentrale Stellung und rechtmäßige Autorität einnehme, wie die Bibel sie für das protestantische oder sogar für das katholische Christentum hat. Dies ist wiederum mit der Frage nach der Deutung verbun- den. Wir haben gesehen, daß es in Glaubensdingen einen großen Spielraum gibt. Das genaue Gegenteil gilt in bezug auf die rechtmäßige Auslegung der heiligen Texte. Hier ist die Interpretation starr festgelegt – doch mehr durch den Talmud als durch die Bibel selbst.12 Viele, vielleicht die mei- sten biblischen Verse, die religiöse Handlungen und Pflich- 7 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION ten vorschreiben, werden vom klassischen Judentum und von der gegenwärtigen Orthodoxie in einer Weise „verstan- den“, die sehr verschieden oder sogar das Gegenteil ihrer buchstäblichen Bedeutung sind, wie sie von Christen oder anderen Lesern des alten Testaments verstanden wird, die nur den reinen Text kennen. Dieselbe Spaltung gibt es ge- genwärtig in Israel zwischen denen, die in jüdischen religiö- sen Schulen erzogen werden, und jenen, die „weltliche“ he- bräische Schulen besuchen, wo im großen und ganzen die reine Bedeutung des Alten Testaments gelehrt wird. Diese wichtige Kernfrage kann nur anhand von Beispielen verstanden werden. Es wird darauf hingewiesen, daß die Meinungsänderungen vom ethischen Gesichtspunkt aus ge- sehen, wie der Ausdruck nun verstanden wird, nicht alle in dieselbe Richtung gehen. Die Rechtfertigungslehre des Ju- dentums macht geltend, daß die Deutung der Bibel, die von den Pharisäern begründet und im Talmud festgeschrieben wurde, immer noch liberaler sei als der buchstäbliche Sinn. Aber einige der nachfolgenden Beispiele zeigen, daß dies bei weitem nicht der Fall ist: 1. Beginnen wir mit dem Dekalog [die Zehn Gebote] selbst. Das achte Gebot „Du sollst nicht stehlen“ (Exodus = 2. Buch Mose, 20:15) wird als Verbot des „Stehlens“ (d.h. Entführens) einer jüdischen Person aufgefaßt. Der Grund dafür ist, daß gemäß dem Talmud alle Handlungen, die durch den Dekalog (= die Zehn Gebote) verboten sind, Kapitalvergehen darstel- len. Der Diebstahl von Hab und Gut ist – der Auslegung zu- folge – kein Kapitalvergehen (während die Entführung von Nichtjuden durch Juden vom talmudischen Gesetz erlaubt ist). Bei dem im wesentlichen gleichlautenden Satz „Ihr sollt nicht stehlen ...“ (Levitikus = 3. Buch Mose, 19:11) ist es je- doch erlaubt, seine buchstäbliche Bedeutung beizubehalten. 2. Die berühmte Verszeile „Auge um Auge, Zahn um Zahn ...“ (Exodus = 2. Buch Mose, 21:24) wird so aufgefaßt, daß sie „Augengeld für Auge“ bedeutet, d.h. eher Zahlung einer Geldstrafe anstatt körperlicher Vergeltung., ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG 3. Hier liegt ein offenkundiges Beispiel dafür vor, wie die buchstäbliche Bedeutung in ihr genaues Gegenteil verkehrt wird. Der biblische Text warnt unverkennbar davor, der Wo- ge der Volksgunst in einem ungerechten Prozeß zu folgen: „Du sollst nicht folgen der Menge zum Bösen und nicht also antworten vor Gericht, daß du der Menge nach vorn Rechten weichest“* (Exodus = 2. Buch Mose, 23:2). Die letzten Worte dieses Satzes „... daß Du der Menge nach vom Rechten wei- chest“ werden aus ihrem Zusammenhang gerissen und als ein ausdrücklicher Befehl, der Mehrheit zu folgen, interpre- tiert. 4. Der Vers „ Und sollst das Böcklein nicht kochen in seiner Mutter Milch“ (Exodus = 2. Buch Mose, 23:19) wird als Ver- bot ausgelegt, jede Art von Fleisch mit irgendwelcher Milch oder Milchprodukten zu vermischen. Da derselbe Vers an zwei anderen Stellen im Pentateuch [= die fünf Bücher Mose] wiederholt wird, wird die bloße Wiederholung als ein dreifa- ches Verbot aufgefaßt, das einem Juden verbietet, (a) eine solche Mischung zu essen, (b) sie für irgendeinen Zweck zu kochen und (c) diese zu genießen oder in irgendeiner Weise Vorteile daraus zu ziehen.13 5. In zahlreichen Fällen werden allgemeine Ausdrücke – solche wie „dein Nächster“, „Fremder“ oder sogar „Mensch“– verwendet, um eine ausschließende [engl.: exclusivist] chau- vinistische Bedeutung auszudrücken. Der berühmte Vers „Du sollst deinen Nächsten14 lieben wie dich selbst“ (Levitikus = 3. Buch Mose, 19:18) wird vom klassischen (und vom ge- genwärtigen orthodoxen) Judentum als ausdrücklicher Be- fehl verstanden, seinen Nächsten, der Jude ist, zu lieben, nicht aber irgendeinen Mitmenschen. In ähnlicher Weise wird angenommen, daß die Verszeile „Du sollst auch nicht stehen wider deines Nächsten Blut“, (ebenda, Vers 16) bedeu- tet, daß man nicht tatenlos dabeistehen soll, wenn das Leben („Blut“) eines jüdischen Nächsten in Gefahr ist. Jedoch ist es einem Juden – wie aus Kapitel 5 ersichtlich sein wird – im * Anmerkung des Übersetzers: Wiedergegeben entsprechend der Luther-Bibel (Stuttgart 1902), 2. Mose, 23:2. 7 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION allgemeinen verboten, das Leben eines Nichtjuden zu retten, weil „er nicht dein Nächster ist“. Der edelmütige ausdrückli- che Befehl, die Nachlese auf seinem Acker und Weinberg für „die Armen und Fremdlinge“ (ebenda, Verse 9-10) liegen zu lassen, wird so ausgelegt, daß es sich ausschließlich auf die jüdischen Armen und zum Judentum Übergetretene bezieht. Die Tabugesetze in bezug auf Leichen beginnen mit dem Vers: „Dies ist das Gesetz: Wenn ein Mensch in der Hütte“ [Amnerk. des Übers.: bei Shahak: „in a tent“= in einem Zelt] „stirbt, soll jeder, der in die Hütte gehet ... unrein sein sieben Tage“ (Numbers = 4. Buch Mose, 19:14). Das Wort „Mensch“ (adam) wird so aufgefaßt, daß es „Jude“ bedeutet , so daß nur eine jüdische Leiche tabu (dies bedeutet beides: „unrein“ und heilig) ist. Auf dieser Interpretation basierend empfin- den fromme Juden eine furchtgeladene [engl.: tremendous], magische Beziehung gegenüber jüdischen Leichen und jüdi- schen Friedhöfen, besitzen jedoch keinen Respekt gegenüber nichtjüdischen Leichen und Friedhöfen. So sind in Israel Hunderte von moslemischen Friedhöfen gänzlich zerstört worden (in einem Fall, um Platz für das Hilton-Hotel in Tel Aviv zu schaffen), es gab jedoch einen großen Aufschrei, weil der jüdische Friedhof am Ölberg unter jordanischer Herr- schaft beschädigt wurde. Die Beispiele dieser Art sind zu zahlreich, um sie einzeln aufzuzählen. Einige der un- menschlichen Konsequenzen aus dieser Art der Auslegung werden im Kapitel 5 diskutiert. 6. Lassen Sie uns schließlich noch eine der schönsten pro- phetischen Passagen eingehend betrachten: JESAJAs großar- tige Verurteilung der Heuchelei und des inhaltlosen Rituals und seine Ermahnung zu allgemeiner Sittsamkeit. Ein Vers (Jesaja, 1:15) in dieser Passage lautet: „Und wenn ihr schon eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Bluts.“ Da jüdische Priester beim Segnen der Leute während des Gottesdienstes „ihre Hände ausbreiten“, nimmt man von diesem Vers die Bedeutung an, daß ein Priester, der einen unbeabsichtigten Totschlag be- geht, vom Segnen „mit ausgebreiteten Händen“ disqualifi- ziert ist (sogar wenn er bereut), weil sie „voll von Blut“ sind., ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG Es ist völlig klar – auch aufgrund dieser Beispiele –, daß, wenn orthodoxe Juden heute (oder alle Juden vor etwa 1780) die Bibel lesen, dann lesen sie ein ganz anderes Buch mit einer völlig anderen Auslegung der Bibel, als sie von Nicht- juden oder nichtorthodoxen Juden gelesen wird. Diese Un- terscheidung gilt sogar in Israel, obwohl beide Gruppen den Text in Hebräisch lesen. Die Erfahrung, insbesondere seit 1967, hat dies wiederholt bestätigt. Viele Juden in Israel (und anderswo), die nicht orthodox sind und nur geringe Einzelkenntnisse von der jüdischen Religion besitzen, haben versucht, orthodoxe Israelis (oder stark religiös beeinflußte Anhänger des rechten Flügels) wegen ihrer unmenschlichen Haltung gegenüber den Palästinensern zu beschämen, indem sie ihnen gegenüber Bibelverse in ihrem schlichten mensch- lichen Sinne zitierten. Es wurde jedoch immer wieder festge- stellt, daß solche Argumente nicht die geringste Wirkung auf die Anhänger des klassischen Judentums haben; diese ver- stehen einfach nicht, was man ihnen sagt, da der biblische Text für sie etwas völlig anderes bedeutet als für jedermann sonst. Wenn schon solche Verständigungsschwierigkeiten in Israel bestehen, wo die Menschen Hebräisch lesen und mit Leich- tigkeit richtige Informationen erhalten können, wenn sie es wünschen, kann man sich vorstellen, welch großes Mißver- ständnis im Ausland [d.h. außerhalb Israels] herrscht, etwa unter Menschen, die in der christlichen Tradition erzogen wurden. Es ist eine Tatsache: Je mehr eine solche Person in der Bibel liest, desto weniger weiß er oder sie über das or- thodoxe Judentum. Für das letztere gilt das Alte Testament als ein Text aus unveränderlichen heiligen Formeln, deren Aufsagen eine Handlung von großem Wert ist, deren Bedeu- tung jedoch gänzlich anderswo festgelegt ist. Und, wie HUMPTY DUMPTY zu Alice sagte: Hinter dem Problem, wer über die Bedeutung der Wörter bestimmen kann, steht die wahre Frage: „Was herrscht hier vor?“ 7 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION

Die Bestandteile des Talmuds

Es sollte daher ganz klar erkannt werden, daß die Ermächti- gungsquelle für all die Gebräuche des klassischen (und des gegenwärtigen orthodoxen) Judentums – die entscheidende Grundlage seines Rechtssystems – der Talmud ist, oder um genauer zu sein, der sogenannte „Babylonische Talmud“; wohingegen die übrige talmudische Literatur (einschließlich des sogenannten „Jerusalemer“ oder „Palästinensischen Talmud“) als ergänzende Quelle dient. Wir können uns hier nicht auf eine ins einzelne gehende Beschreibung des Talmuds und der talmudischen Literatur einlassen, sondern müssen uns auf wenige Hauptpunkte beschränken, die für unsere Beweisführung benötigt werden. Der Talmud besteht grundsätzlich aus zwei Teilen: Der erste ist die Mischna – ein knapp gehaltenes Gesetzbuch, das aus sechs „Ordnungen“ besteht, deren jede in mehrere „Traktate“ unterteilt ist, die in Hebräisch geschrieben sind und gegen 200 n.d.Ztr. in Palästina aus dem weitaus umfangreicheren (und größtenteils mündlich) überlieferten Gesetzesmaterial herausgegeben wurden, das während der vorangegangenen zwei Jahrhunderte zusammengestellt worden war. Der zwei- te und bei weitem überwiegende Teil ist die Gemara, eine umfangreiche Niederschrift von Erörterungen über und um die Mischna. Es gibt zwei grob vergleichbare Fassungen der Gemara, von denen eine etwa zwischen 200 und 500 n.d.Ztr. in Mesopotamien („Babylon“) erstellt wurde, während die andere in Palästina zwischen etwa 200 n.d.Ztr. und einem unbekanntem Zeitpunkt weit vor 500 entstand. Der „babylo- nische Talmud“ (d.h. die Mischna und die mesopotamische Gemara zusammen) ist viel umfassender und besser geord- net als der palästinensische und wird allein als endgültig und maßgebend betrachtet. Dem „Jerusalemer (palästinensi- schen) Talmud“ wird als Gesetzesautorität ein entschieden geringerer Status zuerkannt, zusammen mit mehreren Sammelwerken, die unter dem Sammelbegriff „talmudische Literatur“ bekannt sind und Textmaterial enthalten, das die Herausgeber der beiden Talmuds weggelassen haben., ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG Im Gegensatz zur Mischna ist der restliche Talmud und die talmudische Literatur in einer Mischung aus Hebräisch und Aramäisch geschrieben, wobei die letztere Sprache im baby- lonischen Talmud vorherrschend ist. Die Gemara kommen- tiert und erläutert die Mischna und bildet mit ihr zusammen den Talmud. Es werden zwei Arten des talmudischen Stoffes unterschieden: Erstens die Halacha, die das Gesetz und die Diskussionen über das Gesetz umfaßt; sie nimmt den weit- aus größten Teil des Talmud ein. Die Halacha wird direkt oder mittels hermeneutischer Regeln aus der Bibel abgelei- tet; manches gilt zugleich als uralte mündliche Tradition, als mosaisches Gesetz, das in der Thora nicht niedergeschrieben wurde. Der Talmud ist auch nicht auf rechtliche Angelegen- heiten beschränkt. Diese zweite Art des talmudischen Stoffes nennt man Agada. Im Gegensatz zur Halacha beinhaltet die Agada die verschiedensten Arten von Unterhaltung, Erbau- ung, Geschichten, Sagen und Ethik. Ohne irgendeine er- sichtliche Ordnung oder Ursache können Rechtsdíspute (Ha- lacha} plötzlich durch sogenannte „Geschichten“ (Agada) unterbrochen werden, einem Gemisch aus Erzählungen und Anekdoten über Rabbiner oder gewöhnliche Leute, biblische Gestalten, Engel, Dämonen, Hexerei und Wunder.15 Diese erzählerischen Passagen (Agada) – obwohl während der Jahrhunderte von großem volkstümlichen Einfluß im Juden- tum – wurden immer (sogar vom Talmud selbst) als von zweitrangiger Bedeutung angesehen. Von größter Wichtig- keit sind für das klassische Judentum die Rechtsausführun- gen im Text, besonders die Diskussion von Fällen, die als problematisch angesehen werden (Halacha). Der Talmud selbst definiert die verschiedenen Kategorien von Juden in aufsteigender Reihe wie folgt: Zum niedersten Rang gehören die völlig Unwissenden, dann kommen jene, die nur die Bibel kennen, dann jene, die mit der Mischna oder der Agada vertraut sind, und die höchste Klasse sind jene, die studiert haben und fähig sind, den gesetzlichen Teil der Gemara (= die Halacha}, zu erörtern. Nur die zuletzt Genannten sind befähigt, ihre jüdischen Mitbürger in allen Dingen zu führen. 8 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Das Rechtssystem des Talmuds kann als allumfassend, streng autoritär [engl.: authoritarian] und dennoch zur un- begrenzten Entwicklung fähig beschrieben werden, jedoch ohne irgendeine Änderung seiner dogmatischen Grundlagen. Jeder Aspekt jüdischen Lebens – sowohl im individuellen als auch im sozialen Bereich – ist erfaßt, gewöhnlich in beach- tenswerter Ausführlichkeit, mit Zwangsmaßnahmen und Strafen, die für jede nur denkbare Sünde oder Verletzung der Regeln vorgesehen sind. Die Grundregeln für jedes Pro- blem sind dogmatisch festgelegt und können nicht in Frage gestellt werden. Was möglich ist und in sehr großer Ausdau- er diskutiert wird, ist die Vervollkommnung und praktische Definition dieser Vorschriften. Lassen sie mich einige wenige Beispiele geben: „Verbot jeglicher Arbeit“ am Sabbat. Der Begriff Arbeit“ wird in der Weise definiert, daß er genau 39 Arten von Arbeit umfaßt, nicht mehr und nicht weniger. Das Kriterium für die Aufnahme in dieser Liste hat nichts mit der Schwierigkeit einer vorgegebenen Aufgabe zu tun, es ist einfach eine Frage der dogmatischen Definition. Eine verbotene Art von „Arbeit“ ist das Schreiben. Es erhebt sich dann die Frage: Wie viele Buchstaben muß man schreiben, um am Sabbat die Sünde des Schreibens zu begehen? (Antwort: zwei). Ist die Sünde die gleiche, unabhängig davon, welche Hand benutzt wird? (Antwort: nein). Um jedoch vor dieser Sünde zu schützen, wird das primäre Verbot des Schreibens durch ein zweites Gebot abgesichert, am Sabbat keine Schreibgeräte zu berüh- ren. Eine andere „ursprüngliche“ [engl.: prototypical = wörtlich: urbildlich] Arbeit, die am Sabbat verboten ist, ist das Mah- len von Getreide. Hiervon ist durch Analogie abgeleitet, daß jegliche Art des Mahlens, was immer es auch sei, verboten ist. Und dies wiederum wird durch ein Verbot medizinischer Anwendungen am Sabbat abgesichert (außer in Fällen, in denen jüdisches Leben gefährdet ist), um davor zu schützen, durch das Mahlen eines Medikamentes eine Sünde zu bege- hen. Es ist vergeblich, darauf hinzuweisen, daß solch eine Gefahr in der Neuzeit nicht mehr besteht ( noch, was das, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG betrifft, jemals in vielen Fällen in talmudischen Zeiten be- stand); denn – als Zaun um den Zaun – verbietet der Talmud ausdrücklich flüssige Medikamente und stärkende Getränke am Sabbat. Was einmal festgeschrieben worden ist, bleibt für immer festgeschrieben, wie absurd es auch sein mag. TER- TULLIAN, einer der frühen Kirchenväter, hatte geschrieben: „Ich glaube es, weil es widersinnig ist.“ Dies kann als Motto für den größten Teil der talmudischen Vorschriften dienen, wobei das Wort „glauben“ durch das Wort „praktizieren“ zu ersetzen ist. Das folgende Beispiel beleuchtet noch besser, welchen Grad an Absurdität dieses System erreicht hat. Eine der „ur- sprünglichen“ Arbeiten, die am Sabbat verboten sind, ist das Ernten. Dies wird analog zu dem Verbot erweitert, einen Zweig von einem Baum abzubrechen. Demzufolge ist es ver- boten, ein Pferd (oder irgendein anderes Tier) zu reiten, als Schutz gegen die Versuchung, einen Zweig von einem Baum zu brechen, um das Tier damit anzutreiben. Es ist sinnlos einzuwenden, daß man bereits eine fertige Reitgerte besitzt oder dort zu reiten beabsichtigt, wo es keine Bäume gibt. Was verboten ist, bleibt für immer verboten. Es kann jedoch erweitert und verschärft werden: In der Neuzeit ist das Rad- fahren am Sabbat verboten worden, weil es dem Reiten eines Pferdes ähnlich ist. Mein letztes Beispiel zeigt, wie die gleichen Methoden auch in rein theoretischen Fällen angewendet werden, für die es keine vorstellbare Anwendung in der Wirklichkeit gibt. Während des Bestehens des Tempels durfte der Hoheprie- ster nur eine Jungfrau heiraten. Obwohl es im Grunde ge- nommen während der gesamten talmudischen Periode kei- nen Tempel oder Hohepriester mehr gab, widmet der Tal- mud eine seiner besonders verworrenen (und grotesken) Er- örterungen der genauen Bestimmung der Eigenschaften der „Jungfrau“, die geeignet ist, einen Hohepriester zu heiraten. Wie steht es mit einer Frau, deren Jungfernhäutchen durch einen Unglücksfall zerrissen worden ist? Macht es einen Unterschied, ober der Unfall vor oder nach dem Alter von drei Jahren stattfand? Durch das Einwirken von Metall oder 8 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Holz? Kletterte sie auf einen Baum? Und wenn ja, kletterte sie hinauf oder herunter? Geschah es auf natürliche oder unnatürliche Weise? Alles dies und noch vieles mehr wird in langatmigen Einzelheiten erörtert. Und jeder Gelehrte des klassischen Judentums mußte Hunderte solcher Probleme beherrschen. Große Gelehrte wurden an ihrer Fähigkeit ge- messen, diese Probleme noch weiterzuentwickeln, denn, wie anhand der Beispiele gezeigt wurde, gibt es immer Spiel- raum für weiteren Ausbau – und sei es nur in einer Rich- tung –, und solche Entwicklungen wurden nach der endgül- tigen Abfassung des Talmuds tatsächlich fortgesetzt. Es bestehen jedoch zwischen der talmudischen Periode (die gegen 500 n.d.Ztr. endete) und der Zeit des klassischen Ju- dentums (etwa ab 800 n.d.Ztr.) zwei große Unterschiede. Das geographische Gebiet, das im Talmud wiedergegeben wird, ist begrenzt, während die darin widergespiegelte jüdische Gesellschaft eine „vollkommene“ ist, mit jüdischer Landwirt- schaft als seiner Basis. (Dies gilt für Mesopotamien ebenso wie für Palästina.) Obwohl in jener Zeit Juden im ganzen römischen Reich und in vielen Gebieten des Sassanidischen Reiches lebten, ist aus dem talmudischen Text ganz klar ersichtlich, daß seine Zusammenstellung – während eines halben Jahrtausends – eine streng örtliche Angelegenheit war. Gelehrte von Ländern außerhalb Mesopotamiens und Palästinas nahmen daran nicht teil, noch gibt der Text so- ziale Verhältnisse außerhalb dieser beiden Gebiete wieder. Für die dazwischen liegenden 300 Jahre ist sehr wenig über die sozialen und religiösen Lebensbedingungen der Juden bekannt. Aber seit 800 n.d.Ztr., als wieder ausführlichere geschichtliche Informationen verfügbar sind, stellen wir fest, daß sich die beiden oben erwähnten Merkmale in das Gegen- teil verkehrt hatten. Der babylonische Talmud (und in einem viel geringeren Maße die restliche talmudische Literatur) ist als maßgebend anerkannt und wird in allen jüdischen Ge- meinden studiert und weiterentwickelt. In derselben Zeit hat sich innerhalb der jüdischen Gesellschaft ein tiefgreifender Wandel vollzogen: Was immer und wo immer das ist – er umfaßt nicht die bäuerliche Bevölkerung., ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG Das soziale System, das aus diesem Wandel hervorgeht, wird in Kapitel 4 besprochen. Hier soll beschrieben werden, wie der Talmud an die Bedingungen – geographisch viel ausge- dehnter und im sozialen Sinne viel enger und auf jeden Fall radikal verändert – des klassischen Judentums angepaßt wurde. Wir werden uns auf das konzentrieren, was meiner Meinung nach die wichtigste Methode der Anpassung ist, nämlich die „Dispensationen“ [Befreiungen von einer Ver- pflichtung, Ausnahmebewilligungen].*

Die „Dispensationen“

Wie oben erwähnt, ist das talmudische System äußerst dog- matisch und erlaubt keinerlei Lockerung seiner Regeln, nicht einmal, wenn sie durch eine Veränderung der Umstän- de „ad absurdum“ geführt werden. Und im Falle des Tal- muds – im Gegensatz zu jenem der Bibel – ist der buchstäb- liche Sinn des Textes bindend, und es ist nicht gestattet, ihn hinwegzudeuten. In der Periode des klassischen Judentums wurden jedoch verschiedene talmudische Gesetze für die jüdischen herrschenden Gesellschaftsschichten – die Rabbi- ner und die Reichen – unhaltbar. Im Interesse dieser herr- schenden Klassen wurde eine Methode der systematischen Täuschung ersonnen, indem man den Buchstaben des Geset- zes einhielt, gleichzeitig aber dessen Geist und Absicht ver- letzte. Es war dieses heuchlerische System der „Dispensatio- nen“ (heterini), das aus meiner Sicht die wichtigste Ursache für die Herabminderung des Judentums in seiner klassi- schen Epoche war. (Die zweite Ursache war der jüdische Mystizismus, der seine Wirkung jedoch während eines viel kürzeren Zeitraumes ausübte). Wieder sind einige Beispiele notwendig, um darzustellen, wie das System funktioniert: * Anm. d. Übers.: Auch das katholische Kirchenrecht kennt Befrei- ungen (von einer Verpflichtung) oder Ausnahmebewilligungen: „der Dispens“ [kirchenlat. dispensa = „Erlaß einer Pflicht“], z.B. die kirchliche Befreiung von Ehehindernissen. 8 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION 1. Erhebung von Zinsen Der Talmud verbietet einem Juden ausdrücklich und unter der Androhung strenger Bestrafung, Zinsen für eine einem anderen Juden gewährte Anleihe zu nehmen. (Entsprechend einer Mehrheit der talmudischen Autoritäten ist es eine reli- giöse Pflicht, für ein einem Nichtjuden gewährtes Darlehen so viel Zinsen wie möglich zu erheben.). Sehr ausführliche Vorschriften verbieten sogar die am weitesten hergeholten Methoden, mit denen ein jüdischer Verleiher sich Vorteile gegenüber einem jüdischen Schuldner verschaffen könnte. Alle jüdischen Mitschuldigen an einer solchen gesetzwidri- gen Transaktion, einschließlich dem Schriftgelehrten und den Zeugen, werden vom Talmud als ehrlose Personen ge- brandmarkt, unfähig vor Gericht als Zeuge aufzutreten, weil ein Jude durch die Teilnahme an solch einer Handlung prak- tisch erklärt, daß „er keinen Anteil am Gotte Israels hat“. Es ist einleuchtend, daß dieses Gesetz gut auf die Bedürfnisse jüdischer Bauern oder Handwerker zugeschnitten ist oder auf kleine jüdische Gemeinden, die ihr Geld dazu verwen- den, es an Nichtjuden zu verleihen. Doch die Situation in Osteuropa (hauptsächlich in Polen) war im 16. Jahrhundert völlig anders. Es gab dort eine relativ große jüdische Ge- meinde, die die Mehrheit in vielen Städten bildete. Die Bau- ern, die einer strengen, fast an Sklaverei grenzenden Leibei- genschaft unterworfenen waren, waren kaum in der Lage, sich überhaupt etwas zu leihen, während der Geldverleih an den Adel das Geschäft einiger weniger sehr reicher Juden war. Viele Juden tätigten Geschäfte untereinander. Unter diesen Verhältnissen wurde der folgende Vertrag (ge- nannt: „heter 'isqa“ – „Geschäftsdispensation“) für einen ver- zinslichen Kredit zwischen Juden entwickelt, der nicht den Buchstaben des Gesetzes verletzt, weil es sich formell über- haupt nicht um einen Kredit handelt. Der Verleiher (Gläubi- ger) „investiert“ sein Geld in das Geschäft des Borgenden (Kreditnehmers), wobei zwei Bedingungen vereinbart wer- den. Erstens, daß der Schuldner dem Gläubiger an einem ausgehandelten zukünftigen Datum eine festgesetzte Sum- me Geldes (in Wirklichkeit die Zinsen für den Kredit) zahlt, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG als des Verleihers „Anteil am Gewinn“. Zweitens wird vor- ausgesetzt, daß der Schuldner ausreichend Gewinn erzielt haben wird, um dem Gläubiger seinen Anteil zu geben, wenn nicht ein Widerspruch durch das Zeugnis des Rabbiners der Stadt oder des rabbinischen Richters bestätigt wird usw., – der sich in solchen Fällen vertragsgemäß weigert, Zeugnis abzulegen. Alles was in der Praxis erforderlich ist, besteht darin, einen Textabdruck dieser Dispensation, der in Ara- mäisch geschrieben und für die große Mehrheit völlig unver- ständlich ist, zu nehmen und ihn an eine Wand des Raumes zu heften, in dem die Transaktion stattfindet (eine Kopie dieses Textes hängt in allen Zweigstellen der israelischen Banken aus), oder diesen auch nur in einem Kästchen zu verwahren – und die verzinsliche Anleihe zwischen Juden wird völlig legal und untadelig. 2. Das Sabbatjahr Nach dem talmudischen Gesetz (begründet auf Leviticus = 3. Buch Mose, 25:4) muß in jüdischem Besitz befindliches Land in Palästina16 jedes siebente Jahr („Sabbatjahr“) brach lie- gengelassen werden, wenn alle landwirtschaftliche Arbeit (einschließlich Ernten) auf solchem Land verboten ist. Es gibt reichlich Zeugnisse dafür, daß dieses Gesetz etwa tau- send Jahre lang – vom 5. Jahrhundert v.d.Ztr. bis zum Ver- schwinden der jüdischen Landwirtschaft in Palästina – streng befolgt wurde. Später, als es keine Gelegenheit gab, das Gesetz praktisch anzuwenden, hielt man es theoretisch in Kraft. Mit der Gründung der ersten jüdischen landwirt- schaftlichen Siedlungen in Palästina in den 1880er Jahren wurde es jedoch eine Sache von praktischer Wichtigkeit. Rabbiner, die Verständnis für die Siedler hatten, ersannen hilfreich eine Dispensation, die später von ihren Nachfolgern in den religiösen zionistischen Parteien vervollständigt wur- de und anerkannte israelische Praxis geworden ist. Dies geschieht folgendermaßen: Kurz vor einem Sabbatjahr übergibt der israelische Innenminister dem Oberrabbiner ein Dokument, das ihn zum gesetzlichen Eigentümer allen is- raelischen – sowohl privaten als auch öffentlichen – Landes 8 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION macht. Bewaffnet mit diesem Dokument begibt sich der Oberrabbiner zu einem Nichtjuden und verkauft ihm das ganze Land von Israel (und seit 1967 auch das der „Besetzten Gebiete“) für eine angebliche Summe. Ein separates Doku- ment macht zur Bedingung, daß der „Käufer“ das Land „zu- rückverkaufen“ wird, nachdem ein Jahr vergangen ist. Und diese Transaktion wird alle sieben Jahre wiederholt, ge- wöhnlich mit demselben „Käufer“. Nichtzionistische Rabbiner erkennen die Gültigkeit dieser Dispensation17 nicht an und rügen richtigerweise, daß die ganze Transaktion auf einer Sünde basiert, weil das religiöse Gesetz Juden verbietet, Land in Palästina an Nichtjuden zu verkaufen, und daher null und nichtig ist. Die zionistischen Rabbiner erwidern jedoch, daß wohl ein tatsächlicher Ver- kauf verboten sei, nicht jedoch ein fiktiver! 3. Melken am Sabbat Das Melken am Sabbat ist in nachtalmudischen Zeiten ver- boten worden, und zwar durch den oben erwähnten Prozeß der Verschärfung der religiösen Strenge. Das Verbot konnte in der Diaspora leicht eingehalten werden, da Juden, die eigene Kühe besaßen, gewöhnlich reich genug waren, um nichtjüdische Bedienstete zu haben, die mit dem Melken beauftragt (wobei man eine der nachfolgend beschriebenen Ausflüchte benutzte) werden konnten. Die ersten jüdischen Siedler in Palästina beschäftigten Araber für diesen und andere Zwecke, doch mit der zwingenden Forderung der zionistischen Politik nach ausschließlich jüdischen Arbeits- kräften, gab es die Notwendigkeit einer Dispensation. (Dies war besonders wichtig vor der Einführung von Melkmaschi- nen in den späten 1950er Jahren.) Auch hier gab es einen Unterschied zwischen zionistischen und nichtzionistischen Rabbinern. Nach Auffassung zionistischer Rabbiner ist das verbotene Melken unter der Voraussetzung erlaubt, daß die Milch nicht weiß ist, sondern blau gefärbt wird. Diese blaue Samstags- milch wird dann ausschließlich zur Käseherstellung verwen-, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG det und der Farbstoff in die Molke ausgewaschen. Nichtzio- nistische Rabbiner haben sich aber eine viel spitzfindigere Methode zur Lösung des Problems ausgedacht (deren per- sönlicher Zeuge ich war, als ich 1952 in einem religiösen Kibbuz arbeitete). Sie entdeckten eine alte Anweisung, die es erlaubt, die Euter einer Kuh am Sabbat zu leeren, nur um das Tier von seiner Pein zu befreien, die durch die aufge- blähten Euter verursacht wird, und unter der strengen Be- dingung, daß die Milch ungenutzt auf den Boden fließt. Nun der Ablauf, wie er wirklich stattfindet: Am Samstagmorgen geht ein frommer Kibbuznik in den Kuhstall und stellt Ei- mer unter die Kühe. (Es gibt kein Verbot einer solchen Tä- tigkeit in der gesamten talmudischen Literatur.) Dann geht er zur Synagoge, um zu beten. Dann erscheint sein Kollege, dessen „ehrliche Absicht“ es ist, die Tiere von ihrer Pein zu befreien, und läßt die Milch auf den Boden rinnen. Aber falls dort zufällig ein Eimer steht, ist er dann in jeder Hinsicht verpflichtet, diesen zu entfernen? Natürlich nicht. Er „igno- riert“ die Eimer einfach, erfüllt seine Mission der Barmher- zigkeit und geht zur Synagoge. Schließlich geht ein dritter frommer Kollege in den Kuhstall und entdeckt zu seiner großen Überraschung die mit Milch gefüllten Eimer. Also stellt er sie in den Kühlraum und folgt seinen Kameraden in die Synagoge. Nun ist alles bestens, und es besteht keine Notwendigkeit, Geld für blaue Farbe zu verschwenden. 4. Vermischte Feldfrüchte Ähnliche Dispensationen wurden von zionistischen Rabbi- nern bezüglich des Verbots (auf der Grundlage von Leviticus = 3. Buch Mose, 19:19) erlassen, zwei verschiedene Arten von Feldfrüchten auf demselben Acker auszusäen. Die moderne Agrarwissenschaft hat jedoch gezeigt, daß in einigen Fällen (besonders beim Anbau von Futtermitteln) die gemischte Aussaat die ertragreichste ist. Die Rabbiner erfanden eine Dispensation, nach der ein Mann den Acker der Länge nach mit einer Sorte Saat besät, und später an diesem Tage sein Kollege, der vom vorherigen „nichts weiß“, eine andere Art von Saatgut kreuzweise einsät. Diese Methode wurde jedoch als eine zu große Verschwendung von Arbeitskraft empfun- 8 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION den, und man ersann eine bessere: Ein Mann häuft auf ei- nem öffentlichen Platz eine Sorte Saatgut an und deckt die- ses sorgfältig mit einem Sack oder einem Stück Pappe [engl.: board] ab. Danach wird die zweite Sorte Saatgut oben auf die Abdeckung geschüttet. Später erscheint ein anderer Mann und erklärt vor Zeugen: „Ich benötige diesen Sack (oder Pap- pe)“ und zieht ihn (bzw. sie) heraus, so daß die Saaten sich auf „natürliche Weise“ vermischen. Schließlich kommt ein dritter Mann daher, dem gesagt wird: „Nimm dies und säe es auf dem Felde aus“, was er sich dann auch anschickt zu tun.18 5. Gesäuerte Lebensmittel Gesäuerte Lebensmittel dürfen nicht gegessen werden oder selbst während der sieben (oder außerhalb Palästinas: acht) Tage des Pessach-Festes* [bei LUTHER: „Passah“] im Besitz eines Juden sein. Der Begriff „gesäuerte Substanzen“ wurde fortlaufend erweitert und der Widerwille, solche während der Festtage nur anzusehen, kam der Hysterie nahe. Sie umfassen alle Arten von Mehl und sogar ungemahlenes Ge- treide. In der ursprünglichen talmudischen Gesellschaft war dies erträglich, da Brot (gesäuertes und ungesäuertes) ge- wöhnlich nur einmal in der Woche gebacken wurde. Eine Bauernfamilie würde das letzte Getreide des Vorjahres ver- wenden, um ungesäuertes Brot für das Fest zu backen, das die neue Erntesaison ankündigt. Unter den Lebensumstän- den der nachtalmudischen europäischen Judenschaft war die Einhaltung der Vorschriften für eine jüdische Familie der Mittelklasse jedoch sehr schwer und noch schwerer für einen Getreidehändler. Daher wurde eine Dispensation erdacht, durch die all diese Substanzen vor dem Fest in einem fikti- ven Verkauf einem Nichtjuden verkauft und danach automa- tisch wieder zurückgebracht wurden. Zu beachten war allein, daß die tabuisierten Lebensmittel für die Dauer der Festtage zu verschließen waren. In Israel ist dieser fiktive Verkauf noch effektiver gestaltet worden. Religiöse Juden „verkaufen“ ihre gesäuerten Substanzen an ihre örtlichen Rabbiner, die diese * Anm. d. Übers.: Das Passah-Fest wird zur Erinnerung an den Auszug der Juden aus Ägypten gefeiert., ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG wiederum den Oberrabbinern „verkaufen“', die letzteren verkaufen sie an einen Nichtjuden, und durch eine besonde- re Dispensation wird angenommen, daß dieser Verkauf auch die gesäuerten Lebensmittel der [die religiösen Gesetze] nicht ausübenden Juden umfaßt. 6. Der Sabbat-Goi Die vielleicht am weitesten entwickelten Dispensationen betreffen den „Goi (Nichtjuden) des Sabbats“. Wie oben er- wähnt wurde, ist der Umfang der am Sabbat verbotenen Tätigkeiten fortlaufend erweitert worden; doch auch der Umfang der Arbeiten, die ausgeführt oder überwacht werden müssen, um Bedürfnisse zu befriedigen oder den Komfort zu erhöhen, erweitert sich ebenfalls fortlaufend. Dies gilt be- sonders für die Neuzeit, aber die Auswirkungen des techno- logischen Wandels begannen schon viel früher spürbar zu werden. So war das Verbot des Mahlens am Sabbat für einen jüdischen Bauern oder Handwerker, der für häusliche Zwek- ke eine Handmühle benutzte, im Palästina des zweiten Jahrhunderts eine relativ leichte Angelegenheit. Für einen Pächter einer Wasser- oder Windmühle – einem der üblich- sten jüdischen Gewerbe in Osteuropa – war dies ein ganz anderes Problem. Doch sogar solch ein einfaches menschli- ches „Problem“, wie der Wunsch nach einer Tasse heißen Tees am Samstag nachmittag, wird erheblich größer, wenn der verführerische „Samowar“ [russ. Teemaschine aus Kup- fer oder Messing], der an Wochentagen regelmäßig benutzt wird, im Zimmer steht. Dies sind nur zwei Beispiele aus ei- ner sehr großen Anzahl der sogenannten „Probleme der Hei- lighaltung des Sabbats“. Und man kann mit Gewißheit da- von ausgehen, daß diese Probleme für eine Gemeinschaft, die ausschließlich aus orthodoxen Juden bestand, zumindest während der letzten acht oder zehn Jahrhunderte, ohne die „Hilfe“ von Nichtjuden völlig unlösbar waren. Dies gilt heute sogar noch mehr im „jüdischen Staat“, weil viele öffentliche Dienste – solche wie Wasser, Gas und Elektrizität – unter diese Kategorie fallen. Das klassische Judentum könnte nicht einmal eine ganze Woche existieren, ohne sich einiger Nichtjuden zu bedienen. 9 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Aber ohne spezielle Dispensationen besteht ein großes Hin- dernis für die Beschäftigung von Nichtjuden, um diese Samstagarbeiten zu erledigen; denn die talmudischen Vor- schriften verbieten es Juden, einen Nichtjuden darum zu bitten, am Sabbat irgendeine Arbeit zu verrichten, deren Ausübung ihnen selbst verboten ist.19 Ich werde zwei der vielen Arten von Dispensationen beschreiben, die für solche Zwecke gebraucht werden. Erstens gibt es die Methode des „Andeutens“, die von der kasuistischen Logik abhängig ist, nach der ein sündhaftes Verlangen untadelig wird, wenn es schlau in Worte gefaßt ist. Normalerweise muß die Andeutung „unauffällig“ sein, aber in Fällen äußerster Notwendigkeit ist eine „durchsich- tige“ Andeutung erlaubt. So ist zum Beispiel kürzlich eine Broschüre über die Befolgung religiöser Vorschriften für die Benutzung durch israelische Soldaten herausgegeben wor- den, in der diese unterwiesen werden, wie sie die arabischen Arbeiter, die von der Armee als Sabbat-Gojim angestellt sind, anzusprechen haben. In dringenden Fällen, wenn es etwa sehr kalt ist und ein Feuer angezündet werden muß, oder wenn Licht für einen Gottesdienst benötigt wird, darf ein frommer jüdischer Soldat eine „durchsichtige“ Andeu- tung benutzen und dem Araber sagen: „Es ist kalt (oder dun- kel) hier.“ Aber gewöhnlich muß eine „unauffällige“ Andeu- tung genügen, wie beispielsweise: „Es würde angenehmer sein, wenn es hier wärmer wäre“.20 Diese Methode des „An- deutens“ ist in Anbetracht der Tatsache besonders widerlich und erniedrigend, daß sie normalerweise gegenüber Nichtju- den angewandt wird, die sich aufgrund ihrer Armut oder untergeordneten sozialen Stellung völlig in der Gewalt ihrer jüdischen Arbeitgeber befinden. Ein nichtjüdischer Diener (oder Angestellter der israelischen Armee), der sich nicht selbst darin weiterbildet, diese „unauffälligen Andeutungen“ als Arbeitsanweisungen zu deuten, wird mitleidlos entlassen. Die zweite Methode wird in Fällen angewendet, in denen die von dem Nichtjuden am Samstag verlangte Tätigkeit keine gelegentliche Aufgabe oder persönlicher Dienst ist, der beim Auftreten des Bedarfs „angedeutet“ werden kann, sondern, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG eine routinemäßige oder reguläre Arbeit ohne ständige jüdi- sche Überwachung. Nach dieser Methode – sogenannte „stillschweigende Einbeziehung“ (havla'ah) des Sabbats un- ter die Wochentage – ist der Nichtjude „für die ganze Woche (oder Jahr)“ eingestellt, ohne daß der Sabbat im Vertrag überhaupt erwähnt wird. Aber in Wirklichkeit wird die Ar- beit nur am Sabbat ausgeführt. Diese Methode wurde in der Vergangenheit angewandt, indem man einen Nichtjuden anstellte, um die Kerzen in der Synagoge nach dem Sabbat- Abendgebet zu löschen (anstatt sie verschwenderisch herun- terbrennen zu lassen). Moderne israelische Beispiele sind: die Regulierung der Wasserversorgung oder die Überwa- chung der Wasservorräte an Samstagen.21 Ähnliches wird auch im Falle von Juden angewandt, aber für ein anderes Ziel. Es ist Juden verboten, irgendeine Bezah- lung für Arbeit zu empfangen, die am Sabbat ausgeführt wurde, selbst wenn es sich um erlaubte Arbeit handelt. Das Hauptbeispiel hier betrifft die geistlichen Berufe: den Rabbi- ner oder den talmudischen Gelehrten, der am Sabbat predigt oder lehrt, den Kantor, der nur an Samstagen oder anderen jüdischen Festtagen (an denen ähnliche Verbote gelten) singt, den Synagogendiener oder ähnliche Beamte. In talmu- dischen Zeiten, und in einigen Ländern sogar noch einige Jahrhunderte später, wurden solche Arbeiten nicht bezahlt. Doch später, als diese bezahlte Berufe wurden, wurde die Dispensation der „stillschweigenden Einbeziehung“ ange- wandt und sie wurden auf „monatlicher“ oder „jährlicher“ Grundlage eingestellt. Im Falle von Rabbinern und talmu- dischen Gelehrten ist das Problem besonders kompliziert, weil der Talmud ihnen verbietet, irgendeine Bezahlung für das Predigen, Unterrichten oder das Studium talmudischer Schriften selbst an Wochentagen zu empfangen.22 Für diese wird in einer zusätzlichen Dispensation vereinbart, daß de- ren Gehalt keineswegs ein wirkliches Gehalt ist, sondern ein ,,Ausgleich für Müßiggang“ (,,dmey batalah“). Das gemeinsa- me Ergebnis dieser beiden Fiktionen: Was in Wirklichkeit Bezahlung für „Arbeit“ ist, die hauptsächlich oder sogar aus- schließlich am „Sabbat“ verrichtet wird, wird gänzlich umge- staltet in eine Bezahlung für „Müßiggang an Wochentagen“. 9 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION

Soziale Aspekte der Dispensationen

Zwei soziale Merkmale dieser Dispensationen und vieler ähnlicher Verhaltensweisen verdienen eine besondere Er- wähnung. Erstens: Ein beherrschender Grundzug dieses Systems der Dispensationen und des klassischen Judentums – soweit es darauf basiert – ist der Betrug, vor allem die Täuschung Gottes, falls dieses Wort für ein imaginäres Wesen benutzt werden darf, das sich so leicht von den Rabbinern betrügen läßt, die sich selbst für schlauer halten als Gott selbst. Man kann sich keinen größeren Gegensatz vorstellen als jenem zwischen dem Gott der Bibel (besonders der größeren Pro- pheten) und dem Gott des klassischen Judentums. Der letz- tere gleicht mehr dem frühen römischen Jupiter, der von seinen Verehrern in ähnlicher Weise beschwindelt wurde, oder den Göttern, die in FRAZERs „Golden Bough“ [Goldener Zweig] beschrieben werden. Aus ethischer Sicht stellt das klassische Judentum einen Entartungsprozeß dar, der sich immer noch fortsetzt; und diese Ausartung in eine stammeseigene Sammlung leerer Rituale und magischen Aberglaubens hat sehr bedeutsame soziale und politische Folgen. Denn es muß daran erinnert werden, daß es genau der Aberglaube des klassischen Juden- tums ist, der die stärkste Macht auf die jüdischen Massen ausübt, vielmehr als jene Teile der Bibel oder sogar des Tal- muds, die von wirklichem religiösen und ethischen Wert sind. (Das gleiche kann auch in anderen Religionen beobach- tet werden, die jetzt eine Wiederbelebung erfahren.) Was wird nun volkstümlich als das „heiligste“ und feierlichste Ereignis des jüdischen liturgischen Jahres angesehen, dem sogar sehr viele Juden beiwohnen, die der Religion sonst fern stehen? Es ist das „Kol Nidre“-Gebet [„alle Gelübde“] am Vorabend des Jom Kippur [„Jom ha-Kippurim“ = „Tag der Sühne“; Versöhnungsfest] – der liturgische Gesang einer be- sonders absurden und betrügerischen Dispensation, durch die alle Gott für das folgende Jahr gegebenen persönlichen, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG Gelöbnisse im voraus für null und nichtig erklärt werden.23 Oder, im Bereich der persönlichen Religiosität ist es das „Kaddisch“-Gebet [aram.: kaddisch = „Heiliger“], das von Söhnen an Trauertagen für ihre Eltern gesprochen wird, um deren fortgegangene Seelen ins Paradies zu erheben, – das Vortragen eines aramäischen Textes, der für die große Mehrheit unbegreiflich ist. Ganz offensichtlich wird die all- gemeine Aufmerksamkeit, die diesen besonders abergläubi- schen Teilen der jüdischen Religion gewidmet wird, nicht auf seine besseren Teile übertragen. Zusammen mit der Täuschung Gottes vollzieht sich der Be- trug anderer Juden, und zwar vorwiegend im Interesse der jüdischen herrschenden Klasse. Es ist charakteristisch, daß keine Dispensationen im besonderen Interesse der jüdischen Armen zugelassen wurden. So wurde es beispielsweise Ju- den, die am Verhungern waren, aber noch nicht direkt an der Schwelle des Todes standen, nie von ihren Rabbinern (die selbst eher selten Hunger leiden) erlaubt, verbotene Lebensmittel irgendwelcher Art zu essen, obwohl koschere Nahrung gewöhnlich teuerer ist. Das zweite beherrschende Merkmal der Dispensationen ist, daß sie zum großen Teil offensichtlich in dem Streben nach Gewinn begründet sind. Und es ist diese Verbindung aus Heuchelei und Profitsucht, die im klassischen Judentum in steigendem Maße vorherrschte. In Israel, wo dieser Prozeß weitergeht, wird dies von der öffentlichen Meinung dumpf wahrgenommen, trotz all der offiziellen Gehirnwäsche, die durch das Ausbildungssystem und die Medien begünstigt wird. Das religiöse Establishment – die Rabbiner und die religiösen Parteien – und durch Zuordnung in gewissem Gra- de die orthodoxe Gemeinschaft als ganzes sind in Israel sehr unbeliebt. Eine der wichtigsten Ursachen hierfür besteht genau darin, daß diese wegen ihrer Doppelzüngigkeit und Bestechlichkeit bekannt sind. Eine volkstümliche Meinung (die oft voreingenommen sein kann) ist natürlich nicht das- selbe wie eine Gesellschaftsanalyse; aber in diesem besonde- ren Falle ist es wirklich wahr, daß das jüdische religiöse Establishment infolge des korrumpierenden Einflusses der 9 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION orthodoxen jüdischen Religion tatsächlich eine starke Nei- gung zu Spitzfindigkeiten und Bestechung aufweist. Da die Religion im allgemeinen Gesellschaftsleben nur eine der so- zialen Einflüsse darstellt, ist ihre Wirkung auf die Masse der Gläubigen nicht annähernd so groß wie auf die Rabbiner und die Führer der religiösen Parteien. Jene religiösen Juden in Israel, die ehrlich sind, wie dies die Mehrheit von ihnen zweifellos ist, sind dies nicht wegen des Einflusses ihrer Re- ligion und der Rabbiner, sondern trotz derselben. Anderer- seits ist das Ausmaß an Spitzfindigkeiten, Bestechlichkeit und Korruption in jenen wenigen Bereichen des öffentlichen Lebens in Israel, die vollständig von religiösen Kreisen be- herrscht werden, offenkundig und überschreitet bei weitem das „durchschnittliche“ Niveau, das von der allgemeinen nichtreligiösen israelischen Gesellschaft toleriert wird. In Kapitel 4 werden wir sehen, wie die Vorherrschaft des Profitdenkens im klassischen Judentum mit der Zusammen- setzung der jüdischen Gesellschaft und ihrer Beziehung zur allgemeinen Gesellschaft verbunden ist, in deren Mitte Ju- den während der „klassischen“ Periode lebten. Hier möchte ich nur feststellen, daß das Profitstreben nicht in allen Peri- oden seiner Geschichte für das Judentum charakteristisch ist. Nur die platonische Verwirrung, die nach dem metaphy- sischen zeitlosen „Wesentlichen“ des Judentums sucht, an- statt die historischen Veränderungen in der jüdischen Ge- sellschaft zu betrachten, hat diese Tatsache verdunkelt. (Und diese Verwirrung ist vom Zionismus in seinem Ver- trauen auf „historische Rechte“, die in geschichtswidriger Weise aus der Bibel hergeleitet worden sind, stark gefördert worden.) Folglich behaupten Verteidiger des Judentums ganz zu recht, daß die Bibel dem Profitstreben gegenüber feindlich eingestellt sei, während der Talmud hierzu eine gleichgültige Haltung einnehme. Aber dies wurde durch die sehr unterschiedlichen sozialen Bedingungen verursacht, unter denen sie zusammengestellt wurden. Wie oben darge- legt wurde, ist der Talmud in zwei gut abgegrenzten Gebie- ten in einer Zeit entstanden, als die dort lebenden Juden in einer Gesellschaft verfaßt waren, die auf der Landwirtschaft aufbaute und vorwiegend aus Bauern bestand, – wodurch sie, ORTHODOXIE UND AUSLEGUNG sich tatsächlich sehr deutlich von der Gesellschaft des klas- sischen Judentums unterschied. In Kapitel 5 werden wir uns im einzelnen mit der feindlichen Einstellung und den Betrügereien auseinandersetzen, wie sie vom klassischen Judentum gegenüber Nichtjuden ange- wandt werden. Aber noch wichtiger als der soziale Aspekt ist der von den reichen Juden ausgeübte gewinnorientierte Be- trug gegenüber armen Mitjuden (so wie die Dispensation bezüglich Zinsen für Anleihen). Hier muß ich trotz meiner Ablehnung des Marxismus – sowohl hinsichtlich der Philoso- phie als auch als Sozialtheorie – sagen, daß MARX in seinen beiden Artikeln über das Judentum völlig recht hatte, wenn er es als von Gewinnsucht beherrscht charakterisierte – vor- ausgesetzt, daß diese Feststellung auf das Judentum, wie MARX es kannte, begrenzt ist, d.h. auf das klassische Juden- tum, das während seiner Jugendzeit bereits in das Stadium seiner Auflösung eingetreten war. Wahrhaftig, er traf diese Feststellung willkürlich, ohne geschichtlichen Bezug und ohne Nachweis. Offensichtlich gelangte er durch Intuition zu seiner Schlußfolgerung; aber in diesem Falle – und mit der besonderen historischen Einschränkung – war seine In- tuition richtig. 9 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION

Kapitel 4 Der Einfluß der Geschichte

Eine große Menge Unsinn ist bei dem Versuch geschrieben worden, eine soziale oder mystische Deutung der Juden- schaft oder des Judentums „als ein Ganzes“ zur Verfügung zu stellen. Dies ist deshalb nicht möglich, weil sich die so- ziale Struktur des jüdischen Volkes und die ideologische Struktur des Judentums während der Jahrhunderte gründ- lich verändert haben. Es lassen sich vier größere Entwick- lungsphasen unterscheiden: 1. Die Periode der alten Königreiche von Israel und Juda, bis zur Zerstörung des ersten Tempels (587 v.d.Ztr.) und dem babylonischen Exil. (Ein großer Teil des Alten Testaments befaßt sich mit dieser Periode, obwohl die meisten der wich- tigeren Bücher des Alten Testaments, einschließlich des Pen- tateuch [die fünf Bücher Mose], wie wir es wissen, tatsäch- lich erst nach diesem Zeitpunkt verfaßt wurden.) In sozialer Hinsicht waren diese alten jüdischen Königreiche den be- nachbarten Königreichen von Palästina und Syrien sehr ähnlich; und – wie ein sorgfältiges Lesen der Propheten of- fenbart – dehnten sich diese Ähnlichkeiten bis auf die reli- giösen Riten aus, wie sie von der Mehrheit der Bevölkerung praktiziert wurden.1 Die Vorstellungen [engl.: ideas], die für das spätere Judentum – einschließlich insbesondere der eth- nischen Abtrennung und der monotheistischen Ausschließ- lichkeit – typisch werden sollten, waren in diesem Stadium auf kleine Kreise von Priestern und Propheten beschränkt, deren sozialer Einfluß von königlicher Unterstützung ab- hängig war. 2. Die Periode der zwei Zentren, Palästina und Mesopotami- en, seit der ersten „Heimkehr aus Babylonien“ (537 v.d.Ztr.) bis etwa 500 n.d.Ztr. Sie ist durch die Existenz dieser zwei autonomen jüdischen Gesellschaften gekennzeichnet, die beide vorwiegend auf der Landwirtschaft basierten, denen die „jüdische Religion“, wie sie zuvor in Kreisen von Prie-, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE stern und Schriftgelehrten ausgearbeitet [worden war], mit- tels der Macht und der Autorität des Persischen Reiches aufgebürdet wurde. Das Buch Esra des Alten Testaments enthält eine Aufzählung der Tätigkeiten des Priesters ESRA, „ein gewandter Schriftgelehrter in dem Gesetz des Moses“, der von König ARTAXERXES I. von Persien ermächtigt war, über die Juden von Palästina „höhere Beamte und Richter einzu- setzen“, so daß (Esra 7:26) „ein jeglicher, der nicht mit Fleiß thun wird das Gesetz deines Gottes und das Gesetz des Königs, der soll sein Urteil um der That willen haben, es sei zum Tod oder in die Acht oder zur Buße am Gut oder ins Gefängnis“2 Und in dem Buch von NEHEMIA – Mundschenk des Königs ARTAXERXES, der ernannter persischen Statthalter von Ju- däa war, mit noch größeren Machtbefugnissen – sehen wir, bis zu welchem Ausmaß fremde (heutzutage würde man „imperialistisch“ sagen) Zwangsgewalt bei der Aufbürdung der jüdischen Religion behilflich war, mit dauerhaften Aus- wirkungen. In beiden Zentren blieb die jüdische Selbstregierung wäh- rend des größten Teils dieser Periode bestehen, und Abwei- chungen von der religiösen Orthodoxie wurden unterdrückt. Ausnahmen von dieser Regel kamen vor, als die religiöse Aristokratie selbst von hellenistischen Ideen (von 300 bis 166 v.d.Ztr. und wieder unter HERODES dem Großen und seinen Nachfolgern von 50 v.d.Ztr. bis 70 n.d.Ztr.) „angesteckt“ wur- de oder wenn sie sich als Reaktion auf neue Entwicklungen spaltete (z.B. die Trennung zwischen den beiden großen Par- teien, den Pharisäern und den Sadduzäern, die sich etwa um 140 v.d.Ztr. ereignete). In dem Augenblick jedoch, in dem eine der Parteien die Oberhand gewann, benutzte sie den Zwangsapparat der jüdischen Autonomie (oder für eine kur- ze Periode die Unabhängigkeit), um ihre eigenen religiösen Ansichten allen Juden in beiden Zentren aufzuzwingen. Während des größten Teiles dieser Zeit, besonders nach dem Zusammenbruch des Persischen Reiches und bis etwa 200 9 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION n.d.Ztr., waren die Juden außerhalb der zwei Zentren frei von jüdischem religiösen Zwang. Unter den Papyrusrollen, die in Elephantine (in Oberägypten) aufbewahrt wurden, gibt es einen Brief aus dem Jahre 419 v.d.Ztr., der den Text einer Verordnung des Königs DARIUS II. von Persien enthält, der die Juden von Ägypten unterrichtet, welche Einzelheiten bei den Regeln des Passah-Festes* zu beachten sind.3 Aber die hellenistischen Königreiche, die Römische Republik und das frühe Römische Reich kümmerten sich nicht um solche Dinge. Die Freiheit, die hellenistische Juden außerhalb Pa- lästinas genossen, erlaubte die Schaffung einer in Griechisch geschriebenen jüdischen Literatur, die später im Ganzen vom Judentum abgelehnt wurde und deren Überreste vom Christentum bewahrt wurden.4 Der eigentliche Aufstieg des Christentums wurde durch diese relative Freiheit der jüdi- schen Gemeinschaften außerhalb der zwei Zentren ermög- licht. Die Erfahrungen des Apostels PAULUS sind bezeich- nend: Als die örtliche jüdische Gemeinde in Korinth ihn we- gen Ketzerei anklagte, wies der römische Statthalter GALLION den Fall sofort ab, indem er sich weigerte „Richter in solcher Angelegenheit“ zu sein5; aber in Judäa fühlte sich der Statthalter FESTUS verpflichtet, einen rein religiösen internen jüdischen Disput als Klage gesetzlich anzuerken- nen.6 Diese Toleranz endete um etwa 200 n.d.Ztr., als die jüdische Religion, wie sie inzwischen in Palästina ausgearbeitet und entwickelt worden war, allen Juden des Reiches von den römischen Behörden aufgezwungen wurde.7 3. Die Phase, die wir als klassisches Judentum definiert ha- ben und die weiter unten diskutiert werden wird.8 4. Die moderne Phase, die durch den Zusammenbruch der totalitären jüdischen Gemeinschaft und ihrer Macht gekenn- * Anm. d. Übers.: Sieben- bzw. achttägiges jüdisches Fest, das im März gefeiert wird. Ursprünglich altes Hirtenfest, an dem man dem Gott des Mondes die Erstgeburten der Tiere darbrachte, später umgedeutet zum Andenken an den Auszug aus Ägypten., DER EINFLUSS DER GESCHICHTE zeichnet ist und durch die Versuche, diese wiederherzustel- len, von denen der Zionismus der wichtigste ist. Diese Phase beginnt in Holland im 17. Jahrhundert, in Frankreich und Österreich (außer Ungarn) am Ende des 18. Jahrhundert, in den meisten anderen europäischen Ländern in der Mitte des 19. Jahrhunderts und in einigen islamischen Ländern im 20. Jahrhundert. (Die Juden des Jemen lebten noch im Jahre 1948 in der mittelalterlichen „klassischen“ Phase.) Einiges wird zu diesen Entwicklungen später noch gesagt werden. Zwischen der zweiten und dritten Phase, derjenigen des klassischen Judentums, klafft eine Lücke von mehreren Jahrhunderten, für die unser gegenwärtiges Wissen von den Juden und der jüdischen Gesellschaft sehr gering ist und die spärlichen Informationen, die wir tatsächlich haben, stam- men alle aus externen (nichtjüdischen) Quellen. In den Län- dern der lateinischen Christenheit gibt es bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts überhaupt keine jüdischen literarischen Aufzeichnungen; interne jüdische Informationen, vorwiegend aus religiöser Literatur, werden erst im 11. und besonders im 12. Jahrhundert reichlicher. Vor dieser Zeit sind wir zu- erst völlig von römischen und dann von christlichen Zeugnis- sen abhängig. In den islamischen Ländern ist die Informati- onslücke nicht ganz so groß; dennoch ist nur sehr wenig über die jüdische Gesellschaft vor 800 n.d.Ztr. bekannt und über die Veränderungen, denen sie während der drei vorherge- henden Jahrhunderte ausgesetzt gewesen sein muß.

Die Hauptmerkmale des klassi-

schen Judentums Lassen Sie uns daher jene „dunklen Jahrhunderte“ ignorie- ren und der Einfachheit halber mit den beiden Jahrhunder- ten von 1000-1200 beginnen, für die reichlich Informationen sowohl aus internen als auch externen Quellen über alle wichtigen jüdischen Zentren im Osten und im Westen zur Verfügung stehen. Das klassische Judentum, das in dieser Periode klar erkennbar ist, hat seither sehr wenige Verände- 10 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION rungen durchgemacht und ist (in Gestalt des orthodoxen Judentums) noch heute eine mächtige Kraft. Wie kann jenes klassische Judentum charakterisiert werden und welches sind die sozialen Unterschiede, durch die es sich von früheren Phasen des Judentums unterscheidet? Ich glaube, daß es drei solcher Hauptmerkmale gibt: 1. Die klassische jüdische Gesellschaft kennt keine Bauern und unterscheidet sich darin grundlegend von früheren jüdi- schen Gesellschaften in den beiden Zentren Palästina und Mesopotamien. Es ist in der heutigen Zeit schwer für uns zu verstehen, was dies bedeutet. Wir müssen uns anstrengen, um uns vorzustellen, was Leibeigenschaft vergleichsweise war: Der ungeheure Unterschied in der geistigen Bildung – ganz zu schweigen von Erziehung – zwischen Dorf und Stadt während dieser ganzen Periode; die unvergleichlich größere Freiheit, der sich die gesamte kleine Minderheit erfreuen durfte, die keine Bauern waren – um zu erkennen, daß die Juden während der gesamten klassischen Periode, trotz aller Verfolgungen, denen sie ausgesetzt waren, einen wesentli- chen Teil der privilegierten Klassen bildeten. Die jüdische Geschichtsschreibung, besonders die in englischer Sprache, ist in diesem Punkt insoweit irreführend, als sie dazu neigt, sich auf jüdische Armut und antijüdische Diskriminierung zu konzentrieren. Beides war zeitweise nur zu wahr, aber der ärmste jüdische Handwerker, Hausierer, Aufseher des Gutsherrn oder unbedeutende Geistliche war unermeßlich besser gestellt als ein Leibeigener. Dies war besonders in jenen europäischen Ländern zutreffend, in denen die Leibei- genschaft, sei es nur teilweise oder in extremer Form, bis in das 19. Jahrhundert hinein andauerte: Preußen, Österreich (einschließlich Ungarn), Polen und die von Rußland erober- ten polnischen Gebiete. Und es ist daher nicht ohne Bedeu- tung, daß noch vor dem Beginn der großen jüdischen Wande- rung der Neuzeit (gegen 1880), eine bedeutende Mehrheit aller Juden in jenen Gebieten lebte und daß ihre wichtigste soziale Funktion dort darin bestand, den Vermittler bei der Unterdrückung der Bauern zugunsten des Adels und der Krone zu spielen., DER EINFLUSS DER GESCHICHTE Überall entwickelte das klassische Judentum Haß und Ver- achtung gegenüber der Landwirtschaft [engl.: agriculture] als Gewerbe und gegenüber den Bauern als Klasse, sogar mehr als gegenüber anderen Nichtjuden – einen Haß, für den ich nichts Vergleichbares in anderen Gesellschaften kenne. Dies ist jedem unmittelbar einleuchtend, der mit der jiddischen und hebräischen Literatur des 19. und 20. Jahr- hunderts vertraut ist.9 Die meisten osteuropäischen jüdischen Sozialisten (d.h. Mit- glieder von ausschließlich oder überwiegend jüdischen Par- teien oder Gruppierungen) sind schuld daran, niemals auf diese Tatsache hingewiesen zu haben. Tatsächlich waren viele selbst mit einer bissigen antibäuerlichen Einstellung belastet, die sie vom klassischen Judentum ererbt hatten. Natürlich waren die zionistischen „Sozialisten“ in dieser Hinsicht die Schlimmsten, aber andere, solche wie der „Bund“, waren nicht viel besser. Ein typisches Beispiel ist ihr Widerstand gegen die Bildung von Bauern-Kooperativen, die von katholischen Geistlichen gefordert wurden, mit der Be- gründung, daß dies „ein Akt von Antisemitismus“ wäre. Diese Einstellung ist auch heute noch keineswegs ausgestorben; sie konnte sehr deutlich in den rassistischen Anschauungen gesehen werden, die von vielen jüdischen „Dissidenten“ in der [ehemaligen] UdSSR hinsichtlich des russischen Volkes vertreten wurde, und ebenso in dem Diskussionsmangel die- ses Hintergrundes bei so vielen jüdischen Sozialisten, wie z.B. ISAAC DEUTSCHER. Die gesamte rassistische Propaganda zum Thema der vermeintlichen Überlegenheit jüdischer Sittlichkeit und Denkfähigkeit (bei welchem viele jüdische Sozialisten führend waren) ist mit einem Mangel an Feinge- fühl für das Leiden jenes überwiegenden Teiles der Mensch- heit verbunden, der während der letzten tausend Jahre be- sonders unterdrückt wurde – die Bauern. 2. Die klassische jüdische Gesellschaft war besonders von Königen oder Adligen mit königlichen Machtbefugnissen ab- hängig. Im nächsten Kapitel besprechen wir verschiedene jüdische Gesetze, die gegen Nichtjuden gerichtet sind, und insbesondere Gesetze, die Juden befehlen, Nichtjuden zu 10 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION verunglimpfen und das Achten der Nichtjuden oder ihrer Gebräuche zu unterlassen. Diese Gesetze erlauben eine und nur eine einzige Ausnahme: bei einem nichtjüdischen König oder einem örtlichen machtvollen Magnaten (in hebräisch „paritz“, in jiddisch „pooretz“). Ein König wird gepriesen und für ihn gebetet, und ihm wird gehorcht, nicht nur in den meist bürgerlichen Angelegenheiten, sondern auch in eini- gen religiösen. Wie wir noch sehen werden, sind jüdische Ärzte – denen im allgemeinen verboten ist, am Sabbat das Leben gewöhnlicher Nichtjuden zu retten – angewiesen, ihr Möglichstes zu tun, um Magnaten und Herrscher zu heilen; dies erklärt teilweise, warum Könige und hohe Adlige, Päp- ste und Bischöfe oftmals jüdische Ärzte beschäftigten. Aber nicht nur Ärzte. Bei jüdischen Steuer- und Zolleintreibern oder (in Osteuropa) Gutsverwaltern, konnte man sich darauf verlassen, daß sie ihr Möglichstes für den König oder den Baron in einer Weise taten, wie es ein Christ nicht immer zu tun vermochte. Der rechtliche Status einer jüdischen Gemeinschaft gründete sich während der Periode des klassischen Judentums nor- malerweise auf ein „Privileg“ [Sonderrecht] – eine Urkunde, die der jüdischen Gemeinschaft von einem König oder Lan- desherrn (oder in Polen nach dem 16. Jahrhundert von ei- nem mächtigen Adligen) gewährt und in der ihr das Recht auf Selbstregierung verliehen wurde – d.h., daß die Rabbiner mit der Macht ausgestattet wurden, den anderen Juden zu befehlen. Ein wichtiger Teil solcher Privilegien, die weit zu- rückgehen auf das späte Römische Reich, beinhaltet die Schaffung eines jüdischen Klerikerstandes, der – genauso wie die christliche Geistlichkeit in mittelalterlichen Zeiten – „von Steuerzahlungen an den Herrscher befreit“ ist und dem es erlaubt ist, zu seinem eigenen Nutzen Steuern von der unter seiner Kontrolle stehenden Bevölkerung – den Juden – zu erheben. Es ist interessant anzumerken, daß dieses Ab- kommen zwischen dem späten Römischen Reich und den Rabbinern mindestens hundert Jahre den sehr ähnlichen von KONSTANTIN dem Großen und seinen Nachfolgern der christlichen Geistlichkeit gewährten Privilegien voranging., DER EINFLUSS DER GESCHICHTE Von etwa 200 n.d.Ztr. bis zum frühen 5. Jahrhundert war die rechtliche Stellung der Judenschaft im Römischen Reich folgende: Ein erblicher jüdischer Patriarch (der in Tiberias in Palästina residierte) wurde zugleich als hoher Würdenträger in der offiziellen Hierarchie des Reiches und als höchstes Oberhaupt aller Juden im Reiche anerkannt.10 Als römischer Staatsbeamter gehörte der Patriarch als „vir illustris“ der- selben hohen amtlichen Gesellschaftsklasse an, welche die Konsuln, die militärischen Oberbefehlshaber des Reiches und die höchsten Staatsminister um den Thron (das Heilige Konsistorium) einschloß, und nur die kaiserliche Familie besaß einen höheren Rang. Tatsächlich war der Erleuchtete Patriarch [lat. illustris = „erleuchtet“] (wie er stets in kaiser- lichen Dekreten betitelt wird) höherrangig als der Provinz- Gouverneur von Palästina. Kaiser THEODOSIUS I., der Große, ein frommer und strenggläubiger Christ, ließ seinen Pro- vinzgouverneur von Palästina hinrichten, weil er den Patri- archen beleidigt hatte. Zur selben Zeit wurden alle Rabbiner – die vom Patriarchen ernannt werden mußten – von den drückendsten römischen Steuern befreit und erhielten viele offizielle Privilegien, so wie die Freistellung vom Dienst in den Stadträten (was auch eines der ersten Privilegien war, die später der christlichen Priesterschaft gewährt wurden). Zusätzlich war der Patri- arch ermächtigt, den Juden Steuern aufzuerlegen und sie durch Verhängung von Geldstrafen, Auspeitschen und ande- ren Bestrafungen zu disziplinieren. Er benutzte seine Macht, um jüdische Ketzereien zu unterdrücken und (wie wir aus dem Talmud wissen) jüdische Prediger zu verfolgen, die ihn beschuldigten, jüdische Arme für seinen persönlichen Vorteil mit Steuern zu belasten. Wir wissen aus jüdischen Quellen, daß die von den Steuern befreiten Rabbiner die Exkommunikation und andere in ih- rer Macht stehende Mittel benutzten, um die religiöse Vor- herrschaft des Patriarchen zu vergrößern. Wir erfahren auch, meistens indirekt, von dem Haß und der Verachtung, den viele der jüdischen Bauern und der städtischen Armen in Palästina den Rabbinern entgegenbrachten, ebenso wie 10 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION von der Geringschätzung der Rabbiner gegenüber den jüdi- schen Armen (gewöhnlich ausgedrückt als Verachtung ge- genüber den „Ignoranten“). Dessen ungeachtet wurde diese typisch koloniale Ordnung beibehalten, so wie sie von der Macht des Römischen Reiches begünstigt wurde. Ähnliche Übereinkommen gab es während der gesamten Periode des klassischen Judentums in jedem einzelnen Lan- de. Deren soziale Auswirkungen auf die jüdischen Gemein- den waren jedoch verschieden, je nach Größe der einzelnen Gemeinschaft. Wo wenige Juden lebten, gab es gewöhnlich nur geringe soziale Unterschiede innerhalb der Gemein- schaft, die dazu neigte, aus reichen und „Mittelklasse“-Juden zusammengesetzt zu sein, von denen die meisten eine be- achtliche rabbinisch-talmudische Erziehung besaßen. Doch in Ländern, in denen die Zahl der Juden zunahm und eine große Klasse jüdischer Armer entstand, manifestierte sich dieselbe Spaltung, wie die oben beschriebene, von selbst, und wir bemerken, daß die rabbinische Klasse zusammen mit den jüdischen Reichen die jüdischen Armen sowohl im eige- nen Interesse als auch im Interesse des Staates – d.h. der Krone und des Adels – unterdrückt. Dies war vornehmlich die Lage in Polen vor 1795. Die beson- deren Umstände der polnischen Judenschaft werden unten noch beschrieben werden. Hier möchte ich nur darauf hin- weisen, daß sich dort seit dem 18. Jahrhundert und während des ganzen 19. Jahrhunderts hindurch aufgrund der Entste- hung einer großen jüdischen Gemeinschaft in diesem Lande eine tiefe Spaltung zwischen der jüdischen Oberklasse (den Rabbinern und den Reichen) und den jüdischen Massen ent- wickelte. Solange die jüdische Gemeinschaft Macht über ihre Mitglieder besaß, wurden die beginnenden Aufstände der Armen, die die ganze Hauptlast der Besteuerung tragen mußten, durch die verbundene Macht der nackten Zwangs- gewalt der jüdischen „Selbstregierung“ und der religiösen Sanktionen unterdrückt. Aus all diesen Gründen waren die Rabbiner während der ganzen klassischen Periode (ebenso wie in der Neuzeit) die, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE loyalsten, um nicht zu sagen eifrigsten Unterstützer der maßgeblichen Stellen; und je reaktionärer das Regime war, desto mehr rabbinische Unterstützung hatte es. 3. Die Gesellschaft des klassischen Judentums befindet sich in völligem Gegensatz zu der sie umgebenden nichtjüdischen Gesellschaft, mit Ausnahme des Königs (oder der Adligen, wenn sie den Staat übernehmen). Dies wird ausführlich in Kapitel 5 erläutert. Die Konsequenzen aus diesen drei sozialen Merkmalen tra- gen insgesamt wesentlich dazu bei, die Geschichte der klas- sischen jüdischen Gemeinschaften, sowohl in den christli- chen als auch in den mohammedanischen Ländern, zu erklä- ren. Besonders günstig ist die Stellung der Juden unter starken Regierungsformen, die einen feudalen Charakter beibehalten haben und in denen nationales Bewußtsein selbst ansatzwei- se noch nicht begonnen hat sich zu entwickeln. Die Stellung der Juden ist sogar in solchen Ländern wie Polen vor 1795 oder den iberischen Königreichen vor der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch günstiger, wo das Entstehen einer machtvollen feudalen Monarchie auf nationaler Basis zeit- weilig oder dauernd verhindert wurde. Tatsächlich gedeiht das klassische Judentum am besten unter starken Regimen, die von den meisten Klassen der Gesellschaft abgesondert [engl.: dissociated] sind; und in solchen Regimen erfüllen die Juden die Aufgaben einer Mittelklasse – jedoch in einer an- dauernden abhängigen Weise. Aus diesem Grunde war nicht nur die Bauernschaft (deren Gegnerschaft damals unbedeu- tend ist, außer bei einem gelegentlichen und seltenen Volks- aufstand) gegen sie [die Juden] eingestellt, sondern in be- deutsamerer Weise die nichtjüdische Mittelklasse (die in Europa im Aufstieg begriffen war) und der ungebildete Teil der Geistlichkeit; und beschützt werden sie [die Juden] von der höheren Geistlichkeit und dem Adel. Doch in jenen Län- dern, in denen die feudale Anarchie gebändigt worden ist, verbindet sich der Adel mit dem König (und wenigstens mit einem Teil der Bürgerschaft), um den Staat zu regieren, was 10 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION eine nationale oder vornationale Erscheinungsform voraus- setzt; die Stellung der Juden verschlechtert sich. Dieses allgemeine Schema, das für mohammedanische und christliche Länder gleichermaßen gilt, soll nun mit kurzen Worten durch einige wenige Beispiele erläutert werden.

England, Frankreich und Italien

Da die erste Periode jüdischer Ansiedlung in England so kurz war und mit der Entwicklung der englischen nationalen feudalen Monarchie zusammenfiel, kann dieses Land als die beste Erläuterung für das obige Schema dienen. Juden wur- den durch WILHELM den Eroberer nach England hinüberge- bracht als Teil der französischsprechenden normannischen herrschenden Klasse mit der Hauptaufgabe, jenen Feudal- herren – geistlichen [= Bischöfen] und weltlichen – Anleihen zu gewähren, die anderenfalls außerstande waren, ihre Lehnsabgaben zu bezahlen (welche in England besonders hoch waren und in jener Periode unerbittlicher eingetrieben wurden als in irgendeiner anderen europäischen Monarchie). Ihr [der Juden] größter königlicher Schutzherr war HEINRICH II., und die Magna Charta markierte den Beginn ihres Niederganges, der sich während des Konflikts der Feu- dalherren mit HEINRICH III. fortsetzte. Die einstweilige Lö- sung dieses Konflikts durch EDUARD I. mit der Bildung des Parlaments und „gewöhnlicher“, feststehender Besteuerung war von der Vertreibung der Juden begleitet. Auf ähnliche Weise erlebten die Juden eine Blüte in Frank- reich während der Bildung der starken feudalen Fürstentü- mer im 11. und 12. Jahrhundert, einschließlich der königli- chen Domäne; und ihr bester Beschützer unter den kapetin- gischen Königen war LUDWIG VII. (1137-1180), ungeachtet seiner tiefen und aufrichtigen christlichen Frömmigkeit. Zu jener Zeit hielten sich die Juden von Frankreich selbst für Ritter (auf Hebräisch: parashim), und die führende jüdische Autorität in Frankreich, RABBENU TAM, warnt sie davor, jemals die Einladung eines Feudalherrn anzunehmen, sich auf, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE seiner Domäne anzusiedeln, wenn ihnen nicht ähnliche Privilegien wie den anderen Rittern eingeräumt werden. Der Niedergang ihrer Stellung beginnt mit PHILIPP II. AUGUST, dem Begründer der politischen und militärischen Allianz der Krone mit der aufsteigenden städtischen „Kommune“- Bewegung, und bricht unter PHILIPP IV. dem Schönen völlig zusammen, der den ersten allgemeinen Ständetag [Vertre- tung der Stände in den „Etats généraux“, den Generalstaa- ten] für ganz Frankreich in der Absicht einberief, Unterstüt- zung gegen den Papst zu erhalten. Die endgültige Vertrei- bung der Juden aus ganz Frankreich ist eng verbunden mit der festen Einrichtung des Rechts der Krone auf Besteue- rung und dem nationalen Charakter der Monarchie. Ähnliche Beispiele können auch von anderen europäischen Ländern angeführt werden, in denen Juden während dieser Periode lebten. Während wir das christliche Spanien und Polen für eine ausführlichere Diskussion aufsparen, bemer- ken wir, daß in Italien, wo viele Stadtstaaten eine republi- kanische Herrschaftsform hatten, dieselbe Ordnung erkenn- bar ist. Juden gediehen besonders in den päpstlichen Staa- ten, in den beiden feudalen Königreichen von Sizilien und Neapel (bis zu ihrer Vertreibung auf spanischen Befehl, etwa 1500) und in den feudalen Enklaven von Piemont. Aber in den großen Handelsstädten und unabhängigen Städten, so wie Florenz, war ihre Anzahl gering und ihre soziale Rolle unbedeutend.

Die moslemische Welt

Das gleiche allgemeine Schema gilt während der klassischen Periode ebenso für jüdische Gemeinschaften in moslemi- schen Ländern, mit Ausnahme der wichtigen Tatsache, daß die Vertreibung von Juden – die dem islamischen Recht wi- derspricht – dort im wesentlichen unbekannt war. (Das mit- telalterliche katholische Kirchenrecht andererseits schreibt solche Austreibung weder vor noch verbietet es sie). 10 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Die jüdischen Gemeinden erblühten während des berühm- ten, aber in sozialer Hinsicht falsch interpretierten jüdischen Goldenen Zeitalters in moslemischen Ländern unter Regi- men, die in besonderem Maße von der großen Mehrheit des Volkes, das sie regierten, abgegrenzt waren und deren Macht auf nichts anderem als nackter Gewalt und einer Söld- nerarmee beruhte. Das beste Beispiel ist das moslemische Spanien, wo das sehr reale jüdische Goldene Zeitalter (der hebräischen Dichtkunst, Grammatik, Philosophie usw.) ex- akt mit dem Untergang des spanischen Umayyadenkalifats nach dem Tode des de facto Herrschers AL-MANSUR im Jahre 1002 beginnt und der Errichtung der zahlreichen Taifa (ta’ifa) [engl.: faction = Fraktion; hier: Kleinkönigtümer] Königreiche, die alle auf nackter Gewalt basierten. Der Auf- stieg des berühmten jüdischen Oberbefehlshabers und Staatsministers des Königreiches Granada, SAMUEL der Fürst (Shmu'el Hannagid*, gestorben 1056), der auch einer der hervorragendsten hebräischen Dichter aller Zeiten war, fußte hauptsächlich auf der Tatsache, daß das Königreich, dem er diente, eine Tyrannei einer ziemlich kleinen Berber- Militärmacht über die arabischsprechenden Einwohner war. Eine ähnliche Situation herrschte in den anderen arabisch- spanischen Taifa-Königtümern vor. Die Lage der Juden ver- schlechterte sich etwas mit der Errichtung der Almoraviden- * Anm. d. Übers.: Auch Samuel (Halevi) ibn Nag(h)dela genannt. In Granada (993 geboren) studierte er den Talmud und arabische Literatur. Nachdem Granada in die Hände der Berber fiel, zog er nach Málaga, wo er Bittstellern bei der Abfassung ihrer Gesuche an König Habbus von Granada half. Dadurch wurde der Wesir des Königs auf ihn aufmerksam, holte ihn nach Granada und beschäftigte ihn in der Alhambra als seinen Sekretär und später auch Ratgeber. Auf dem Totenbett empfahl der Wesir ihn als seinen Nachfolger, so daß Samuel im Jahre 1027 der einzige Jude war, der in einem muselmanischen Staat offen Amt und Titel eines Wesirs innehatte. Dies war u.a. möglich, da die Bevölkerung Granadas im 11. Jahrhundert zur Hälfte jüdisch war. Die Araber waren von der Wahl begeistert, und der kleine Staat erlebte eine finanzielle, politische und kulturelle Blütezeit. Sein dankbares Volk übertrug ihm den Titel eines Nagid = „Fürsten“ (in Israel). Bei seinem Tode trat sein Sohn Joseph seine Nachfolgerschaft als Wesir und Nagid an., DER EINFLUSS DER GESCHICHTE Herrschaft (1086-1090) und wurde sehr unsicher unter dem starken und populären Almohaden-Regime (nach 1147), als die Juden, ein Ergebnis ihrer Verfolgungen, nach den christ- lichen spanischen Königreichen umsiedelten, wo die Macht der Könige noch immer sehr gering war. Ähnliche Beobachtungen können gemacht werden, wenn man die Staaten des moslemischen Ostens betrachtet. Der erste Staat, in welchem die jüdische Gemeinschaft eine Stellung von bedeutendem politischem Einfluß erreichte, war das Fatimidische Reich, besonders nach der Eroberung Ägyptens im Jahre 969, weil es auf der Herrschaft einer is- mailitisch-schiitischen (isma'ili-shi'ite) religiösen Minderheit basierte. Das gleiche Phänomen kann in den Seldschuken- Staaten beobachtet werden – gestützt auf feudalartigen Ar- meen, Söldnern und in zunehmendem Maße Sklaventruppen (mamluks = Mamelucken*) – und ihren Nachfolgestaaten. Das Wohlwollen SALADINs gegenüber den jüdischen Gemein- schaften, zuerst in Ägypten und dann in anderen Teilen die- ses sich ausdehnenden Reiches, beruhte nicht nur auf seinen echten persönlichen Qualitäten der Toleranz, Nächstenliebe und tiefen politischen Weisheit, sondern gleichfalls auf sei- nem Aufstieg zur Macht als rebellischer Befehlshaber von Söldnern, die frisch in Ägypten angekommenen waren, und schließlich als Usurpator der Macht jener Dynastie, der er und sein Vater und Onkel vor ihm gedient hatten. Aber das beste islamische Beispiel ist vielleicht der Staat, in dem die Stellung der Juden seit dem Untergang des alten Persischen Reiches besser war als irgendwo sonst im Osten: das Osmanische Reich, besonders während seiner Blütezeit im 16. Jahrhundert.11 Wie wohlbekannt ist, basierte die Os- manische Herrschaft anfänglich auf dem fast vollständigen Ausschluß der Türken selbst (ganz zu schweigen von ande- ren gebürtigen Moslems) von Stellen der politischen Macht und vom einflußreichsten Teil der Armee, der Janitscharen- * Anm. d. Übers.: Mamelucken sind türkische Sklaven am persischen oder ägyptischen Hof, wo sie starken Einfluß gewannen. Der arabische Ausdruck „mamluk“ = Sklave. Die Mamelucken waren von 1250-1517 das Herrschergeschlecht von Ägypten. 11 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Truppe*, die beide von des Sultans christlich-geborenen Sklaven besetzt wurden, die in ihrer Kindheit entführt und in besonderen Schulen erzogen wurden. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts konnte kein frei-geborener Türke Janit- schar werden oder irgendein wichtiges Regierungsamt be- kleiden. Unter solch einem Regime war die Rolle der Juden in ihrem Wirkungsbereich ganz ähnlich derjenigen der Ja- nitscharen in dem ihrigen. So war die Position der Juden am besten unter einem Regime, das in politischer Hinsicht am schärfsten von den Völkern, die es regierte, abgegrenzt war. Mit der Zulassung der Türken selbst (wie auch einiger ande- rer mohammedanischer Völker, wie z.B. der Albaner) zur herrschenden Klasse des Osmanischen Reiches ging die Posi- tion der Juden zurück. Diese Verschlechterung trat jedoch wegen der anhaltenden Willkür und des nicht-nationalen Charakters des Osmanischen Regimes nicht sehr abrupt ein. Dieser Punkt ist meines Erachtens sehr wichtig, da die rela- tiv gute Situation von Juden unter dem Islam im allgemei- nen und unter gewissen islamischen Regierungen im beson- deren von vielen palästinensischen und anderen arabischen Propagandisten in einer sehr unkundigen, obgleich vielleicht wohlmeinenden Art und Weise benutzt wird. Erstens verallgemeinern und reduzieren sie ernste Fragen der Politik und Geschichte auf das Maß reiner Schlagworte. Angenommen, die Position von Juden sei im Durchschnitt unter dem Islam viel besser gewesen als unter dem Chri- stentum, – so ist doch die entscheidende Frage zu stellen: Unter welchem Regime war sie besser oder schlechter? Wir haben gesehen, wohin eine solche Analyse führt. Aber zweitens, und viel wichtiger: In einem vormodernen Staat brachte eine „bessere“ Stellung der jüdischen Gemeinde * Anm. d. Übers.: Der Ausdruck „Janitschar“ stammt aus dem Tür- kischen: „jeni tscheri“ = neue Truppe. Die Janitscharen waren die Ange- hörigen der 1329 gebildeten, aus christlichen Kriegsgefangenen und ihren Nachkommen (bis 1826) bestehende Kerntruppe des türkischen Sultans mit gewissen Vorrechten., DER EINFLUSS DER GESCHICHTE gewöhnlich ein stärkeres Ausmaß an Tyrannei mit sich, die innerhalb dieser Gemeinschaft von den Rabbinern ge- genüber anderen Juden ausgeübt wurde. Um ein Beispiel zu geben: SALADIN ist gewiß eine Persönlichkeit, die – unter Berücksichtigung seiner Zeit – tiefsten Respekt einflößt. Doch zusammen mit diesem Respekt kann ich z.B. nicht ver- gessen, daß die erweiterten Privilegien, die er der jüdischen Gemeinschaft in Ägypten gewährte, und seine Ernennung von MAIMONIDES zu ihrem Fürsten (Nagid), unverzüglich schonungslose religiöse Verfolgung von jüdischen „Sündern“ durch die Rabbiner auslöste. So ist es z.B. jüdischen „Prie- stern“ (vermeintliche Nachkommen der Priester aus alter Zeit, die im Tempel gedient hatten) nicht nur verboten, Pro- stituierte12 zu heiraten, sondern ebenso Geschiedene. Das letztere Verbot, das immer Schwierigkeiten verursacht hat, wurde während der Anarchie unter den letzten Fatimiden- Herrschern (etwa 1130-1180) durch solche „Priester“ verletzt, die – entgegen dem jüdischen Religionsgesetz – vor islami- schen Gerichten (die gesetzlich ermächtigt sind, Nicht- Moslems zu trauen) mit jüdischen Geschiedenen verheiratet wurden. Die größere Toleranz gegenüber „den Juden“, die SALADIN bei seinem Machtantritt einführte, gab MAI- MONIDES die Möglichkeit, Anordnungen an die rabbinischen Gerichte in Ägypten zu erlassen, alle Juden zu ergreifen, die solche verbotenen Ehen eingegangen waren, und sie solange auszupeitschen, bis sie „zustimmten“, sich von ihren Ehe- frauen zu trennen.13 In ähnlicher Weise war die Macht der rabbinischen Gerichte im Osmanischen Reich sehr groß und infolgedessen höchst schädlich. Daher sollte die Position der Juden in moslemischen Ländern in der Vergangenheit nie- mals als ein politisches Argument in gegenwärtigen (oder zukünftigen) Auseinandersetzungen [engl.: contexts] ver- wendet werden.

Das christliche Spanien

Ich habe mir für zuletzt eine Erörterung jener beiden Länder aufgehoben, in denen die Stellung der jüdischen Gemein- schaft und die interne Entwicklung des klassischen Juden- 11 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION tums am einflußreichsten war: das christliche Spanien14 (oder eher die iberische Halbinsel einschließlich Portugal) und Polen vor 1795. Politisch gesehen war die Stellung der Juden in den christli- chen spanischen Königreichen die höchste, die jemals von Juden in irgendeinem Land (ausgenommen einige der Taifas und unter den Fatimiden) vor dem 19. Jahrhundert erreicht wurde. Viele Juden dienten offiziell als General- Schatzmeister der kastilischen Könige, als regionale und allgemeine Steuereinnehmer, als Diplomaten (die ihren Kö- nig bei fremden, sowohl moslemischen als auch christlichen Höfen, sogar außerhalb Spaniens, vertraten), als Höflinge und Ratgeber der Herrscher und hoher Adliger. In keinem anderen Land außer Polen übte die jüdische Gemeinschaft tatsächlich solch eine große gesetzliche Macht über die Ju- den aus oder wandte sie so weit und öffentlich an, ein- schließlich der Macht, die Todesstrafe zu verhängen. Seit dem 11. Jahrhundert war in Kastilien die Verfolgung von Karaiten (eine ketzerische jüdische Sekte) üblich, indem man sie – falls sie keine Reue zeigten – zu Tode peitschte. Jüdischen Frauen, die mit Nichtjuden zusammenlebten, wurde von Rabbinern die Nase mit der Erklärung abge- schnitten, daß „sie auf diese Weise ihre Schönheit verlieren und ihr nichtjüdischer Geliebter dazu gebracht wird, sie zu hassen“. Juden, die die Unverfrorenheit besaßen, einen rab- binischen Richter anzugreifen, wurden die Hände abgehackt. Ehebrecher warf man ins Gefängnis, nachdem sie zum Spießrutenlaufen durch das jüdische Viertel gezwungen wurden. Bei religiösen Disputen wurde denjenigen, die man für Ketzer hielt, die Zunge herausgeschnitten. Geschichtlich gesehen war all dies mit feudaler Anarchie verbunden und mit dem Versuch weniger „starker“ Könige, mit reiner Gewalt unter Mißachtung der parlamentarischen Einrichtungen zu regieren, den Cortes, die bereits in Er- scheinung getreten waren. In diesem Ringen war nicht nur die politische und finanzielle Macht der Juden, sondern auch ihre militärische Stärke (zumindest im einflußreichsten Kö- nigreich Kastilien) sehr bedeutsam. Ein Beispiel mag genügen:, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE Die schlechte feudale Regierung und der jüdische politi- sche Einfluß in Kastilien erreichten beide ihren Höhepunkt unter PEDRO I., der mit Recht den Spitznamen „der Grausa- me“ bekam. Die jüdischen Gemeinden von Toledo, Burgos und vielen anderen Städten dienten praktisch als seine Gar- nisonen in dem langen Bürgerkrieg zwischen ihm und sei- nem Halbbruder HEINRICH von Trastamara, der nach seinem Sieg HEINRICH II. (1369-1379) wurde.15 Derselbe PEDRO I. gab den Juden Kastiliens das Recht, eine landesweite Inqui- sition gegen jüdische religiöse Abweichler einzurichten – mehr als hundert Jahre vor der Schaffung der berühmteren katholischen Heiligen Inquisition. Wie in anderen westeuropäischen Ländern wurde die all- mähliche Zunahme nationalen Bewußtseins im Umkreis der Monarchie, die unter dem Hause der Trastamara begann und nach Auf- und Abstiegen einen Höhepunkt unter den katholischen Königen FERDINAND und ISABELLA erreichte, zuerst von einem Rückgang der Position der Juden begleitet, dann von Volksbewegungen und gegen sie [die Juden] ge- richtete Unterdrückungen und schließlich von ihrer Vertrei- bung. Im großen und ganzen wurden die Juden vom Adel und der höheren Geistlichkeit beschützt. Es waren vorwie- gend die ungebildeten Gruppen der Kirche, besonders die Bettelorden – verwickelt mit dem Leben der niederen Klas- sen –, die ihnen gegenüber feindlich gesonnen waren. Die großen Feinde der Juden, TORQUEMADA und Kardinal XIMENES, waren ebenfalls große Reformer der spanischen Kirche, indem sie diese weit weniger korrupt und viel stär- ker von der Monarchie abhängig machten, anstatt Bewahrer der Feudalaristokratie zu sein.

Polen

Das alte Polen vor 1795 – eine feudale Republik mit einem Wahlkönig – stellt ein entgegengesetztes Beispiel dar: Es veranschaulicht, wie die Stellung der Juden vor dem Entste- hen des modernen Staates unter sozialen Gesichtspunkten höchst wichtig und ihre interne Selbständigkeit am größten 11 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION unter einem Regime war, das bis an die Grenze der totalen Entartung völlig zurückgeblieben war. Aufgrund verschiedener Ursachen blieb das mittelalterliche Polen in seiner Entwicklung hinter Ländern wie England und Frankreich zurück; eine starke feudalistische Monarchie – noch ohne irgendwelche parlamentarischen Einrichtungen – wurde dort nur im 14. Jahrhundert errichtet, hauptsäch- lich unter KASIMIR dem Großen (1333-1370). Unmittelbar nach seinem Tode führten Wechsel in der Dynastie und an- dere Umstände zu einer sehr schnellen Machtentfaltung des vornehmen Hochadels, dann auch des niederen Adels, so daß gegen 1572 der Prozeß der Entmachtung des Königs zu einer „Galionsfigur“ und des Ausschlusses aller anderen nicht- adeligen Stände von der politischen Macht nahezu abge- schlossen war. In den folgenden zweihundert Jahren führte das Fehlen einer Regierung zu der wohlbekannten Anarchie, die soweit ging, daß eine Gerichtsentscheidung in einer Sa- che, die einen hohen Adligen betraf, lediglich eine rechtliche Lizenz darstellte, einen Privatkrieg zur Vollstreckung des Urteilsspruches zu führen (denn es gab keinen anderen Weg, es zu vollstrecken), und wo Fehden zwischen großen Adels- häusern im 18. Jahrhundert private Armeen mit mehreren 10.000 Mann zur Folge hatten, viel größer als die lächerliche Truppe der offiziellen Armee der Republik. Dieser Prozeß wurde begleitet von einer Verschlechterung der Lage der polnischen Bauern (die im frühen Mittelalter frei gewesen waren) bis an die Grenze zur regelrechten Leib- eigenschaft, die kaum noch von völliger Sklaverei zu unter- scheiden und gewiß die schlimmste in Europa war. Der Wunsch hoher Adliger in den benachbarten Ländern, die Macht des polnischen Pan* über seine Bauern zu besitzen (einschließlich Macht über Leben und Tod ohne irgendein Beschwerderecht), begünstigte die territoriale Ausdehnung Polens. In den „östlichen“ Landesteilen Polens (Weißrußland und die Ukraine) – kolonisiert und besiedelt von gerade in * „Pan“ (polnisch) = Herr (Anrede); früher: kleiner polnischer Guts- besitzer., DER EINFLUSS DER GESCHICHTE Leibeigenschaft geratenen Bauern – war die Situation am schlimmsten von allen.16 Eine geringe Anzahl Juden (obgleich in einflußreichen Stel- lungen) hatte offenbar seit der Gründung des polnischen Staates in Polen gelebt. Eine bedeutsame jüdische Einwan- derung in dieses Land begann im 13. Jahrhundert und ver- stärkte sich unter KASIMIR dem Großen, zugleich mit dem Niedergang der jüdischen Stellung in West- und danach in Mitteleuropa. Über die polnische Judenschaft jener Periode ist nur wenig bekannt. Doch mit dem Niedergang der Mon- archie im 16. Jahrhundert – besonders unter SIGISMUND I. dem Alten (1506-1548) und seinem Sohn SIGISMUND II. AUGUSTUS (1548-1572) – rückte die polnische Judenschaft schlagartig in den sozialen und politischen Vordergrund, begleitet wie gewöhnlich von einem viel höheren Grad an Selbständigkeit. Es geschah zu dieser Zeit, daß den Juden Polens ihre größten Privilegien eingeräumt wurden, was seinen Höhepunkt mit der Einrichtung des berühmten „Ko- mitees der vier Länder“ erreichte, einem sehr wirksamen autonomen jüdischen Organ der Regierung und Rechtspre- chung über alle Juden in Polens vier Landesteilen. Eine sei- ner vielen wichtigen Aufgaben bestand darin, sämtliche Steuern von Juden im ganzen Land einzuziehen, einen Teil des Ertrages für seinen eigenen Gebrauch und für den Ge- brauch örtlicher jüdischer Gemeinden abzuziehen und den Rest dem staatlichen Schatzamt zu übertragen. Welche soziale Rolle spielte nun die polnische Judenschaft seit dem Beginn des 16. Jahrhundert bis 1795? Mit dem Nie- dergang der königlichen Macht wurde die übliche Rolle des Königs gegenüber den Juden schnell vom Adel übernommen – mit bleibenden und tragischen Auswirkungen sowohl für die Juden selbst als auch für das gewöhnliche Volk der polni- schen Republik. Überall in Polen benutzten die Adligen Ju- den als ihre Agenten, um die wirtschaftliche Stärke der kö- niglichen Städte zu untergraben, die schon in jeder Hinsicht schwach war. Als einziges unter den Ländern des westlichen Christentums war in Polen das Besitztum eines Adligen in- nerhalb einer königlichen Stadt von den Stadtgesetzen und 11 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION den Gildebestimmungen befreit. In den meisten Fällen sie- delten die Adligen ihre jüdischen Kunden auf solchen Besitz- tümern an, was den Anlaß für einen dauerhaften Konflikt gab. Die Juden waren gewöhnlich in dem Sinne „siegreich“, daß die Städte sie weder unterwerfen noch vertreiben konn- ten; aber in den häufig wiederkehrenden Volksaufständen ging jüdisches Leben (und sogar noch mehr jüdisches Eigen- tum) verloren. Die Adligen waren immer die Nutznießer. Ähnliche oder schlimmere Auswirkungen erwuchsen aus dem häufigen Einsatz von Juden als Handelsagenten der Adligen: Sie erhielten Befreiungen von den meisten polni- schen Zöllen und Abgaben, zum Nachteil der heimischen Bürgerschaft. Aber die nachhaltigsten und tragischsten Folgen ereigneten sich in den östlichen Provinzen Polens – grob gesagt, dem Gebiet östlich der gegenwärtigen Grenzen, einschließlich fast der gesamten heutigen Ukraine und bis hin zur großrussi- schen Sprachgrenze reichend. (Bis 1667 verlief die polnische Grenze weit östlich des Dnjepr, so daß z.B. Poltava innerhalb Polens lag.) In jenen weiten Gebieten gab es kaum irgend- welche königlichen Städte. Die Städte waren von Adligen errichtet und gehörten ihnen – und sie wurden fast aus- schließlich von Juden besiedelt. Bis 1939 war die Bevölke- rung in vielen polnischen Städten östlich des [Flusses] Bug zu mindestens 90 % jüdisch, und dieses bevölkerungsstatisti- sche Phänomen war sogar noch stärker in jenem Gebiet des zaristischen Rußlands ausgeprägt, das sich Polen einverleibt hatte und als das jüdische Pale bekannt ist. Außerhalb der Städte wurden sehr viele Juden in ganz Polen, aber beson- ders im Osten, als die direkten Überwacher und Unterdrük- ker der leibeigenen Bauernschaft beschäftigt: als Verwalter ganzer Landgüter (ausgestattet mit des Gutsbesitzers voller Zwangsgewalt) oder als Pächter besonderer feudaler Mono- pole – so wie Getreidemühlen, Likör-Brennereien und Gast- stätten (mit dem Recht auf bewaffnete Durchsuchung von Bauernhäusern nach unerlaubten Destillieranlagen) oder Bäckereien – und als Kassierer der üblichen feudalen Abga- ben aller Arten. Kurz gesagt: Im östlichen Polen waren die Juden unter der Herrschaft der Adligen (und der feudalisier-, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE ten Kirche, die ausschließlich vom Adel gebildet wurde) so- wohl die unmittelbaren Ausbeuter der Bauernschaft und im Grunde genommen die einzigen Stadtbewohner. Zweifellos wurde der Großteil der Profite, die sie von den Bauern herauszogen, auf dem einen oder anderen Wege an die Gutsbesitzer weitergegeben. Ohne Zweifel war die Un- terdrückung und Unterjochung der Juden durch die Adligen ernst, und die geschichtlichen Aufzeichnungen erzählen so manche herzzerreißende Geschichte von der Mühsal und der Erniedrigung, die Adlige „ihren“ Juden auferlegten. Aber, wie wir schon angemerkt haben, erlitten die Bauern schlim- mere Unterdrückung durch beide, die Gutsbesitzer und die Juden; und man darf annehmen, daß sich – außer in Zeiten von Bauernaufständen – die ganze Wucht der jüdischen reli- giösen Gesetze gegen Nichtjuden gegen die Bauern richtete. Wie im nächsten Kapitel zu sehen ist, werden diese Gesetze in den Fällen ausgesetzt oder gemildert, wenn zu befürchten ist, daß sie gefährliche Feindseligkeiten gegenüber Juden entfachen könnten; doch die Feindschaft der Bauern konnte solange als wirkungslos vernachlässigt werden, wie sich der jüdische Gutsverwalter unter dem „Frieden“ eines großen Lords schützen konnte. Die Lage blieb unverändert bis zum Aufkommen des moder- nen Staates, zu welcher Zeit Polen aber bereits zerrissen gewesen war. Daher war Polen das einzige große Land im westlichen Christentum, aus dem die Juden niemals vertrie- ben wurden. Eine neue Mittelklasse konnte aus der voll- ständig versklavten Bauernschaft nicht erwachsen, und das alte Bürgertum war geographisch begrenzt, wirtschaftlich schwach und daher machtlos. Insgesamt verschlechterten sich die Dinge ständig, aber ohne irgendeine wesentliche Änderung. Die internen Bedingungen innerhalb der jüdischen Gemein- schaft bewegten sich auf einem ähnlichen Kurs. In der Peri- ode von 1500-1795, eine der am stärksten vom Aberglauben beherrschte in der Geschichte des Judentums, war die polni- sche Judenschaft die abergläubischste und fanatischste von 11 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION allen jüdischen Gemeinschaften. Die beträchtliche Macht der jüdischen Selbstregierung wurde zunehmend dazu benutzt, alles schöpferische oder innovative Denken zu unterdrücken, um die schamloseste Ausbeutung der jüdischen Armen durch die jüdischen Reichen gemeinsam mit den Rabbinern zu be- günstigen und um die Rolle der Juden bei der Unterdrük- kung der Bauern im Dienste der Adligen zu rechtfertigen. Auch hier führte kein anderer Weg heraus, außer durch eine Befreiung von außen. Das Polen vor 1795, wo die soziale Rolle der Juden wichtiger als in irgendeiner anderen klassi- schen Diaspora war, veranschaulicht besser als jedes andere Land den Bankrott des klassischen Judentums.

Anti-jüdische Verfolgungen

Während der gesamten Periode des klassischen Judentums waren Juden oftmals der Verfolgung ausgesetzt17 – und diese Tatsache dient nun den Apologeten der jüdischen Religion mit ihren anti-nichtjüdischen [engl.: anti-Gentile] Gesetzen und besonders dem Zionismus als das wichtigste Argument“. Natürlich wird die Nazi-Vernichtung von fünf bis sechs Mil- lionen europäischen Juden in dieser Richtung als das krö- nende Argument angenommen. Wir müssen deshalb dieses Phänomen und seine zeitgenössische Erscheinungsform [engl.: aspect] eingehend betrachten. Dies ist besonders im Hinblick auf die Tatsache wichtig, daß die Nachkommen der Juden des Polens vor 1795 (oft „osteuropäische Juden“ ge- nannt – im Gegensatz zu Juden aus dem deutschen Kultur- kreis des frühen 19. Jahrhunderts, einschließlich des jetzi- gen Österreich, Böhmen und Mähren) heute sowohl in Israel als auch in den jüdischen Gemeinden der USA und anderer englischsprachiger Länder die vorherrschende politische Macht ausüben; und wegen ihrer eigentümlichen geschichtli- chen Vergangenheit hat sich diese Denkweise unter ihnen besonders festgesetzt, viel stärker als unter anderen Juden. Wir müssen zunächst eine scharfe Unterscheidung zwischen der Judenverfolgungen während der klassischen Periode auf der einen Seite und der Nazi-Vernichtung auf der anderen, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE Seite treffen. Die früheren waren Volksbewegungen, die von unten kamen; wohingegen letztere von oben inspiriert, orga- nisiert und durchgeführt wurde: tatsächlich von Staatsbeam- ten. Solche Handlungsweisen, wie die von den Nazis staat- lich organisierte Vernichtung, sind in der Geschichte der Menschheit relativ selten, obgleich es tatsächlich auch ande- re Fälle gibt (z.B. die Vernichtung der Tasmanier und ver- schiedener anderer Kolonialvölker). Darüber hinaus beab- sichtigten die Nazis außer den Juden noch andere Völker auszulöschen: Zigeuner wurden wie Juden vernichtet, und die Vernichtung von Slawen war mit der systematischen Abschlachtung [engl.: massacre] von Millionen von Zivilisten und Kriegsgefangenen schon in vollem Lauf. Es ist jedoch die periodisch auftretende Verfolgung der Juden in so vielen Ländern während der klassischen Periode, die für die zioni- stischen Politiker das Muster (und die Entschuldigung) bei ihrer Verfolgung der Palästinenser ist, ebenso wie es das Argument ist, das von den Apologeten des Judentums im allgemeinen angewandt wird; und dieses Phänomen ist es, das wir jetzt eingehend betrachten wollen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß während der schlimmsten antijüdischen Verfolgungen, d.h. bei denen Ju- den getötet wurden, die herrschende Elite – der Kaiser und der Papst, die Könige, der höhere Adel und die höhere Geist- lichkeit, ebenso wie das reiche Bürgertum in den selbständi- gen Städten – immer auf der Seite der Juden stand. Die Feinde der Juden gehörten den stärker unterdrückten und ausgebeuteten Klassen an und zu denjenigen, die ihnen im täglichen Leben und den Interessen nahestanden, so wie die Mönche des Bettelordens.18 Es ist wahr, daß die Mitglieder der Elite die Juden in den meisten (aber ich glaube nicht in allen) Fällen weder aus humanitären Erwägungen noch aus Sympathie für die Juden als solche verteidigten, sondern wegen der Art von Gründen, die gewöhnlich von Herrschern zur Rechtfertigung ihrer Interessen benutzt werden: die Tat- sache, daß die Juden (für sie) nützlich und gewinnbringend waren, die Verteidigung von „Recht und Ordnung“, der Haß der unteren Klassen und die Furcht, daß sich antijüdische Unruhen zu einem allgemeinen Volksaufstand entwickeln 12 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION könnten. Gleichwohl bleibt die Tatsache bestehen, daß sie die Juden tatsächlich verteidigten. Aus diesem Grunde wa- ren alle Massaker an Juden während der klassischen Peri- ode Teil eines Bauernaufruhrs oder anderer Volksbewegun- gen zu Zeiten, wenn die Regierung aus irgendeinem Grunde besonders schwach war. Dies gilt sogar für den teilweise außergewöhnlichen Fall des zaristischen Rußlands. Die zari- stische Regierung, die mittels ihrer Geheimpolizei betrüge- risch handelte, förderte tatsächlich Pogrome; sie tat dies aber nur, wenn sie besonders schwach war (nach der Ermor- dung von ALEXANDER II. im Jahre 1881, in der unmittelbar vorhergehenden Periode und nach der Revolution von 1905), und achtete dann sogar darauf, daß „Recht und Ordnung“ nicht zusammenbrachen. Während der Zeit ihrer größten Stärke – z.B. unter NIKOLAUS I. oder während des letzten Abschnittes der Regierung ALEXANDERs III., als die Opposi- tion zerschlagen worden war – wurden Pogrome von der za- ristischen Regierung nicht geduldet, obgleich die gesetzliche Diskriminierung gegenüber Juden verstärkt wurde. Die allgemeine Regel kann bei allen großen Massakern an Juden im christlichen Europa beobachten werden. Während des ersten Kreuzzugs waren es nicht die ordentlichen, von berühmten Herzögen und Grafen befehligten Ritterheere, die die Juden belästigten, sondern die spontan gebildeten Volksheere, die sich fast ausschließlich aus Bauern und Ar- men zusammensetzten im Gefolge von Peter dem Eremiten*. * Anm. d. Übers.: Nach einer unbestätigten alten Geschichte soll der Wallfahrer Pierre l’Ermite (Peter der Eremit) dem Papst Urban II. einen Brief von Simeon, dem Patriarchen von Jerusalem überbracht haben, in welchem dieser ausführlich die Verfolgung der Christen beschreibt und den Papst um Hilfe bittet (1088). Daraufhin bestimmte der Papst den August 1096 als Aufbruchzeit für den ersten Kreuzzug. Da die Bauern und Armen, die sich als erste meldeten, nicht warten konnten, brach ein erster Heerhaufe von 12.000 Leuten unter Peter dem Eremiten im März in Frankreich auf. Diese ungeordneten Haufen waren es hauptsächlich, welche die Juden in Deutschland und Böhmen überfielen und dabei die Aufrufe der örtlichen Geistlichkeit und der Bürgerschaft unbeach- tet ließen (Durant, Kulturgeschichte der Menschheit, Bd. 6, 1985)., DER EINFLUSS DER GESCHICHTE In jeder Stadt widersetzten sich ihnen der Bischof oder der Bevollmächtigte des Kaisers und versuchten, oft vergeblich, die Juden zu beschützen.19 Die antijüdischen Aufstände in England, die den dritten Kreuzzug begleiteten, waren Teil einer Volksbewegung, die sich auch gegen königliche Beamte richtete, und einige Aufrührer wurden von RICHARD I. be- straft. Die Massaker an den Juden während des Ausbruchs der Pest erfolgten entgegen den ausdrücklichen Befehlen des Papstes, des Kaisers, der Bischöfe und der deutschen Für- sten. In den freien Städten, z.B. Straßburg, ging ihnen ge- wöhnlich eine lokale Umwälzung voraus, in welcher der oli- garchische Stadtrat, der die Juden beschützte, gestürzt und durch einen volkstümlicheren ersetzt wurde. Das große Mas- saker an den Juden in Spanien im Jahre 1391 fand unter einer schwächlichen Regentschaftsführung statt und zu ei- ner Zeit, als das Papsttum unfähig war, geschwächt durch das große Schisma zwischen konkurrierenden Päpsten, die Bettelmönche zu überwachen. Das vielleicht herausragendste Beispiel ist das große Massa- ker an den Juden während des Chmielnicki-Aufstandes* in der Ukraine (1648), der als eine Meuterei von Kosaken- Offizieren begann, aber sich bald zu einer ausgedehnten Volksbewegung der unterdrückten Leibeigenen wandelte. „Die Nichtprivilegierten, die Untertanen, die Ukrainer, Or- thodoxen (verfolgt von der polnischen katholischen Kirche) erhoben sich gegen ihre katholischen polnischen Adelsherren, besonders gegen die Gutsverwalter ihrer Adelsherren, die Geistlichkeit und Juden“.,20 Dieser typische Bauernaufstand gegen extreme Unterdrückung, ein Aufstand, der nicht nur von durch Rebellen verübte Massaker begleitet war, sondern * Anm. d. Übers.: Der ukrain. Kosakenführer Bohdan Michajlowisch Chmielnicki, 1593-1657, wurde bei seiner Erhebung gegen den polnischen Adel 1648 Urheber der blutigsten Judenverfolgungen (Blutbad zu Nemirow) der ostjüdischen Geschichte vor der Hitler-Zeit (Lexikon des Judentums, 1971). Chmielnicki gilt als ukrain. Nationalheld; war Kosakenhetman der Ukraine um 1595- 1657; sagte sich 1648 mit der Ukraine von Polen los, vereinbarte 1654 im Vertrag von Perejaslawl den Anschluß der Ukraine an Rußland. (Bertelsmann Neues Lexikon, 1996) 12 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION auch von noch abscheulicheren Greueltaten und „Gegen- Terror“ der Privatarmeen der polnischen Großgrundbesit- zer21, ist bis zum heutigen Tage im Bewußtseinszustand ost- europäischer Juden heraldisch eingebrannt geblieben – je- doch nicht als ein Bauernaufstand, eine Revolte der Unter- drückten, der im wahrsten Sinne Unglückseligsten dieser Erde, noch nicht einmal als Racheakt, von dem alle Bedien- steten des polnischen Adels heimgesucht wurden, sondern als einen gegen Juden als solche gerichteten Akt des grund- losen Antisemitismus. So werden tatsächlich die Stimmab- gabe der ukrainischen Delegation bei den Vereinten Natio- nen (UN) und, mehr allgemein, die sowjetische Politik hin- sichtlich des Mittleren Ostens in der israelischen Presse oft- mals als „ein Erbe von Chmielnicki“ oder seiner „Nachkom- men“ „erklärt“.

Moderner Antisemitismus

Der Charakter der antijüdischen Verfolgungen unterlag in der Neuzeit einer radikalen Veränderung. Mit der Entste- hung des modernen Staates, der Abschaffung der Leibeigen- schaft und der Erlangung minimaler individueller Rechte verschwindet notwendigerweise die spezielle sozial-volks- wirtschaftliche Funktion der Juden. Mit ihr zusammen er- losch damit auch die Macht der jüdischen Gemeinde über ihre Mitglieder; in zunehmender Anzahl gewinnen einzelne Juden die Freiheit, Mitglied der allgemeinen Gesellschaft ihrer Länder zu werden. Natürlicherweise löste dieser Über- gang eine heftige Reaktion einerseits der Juden (besonders ihrer Rabbiner) aus und andererseits bei jenen Elementen der europäischen Gesellschaft, die die offene Gesellschaft bekämpften und für die der gesamte Prozeß der Liberalisie- rung des Individuums ein Fluch war. Der moderne Antisemitismus erscheint erstmals in Frank- reich und Deutschland, dann etwa nach 1870 in Rußland. Im Gegensatz zu der unter jüdischen Sozialisten herrschenden Meinung glaube ich nicht, daß seine Entstehung und nach- folgende Entwicklung bis zur gegenwärtigen Zeit dem „Kapi-, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE talismus“ zugeschrieben werden kann. Im Gegenteil, nach meiner Meinung waren die erfolgreichen Kapitalisten in allen Ländern im ganzen bemerkenswert frei von Antisemi- tismus, und die Länder, in denen der Kapitalismus zuerst und in seiner umfassendsten Form eingeführt wurde – wie England und Belgien, – waren auch jene, in denen der Anti- semitismus weit weniger verbreitet war als anderswo.22 Der frühe moderne Antisemitismus (1880-1900) war eine Reaktion irregeführter Menschen, die die moderne Gesell- schaft mit all ihren Aspekten, den guten als auch den schlechten, zutiefst haßten und leidenschaftliche Anhänger der Verschwörungstheorie der Geschichte waren. Die Juden wurden wegen des Zusammenbruchs der alten Gesellschaft (die sich die antisemitische Nostalgie sogar noch geschlosse- ner und geordneter vorstellte als sie in Wirklichkeit jemals gewesen war) und für alles, was in der Neuzeit beunruhi- gend war, in die Rolle des Sündenbocks gedrängt. Aber von Anfang an waren die Antisemiten mit einem für sie schwie- rigen Problem konfrontiert: Wie ist dieser Sündenbock zu definieren, insbesondere in leicht verständlichen Worten? Welches ist der vermutete gemeinsame Nenner des jüdi- schen Musikers, Bankiers, Handwerkers und Bettlers – be- sonders nachdem die gemeinsamen religiösen Merkmale weitestgehend, wenigstens äußerlich, verschwunden waren? Die „Theorie“ von der jüdischen Rasse war die moderne anti- semitische Antwort auf dieses Problem. Demgegenüber war die alte christliche und noch mehr die moslemische Opposition gegen das klassische Judentum be- merkenswert frei von Rassismus. Zweifellos war dies in ei- nem gewissen Ausmaß eine Folgerichtigkeit des universellen Charakters von Christentum und Islam ebenso wie ihrer ursprünglichen Verbindung zum Judentum (St. THOMAS MORE tadelte wiederholt eine Frau, die widersprach als er ihr sagte, daß die Jungfrau Maria jüdisch war). Aber meiner Meinung nach war ein bei weitem wesentlicherer Grund die soziale Rolle der Juden als ein integraler Bestandteil der oberen Gesellschaftsschicht. In vielen Ländern wurden die Juden wie potentielle Adlige behandelt und konnten nach 12 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION einem Glaubensübertritt unverzüglich in den höchsten Adelsstand einheiraten. Der Adel des 15. Jahrhunderts in Kastilien und Aragon oder die Aristokratie des 18. Jahrhun- derts in Polen – um zwei Fälle herauszugreifen, wo die Ein- heirat konvertierter Juden weit verbreitet war – würde wahrscheinlich kaum spanische Bauern oder polnische Leib- eigene geheiratet haben, ungeachtet der vielen Lobpreisun- gen des Evangeliums für die Armen. Es ist der moderne Mythos von der jüdischen „Rasse“ – von äußerlich verdeckten aber vermeintlich dominanten Charak- tereigenschaften von „den Juden“, unabhängig von der Ge- schichte, der sozialen Funktion, von irgend etwas –, der das formale und wichtigste Unterscheidungsmerkmal des mo- dernen Antisemitismus darstellt. Dies wurde von einigen Kirchenführern tatsächlich bereits wahrgenommen, als der moderne Antisemitismus erstmals als eine Bewegung mit ein wenig „Stärke“ auftrat. Einige französische katholische Füh- rer widersetzten sich z.B. der neuen rassistischen Doktrin, wie sie von E. DRUMONT vertreten wurde, dem ersten popu- lären modernen französischen Antisemiten und Autor des allgemein bekannten Buches „La France Juìve“ [„Das jüdi- sche Frankreich“] (1886), das eine weite Verbreitung erlang- te.23 Die frühen modernen deutschen Antisemiten stießen auf ähnlichen Widerstand. Es muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß einige bedeutende Gruppen europäischer Konservativer vollständig vorbereitet waren, um mit dem modernen Antisemitismus herumzuspielen und ihn zum eigenen Nutzen zu verwenden, und die Antisemiten waren gleichfalls bereit, die Konserva- tiven zu nutzen, wenn sich die Gelegenheit von selbst bot, obwohl es am Ende wenig Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Parteien gab. „Die am gröbsten behandelten Leidtragenden [durch die Feder des obengenannten Drumont] waren nicht die Rothschilds, sondern die großen Adligen, die sie hofierten. Drumont verschonte auch nicht die königliche Familie … oder die Bischöfe, oder in diesem Falle den Papst.“ 24, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE Nichtsdestoweniger waren viele der französischen hohen Adligen, der Bischöfe und der Konservativen im allgemeinen recht glücklich, DRUMONT und den Antisemitismus während der DREYFUS-Affäre zu benutzen, um zu versuchen die repu- blikanische Regierung zu stürzen. Diese Art opportunistischer Allianz wiederholte sich viele Male in verschiedenen europäischen Ländern bis zur Nie- derlage des Nationalsozialismus. Der Haß der Konservativen gegen Radikalismus und besonders gegen alle Erscheinungs- formen des Sozialismus machte viele von ihnen blind gegen- über der wahren Natur ihrer politischen Bettgenossen. In vielen Fällen waren sie buchstäblich dazu bereit, sich selbst mit dem Teufel zu verbünden und vergaßen dabei das alte Sprichwort, daß man einen sehr langen Löffel benötigt, um mit ihm zu speisen. Die Wirksamkeit des modernen Antisemitismus und seiner Allianz mit dem Konservatismus war von verschiedenen Umständen abhängig. Erstens konnte die ältere Tradition der christlichen religiö- sen Gegnerschaft zu Juden, die in vielen (doch keineswegs allen) europäischen Ländern vorhanden war, falls von der Geistlichkeit unterstützt oder zumindest unwidersprochen hingenommen, für die antisemitische Woge der Volksgunst nutzbar gemacht werden. Die tatsächliche Reaktion [engl.: response] der Geistlichkeit wurde in jedem einzelnen Land größtenteils durch die besonderen örtlichen, historischen und sozialen Umstände entschieden. In der katholischen Kirche war die Tendenz zu einer opportunistischen Allianz mit dem Antisemitismus stark in Frankreich, aber nicht in Italien; in Polen und der Slowakei, aber nicht in Böhmen. Die griechisch-orthodoxe Kirche hatte in Rumänien offen- kundig antisemitische Tendenzen, vertrat aber in Bulgarien die entgegengesetzte Richtung. Unter den protestantischen Kirchen war die deutsche in dieser Streitfrage tief gespalten; andere (so wie die lettische und estnische) neigten dazu, an- tisemitisch zu sein, aber viele ( z.B. die niederländische, 12 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION schweizerische und skandinavische) waren unter den ersten, die den Antisemitismus mißbilligten. Zweitens war der Antisemitismus weitgehend eine typische Äußerung von Fremdenfeindlichkeit, der Wunsch nach einer „reinen“ homogenen Gesellschaft. Aber in vielen europäi- schen Ländern war der Jude um 1900 (und tatsächlich noch bis vor sehr kurzer Zeit) im Grunde genommen der einzige „Fremde“. Dies traf besonders für Deutschland zu. Im Prin- zip haßten und verachteten die deutschen Rassisten des frü- hen 20. Jahrhunderts Schwarze ebensosehr wie Juden; aber es gab damals keine Schwarzen in Deutschland. Haß kann natürlich viel leichter auf Anwesende als auf Abwesende gerichtet werden, besonders unter den Verhältnissen der [damaligen] Zeit, als es Massenreisen und Tourismus noch nicht gab und die meisten Europäer ihr eigenes Land in Friedenszeiten nie verließen. Drittens waren die Erfolge der zaghaften Allianz zwischen Konservatismus und Antisemitismus umgekehrt proportio- nal zu der Stärke und den Fähigkeiten ihrer Gegner. Und die folgerichtigen und wirklichen Gegner des Antisemitismus in Europa sind die politischen Kräfte des Liberalismus und des Sozialismus – historisch gesehen dieselben Kräfte, die auf verschiedenen Wegen die Tradition fortsetzen, die durch den Niederländischen Befreiungskrieg (1568-1648), die Eng- lische Revolution und die große Französische Revolution symbolisiert wird. Das wichtigste Erkennungszeichen auf dem europäischen Kontinent ist die Einstellung gegenüber der großen Französischen Revolution – grob gesagt: Diejeni- gen, die dafür sind, sind gegen den Antisemitismus; diejeni- gen, die sie mit Bedauern akzeptieren, würden mindestens empfänglich für eine Allianz mit den Antisemiten sein; und jene, die sie hassen und ihre Errungenschaften gerne auslö- schen würden, sind das Milieu, aus dem heraus sich Antise- mitismus entwickelt. Dessen ungeachtet muß eine scharfe Unterscheidung zwi- schen Konservativen und sogar Reaktionären auf der einen Seite und tatsächlichen Rassisten und Antisemiten auf der, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE anderen Seite getroffen werden. Der moderne Rassismus (von dem der Antisemitismus ein Teil ist), obgleich durch bestimmte soziale Bedingungen verursacht, wird, wenn er an Einfluß gewinnt, zu einer Macht, die meiner Ansicht nach nur als dämonisch beschrieben werden kann. Nach [welchen Regeln] er [der Rassismus] an Stärke gewinnt und für seine Fortdauer, so glaube ich, trotzt er der Analyse durch jedwede gegenwärtig verständliche Sozialtheorie oder Sammlung rein sozialer Beobachtungsmuster – und insbesondere jeder ir- gendwie bekannten Theorie, die Einflüsse zitiert, seien sie Klassen- oder Staatsinteressen oder andere als rein psycho- logische „Interessen“ irgendeiner Wesenheit [engl.: entity], die nach dem gegenwärtigen Stand des menschlichen Wis- sens definiert werden können. Aber damit meine ich nicht, daß solche Kräfte im Prinzip nicht erkennbar seien; sondern im Gegenteil, man muß hoffen, daß man sie mit dem Wach- sen des menschlichen Wissens zu verstehen lernen wird. Doch gegenwärtig werden sie [solche Kräfte] weder verstan- den noch ist man fähig, sie vernünftig vorherzusagen — und dies gilt für alle Arten von Rassismus in allen Gesellschaf- ten.25 Es ist eine Tatsache, daß keine politische Persönlich- keit oder Gruppe irgendeiner politischen Couleur in irgend- einem Lande auch nur verschwommen die Schrecken des Nationalsozialismus vorausgesagt hatte. Nur Künstler und Dichter, so wie HEINE, waren in der Lage, einen flüchtigen Blick darauf zu werfen, was die Zukunft bereithalten würde. Wir wissen nicht, wie sie dies tatsächlich geleistet haben, und im übrigen waren viele ihrer Vorahnungen falsch.

Die zionistische Antwort

Geschichtlich betrachtet ist der Zionismus beides: Er ist so- wohl eine Reaktion auf den Antisemitismus als auch eine konservative Allianz mit ihm – obgleich sich die Zionisten, wie andere europäische Konservative, nicht vollständig dar- über im klaren waren, mit wem sie sich verbündeten. Bis zum Aufkommen des modernen Antisemitismus war die Stimmung der europäischen Judenschaft optimistisch, in der 12 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Tat übertrieben optimistisch. Dies zeigte sich nicht nur durch die sehr große Anzahl Juden besonders in den westli- chen Ländern, die sich einfach, offensichtlich ohne großes Bedauern, in der ersten oder zweiten Generation – nachdem dies möglich wurde – vor dem klassischen Judentum drück- ten, sondern auch in der Bildung einer starken kulturellen Bewegung, der „Jüdischen Aufklärung“ (Haskala*), die in Deutschland und Österreich um 1780 herum begann, dann nach Osteuropa hineingetragen wurde und gegen 1850-1870 von sich selbst vermutete, eine beträchtliche soziale Kraft zu sein. Ich kann hier nicht in eine Diskussion über die kultu- rellen Errungenschaften der Bewegung eintreten, so wie die Wiederbelebung der hebräischen Literatur und der Schaf- fung einer wunderbaren Literatur in Jiddisch. Es ist jedoch wichtig anzumerken, daß die Bewegung als Ganzes, trotz vieler interner Differenzen, durch zwei allgemeine Glau- bensanschauungen gekennzeichnet war: Einer Überzeugung von der Notwendigkeit einer fundamentalen Kritik an der jüdischen Gesellschaft und besonders an der sozialen Rolle der jüdischen Religion in ihrer klassischen Form und die nahezu messianische Hoffnung auf den Sieg der „Kräfte des Guten“ in den europäischen Gesellschaften. Die letzteren Kräfte wurden naturgemäß nach einem einzigen Kriterium, dem ihrer Unterstützung der jüdischen Emanzipation, defi- niert. Das Anwachsen des Antisemitismus zu einer Volksbewegung und die vielen Verbindungen der konservativen Kräfte zu ihm versetzten der „Jüdischen Aufklärung“ einen harten Schlag. Der Schlag war besonders verheerend, weil im aktu- * Anm. d. Übers.: Die Haskala – Aufklärung, geistige Bewegung im ost- u. mitteleuropäischen Judentum seit der Mitte des 18. Jahrhunderts (Streben nach abendländischer Bildung und weltlichem Wissen; Betonung des Freiheitlichen und Rationalen gegenüber der Strenge der Religionsgesetze; Bevorzugung der Bibel vor dem Talmud). Aus ihr gingen die neuhebr. Literatur, die Wissenschaft des Judentums und die pädagogische u. religiöse Reform hervor. Die Aufklärungszeit beginnt mit Moses Mendelssohn u. führte zur Emanzipation. (Lexikon des Judentums, 1971), DER EINFLUSS DER GESCHICHTE ellen Fall die Zunahme des Antisemitismus gerade zu einem Zeitpunkt geschah, nachdem die Juden in einigen europäi- schen Ländern emanzipiert wurden und noch bevor sie in anderen befreit wurden. Die Juden Österreichs erhielten erst im Jahre 1867 vollständig gleiche Rechte. In Deutschland emanzipierten einige unabhängige Staaten ihre Juden ziem- lich früh, andere wiederum gar nicht; denkwürdigerweise war Preußen in dieser Angelegenheit widerwillig und träge*; die endgültige Emanzipierung der Juden im Deutschen Reich als ganzes wurde erst 1871 durch Bismarck gewährt. Im Osmanischen Reich waren die Juden bis 1909 Gegen- stand offizieller Diskriminierung und in Rußland (ebenso wie in Rumänien) bis zum Jahre 1917. Somit begann der moder- ne Antisemitismus innerhalb eines Jahrzehnts der Emanzi- pation der Juden in Mitteleuropa und lange vor der Emanzi- pation der größten jüdischen Gemeinschaft jener Zeit, derje- nigen des zaristischen Reiches. Es ist für die Zionisten daher einfach, die Hälfte der relevan- ten Tatsachen zu ignorieren, zu den Ansichten des klassi- schen Judentums zur Rassentrennung zurückzukehren und zu behaupten, daß, weil alle Nichtjuden stets alle Juden has- sen und verfolgen, die einzige Lösung sein würde, alle Juden körperlich wegzubringen und sie in Palästina oder Uganda oder wo auch immer zu konzentrieren.26 Einige frühe jüdi- sche Kritiker des Zionismus beeilten sich darauf aufmerk- sam zu machen, daß, wenn man eine fortwährende und un- geschichtliche Unverträglichkeit zwischen Juden und Nicht- * Anmerkung des Übersetzers: Dies mag vielleicht damit zusammen- hängen, daß der preußische König Friedrich der Große in Königsberg im Jahre 1711 das Buch des Prof. für orientalische Sprachen an der Universität Heidelberg, J.A. Eisenmenger, „Entdecktes Judentum – Gründlicher und Wahrhafter Bericht“ nachdrucken ließ. Dieses Buch enthält u.a. folgende Kapitel: Cap. VII. Wie die Juden das Neue Testament, die Evangelisten und Aposteln verachten; Cap. VIII. Von der Juden Talmud; Cap. X. Wie die Juden die Christliche Religion und deren Geistliche nennen; Cap. XIV. Wie sich die Juden rühmen und über alle Völcker erheben; Cap. XV. Von der Juden Haß gegen alle Völcker und ihrer Heucheley; Cap. XVI. Wie die Christen von den Juden genennet werden; Cap. XIIX. Wieviel Völcker in der Welt seyn und wer sie regiere; u.a. 13 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Juden annimmt – eine Vermutung, die sowohl von Zionisten als auch Antisemiten geteilt wird! – dann würde die Konzen- tration der Juden an einer einzigen Stätte ganz einfach den Haß der Nichtjuden in diesem Teil der Welt gegen sie auf- bringen (was tatsächlich auch geschehen sollte, jedoch aus sehr verschiedenen Gründen). Aber soweit mir bekannt ist, machte dieses logische Argument nicht den geringsten Ein- druck, ebenso wie all die logischen und tatsächlichen Argu- mente gegen den Mythos von der „jüdischen Rasse“ den An- tisemiten völlig gleichgültig sind. Tatsächlich haben zwischen Zionisten und Antisemiten im- mer enge Beziehungen bestanden: Ebenso wie einige der europäischen Konservativen dachten auch die Zionisten, sie könnten den „dämonischen“ Charakter des Antisemitismus ignorieren und die Antisemiten für ihre eigenen Ziele benut- zen. Viele Beispiele solcher Allianzen sind gut bekannt. HERZL verbündete sich mit dem berüchtigten Grafen VON PLEHVE, dem antisemitischen Minister des Zaren NIKOLAUS II.27; JABOTINSKY schloß einen Pakt mit PETLYURA, dem re- aktionären ukrainischem Führer, dessen Truppen in den Jahren 1918-1921 ungefähr hunderttausend Juden* massa- * Anmerkung des Übersetzers: Damals sprach der ehemalige Gouverneur des States New York, Martin H. Glynn in der Zeitschrift „The American Hebrew“ vom 31. Okt. 1919 im Aufsatz „The Crucifixion of Jews Must Stop!“ von einem „Holocaust“ an „6 Millionen jüdischen Männern und Frauen jenseits des Ozeans“ und „800.000 jüdische Babies schreien nach Brot“. „… Die Juden in Rumänien, Polen und in der Ukraine werden zu Sündenböcken für den Krieg gemacht. Seit der Waffenstillstand unter- zeichnet ist, wurden Tausende von Juden in der Ukraine als lebende Opfer einer diabolischen Gier und fanatischen Leidenschaft preisgegeben, – ihre Kehlen durchschnitten, ihre Körper von Attentäterbanden und wilder Soldateska Glied für Glied auseinandergerissen … Von wut- entbrannter Absicht bis hin zur wilden Sucht erstreckte sich dieses Töten von Juden, bis innerhalb von vier Tagen die Straßen von Proskunoff mit Blut rot angelaufen waren wie die Abflußrinnen eines Schlachthauses. ... So wie es in Proskunoff geschehen ist, so ist es auch an hundert anderen Orten gewesen. …“ (Historische Tatsachen Nr. l, 1994), DER EINFLUSS DER GESCHICHTE krierten; BEN-GURIONs Verbündete unter den französischen extremen Rechten während des Algerienkrieges schlossen einige berüchtigte Antisemiten ein, die jedoch vorsichtig er- klärten, daß sie nur gegen die Juden in Frankreich seien, aber nicht in Israel. Das vielleicht schockierendste Beispiel dieser Art ist die Freude, mit der einige zionistische Führer in Deutschland HITLERs Aufstieg zur Macht begrüßten, weil sie seinen Glauben an das Primat der „Rasse“ und seine Gegnerschaft zur Assimilierung von Juden unter „Ariern“ teilten. Sie be- glückwünschten HITLER zu seinem Triumph über den ge- meinsamen Feind – die Kräfte des Liberalismus. Dr. JOACHIM PRINZ, ein zionistischer Rabbiner, der hernach in die USA emigrierte, wo er zum Vizepräsidenten des Jüdi- schen Weltkongresses aufstieg und zu einer führenden Leuchte in der Zionistischen Weltorganisation wurde (ebenso zu einem großen Freund GOLDA MEIRs), veröffentlichte 1934 ein besonderes Buch mit dem Titel „Wir Juden“, um HITLERs sogenannte „deutsche Revolution“ und die Niederlage des Liberalismus zu feiern: „Was die deutsche Revolution für die deutsche Nation bedeutet, wird letztlich nur demjenigen offenbar, der sie selbst getragen und gestaltet hat. Was sie für uns bedeutet, muß hier gesagt werden: Die Chance des Liberalismus ist verspielt. Die einzige politische Lebensform, die die Assimilation des Juden- tums zu fördern gewillt war, ist untergegangen. ...“28 Der Sieg des Nationalsozialismus läßt die Assimilation und Mischehen als Option für Juden nicht mehr zu. „Wir sind darüber nicht unglücklich“, sagte Dr. PRINZ. In der Tatsache, daß Juden gezwungen werden, sich selbst als Juden zu iden- tifizieren, sieht er „die Erfüllung unserer Wünsche“. Und weiter: „… Wir wünschen an die Stelle der Assimilation das Neue gesetzt: das Bekenntnis zur jüdischen Nation und zur jüdischen Rasse. Ein Staat, der aufgebaut ist 13 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION auf dem Prinzip der Reinheit von Nation und Rasse, kann nur vor dem Juden Achtung und Respekt haben, der sich zur eigenen Art bekennt. Nirgendwo kann er in diesem Bekenntnis mangelnde Loyalität dem Staate gegenüber erblicken. Er kann keine anderen Juden wollen, als die Juden des klaren Bekenntnisses zum eigenen Volk. Er kann keine liebedienerischen, krie- cherischen Juden wollen. Er muß von uns das Be- kenntnis zur eigenen Art fordern. Denn nur jemand, der eigene Art und eigenes Blut achtet, wird den Re- spekt vor dem nationalen Wollen anderer Nationen haben können.“29 Das ganze Buch ist voll von ähnlich groben Schmeicheleien der nationalsozialistischen Ideologie, Freude über die Nie- derlage des Liberalismus und besonders der Ideen der Fran- zösischen Revolution30 und großen Erwartungen, daß in der kongenialen Atmosphäre von dem Mythos der arischen Ras- se, der Zionismus und der Mythos von der jüdischen Rasse ebenfalls gedeihen werden. Natürlich war sich Dr. PRINZ, wie viele andere frühe Sympa- thisanten und Verbündete des Nationalsozialismus, nicht darüber im klaren, wohin diese Bewegung (und moderner Antisemitismus im allgemeinen) führen würde. Gleichfalls erkennen viele Menschen gegenwärtig nicht, wohin der Zio- nismus – die Bewegung, in der Dr. PRINZ eine geehrte Per- sönlichkeit war – strebt: Zu einer Kombination des ganzen alten Hasses des klassischen Judentums gegenüber den Nichtjuden und zu einem kritiklosen und ungeschichtlichen Gebrauch all der Verfolgungen der Juden im Verlauf der Geschichte, um die zionistische Verfolgung der Palästinenser zu rechtfertigen. Wie wahnsinnig es auch klingen mag, es ist dennoch bei nä- herer Prüfung der wahren Motive der Zionisten unmißver- ständlich, daß eine der am tiefsten sitzenden ideologischen Quellen der beharrlichen Feindseligkeit des zionistischen Establishments gegenüber den Palästinensern die Tatsache ist, daß diese in der Meinung vieler osteuropäischer Juden, DER EINFLUSS DER GESCHICHTE mit den aufständischen osteuropäischen Bauern gleichge- setzt werden, die am Chmielnicki-Aufstand und an ähnli- chen Revolten teilnahmen – und letztere werden wiederum in Folge [engl.: in turn] in ungeschichtlicher Weise mit dem modernen Antisemitismus und Nazismus gleichgesetzt.

Auseinandersetzung mit

der Vergangenheit Alle Juden, die sich wirklich aus der Tyrannei der totalitären jüdischen Vergangenheit befreien möchten, müssen sich der Frage nach ihrer Haltung gegenüber den populären antijüdi- schen Manifestationen der Vergangenheit stellen, besonders jenen, die mit den Aufständen leibeigener Bauern verbunden sind. Andererseits berufen sich auch all die Apologeten der jüdischen Religion und der jüdischen Rassentrennungspoli- tik und des Chauvinismus – sowohl ultimativ als auch in laufenden Erörterungen – auf dieselbe Frage. Die unbestrit- tene Tatsache, daß die bäuerlichen Revolutionäre schreckli- che Untaten an den Juden begangen haben (ebenso wie ge- gen ihre anderen Unterdrücker), wird von diesen Apologeten in genau derselben Weise als „Argument“ verwendet wie der palästinensische Terror dazu benutzt wird, die den Palästi- nensern verweigerte Gerechtigkeit zu rechtfertigen. Unsere eigene Antwort muß eine allgemeingültige sein, die im Prinzip auf alle vergleichbaren Fälle anwendbar ist. Und für einen Juden, der wahrhaftig die Befreiung vom jüdischen Partikularismus und Rassismus und von der erstarrten Seite der jüdischen Religion sucht, fällt eine solche Antwort nicht sehr schwer. Letzten Endes sind Aufstände unterdrückter Bauern gegen ihre Herren und die Verwalter ihrer Herren in der menschli- chen Geschichte allgemein üblich. Eine Generation nach dem Chmielnicki-Aufstand der ukrainischen Bauern erhoben sich die russischen Bauern unter der Führung von STENKA RAZIN und, wieder hundert Jahre später, in der Pugatschow- 13 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Rebellion*. In Deutschland gab es den Bauernkrieg von 1525, in Frankreich die Jacquerie** 1357-1358 und viele andere Volksaufstände, abgesehen von den vielen Sklavenerhebun- gen in allen Teilen der Welt. Sie alle – und ich habe absicht- lich gesucht, um Beispiele zu erwähnen, in denen Juden nicht die Zielscheibe waren – wurden von schrecklichen Massakern begleitet, ebenso wie die große Französische Re- volution mit entsetzlichen Terrorakten verbunden war. Wel- ches ist nun die Ansicht der wahrhaft fortschrittlich denken- den Menschen – und mittlerweile der meisten gewöhnlichen, anständigen, gebildeten Menschen, seien es Russen, Deut- sche oder Franzosen – über diese Aufstände? Verurteilen anständige englische Historiker, selbst wenn sie die Massa- ker an Engländern durch aufständische irische Bauern bei ihrer Erhebung gegen die Versklavung erwähnen, letztere als „anti-englische Rassisten“? Welche Haltung vertreten fortschrittliche französische Historiker gegenüber der großen Sklavenrevolution in Santo Domingo, wo viele französische Frauen und Kinder abgeschlachtet wurden? Die Frage zu stellen, heißt sie zu beantworten. Verlangt man jedoch die Beantwortung einer ähnlichen Frage von „fortschrittlichen“ oder sogar „sozialistischen“ jüdischen Kreisen, so wird man eine völlig andere Antwort erhalten; hier wird ein versklav- ter Bauer in ein rassistisches Monster verwandelt, falls Ju- den von seinem Zustand der Sklaverei und Ausbeutung pro- fitierten. Der Grundsatz, daß diejenigen, die aus der Geschichte nichts lernen, dazu verdammt sind, sie zu wiederholen, trifft auf jene Juden zu, die sich weigern, mit der jüdischen Vergan- genheit ins Reine zu kommen: Sie sind Sklaven ihrer Ge- schichte geworden und wiederholen sie in der zionistischen * Anm. d. Übers.: Der Kosakenjührer Jemeljan Iwanowitsch Pugat- schow, um 1742 bis 1775 (in Moskau hingerichtet), brachte als Führer des Kosaken- u. Bauernaufstandes 1773-1775 fast ganz Südrußland unter seine Herrschaft. ** „Jacquerie“ von französisch: Jacque Bonhomme, einem Spottna- men für „Bauer“; es bezeichnet den erfolglosen Bauernaufstand in Frankreich., DER EINFLUSS DER GESCHICHTE und israelischen Politik. Der Staat Israel erfüllt gegenwärtig eine Funktion gegenüber den unterdrückten Bauern vieler Länder – nicht nur im Mittleren Osten, sondern weit dar- über hinaus –, die derjenigen der Juden vor 1795 in Polen nicht unähnlich ist: nämlich jene des Verwalters für den imperialistischen Unterdrücker. Es ist bezeichnend und lehrreich, daß Israels größere Rolle bei der Bewaffnung der Truppen des Somoza-Regimes in Nicaragua und derjenigen von Guatemala, El Salvador, Chile und anderen kein Anlaß für eine breite öffentliche Diskussion war, weder in Israel noch unter organisierten jüdischen Gemeinden in der Diaspora. Sogar die sehr eingeschränkte Frage nach der Zweckmäßigkeit – ob der Verkauf von Waffen an einen dik- tatorischen Schlächter von Freiheitskämpfern und Bauern im langfristigen Interesse Israel liege – wird selten gestellt. Sogar noch bezeichnender ist der große Anteil an diesem Geschäft, der von religiösen Juden getätigt wird und das völlige Stillschweigen ihrer Rabbiner (die sehr vernehmbar sind, wenn sie Haß gegen Araber schüren). Es scheint, daß Israel und der Zionismus eine Rückkehr in die Rolle des klassischen Judentums vollziehen – deutlich erkennbar, in weltweitem Maßstab und unter gefährlicheren Umständen. Die einzig mögliche Antwort auf all dies, vor allem von Ju- den, muß diejenige sein, die von allen redlichen Anwälten der Freiheit und Humanität in allen Ländern, allen Völkern und allen großen Philosophien gegeben wurde – so begrenzt sie auch manchmal sein mag, weil die menschliche Fähigkeit selbst begrenzt ist. Wir müssen gegen die jüdische Vergan- genheit und jene Aspekte der Gegenwart Stellung beziehen, die auf den Lügen über diese Vergangenheit basieren und diese zugleich vergöttern [engl.: worshipping]. Die Voraus- setzungen dafür sind erstens: absolute Ehrlichkeit über die Tatsachen und zweitens: der Glaube (der wann immer mög- lich zum Handeln führt) an allgemeingültige, menschliche Prinzipien der Morallehre und Politik. Der viel von VOLTAIRE bewunderte alte chinesische Weise MENCIUS (4. Jahrhundert v.d.Ztr.) schrieb einmal: 13 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION „Deshalb sage ich, daß alle Menschen ein Gefühl des Mitleids kennen: Nehmen wir einen Menschen, der plötzlich ein Kind bemerkt, das im Begriff ist, in einen Brunnen zu fallen. Unveränderlich wird er ein Gefühl der Angst und des Mitleids empfinden. Und dies nicht etwa für den Zweck, sich die Gunst der Eltern des Kindes zu gewinnen, oder um den Beifall seiner Nach- barn und Freunde zu suchen, oder aus Furcht vor Schuldvorwürfen, sollte er bei der Rettung des Kindes versagen. Hieraus ersehen wir, daß kein Mensch ohne ein Gefühl für Mitleid, oder Schamgefühl, oder Höf- lichkeitsgefühl, oder Gefühl für Recht und Unrecht ist. Das Gefühl des Mitleids ist der Ursprung der Mensch- lichkeit, das Schamgefühl der Beginn der Redlichkeit, das Höflichkeitsgefühl der Anfang der Schicklichkeit, und der Sinn für Recht und Unrecht ist der Ursprung der Weisheit. Jeder Mensch trägt in sich selbst diese vier Ursprünge, ebenso wie er vier Gliedmaßen besitzt. Da jeder diese vier Ursprünge in sich trägt, zerstört derjenige Mensch, der sich selbst für unfähig hält sie anzuwenden, sich selbst.“ Wir haben oben gesehen und werden im nächsten Kapitel ausführlicher zeigen, wie weit hiervon entfernt die Vorschrif- ten sind, mit denen die jüdische Religion in ihrer klassischen und talmudischen Form Verstand und Herzen vergiftet. Der Weg zu einer wirklichen Umkehr im Judentum – es menschlich zu machen, den Juden zu erlauben, ihre eigene Vergangenheit zu verstehen, sie hierbei aus ihrer Tyrannei heraus umzuerziehen – führt nur über eine unerbittliche Kritik der jüdischen Religion. Ohne Furcht oder Beschöni- gungen müssen wir uns gegen Dinge aussprechen, die zu unserer eigenen Vergangenheit gehören, wie VOLTAIRE es gegen die seinen tat: Écrasez l'infâme!, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN

Kapitel 5 Die Gesetze geg en Nichtjuden

Wie schon in Kapitel 3 erläutert wurde, basiert die „Halak- hah“ [Halacha], das ist das gesetzliche System des klassi- schen Judentums – wie es im wesentlichen von allen Juden vom 9. Jahrhundert bis zum Ende des 18. Jahrhundert an- gewandt und noch bis zum heutigen Tag in der Form des orthodoxen Judentums beibehalten wurde – hauptsächlich auf dem babylonischen Talmud. Wegen der unhandlichen Kompliziertheit der im Talmud aufgezeichneten gesetzlichen Dispute wurden jedoch leichter zu handhabende Kodifizie- rungen des talmudischen Gesetzes erforderlich und wurden auch tatsächlich von aufeinanderfolgenden Generationen von rabbinischen Gelehrten zusammengetragen. Einige von die- sen haben große Autorität erlangt und finden allgemeine Anwendung. Aus diesen Gründen werden wir uns größten- teils lieber auf solche Sammelwerke (und ihre angesehensten Kommentare) beziehen als unmittelbar auf den Talmud selbst. Es ist jedoch richtig anzunehmen, daß die erwähnten Sammelwerke die Auffassungen des talmudischen Textes und der Zusätze, die von späteren Gelehrten auf der Grund- lage jener Auffassungen gemacht wurden, gewissenhaft wie- dergeben. Der früheste Kodex des talmudischen Gesetzes, der noch immer von vorrangiger Bedeutung ist, ist die von MOSES MAIMONIDES Ende des 12. Jahrhunderts geschriebene „Mischneh Torah“ [Mischna Thora]*. Der maßgeblichste Ko- dex, weithin bis auf den heutigen Tag als Handbuch genutzt, ist der von Rabbiner YOSEF KARO im späten 16. Jahrundert zusammengestellte „Schulhan 'Arukh“ [Schulchan Aruch], einem volkstümlichen Auszug aus seinem eigenen, viel um- fangreicheren Werk „Beyt Yosef, das für den fortgeschritte- * Anmerkung des Übersetzers: Die „Mischna Thora“ [hebr.: Wieder- holung des Gesetzes], auch „Jad ha-Chasaka“ [starke Hand] genannt, war eine Neuordnung und Neufassung des religionsgesetzlichen Stof- fes nach sachlichen Prinzipien. 13 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION nen Gelehrten gedacht war. Der Schulchan Aruch ist beson- ders häufig kommentiert worden. Zusätzlich zu den klassi- schen Kommentaren aus dem 17. Jahrhundert gibt es einen bedeutenden aus dem 20. Jahrhundert, nämlich die „Misch- nah Berurah“. Und schließlich ist die „Talmudic Encyclope- dia“ – ein modernes Sammelwerk, das in Israel seit den 1950er Jahren veröffentlicht und von den bedeutendsten orthodoxen rabbinischen Gelehrten des Landes herausgege- ben wird – ein guter Leitfaden der gesamten talmudischen Literatur.

Mord und Völkermord

Der jüdischen Religion entsprechend ist die Ermordung eines Juden ein Kapitalverbrechen und eine der drei abscheulich- sten Sünden (die beiden anderen sind Götzendienst und Ehebruch). Von jüdischen religiösen Gerichten und weltli- chen Behörden wird verlangt, jeden zu bestrafen – sogar über die Grenzen der üblichen Rechtsprechung hinaus –, der an der Ermordung eines Juden schuldig ist. Ein Jude, der indirekt den Tod eines anderen Juden verursacht, ist jedoch nach talmudischem Gesetz nur insoweit schuldig, als er eine Sünde gegen „die Gesetze des Himmels“ begangen hat, die eher von Gott als von Menschen zu bestrafen ist. Wenn das Opfer ein Nichtjude ist, ist die Sachlage eine völlig andere. Ein Jude, der einen Nichtjuden ermordet, ist nur schuldig, eine Sünde gegen „die Gesetze des Himmels“ began- gen zu haben, was aber von einem Gericht nicht bestrafbar ist.1 Den Tod eines Nichtjuden indirekt zu verursachen, ist nicht einmal eine Sünde.2 Dementsprechend erklärt einer der beiden bedeutendsten Kommentatoren des Schulchan Aruch, daß man gegenüber einem vorbeikommenden Nichtjuden „nicht seine Hand erheben darf, um ihm zu schaden, ihm aber indirekt Schaden zufügen darf, indem man z.B. eine Leiter entfernt, nachdem er [der Nichtjude] in, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN eine (Fels)spalte gefallen war … es gibt hier kein Verbot, weil es nicht direkt getan wurde.“3 Er weist jedoch darauf hin, daß eine Handlung, die indirekt zum Tode eines Nichtjuden führt, verboten ist, falls sie die Ausbreitung von Feindseligkeiten gegenüber Juden verursa- chen könnte.4 Ein nichtjüdischer Mörder, der sich zufällig unter jüdischer Gerichtsbarkeit befindet, muß hingerichtet werden, ganz gleich, ob das Opfer jüdisch war oder nicht. Falls das Opfer jedoch ein Nichtjude war und der Mörder zum Judentum übertritt, wird er nicht bestraft.5 Alles dies hat direkte und praktische Bedeutung für die Ge- gebenheiten des Staates Israel. Obwohl die staatlichen Strafgesetze keine Unterscheidung zwischen Jude und Nichtjude treffen, wird eine solche Unterscheidung zweifellos von orthodoxen Rabbinern gemacht, die bei der Führung ihrer Herde der Halacha folgen. Von besonderer Bedeutung ist der Rat, den sie religiösen Soldaten geben. Da sich selbst das Minimalverbot gegen die Ermordung eines Nichtjuden unverblümt nur auf „Nichtjuden, mit denen wir [die Juden] uns nicht im Krieg befinden“ bezieht, zogen ver- schiedene rabbinische Kommentatoren in der Vergangenheit die logische Schlußfolgerung, daß in Kriegszeiten alle Nichtjuden, die zu einem feindlichen Volk gehören, getötet werden dürfen oder sogar sollten.6 Seit 1973 ist diese starre Meinung [engl.: doctrine] öffentlich bei der Anleitung religiö- ser israelischer Soldaten verbreitet worden. Die erste derar- tige offizielle Aufforderung war in einer Broschüre enthalten, die vom Kommando der Zentralregion [Central Region Command] der israelischen Armee veröffentlicht wurde, de- ren Gebiet die Westbank einschließt. In dieser Broschüre schreibt der Oberkaplan des Kommando-Stabes: „Wenn unsere Streitkräfte während eines Krieges oder hart auf den Fersen [bei einer Verfolgung] oder bei ei- nem (plötzlichen) Angriff auf Zivilisten stoßen, dann 14 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION dürfen oder sollten sie sogar entsprechend der Halacha getötet werden, solange es keine Gewißheit gibt, daß diese Zivilisten unfähig sind, unseren Streitkräften zu schaden. … Einem Araber sollte unter keinen Umstän- den vertraut werden, selbst wenn er einen zivilisierten Eindruck erweckt. … Wenn unsere Truppen im Kriege den Feind bestürmen, ist es ihnen erlaubt und sogar von der Halacha vorgeschrieben, auch ungefährliche [engl.: good] Zivilisten zu töten, d.h. Zivilisten, die an- scheinend harmlos [engl.: good] sind.“7 Dieselbe Lehrmeinung wird im folgenden Briefwechsel zwi- schen einem jungen israelischen Soldaten und seinem Rab- biner erläutert, der im Jahrbuch einer der renommiertesten religiösen Hochschulen des Landes, Midrashiyyat No'am, veröffentlicht wurde, in der viele Führer und Aktivisten der Nationalen Religiösen Partei und des Gusch Emunim erzo- gen worden sind.8 Brief des Soldaten Moshe an Rabbiner Shim'on Weiser: „Mit Gottes Hilfe, Ihm zur Ehre, mein sehr geehrter Rabbi. Zuerst würde ich Sie gerne fragen, wie es Ihnen und Ihrer Familie geht. Ich hoffe, es geht allen gut. Mir geht es, Gott sei Dank, gut. Ich habe [Ihnen] lange nicht geschrieben. Bit- te, vergeben Sie mir. Manchmal erinnere ich mich an den Vers: „Wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Ange- sicht schaue?“9 Ich hoffe, ohne sicher zu sein, daß ich an ei- nem meiner Urlaubstage kommen kann. Ich muß es tun. Während einer der Diskussionen in unserer Gruppe gab es eine Debatte über die „Reinheit der Waffen“ und wir disku- tierten darüber, ob es erlaubt sei, unbewaffnete Männer zu töten – oder Frauen und Kinder. Oder ob wir vielleicht Rache an den Arabern nehmen sollten? Und dann antwortete jeder entsprechend seinem eigenen Verständnis. Ich konnte zu keiner klaren Entscheidung gelangen, ob Araber wie die Amalekiter behandelt werden sollten, was bedeuten würde, daß es einem erlaubt ist, sie solange zu morden [sie], bis die, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN Erinnerung an sie ausgetilgt ist unter dem Himmel10, oder ob man sich vielleicht wie in einem gerechten Krieg verhalten sollte, in welchem man nur die Soldaten tötet. Ein zweites Problem, das ich habe, ist, ob ich mich selbst dadurch in Gefahr bringen darf, daß ich einer Frau erlaube, am Leben zu bleiben. Es hat nämlich Fälle gegeben, in denen Frauen Handgranaten geworfen haben. Oder darf ich einem Araber Wasser geben, der seine Hand hochhielt? Denn es könnte Grund zu der Befürchtung bestehen, daß er nur vor- hat, mich zu täuschen und mich töten wird, und so etwas ist schon vorgekommen. Ich schließe mit einem freundlichen Gruß an den Rabbi und seine ganze Familie. – Moshe“ Antwort von Rabbiner Shim'on Weiser an Moshe: „Mit der Hilfe des Himmels, lieber Moshe, viele Grüße. Ich beginne mit diesem Brief heute abend, obwohl ich weiß, daß ich ihn am heutigen Abend nicht beenden kann, zum einen, weil ich sehr beschäftigt bin und zum anderen, weil ich möchte, daß es ein langer Brief wird, um Deine Fragen vollständig zu beantworten, wofür ich einige Worte unserer Weisen, seligen Andenkens, abzuschreiben und sie auszule- gen haben werde.11 Die nichtjüdischen Nationen kennen einen Brauch, nachdem der Krieg seine eigenen Regeln hat, ähnlich jenen eines Spieles, z.B. die Regeln beim Fußball oder Basketball. Aber entsprechend den Worten unserer Weisen, seligen Anden- kens, […] ist Krieg für uns kein Spiel, sondern eine Lebens- notwendigkeit, und alleine nach diesen Richtlinien müssen wir entscheiden, wie wir ihn führen. Einerseits […] scheinen wir zu lernen, daß, wenn ein Jude einen Nichtjuden ermor- det, er als Mörder angesehen wird, und – außer der Tatsa- che, daß kein Gericht das Recht hat, ihn zu bestrafen – die Tat ebensoschwer wiegt wie bei jedem anderen Morde. Aber genau bei denselben Autoritäten finden wir an anderer Stelle 14 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION […], daß Rabbi Shim'on zu sagen pflegte: „Den Besten der Nichtjuden – töte ihn; die Beste der Schlangen – schlage ihr den Schädel ein.“ Es könnte vielleicht eingewendet werden, daß der Ausdruck „töten“ in den Worten von Rabbi Shim'on nur sinnbildlich und nicht wörtlich genommen werden sollte, sondern im Sinne von „unterdrücken“ oder einer ähnlichen Bedeutung, so daß wir auf diese Weise auch einen Widerspruch zu den zuvor zitierten Autoritäten vermeiden. Man könnte auch argumentieren, daß diese Aussage, wenn sie buchstäblich gemeint war, [lediglich] seine eigene persönliche Meinung sei, die von anderen [früher zitierten] Weisen bestritten wird. Die richtige Erklärung finden wir jedoch in den Tosa- fot.12 Dort […] lesen wir den folgenden Kommentar zu dem talmudischen Ausspruch, daß Nichtjuden, die in einen Brun- nen fallen, nicht herausgeholfen werden sollte, jedoch sollten sie auch nicht in den Brunnen hineingestoßen werden, um sie zu töten; dies bedeutet, daß sie weder vor dem Tod geret- tet noch direkt getötet werden sollten. Und die Tosafot schreiben hierzu wie folgt: „Und falls es angezweifelt wird, [weil] an anderer Stelle gesagt wurde, ,Den Besten der Nichtjuden – töte ihn', dann lautet die Antwort, daß diese [Aussage] für Kriegszeiten gilt.“[…] Gemäß den Kommentatoren der Tosafot muß ein Unter- schied zwischen Kriegs- und Friedenszeiten gemacht werden, so daß, obgleich es in Friedenszeiten verboten ist, Nichtjuden in einem Falle zu töten, dieser, wenn er sich in Kriegszeiten ereignet, eine mitzvah [befohlene religiöse Pflicht] darstellt, daß sie getötet werden müssen. […] Und dies ist der Unterschied zwischen einem Juden und einem Nichtjuden: Obwohl für einen Juden die Regel gilt, „Wer auch immer Dich töten will – töte ihn zuerst!“, wie im Traktat Sanhedrin [des Talmuds], Seite 72a, gesagt wurde, gilt es dennoch für ihn nur, wenn es einen [tatsächlichen] Grund zum Fürchten gibt, daß er kommt, um Dich zu töten. Allein in Kriegszeiten kann man dies bei einem Nichtjuden in der Regel als gegeben voraussetzen, es sei denn, daß es, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN völlig klar ist, daß er keine bösartigen Absichten hegt. Dies ist gemäß der Halacha die Regel von der „Reinheit der Waf- fen“ – und nicht die ausländische Auffassung, die jetzt in der israelischen Armee angenommen ist und welche die Ursache von vielen [jüdischen] Opfern gewesen ist. Ich füge einen Zeitungsausschnitt mit der Rede bei, die in der letzten Wo- che von Rabbiner Kaiman Kahana in der Knesset gehalten wurde, die in sehr lebenswahrer – und auch schmerzhafter – Weise zeigt, wie diese „Reinheit der Waffen“ Todesfälle ver- ursacht hat. Ich schließe hier in der Hoffnung, daß Du die Länge dieses Briefes nicht beschwerlich empfinden wirst. Dieses Thema sollte auch ohne Deinen Brief diskutiert werden, aber Dein Brief gab mir den Anstoß, die ganze Angelegenheit ausführ- lich darzustellen. Der Friede sei mit Dir und allen Juden, und [ich hoffe] Dich bald zu sehen, wie Du sagst. Dein – Shim'on.“ Antwort von Moshe an Rabbiner Shim'on Weiser: „Ihm zur Ehre, mein sehr geehrter Rabbi. Zunächst hoffe ich, daß Sie und Ihre Familie gesund sind und es allen gut geht. Ich habe Ihren langen Brief erhalten und bin [Ihnen] für Ihre persönliche Fürsorge um mich dankbar, da ich anneh- me, daß Sie vielen [Menschen] schreiben und der größte Teil ihrer Zeit mit Ihren Studien zu Ihrem eigenen Arbeitsplan ausgefüllt ist. Daher ist mein Dank an Sie doppelt tiefgehend. Was den Brief selbst betrifft, so habe ich ihn wie folgt ver- standen: In Kriegszeiten ist es mir nicht lediglich erlaubt, sondern ich bin verpflichtet, jeden arabischen Mann und jede arabische 14 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Frau zu töten, auf die ich zufällig stoße, falls es Grund zu der Befürchtung gibt, daß sie in dem Krieg gegen uns direkt oder indirekt behilflich sind. Und soweit es mich betrifft, muß ich sie sogar dann töten, wenn dies eine Verwicklung mit dem Militärgesetz zur Folge haben könnte. Ich denke, daß diese Angelegenheit von der „Reinheit der Waffen“ den Erzie- hungseinrichtungen, zumindest den religiösen, übermittelt werden sollte, da sie eine Stellungnahme in dieser Angele- genheit haben sollten, und daß sie nicht in den weiten Fel- dern der „Logik“ umherirren, besonders wegen dieser Sache; und diese Richtlinie muß so erläutert werden, wie sie in der Praxis befolgt werden kann. Denn ich habe hier – ich bedau- re, das sagen zu müssen – verschiedene Arten von „Logik“, sogar unter den religiösen Kameraden, erlebt. Ich hoffe sehr, daß Sie in dieser Angelegenheit tätig werden, so daß unsere Jungs die Richtlinien ihrer Vorfahren klar und eindeutig erkennen werden. Ich schließe hier in der Hoffnung, daß ich, wenn der [Schu- lungs-] Kurs in etwa einem Monat beendet ist, in der Lage sein werde, zur Yeshivah [talmudische Hochschule] zu kom- men. Grüße – Moshe“ Natürlich ist diese Lehrmeinung der Halacha über Mord grundsätzlich nicht nur mit dem israelischen Strafgesetz unvereinbar, sondern ebensowenig – wie in den gerade zi- tierten Briefen erwähnt – mit den offiziellen militärischen Standard-Vorschriften. Es sind jedoch geringe Zweifel er- laubt, ob diese Lehrmeinung in der Praxis tatsächlich einen Einfluß auf die Justizbehörden ausübt, vor allem durch mili- tärische Befehlshaber. Tatsache ist, daß in allen Fällen, in denen Juden in militärischem oder paramilitärischem Zu- sammenhang nicht am Kampf beteiligte Araber ermordet haben – einschließlich Fällen von Massenmord, so wie derje- nige in Kafr Qasim im Jahre 1956 –, die Mörder, falls die Strafe nicht allen erlassen wurde, außergewöhnlich leichte Verurteilungen oder weitestgehenden Straferlaß erlangten, was ihre Bestrafung auf fast gar nichts verminderte.13, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN

Die Rettung von Leben

Dieses Thema – der überragende Wert menschlichen Lebens und die Verpflichtung jedes menschlichen Wesens, sein Äu- ßerstes zu tun, um das Leben eines Mitmenschen zu retten – ist schon aus sich selbst heraus von unverkennbarer Bedeu- tung. Es ist auch in einem jüdischen Zusammenhang von besonderem Interesse, und zwar hinsichtlich der Tatsache, daß die jüdische [öffentliche] Meinung seit dem Zweiten Weltkrieg – in einigen Fällen zu Recht, in anderen unge- rechtfertigt – „die ganze Welt“ oder zumindest ganz Europa beschuldigt hat, [tatenlos] zugesehen zu haben, als Juden massakriert wurden. Lassen Sie uns daher prüfen, was die Halacha zu diesem Thema zu sagen hat. Entsprechend der Halacha ist die Pflicht, das Leben eines Mitjuden zu retten, allem anderen übergeordnet.14 Sie ver- drängt alle anderen religiösen Verpflichtungen und Untersa- gungen; ausgenommen sind nur die Verbote der drei ab- scheulichsten Sünden, nämlich Ehebruch (einschließlich Blutschande), Mord und Götzendienst. Bezüglich Nichtjuden gilt das grundlegende talmudische Prinzip, daß ihr Leben nicht gerettet werden muß, wenn- gleich es auch verboten ist, sie auf der Stelle zu ermorden. Der Talmud selbst15 drückt dies in dem Grundsatz aus: „Nichtjuden sind weder [aus einem Brunnen] herauszuziehen noch [in ihn] hineinzustoßen.“ MAIMONIDES16 erklärt: Bei Nichtjuden, mit denen wir uns nicht im Kriege be- finden … muß ihr Tod nicht herbeigeführt [engl.: caused] werden, es ist aber verboten, sie zu retten, wenn sie dem Tode nahe sind; falls man z.B. einen von ihnen ins Meer fallen sieht, sollte er nicht gerettet werden, denn es steht geschrieben: „noch sollst du wider das Blut deines Nächsten stehen“17 – aber [ein Nichtjude] ist nicht dein Nächster. Insbesondere darf ein jüdischer Arzt nichtjüdische Patienten nicht behandeln. MAIMONIDES – selbst ein berühmter Arzt – 14 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION drückt sich hier sehr deutlich aus; in einer anderen Textpas- sage18 wiederholt er den Unterschied zwischen „deinem Nächsten“ und einem Nichtjuden und kommt zu der Schluß- folgerung: „und hieraus lernt ihr, daß es verboten ist, einen Nichtjuden sogar gegen Bezahlung zu heilen. …“ Die Weigerung eines Juden – besonders eines jüdischen Arz- tes –, das Leben eines Nichtjuden zu retten, kann jedoch, falls es bekannt wird, mächtige Nichtjuden zu Gegnern ma- chen und somit Juden in Gefahr bringen. Wo eine solche Gefahr besteht, setzt die Verpflichtung, diese abzuwenden, das Verbot, dem Nichtjuden zu helfen, außer Kraft. Dement- sprechend fährt MAIMONIDES fort: „… aber wenn du ihn oder seine Feindschaft fürchtest, heile ihn gegen Bezahlung, es ist dir jedoch verboten, dieses ohne Bezahlung zu tun.“ Tatsächlich war MAIMONIDES selbst SALADINs Leibarzt. Sein Bestehen auf der Forderung nach einer Bezahlung – ver- mutlich um klarzustellen, daß die Behandlung nicht aus Nächstenliebe geschieht, sondern eine unvermeidbare Pflicht ist – ist jedoch nicht absolut. Denn in einer anderen Textpas- sage erlaubt er, Nichtjuden, deren Feindseligkeit befürchtet wird, „falls es unvermeidbar ist, sogar unentgeltlich“ zu be- handeln. Die ganze Lehrmeinung – das Verbot, das Leben eines Nichtjuden zu retten oder ihn zu heilen, und die Aufhebung dieses Verbots in Fällen, in denen Furcht vor Feindseligkei- ten besteht – wird (im wesentlichen wortgetreu) von anderen größeren Autoritäten wiederholt, einschließlich Arba'ah Tu- rim aus dem 14. Jahrhundert und KAROs Beyt Yosef und dem Shulhan 'Arukh [Schulchan Aruchj.19 Beyt Yosef fügt, indem er MAIMONIDES zitiert, hinzu: „Und es ist erlaubt, ein Heilmittel an einem Heiden zu erproben, wenn dies einem Zweck dient“;, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN und dieses wird auch von dem berühmten Rabbiner MOSES ISSERLES wiederholt. Übereinstimmung herrscht bei den halachischen Autoritäten darin, daß sich der Begriff „Gentiles“ [= Nichtjuden] in der obigen Lehrmeinung auf alle Nichtjuden bezieht. Eine ein- same davon abweichende Stimme ist diejenige des Rabbiners MOSES RIVKES, Autor eines untergeordneten Kommentars zum Schulchan Aruch; er schreibt:20 „Unsere Weisen sagten dies nur über Heiden, die zu ihrer Zeit Götzen anbeteten und nicht an den jüdi- schen Exodus aus Ägypten glaubten oder an die Er- schaffung der Welt ex nihilo [aus dem Nichts]. Aber die Nichtjuden, in deren [schützendem] Schatten wir, das Volk Israels, im Exil lebten und unter denen wir ver- streut sind, glauben tatsächlich an eine Erschaffung der Welt ex nihilo und an den Exodus und an verschie- dene Prinzipien unserer eigenen Religion und sie beten zum Schöpfer des Himmels und der Erde. … Es gibt nicht nur kein Verbot, ihnen zu helfen, sondern wir sind sogar verpflichtet, für ihre Sicherheit zu beten.“ Diese aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stam- mende Textpassage ist ein beliebtes Zitat apologetischer Gelehrter.21 Tatsächlich geht es nicht annähernd so weit, wie die Apologeten vortäuschen, denn es verteidigt eher die Rücknahme des Verbots, das Leben eines Nichtjuden zu ret- ten, als [seine Rettung] wie im Falle eines Juden verbindlich vorzuschreiben; und selbst diese Großzügigkeit erstreckt sich nur auf Christen und Mohammedaner, aber nicht auf die Mehrheit der Menschen. Was die Textpassage eigentlich wirklich zeigt, ist, daß es eine Möglichkeit gab, wie die stren- ge Doktrin der Halacha fortschrittlich liberalisiert worden sein könnte. In Wirklichkeit aber hat die Mehrzahl der spä- teren halachischen Autoritäten – weit davon entfernt, RIVKES' Milde auf andere Menschengruppen auszudehnen – dies insgesamt abgelehnt. 14 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION

Die Entheiligung des Sabbats,

um Leben zu retten Den Sabbat zu entheiligen – d.h. Arbeit zu verrichten, die anderweitig am Samstag verboten sein würde – wird eine Pflicht, wenn die Notwendigkeit, das Leben eines Juden zu retten, dies erfordert. Das Problem, das Leben eines Nichtjuden am Sabbat zu ret- ten, ist im Talmud keine wesentliche Streitfrage, denn es ist grundsätzlich verboten, auch an einem Wochentage; es wirkt jedoch in zwei [nachfolgend geschilderten] Zusammenhängen als Komplikationsfaktor: Erstens gibt es ein Problem, wenn eine Gruppe von Men- schen in Gefahr ist und die Möglichkeit besteht (aber nicht sicher ist), daß sich unter ihnen zumindest ein Jude befindet. Sollte der Sabbat entweiht werden, um sie zu retten? Es gibt ausufernde Diskussionen solcher Fälle. Früheren Autoritä- ten folgend – darunter MAIMONIDES und der Talmud selbst – entscheidet der Shulhan 'Arukh [Schulchan Aruch]22 diese Fälle nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit. Angenommen z.B., daß neun Nichtjuden und ein Jude in demselben Ge- bäude wohnen. Eines Samstages stürzt das Haus ein; einer der zehn [Hausbewohner] – es ist nicht bekannt, welcher – ist abwesend, aber die anderen neun hegen unter dem Haus- schutt begraben. Soll nun der Schutt entfernt und damit der Sabbat entweiht werden, um [schließlich] festzustellen, daß der Jude vielleicht nicht darunter liegt (er kann derjenige gewesen sein, der abwesend war)? Der Schulchan Aruch sagt, daß man es tun sollte, vermutlich weil die Chancen hoch (neun zu eins) sind, daß sich der Jude unter dem Schutt befindet. Aber nehmen wir jetzt einmal an, daß neun abwe- send waren und nur einer – wieder ist nicht bekannt, wer es ist – eingeschlossen ist. Jetzt besteht keine Verpflichtung, den Hausschutt zu entfernen, vermutlich weil es diesmal nur eine geringe Chance – (neun zu eins) gegen den Juden – gibt, daß er die verschüttete Person sein könnte., DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN Ein ähnlicher Fall: „ Wenn ein Boot, auf dem einige Juden sind, gesichtet wird, das sich auf einem See in Gefahr befindet, so ist es eine allen obliegende Pflicht, den Sabbat zu entwei- hen, um das Boot zu retten.“ Der bedeutende Rabbiner AQIVA EIGER (gestorben im Jahre 1837) kommentiert jedoch, daß dieses nur gelte, „wenn es bekannt ist, daß sich Juden an Bord befinden. Aber ... wenn man überhaupt nichts über die Identität jener an Bord weiß, darf [der Sabbat] nicht entheiligt werden, da man nach [der Größe der Wahrscheinlich- keit] handelt, [und] die Mehrheit der Menschen auf der Welt sind Nichtjuden“ 23 Somit, da es eine sehr geringe Chance gibt, daß irgendeiner der Passagiere jüdisch ist, muß es ihnen erlaubt sein zu er- trinken.* * Anmerkung des Übersetzers: Daß diese religiösen Vorschriften nachhaltige Auswirkungen auf die Einstellung selbst einfacher Juden gegenüber der Wertschätzung des Lebens von Nichtjuden hatten, zeigt ein Erlebnisbericht von Alexander Stael-Holstein, den der Zoologe Prof. Jakob von Uexküll (geb. 1864 in Estland) in seinem Buch „Niegeschaute Welten“ (Berlin 1949, 9. Kapitel „Die russischen Juden in ihrer Umwelt“, Seite 135-144) wiedergibt: „Die regelmäßigen Fahrten über den Sund zwischen der Insel Moon und dem estländischen Festlande wurden damals durch eine Segelbarke getätigt, … Stael machte eine solche Überfahrt in Gesellschaft mehrerer estnischer Bauern und eines armseligen »Pindeljuden« ... Da ihm die Seefahrt ungewohnt war, bekam er es beim Anblick der hohen Wellen mit der Angst und begann laut jam- mernd den Gott Isaaks und Josephs anzurufen, daß er ihn aus der großen Gefahr erretten möge. Die Bauern fanden das Judengeheul äußerst komisch und begannen, ihn zu verhöhnen. Nun wandte sich Stael in jüdischem Jargon an den Juden und sagte ihm, er solle sich schämen, sich vor den Bauern lächerlich zu machen, er sähe doch, daß die Bauern sich gar nicht fürchteten. »Was soll der Bauer fürchten für sein Leben?« erwiderte der Jude. »Was ist wert des Bauern sein Leben?« (ebenda, Seite 139) 15 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Zweitens ist die Maßregel, daß ein Nichtjude am Sabbat ge- rettet oder gepflegt werden darf, um der Gefahr von Feind- seligkeiten vorzubeugen, eingeschränkt. Ein Jude, der an einem Wochentage herbeigerufen wird, um einem Nichtju- den zu helfen, mag einwilligen müssen, denn einzugestehen, daß es ihm im Prinzip nicht erlaubt sei, das Leben eines Nichtjuden zu retten, würde einer Einladung zur Feind- schaft gleichkommen. Aber am Samstag kann der Jude die Einhaltung des Sabbats als glaubhafte Entschuldigung be- nutzen. Ein beispielhafter Fall, der im Talmud24 ausführlich diskutiert wird, ist derjenige einer jüdischen Hebamme, die aufgefordert wurde, einer nichtjüdischen Frau bei der Kin- desgeburt zu helfen. Das Resultat ist, daß es der Hebamme an einem Wochentag erlaubt ist, „aus Furcht vor Feindselig- keiten“ zu helfen, aber am Sabbat darf sie es nicht tun, weil sie sich mit der Aussage entschuldigen kann: „Es ist uns erlaubt, den Sabbat nur für unsere eigenen Leute, die den Sabbat einhalten, zu entweihen; aber für Eure Leute, die den Sabbat nicht einhalten, ist es uns nicht gestattet, ihn zu entweihen.“ Ist diese Erklärung aufrichtig gemeint oder lediglich eine Ausrede? MAIMONIDES ist offenbar der Meinung, daß es ein- fach eine Ausrede sei, die sogar angewendet werden könne, falls die Aufgabe, zu der die Hebamme aufgefordert wird, in Wirklichkeit gar keine Entweihung des Sabbats darstellt. Vermutlich wird die Ausrede in diesem Falle sogar ebenso- gut wirken, weil Nichtjuden gewöhnlich über die genaue Art der Arbeiten im Dunkeln tappen, welche für Juden am Sab- bat verboten sind. Um jeden Preis ordnet er [MAIMONIDES] an: „Einer nichtjüdischen Frau darf bei einer Kindesgeburt am Sabbat nicht geholfen werden, auch nicht gegen Be- zahlung; noch muß man Feindseligkeiten befürchten, selbst wenn [solche Hilfe] keine Entweihung des Sab- bats [beinhaltet].“ Der Schulchan Aruch verfügt in gleicher Weise.25, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN Nichtsdestoweniger konnte bei dieser Art von Ausrede nicht immer damit gerechnet werden, daß diese ihren Zweck er- reicht und nichtjüdische Feindseligkeiten abwendet. Deshalb mußten bestimmte einflußreiche rabbinische Autoritäten die Regeln in gewissem Grade mildern und erlaubten jüdischen Ärzten, Nichtjuden sogar am Sabbat zu behandeln, falls dies die Ausführung bestimmter Arten von Arbeit mit sich bringt, die normalerweise an diesem Tage verboten sind. Diese teil- weise Lockerung bezog sich hauptsächlich auf reiche und mächtige nichtjüdische Patienten, die nicht so leicht abge- wimmelt werden konnten und deren Feindschaft gefährlich sein könnte. Demgemäß entschied Rabbiner YO'EL SIRKIS, Autor von Bay- it Hadash und einer der größten Rabbiner seiner Zeit (Polen, 17. Jahrhundert), daß „Bürgermeister, niedere Adlige und Aristokraten“ am Sabbat behandelt werden sollten, wegen der Furcht vor deren Feindschaft, die eine „beträchtliche Gefahr“ zur Folge hätte. Aber in anderen Fällen, besonders wenn der Nichtjude mit einer ausweichenden Ausrede abge- speist werden kann, würde ein jüdischer Arzt durch seine [des Nichtjuden] Behandlung am Sabbat „eine unerträgliche Sünde“ begehen. Zu einem späteren Zeitpunkt desselben Jahrhunderts wurde in der französischen Stadt Metz eine ähnliche Entscheidung erlassen, deren beide Stadtteile mit einer Pontonbrücke verbunden waren. Juden war es norma- lerweise nicht erlaubt, eine solche Brücke am Sabbat zu überqueren, aber der Rabbiner von Metz entschied, daß ein jüdischer Arzt dies nichtsdestoweniger tun dürfe, „falls er zu dem großen Gouverneur gerufen wird“: Seitdem bekannt ist, daß der Arzt die Brücke zum Wohle seiner jüdischen Patien- ten überquert, könnte die Feindschaft des Gouverneurs ent- facht werden, falls sich der Arzt geweigert hätte, dies auch zu seinem Wohle zu tun. Unter der autoritären Herrschaft LUDWIGs XIV. war es offensichtlich wichtig, das Wohlwollen seines [militärischen] Verwaltungsbeamten zu besitzen; die Gefühle niederer Nichtjuden waren demgegenüber von ge- ringer Bedeutung.26 Hokhmat Shlomoh, ein Kommentar zum Schulchan Aruch 15 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION aus dem 19. Jahrhundert, erwähnt eine ähnlich strenge Auslegung des Begriffs „Feindseligkeit“ in Verbindung mit den Karaiten, einer kleinen ketzerischen jüdischen Sekte. Entsprechend dieser Sichtweise muß deren Leben nicht ge- rettet werden, falls dies eine Entweihung des Sabbats zur Folge hätte, „denn ,Feindseligkeit' ist nur gegenüber den Heiden anwendbar, deren uns gegenüber viele sind, und wir sind ihnen ausgeliefert. … Aber die Karaiten sind weni- ge, und wir sind ihnen nicht ausgeliefert, [so] daß die Furcht vor Feindseligkeiten auf sie überhaupt nicht anwendbar ist.,“ 27 Tatsächlich ist das absolute Verbot, den Sabbat zu entheili- gen, um das Leben eines Karaiten zu retten, noch heute in Kraft, wie wir noch sehen werden. Das ganze Thema wird ausführlich in den Responsa des Rabbiners MOSHE SOFER – besser bekannt als „HATAM SO- FER“ – behandelt, dem berühmten Rabbiner aus Preßburg (Bratislava), der im Jahre 1832 verstarb. Seine Schlußfolge- rungen sind von mehr als nur historischem Interesse, weil eine seiner Responsa im Jahre 1966 von dem damaligen Oberrabbiner von Israel öffentlich als „eine grundlegende Auslegung [engl.: basic institution] der Halacha“ bestätigt wurde.28 Die besondere Frage, die an HATAM SOFER gestellt wurde, betraf die Lage in der Türkei, wo während einer der Kriege angeordnet wurde, daß in jeder Stadt oder in jedem Dorf Hebammen Bereitschaftsdienst haben sollten, bereit, sich jeder Frau zu verdingen, die in den Wehen liegt. Einige dieser Hebammen waren jüdisch; sollten sie sich zur Verfü- gung stellen, um nichtjüdischen Frauen an Wochentagen und am Sabbat zu helfen? In seiner „Responsum“ [Erwiderung]29 kommt HATAM SOFER nach sorgfaltiger Untersuchung zunächst zu dem Schluß, daß die betreffenden Nichtjuden – d.h. osmanische Christen und Moslems – nicht nur Götzendiener sind, „die zweifellos andere Götter anbeten und somit, weder [aus einem Brunnen], DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN herausgeholt noch hineingestoßen werden' sollten“, sondern von ihm mit den Amalekitern verglichen werden, so daß die talmudische Vorschrift, „es ist verboten, den Samen Amaleks zu mehren“, auf sie anzuwenden sei. Daher sollte ihnen [den nichtjüdischen Frauen] prinzipiell auch an Wochentagen nicht geholfen werden. In der Praxis ist es jedoch „erlaubt“, Nichtjuden zu heilen und bei der Geburt zu helfen, falls sie eigene Ärzte und Hebammen haben, die statt der jüdischen gerufen werden könnten. Denn falls jüdische Ärzte und Heb- ammen sich weigerten, Nichtjuden zu behandeln, würde das einzige Ergebnis der Verlust von Einkünften der ersteren sein – was natürlich unerwünscht ist. Dies gilt gleicherma- ßen für Wochentage und am Sabbat, vorausgesetzt, daß kei- ne Entweihung des Sabbats stattfindet. Im letzteren Falle kann der Sabbat jedoch als Ausrede dienen, um „die heidni- sche Frau irrezuführen und zu sagen, daß es die Entheiligung des Sabbat zur Folge haben würde.“ Im Zusammenhang mit Fällen, die tatsächlich mit einer Entweihung des Sabbats verbunden sind, unterscheidet HATAM SOFER – wie auch andere Autoritäten – zwischen zwei Arten von Arbeit, die am Sabbat verboten sind. Erstens gibt es Arbeiten, die von der Thora, dem biblischen Text (wie er vom Talmud interpretiert wird), verboten sind. Solche Arbeit darf nur in sehr außergewöhnlichen Fällen verrichtet werden, nämlich dann, falls deren Verweigerung eine extre- me Gefahr der Feindseligkeiten gegenüber Juden verursa- chen würde. Dann gibt es Arten von Arbeit, die nur von den Weisen verboten sind, die das ursprüngliche Gesetz der Tho- ra erweiterten; das Verhalten gegenüber der Verletzung sol- cher Verbote ist im allgemeinen milder. Eine andere „Responsum“ [Erwiderung] von HATAM SOFER30 setzt sich mit der Frage auseinander, ob es einem jüdischen Arzt gestattet sei, am Sabbat mit einem Wagen zu reisen, um einen Nichtjuden zu heilen. Nachdem er darauf hingewiesen hat, daß unter bestimmten Bedingungen das Reisen mit ei- nem von Pferden gezogenen Wagen nur ein Verbot verletzt, das eher „von den Weisen“ als von der Thora erlassen wurde, fahrt er fort, indem er die Aussage des MAIMONIDES wieder- 15 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION belebt, daß in den Wehen liegenden nichtjüdischen Frauen am Sabbat nicht geholfen werden darf, selbst wenn keine Entweihung des Sabbats stattfindet, und stellt fest, daß der- selbe Grundsatz für jegliche medizinischen Anwendungen gilt, nicht nur für die Geburtshilfe. Doch spricht er dann die Befürchtung aus, daß dies, falls es in die Praxis umgesetzt würde, „[es] unerwünschte Feindseligkeit wecken würde“, da „die Nichtjuden die Ausrede von der Einhaltung des Sabbats nicht akzeptieren würden“ und „sagen würden, daß das Blut eines Götzendieners in unseren Augen wenig Wert sei“. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Nichtjüdische Ärzte könnten sich an ihren jüdischen Patienten rächen. Es müß- ten daher bessere Ausreden gefunden werden. Er empfiehlt einem jüdischen Arzt, der am Sabbat zur Behandlung eines nichtjüdischen Patienten aus der Stadt herausgerufen wird, sich mit der Aussage zu entschuldigen, daß seine Anwesen- heit in der Stadt erforderlich sei, um nach seinen anderen Patienten zu sehen, „denn er kann dies ausnutzen, um zu sagen ,ich kann mich nicht entfernen, wegen der Gefahr für diesen oder jenen Patienten, der vordringlicher einen Arzt benötigt, und ich darf meinen Schützling nicht verlassen'... Bei einer solchen Ausrede gibt es keine Furcht vor Gefahr, denn es ist ein vernünftiger Vorwand, der gewöhnlich von Ärzten geäußert wird, die verspätet ankommen, weil ein anderer Patient sie dringender benötigte.“ Nur „wenn es unmöglich ist, irgendeine Entschuldigung zu finden“, ist es dem Arzt gestattet, am Sabbat im Wagen zu reisen, um einen Nichtjuden zu behandeln. In der gesamten Diskussion sind das Hauptergebnis die Aus- reden, die vorgebracht werden sollten, nicht aber das tat- sächliche Heilen oder das Wohlergehen des Patienten. Und durchweg wird als erwiesen angenommen, daß es völlig richtig, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN sei, Nichtjuden lieber zu täuschen als sie zu behandeln, so- lange „Feindseligkeiten“ abgewendet werden können.31 Natürlich sind die meisten jüdischen Ärzte in der heutigen Zeit nicht religiös und wissen nicht einmal etwas von diesen Vorschriften. Darüber hinaus hat es den Anschein, daß sogar viele der religiösen Ärzte es vorziehen – zu ihrer Ehre –, lieber am hippokratischen Eid festzuhalten als an den Vor- schriften ihrer fanatischen Rabbiner.32 Die Anleitungen der Rabbiner müssen jedoch unfehlbar einigen Einfluß auf man- che Ärzte haben; und es gibt sicherlich viele, die diesen An- weisungen zwar nicht tatsächlich folgen, es aber vorziehen, nicht öffentlich dagegen zu protestieren. Alles dies ist keineswegs ein überholtes Ergebnis. Die aller- neueste halachische Stellungnahme zu diesen Angelegenhei- ten ist in einem vor kurzem erschienenen, knapp gehaltenen und autoritativen Buch enthalten, das in englischer Sprache unter dem Titel „Jewish Medical Law“33 [Jüdisches Ärzte- recht] veröffentlicht wurde. Dieses Buch, welches das Im- pressum der renommierten israelischen Stiftung Mossad Harav Kook trägt, basiert auf den Responsa des Rabbiners ELI'EZER YEHUDA WALDENBERG, Oberrichter am Rabbinischen Bezirksgericht in Jerusalem. Einige Textpassagen dieser Arbeit verdienen eine besondere Erwähnung. Erstens „ist es verboten, den Sabbat wegen eines Karaiten zu entweihen …“34 Dies wird unverblümt, absolut und ohne jede weitere Einschränkung festgelegt. Vermutlich ist die Feind- schaft dieser kleinen Sekte gleichgültig, so daß es ihnen er- laubt sein sollte, lieber zu sterben als am Sabbat [medizi- nisch] behandelt zu werden. Und bezüglich Nichtjuden: „Nach den [herrschenden] Regeln, die im Talmud und in den Kodizes des jüdischen Gesetzes festgelegt sind, ist es verboten, den Sabbat zu entheiligen – weder durch die Verletzung biblischer noch rabbinischer Ge- setze –, um das Leben eines gefährlich erkrankten 15 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION nichtjüdischen Patienten zu retten. Ebenso ist es verbo- ten, eine nichtjüdische Frau am Sabbat von ihrem Kind zu entbinden“ 35 Aber dies wird durch eine Dispensation [Ausnahmebewilli- gung] gemildert: „Heute ist es jedoch erlaubt, den Sabbat wegen eines Nichtjuden durch Handlungen zu entweihen, die ge- mäß rabbinischem Gesetz verboten sind, denn indem man so handelt, verhindert man die Entstehung von Unfreundlichkeiten [engl.: ill feelings] zwischen Jude und Nichtjude“ 36 Dieses geht nicht weit genug, da medizinische Behandlung sehr oft Tätigkeiten beinhaltet, die am Sabbat von der Thora selbst verboten sind, welche aber von dieser Dispensation nicht abgedeckt werden. Es gibt, wird uns gesagt, „einige“ halachische Autoritäten, die die Dispensation ebenfalls auf solche Tätigkeiten ausdehnen – aber dies ist nur eine andere Art und Weise, um auszudrücken, daß die meisten halachi- schen Autoritäten und diejenigen, die wirklich zählen, den gegensätzlichen Standpunkt vertreten. Es ist jedoch noch nicht alles verloren: Das „Jewish Medical Law“ [Jüdisches Ärzterecht] bietet eine wirklich atemberaubende Lösung für diese Schwierigkeit. Die Lösung ist von einem heiklen Punkt des talmudischen Gesetzes abhängig. Ein von der Thora erlassenes Verbot, eine bestimmte Tätigkeit am Sabbat auszuführen, gilt nur unter der Voraussetzung, daß die ursprüngliche Absicht der Ausführung auch das tatsächliche Ergebnis der Handlung ist. (Das Mahlen von Weizen ist z.B. nur unter der Voraus- setzung von der Thora verboten, daß die Absicht tatsächlich darin besteht, Mehl zu erhalten.) Andererseits: Falls die Aus- führung derselben Tätigkeit nahezu mit einem anderen Zweck identisch ist (melakhah seh'eynah tzrikhah legufah), dann ändert die Handlung ihren Status – sie ist noch immer verboten, um sicher zu sein, aber eher von den Weisen als von der Thora selbst. Deshalb:, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN Um jede Verletzung des Gesetzes zu vermeiden, gibt es eine rechtlich zulässige Methode, die Behandlung zu- gunsten eines nichtjüdischen Patienten zu leisten, auch wenn es sich dabei um eine Verletzung des bibli- schen Gesetzes handelt. Es wird vorgeschlagen, daß in der Zeit, in der der Arzt die notwendige Pflege versieht, seine Absicht nicht in erster Hinsicht die Heilung des Patienten sein sollte, sondern sich selbst und das jüdi- sche Volk vor Anschuldigungen wegen religiöser Dis- kriminierung und schonungsloser Vergeltung zu schüt- zen, die ihn im besonderen und das jüdische Volk im allgemeinen gefährden mögen. Mit dieser Absicht wird jede Handlung seitens des Arztes zu „einer Tätigkeit, deren tatsächliches Ergebnis nicht ihrer ursprüngli- chen Absicht entspricht“ … was am Sabbat nur durch rabbinisches Gesetz verboten ist.37 Dieser heuchlerische Ersatz des hippokratischen Eides wird auch von einem kürzlich erschienenen maßgeblichen hebräi- schen Buch vorgeschlagen.38 Obwohl die Tatsachen mindestens zweimal in der israeli- schen Presse39 erwähnt wurden, hüllte sich die Israelische Ärztevereinigung in Schweigen. Nachdem wir das höchst wichtige Thema über die Einstel- lung der Halacha zum bloßen Leben eines Nichtjuden eini- germaßen ausführlich behandelt haben, werden wir uns in sehr viel kürzerer Form mit anderen halachischen Regeln, die Nichtjuden diskriminieren, befassen. Da die Anzahl sol- cher Vorschriften sehr groß ist, werden wir nur die wichtige- ren erwähnen.

Sexuelle Vergehen

Geschlechtsverkehr zwischen einer verheirateten jüdischen Frau und irgendeinem anderen Mann, der nicht ihr Ehe- mann ist, ist ein Kapitalverbrechen für beide Beteiligten und eine der drei abscheulichsten Sünden. Der Status nichtjüdi- 15 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION scher Frauen ist ein völlig anderer. Die Halacha setzt als gegeben voraus, daß alle Nichtjuden völlig „promisk“ [= häu- fig den Geschlechtspartner wechselnd] seien und der Spruch, „deren Fleisch ist wie das Fleisch von Eseln, und deren Aus- fluß [des Spermas] ist wie der Ausfluß von Pferden“ 40 auf sie anzuwenden sei. Ob eine nichtjüdische Frau verheiratet ist oder nicht, spielt keine Rolle, denn soweit Juden beteiligt sind, gilt der eigentliche Begriff der Ehe nicht für Nichtjü- dinnen. („Es gibt keine Ehe für einen Heiden.“). Daher ist auch der Begriff des Ehebruchs nicht auf den Verkehr zwi- schen einem jüdischen Mann und einer nichtjüdischen Frau anwendbar; der Talmud41 setzt einen solchen Verkehr viel- mehr mit der Sünde der Sodomie [engl.: bestiality = viehi- sches Wesen; hier: widernatürliche Unzucht mit Tieren] gleich. (Aus demselben Grunde wird bei Nichtjuden gewöhn- lich vorausgesetzt, daß sie keine sichere Vaterschaft besit- zen.) Entsprechend der Talmudic Encyclopedia: 42 „Derjenige, der geschlechtlichen Umgang mit der Ehe- frau eines Nichtjuden hat, ist nicht der Todesstrafe un- terworfen, denn es steht geschrieben: ,deines Nächsten Weibes' 43 und nicht des Fremdlings Weib; und sogar die Vorschrift, daß ein Mann ,seinem Weibe anhangen soll' 44, die sich an die Nichtjuden wendet, gilt nicht für einen Juden, weil es eben für einen Heiden keine Ehe gibt; und obgleich eine verheiratete nichtjüdische Frau für einen Nichtjuden unantastbar ist, ist ein Jude in jedem Falle ausgenommen.“ Dies bedeutet nicht, daß der Geschlechtsverkehr zwischen einem jüdischen Mann und einer nichtjüdischen Frau gestat- tet sei – ganz im Gegenteil. Aber die Hauptstrafe wird der nichtjüdischen Frau auferlegt; sie muß hingerichtet werden, selbst wenn sie von dem Juden vergewaltigt wurde: „Wenn ein Jude Geschlechtsverkehr mit einer nichtjü- dischen Frau hat, mag sie ein dreijähriges Kind oder eine Erwachsene sein, ob verheiratet oder unverheira- tet, und selbst falls es sich um einen minderjährigen, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN Jungen von neun Jahren und einem Tag handelt – weil er willentlich Geschlechtsverkehr mit ihr hatte, muß sie getötet werden, wie im Falle eines Tieres, da ein Jude durch sie in Schwierigkeiten geriet“45 Der Jude muß jedoch ausgepeitscht werden, und falls er ein KOHEN (Mitglied des priesterlichen Stammes) ist, muß er die doppelte Anzahl Peitschenhiebe erhalten, weil er ein zweifa- ches Vergehen verübt hat: ein KOHEN darf keinen Verkehr mit einer Prostituierten haben, und von allen nichtjüdischen Frauen wird als gegeben vorausgesetzt, daß sie Huren sind.46

Die Rechtsstellung von Nichtjuden

Entsprechend der Halacha dürfen Juden nicht (falls sie es verhindern können) zulassen, daß ein Nichtjude in irgendei- ne noch so geringe Stellung mit rechtmäßiger Macht über Juden ernannt wird. (Die beiden Standardbeispiele sind „Truppenführer über zehn Soldaten in der jüdischen Armee“ und „Oberaufseher eines Bewässerungsgrabens“.) Bezeich- nenderweise gilt diese besondere Vorschrift auch für zum Judentum Konvertierte und deren Nachkommen (in der weiblichen Linie) für [die Dauer von] zehn Generationen oder „solange wie die Abstammung bekannt ist“. Bei Nichtjuden wird als gegeben vorausgesetzt, daß sie gebo- rene Lügner [engl.: congenital liars] seien, und sie sind daher von einer Zeugenaussage vor einem rabbinischen Gericht ausgeschlossen. In dieser Hinsicht ist ihre Stellung theore- tisch die gleiche wie diejenige jüdischer Frauen, von Sklaven und Minderjährigen; aber in Wirklichkeit ist es sogar schlimmer. Eine jüdische Frau ist heutzutage als Zeugin zu gewissen Sachverhalten zugelassen, wenn das rabbinische Gericht ihr „glaubt“; ein Nichtjude dagegen – niemals. Es ergibt sich daher ein Problem, wenn ein rabbinisches Ge- richt notwendigerweise einen Sachverhalt klären muß, für 16 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION den es nur nichtjüdische Zeugen gibt. Ein wichtiges Beispiel hierfür sind Fälle, die Witwen betreffen: Nach jüdischem religiösen Gesetz kann eine Frau nur dann zur Witwe erklärt werden – und [ist] folglich frei, um wieder zu heiraten –, wenn der Tod ihres Ehegatten mit Sicherheit durch einen Zeugen bewiesen ist, der ihn sterben sah oder seinen Leich- nam identifizierte. Das rabbinische Gericht wird jedoch das Zeugnis vom Hörensagen eines Juden akzeptieren, der be- zeugt, von der fraglichen Tatsache durch einen nichtjüdi- schen Augenzeugen gehört zu haben, vorausgesetzt, daß es dem Gericht genügt, daß letzterer [der Nichtjude] dies eher beiläufig erwähnte (,,goy mesiah lefi tummo“) als in Beant- wortung einer direkten Frage; denn bei der direkten Antwort eines Nichtjuden auf die direkte Frage eines Juden wird als gegeben vorausgesetzt, daß es eine Lüge ist.47 Falls notwen- dig, wird es ein Jude (vorzugsweise ein Rabbiner) tatsäch- lich unternehmen, den nichtjüdischen Augenzeugen in ein zwangloses Gespräch zu verwickeln und, ohne eine direkte Frage zu stellen, ihm eine beiläufige Aussage zu der in Frage stehenden Sachlage entlocken.

Geld und Besitz

1. Geschenke Der Talmud verbietet unverblümt, einem Nichtjuden ein Geschenk zu machen. Klassische rabbinische Autoritäten wandelten diese Vorschrift jedoch ab, weil es unter Ge- schäftsleuten üblich ist, für Geschäftsbeziehungen Geschen- ke zu machen. Es wurde daher festgelegt, daß ein Jude einer nichtjüdischen Bekanntschaft ein Geschenk machen darf, da dieses nicht als ein echtes Geschenk, sondern als eine Art Investition betrachtet wird, wofür irgendeine Gegenleistung erwartet wird. Geschenke an „unbekannte Nichtjuden“ blei- ben verboten. Eine weitgehend ähnliche Regelung gilt für das Spenden von Almosen. Einem jüdischen Bettler Almosen zu geben, ist eine wichtige religiöse Pflicht. Almosen an nichtjüdische Bettler sind lediglich um des lieben Friedens willens gestattet. Es gibt jedoch zahllose rabbinische War-, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN nungen davor, daß die nichtjüdischen Armen daran „ge- wöhnt“ werden, Almosen von Juden zu erhalten, so daß es möglich sein sollte, solche Almosen zurückzuhalten, ohne unnötige Feindseligkeit zu erregen. 2. Forderung von Zinsen In dieser Angelegenheit ist die anti-nichtjüdische [engl.: anti- Gentile] Diskriminierung angesichts der Dispensation (erläu- tert in Kapitel 3), die in Wirklichkeit sogar die Eintreibung der Zinsen von einem jüdischen Kreditnehmer erlaubt, weit- gehend theoretisch geworden. Es ist jedoch noch immer der Fall, daß die Gewährung eines zinsfreien Darlehens an einen Juden als ein Akt der Nächstenliebe empfohlen wird, aber bei einem nichtjüdischen Kreditnehmer ist es Pflicht, Zinsen zu verlangen. In der Tat betrachten es viele – wenn auch nicht alle – rabbinische Autoritäten einschließlich MAIMONI- DES als Pflicht, soviel Wucherzinsen wie möglich für eine Anleihe von einem Nichtjuden zu verlangen. 3. Fundsachen Wenn ein Jude Sachwerte findet, deren wahrscheinlicher Eigentümer jüdisch ist, so ist dem Finder eindeutig vorge- schrieben, ausdrückliche Anstrengungen zu unternehmen, um seinen Fund mittels öffentlicher Bekanntgabe zurückzu- geben. Im Gegensatz hierzu erlauben der Talmud und all die frühen rabbinischen Autoritäten einem jüdischen Finder nicht nur, sich einen Gegenstand anzueignen, den ein Nicht- jude verloren hat, sondern verbieten ihm oder ihr tatsäch- lich, ihn zurückzugeben.48 In neuerer Zeit, seitdem in den meisten Ländern Gesetze erlassen wurden, in denen die Rückgabe verlorener Gegenstände zur Pflicht gemacht wird, wiesen die rabbinischen Autoritäten Juden an, sich danach zu richten, was diese Gesetze vorschreiben, als einen Akt des zivilen Gehorsams gegenüber dem Staat – jedoch nicht als eine religiöse Pflicht, d.h. ohne ausdrückliche Anstrengungen zu machen, um den Eigentümer zu ermitteln, falls es nicht wahrscheinlich ist, daß er jüdisch ist. 16 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION 4. Täuschung im Geschäftsleben Es ist eine schwere Sünde, irgendeine Art von Täuschung – was es auch immer sei – gegenüber einem Juden zu begehen. Einem Nichtjuden gegenüber ist es lediglich verboten, eine direkte Täuschung zu begehen. Indirekte Täuschung ist er- laubt, falls sie nicht voraussichtlich Feindseligkeiten gegen- über Juden oder Beleidigung für die jüdische Religion verur- sacht. Das typische Beispiel ist die fehlerhafte Kaufpreis- Kalkulation während des Einkaufs. Wenn ein Jude einen Fehler zu seinen Ungunsten macht, ist es jedermanns reli- giöse Pflicht, ihn zu berichtigen. Falls man bei einem Nicht- juden einen solchen Fehler bemerkt, muß man ihn nichts darüber wissen lassen, sondern sagen, „ich vertraue Ihrer Kalkulation“, um so seiner Feindschaft für den Fall vorzu- beugen, daß er nachträglich seinen eigenen Fehler entdeckt. 5. Betrug Es ist verboten, einen Juden durch Verkauf oder Kauf zu einem ungerechtfertigten Preis zu betrügen. Gleichwohl „ist Betrug bei Nichtjuden nicht anwendbar, denn es steht geschrieben: ‚Keiner soll seinen Bruder übervortei- len’ 49 [LUTHER-Bibel 1902]; aber ein Nichtjude, der ei- nen Juden betrügt, sollte gezwungen werden, den Be- trug wiedergutzumachen, sollte aber nicht strenger be- straft werden als ein Jude [in einem ähnlichen Fall].“ 50 6. Diebstahl und Raub Diebstahl (ohne Gewalttätigkeit) ist absolut verboten – wie der Schulchan Aruch es so schön ausdrückt: „sogar gegenüber einem Nichtjuden“. Raub (mit Gewalttätigkeit) ist streng verboten, falls das Opfer jüdisch ist. Die Beraubung eines Nichtjuden durch einen Juden ist jedoch nicht vorbehaltlos verboten, sondern nur unter bestimmten Umständen, z.B. „wenn die Nichtjuden nicht unter unserer Herrschaft stehen“, aber es ist gestattet, „wenn sie sich unter unserer Herrschaft befinden“. Bezüglich der genauen Einzelheiten der Umstän-, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN de, unter denen ein Jude einen Nichtjuden berauben darf, weichen die rabbinischen Autoritäten untereinander ab, doch die ganze Diskussion betrifft überwiegend nur die relativen Machtverhältnisse zwischen Juden und Nichtjuden statt allgemeingültiger Betrachtungen über Gerechtigkeit und Humanität. Dies mag erklären, weshalb so sehr wenige Rab- biner gegen den Raub von palästinensischem Eigentum in Israel protestiert haben: Er [der Raub] wurde von überwälti- gender jüdischer Macht unterstützt.

Nichtjuden im Lande Israel

Zusätzlich zu den allgemeinen anti-nichtjüdischen [engl.: anti-Gentile] Gesetzen sind in der Halacha Sondergesetze gegen Nichtjuden enthalten, die im Lande Israel (Eretz Yis- ra'el) wohnen oder, in einigen Fällen, lediglich auf der Durchreise sind. Diese Gesetze sind dazu bestimmt, die jüdi- sche Überlegenheit in diesem Lande zu begünstigen. Über die genaue geographische Definition des Begriffes des „Landes Israel“ ist im Talmud und der talmudischen Litera- tur viel gestritten worden, und die Debatte wird noch in der Neuzeit zwischen den verschiedenen Schattierungen der zionistischen Sichtweisen fortgeführt. Entsprechend der An- sicht der Maximalisten umfaßt das Land Israel (zusätzlich zu Palästina selbst) nicht nur den ganzen Sinai, Jordanien, Sy- rien und Libanon, sondern auch beträchtliche Teile der Tür- kei.51 Die stärker verbreitete „minimalistische“ Interpretati- on zieht die nördliche Grenze „nur“ etwa auf halbem Wege durch Syrien und Libanon auf dem Breitengrad von [der syrischen Stadt] Homs. Diese Sichtweise wurde von BEN- GURION unterstützt. Aber sogar jene, die auf diese Weise Teile von Syrien und Libanon ausschließen, stimmen darin überein, daß bestimmte, besonders diskriminierende Gesetze (obgleich weniger unterdrückend als in Israel selbst) für die Nichtjuden in jenen Landesteilen gelten, weil dieses Gebiet zu DAVIDs Königreich gehörte. In allen talmudischen Inter- pretationen gehört Zypern zum Lande Israel. 16 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Ich werde nun einige der Sondergesetze bezüglich der Nichtjuden im Lande Israel anführen. Ihre Verbindung mit der gegenwärtigen zionistischen Praxis wird ganz offensicht- lich sein. Die Halacha verbietet Juden, Immobilien – Felder [engl.: fields; auch Ackerland] und Häuser – im Lande Israel an Nichtjuden zu verkaufen. In Syrien ist der Verkauf von Häu- sern (aber nicht von Feldern) gestattet. Im Lande Israel ist es unter zwei Bedingungen erlaubt, ein Haus an einen Nichtjuden zu vermieten. Erstens darf das Haus nicht zum Wohnen genutzt werden, sondern für andere Zwecke wie die Lagerung [von Waren]. Zweitens, daß drei oder mehr benachbarte Häuser nicht auf diese Weise vermie- tet werden sollen. Diese und einige andere Vorschriften werden wie folgt er- klärt: „...so daß man ihnen nicht erlauben darf, auf dem Grund und Boden zu lagern, denn wenn sie kein Land besit- zen, wird ihr Aufenthalt nur vorübergehend sein“ 52 Sogar vorübergehende nichtjüdische Anwesenheit darf nur gedul- det werden, „wenn die Juden im Exil leben oder wenn die Nichtjuden mächtiger als die Juden sind“, aber: Wenn die Juden mächtiger als die Nichtjuden sind, ist es uns verboten, einen Götzendiener unter uns zuzu- lassen; selbst einem zeitweilig Ansässigen oder Hand- lungsreisenden darf nicht erlaubt werden, unser Land zu durchqueren, wenn er nicht die sieben Noachidi- schen Gebote53 akzeptiert, denn es steht geschrieben: „Laß sie nicht wohnen in deinem Lande“ 54, d.h. nicht einmal vorübergehend. Wenn er die sieben Noachidi- schen Gebote anerkennt, wird er ein ansässiger Fremdling (ger toshav), es ist jedoch verboten, den Sta- tus eines ansässigen Fremdlings zu gewähren, außer in Zeiten, wenn das Jubeljahr gefeiert wird [d.h. wenn der Tempel steht und Opfer dargebracht werden]. Es ist jedoch während der Zeiten, in denen keine Jubel- jahre gefeiert werden, verboten, irgend jemand zu ak-, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN zeptieren, der nicht vollständig zum Judentum überge- treten ist (ger tzedeq).55 Es ist daher klar, daß – genau wie die Führer und Sympathi- santen des Gusch Emunim sagen – die ganze Frage, wie die Palästinenser entsprechend der Halacha behandelt werden sollten, ganz einfach eine Frage der jüdischen Macht ist: Falls die Juden genügend Macht besitzen, dann ist es ihre religiöse Pflicht, die Palästinenser zu vertreiben. Auf all diese Gesetze wird von den israelischen Rabbinern und ihren eifrigen Anhängern oft Bezug genommen. So wur- de z.B. das Gesetz, das die Vermietung von drei benachbar- ten Häusern an Nichtjuden verbietet, feierlich von der rab- binischen Konferenz zitiert, die 1979 abgehalten wurde, um die Camp David-Verträge zu erörtern. Die Konferenz erklär- te auch, daß entsprechend der Halacha sogar die „Autono- mie“, die BEGIN bereit war, den Palästinensern anzubieten, zu liberal sei. Solche Erklärungen – die tatsächlich die Ein- stellung der Halacha richtig wiedergeben – werden von den zionistischen „Linken“ selten angezweifelt. Zusätzlich zu den bisher erwähnten Gesetzen, die gegen alle Nichtjuden im Lande Israel gerichtet sind, erwächst ein noch größerer bösartiger Einfluß aus Sondergesetzen gegen die alten Kanaaniter und andere Völker, die vor der Eroberung durch JOSUA in Palästina wohnten*, ebenso wie gegen die Amalekiter. Alle diese Völker müssen gänzlich ausgerottet [engl.: exterminated] werden, und der Talmud und die tal- mudische Literatur wiederholen die biblische Ermunterung * Anm. d. Übers.: Zu diesen Völkern zählt das „klassische Judentum“ auch das deutsche Volk. So erklärt Rabbi DAVID KIMSCHI (Aus- legung Obad l, V. 20): „Es wird durch die Tradition oder mündliche Lehre gesagt, daß die Einwohner von Teutschland Canaaniter seyen: dann als die Canaaniter vor dem Josua (aus Fucht getödtet zu werden) sich weg begaben, wie wir über das Buch Josua geschrieben haben, gingen sie in das Land Alemannia, welches Teutschland genennet wird: und werden dieselben (nemlich die Teutschen) noch heutigen Tages Canaaniter geheißen.“ (Eisenmenger, „Entdecktes Judentum“, Königsberg 1711, Band 2, Seite 202) 16 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION zum Völkermord mit noch größerer Heftigkeit. Einflußreiche Rabbiner, die eine beträchtliche Anhängerschaft unter israe- lischen Armeeoffizieren haben, setzen die Palästinenser (oder sogar alle Araber) mit diesen alten Völkern gleich*, so daß Befehle wie „du sollst nichts am Leben lassen, was den Odem hat“56 eine aktuelle Bedeutung gewinnen. Es ist tat- sächlich nicht ungewöhnlich, daß Soldaten der Reserve, die für eine Dienstzeit im Gazastreifen einberufen wurden, ei- nen „Erziehungsvortrag“ erhalten, in dem ihnen erklärt wird, daß die Palästinenser des Gazagebietes „gleich den Amaleki- tern“ seien. Bibelverse, die zum Völkermord an den Midiani- tern57 auffordern, wurden feierlich von einem einflußreichen israelischen Rabbiner zur Rechtfertigung des Massakers von Qibbiya58 zitiert, und diese Erklärung hat in der israelischen Armee weite Verbreitung erlangt. Es gibt viele ähnliche Bei- spiele blutdürstiger rabbinischer Äußerungen gegen die Pa- lästinenser, die auf diesen Gesetzen basieren. * Anmerkung des Übersetzers: Auch die Amalekiter und Philister werden heute mit dem deutschen Volk gleichgesetzt: So berichtete die Jerusalem Post vom 6. Mai 1986 unter der Überschrift „Der Geistliche meinte ,Vernichtung von Deutschen, nicht Arabern'“ (Berichterstatter Joshua Brilliant): „Maßgebliche militärische Quellen schienen gestern geneigt zu sein, nichts gegen einen Geistlichen zu unternehmen, der ein Papier an Truppen auf der West Bank austeilte, das zur völligen Ausrottung von „Amalek“ aufrief. Die nachsichtige Haltung erfolgte gegenüber dem Geistlichen, Rav Seren Rabbi Shmuel Derlich, weil dieser darauf bestand, daß er den biblischen Namen „Amalek“ für das deutsche Volk und nicht für die Araber verwendete. ...“ (Harm Menkens, „Wer will den Dritten Weltkrieg?“, Süderbrarup 1987, Seite 72 f.). In dem deutschsprachigen Film „Holocaust“ (1979) fiel auf, „daß die Juden, die im Warschauer Getto von oben auf die deutschen Solda- ten in der Straße schossen, dabei riefen: ,Tod den Kanaanitern!' Die Deutschen werden also – wie schon Rabbi David Kischi sagte – ,noch heutigen Tages Canaaniter geheißen'.“ (Harm Menkens, „Wer will den Dritten Weltkrieg?“, Seite 44) In dem Roman von Gerald Green „Holocaust“ werden die Deutschen mit den Philistern gleichgesetzt: In der französischen Ausgabe (Paris 1978, Seite 362) heißt es: „… nous avons battu les Philistins …“ und in der deutschen Ausgabe (Bayreuth 1979, 4. Aufl., Seite 376): „… wir haben wieder einmal die Philister geschlagen.“, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN

Haß und Verachtung gegen-

über Nichtjuden Unter dieser Überschrift möchte ich Beispiele halachischer Gesetze diskutieren, deren wichtigster Effekt nicht so sehr darin besteht, bestimmte anti-nichtjüdische [engl.: anti- Gentile] Diskriminierung vorzuschreiben, sondern vielmehr eine verachtende und gehässige Haltung gegenüber Nichtju- den einzuprägen. Dementsprechend werde ich mich in die- sem Abschnitt nicht darauf beschränken, nur die maßgeb- lichsten halachischen Quellen zu zitieren (wie ich es bisher getan habe), sondern auch weniger grundlegende Arbeiten einbeziehen, die jedoch in der religiösen Unterweisung weit- reichende Anwendung gefunden haben. Lassen Sie uns mit dem Text einiger alltäglichen Gebete beginnen. In einem der ersten Abschnitte des täglichen Mor- gengebets preist jeder fromme Jude Gott dafür, daß er ihn nicht als Nichtjuden erschaffen hat.59 Der Schlußabschnitt des täglichen Gebets (das ebenso im feierlichsten Teil des Gottesdienstes am Neujahrstag und zu Jom Kippur vorge- tragen wird) eröffnet mit der Erklärung: „Wir müssen den Herrn aller ... dafür preisen, daß er uns nicht wie die Völker [aller] Länder erschaffen hat … denn sie unterwerfen sich der Eitelkeit und der Nich- tigkeit und beten zu einem Gott, der nicht hilft.“ 60 Der letzte Satzteil wurde aus den Gebetsbüchern herauszen- siert, aber im östlichen Europa wurde er mündlich weiterge- geben und ist heute in vielen in Israel gedruckten Gebetsbü- chern wieder eingefügt worden. In dem wichtigsten Ab- schnitt des Wochentagsgebets – den „achtzehn Segnungen“ – gibt es einen besonderen Fluch, der sich ursprünglich gegen Christen, zum Christentum bekehrte Juden und gegen ande- re jüdische Ketzer richtete: „Und mögen die Abtrünnigen61 keine Hoffnung haben und alle Christen auf der Stelle umkommen“. 16 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Diese Formel stammt vom Ende des ersten Jahrhunderts, als die Christenheit noch eine kleine verfolgte Sekte war. Einige Zeit vor dem 14. Jahrhundert wurde sie gemildert zu: „Und mögen die Abtrünnigen keine Hoffnung haben und alle Ketzer 62 auf der Stelle umkommen“, und nach weiterem Druck zu: „Und mögen die Denunzianten keine Hoffnung haben und alle Ketzer auf der Stelle umkommen.“ Nach der Gründung Israels wurde der Prozeß umgekehrt, und viele neugedruckte Gebetsbücher kehrten zur zweiten Formulierung zurück, die auch von vielen Lehrern an reli- giösen israelischen Schulen vorgeschrieben wurde. Nach 1967 haben verschiedene Gemeinden, die dem Gusch Emu- nim nahestehen, die erste Version wieder eingeführt (bisher nur mündlich, nicht in gedruckter Form) und beten nun täg- lich, daß die Christen „auf der Stelle umkommen mögen“. Dieser Prozeß des Rückfalls ereignete sich während der Zeit, in der die katholische Kirche (unter Papst JOHANNES XXIII.) ein Gebet aus dem Karfreitag-Gottesdienst entfernte, das den Herrn darum bat, Erbarmen mit Juden, Ketzern usw. zu haben. Dieses Gebet wurde von den meisten jüdischen Füh- rern als beleidigend und sogar antisemitisch empfunden. Gesondert von den fest vorgeschriebenen täglichen Gebeten muß ein frommer Jude bei verschiedenen Gelegenheiten besondere kurzgefaßte Segenssprüche ausstoßen, sowohl gute als auch schlechte (z.B. während er ein neues Klei- dungsstück anlegt, erstmals im Jahr eine jahreszeitlich be- dingte Frucht ißt, wenn er einen gewaltigen Blitz sieht, schlechte Neuigkeiten erfährt usw.). Einige dieser gelegentli- chen Gebete dienen der Einschärfung von Haß und Verach- tung gegen alle Nichtjuden. Wir haben in Kapitel 2 die Vor- schrift erwähnt, nach der ein frommer Jude eine Verdam- mung ausstoßen muß, wenn er in der Nähe eines nichtjüdi- schen Friedhofs vorbeigeht, wohingegen er Gott preisen muß, wenn er nahe eines jüdischen Friedhofes vorbeikommt. Eine, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN ähnliche Regel gilt für die Lebenden: So muß ein frommer Jude, wenn er eine große jüdische Einwohnerschaft sieht, Gott preisen, während er beim Anblick einer großen Anzahl nichtjüdischer Menschen eine Verdammung ausstoßen muß. Selbst Gebäude bilden keine Ausnahme: Der Talmud be- stimmt63, daß ein Jude, der nahe an einer bewohnten nicht- jüdischen Behausung vorbeigeht, Gott bitten muß, sie zu zerstören, wohingegen er, falls das Gebäude in Trümmern liegt, dem „Gott der Rache“ danken muß. (Natürlich gelten die Vorschriften bei jüdischen Häusern im umgekehrten Sinne.) Diese Bestimmung war leicht von jüdischen Bauern einzuhalten, die in ihren eigenen Dörfern lebten, oder von kleinen städtischen Gemeinden, die in rein jüdischen Stadt- gebieten oder Vierteln wohnten. Unter den Bedingungen des klassischen Judentums wurde sie jedoch undurchführbar und wurde daher auf Kirchen und Stätten des Gottesdienstes anderer Religionen (mit Ausnahme des Islams) beschränkt.64 In diesem Zusammenhang wurde die Vorschrift durch Ge- wohnheit weiter ausgeschmückt: Es wurde üblich auszu- spucken (gewöhnlich dreimal), wenn man eine Kirche oder ein Kruzifix sah, als eine [Art] Ausschmückung der obligato- rischen Redewendung des Bedauerns.65 Manchmal wurden auch beleidigende Bibelverse hinzugefügt.66 Es gibt auch eine Reihe von Vorschriften, die jeglichen Aus- druck einer Anerkennung für Nichtjuden oder ihre Taten verbieten, ausgenommen dort, wo solche Lobpreisungen ein noch größeres Lob für Juden und jüdische Angelegenheiten einschließen. Diese Regel wird noch immer von orthodoxen Juden beachtet. Als der Schriftsteller AGNON z.B. bei seiner Rückkehr aus Stockholm, wo er den Nobelpreis für Literatur erhielt, vom israelischen Rundfunk interviewt wurde, lobte er die Schwedische Akademie, beeilte sich aber hinzuzufü- gen: „Ich vergesse nicht, daß es verboten ist, Nichtjuden zu loben, aber hier gibt es einen besonderen Grund für mein Lob.“ – Damit meinte er, daß man den Preis einem Juden zuerkannte. In ähnlicher Weise ist es verboten, an irgendwelchen Kund- gebungen volkstümlicher nichtjüdischer Lustbarkeiten teil- 17 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION zunehmen, außer wo die fehlende Teilnahme „Feindseligkei- ten“ gegenüber Juden verursachen könnte, in welchem Falle ein „geringes“ Zeigen von Freude erlaubt ist. Zusätzlich zu den bisher erwähnten Regeln gibt es viele an- dere, deren Absicht es ist, menschliche Freundschaft zwi- schen Juden und Nichtjuden zu verhindern. Ich werde zwei Beispiele erwähnen: die Vorschrift über den „Trankopfer- Wein“ und diejenige über die Zubereitung von Speisen für einen Nichtjuden an jüdischen Feiertagen. Ein religiöser Jude darf keinerlei Wein trinken, an dessen Erzeugung ein Nichtjude irgendeinen Anteil – was auch im- mer – hatte. Wein in einer geöffneten Flasche – auch wenn er vollständig von Juden hergestellt wurde – wird zu verbo- tenem Wein, falls ein Nichtjude die Flasche auch nur berührt oder eine Hand über sie hinwegführt. Die hierfür von den Rabbinern gegebene Begründung ist, daß alle Nichtjuden nicht nur Götzendiener seien, sondern obendrein für arglistig gehalten werden müssen, so daß sie wahrscheinlich (durch ein Flüstern, eine Geste oder einen Gedanken) jeden Wein, den ein Jude gerade trinken möchte, ihrem Götzen als „Trankopfer“ weihen. Dieses Gesetz gilt in vollem Umfang für alle Christen und in leicht abgeschwächter Form auch für Moslems. (Eine geöffnete Flasche Wein, die von einem Chris- ten berührt wurde, muß weggeschüttet werden; falls sie aber von einem Moslem berührt wurde, kann sie verkauft oder verschenkt werden, gleichwohl darf sie nicht von einem Ju- den getrunken werden.) Dieses Gesetz gilt in gleicher Weise für nichtjüdische Atheisten (wie kann man sicher sein, daß sie nicht nur vortäuschen, Atheisten zu sein?), nicht aber für jüdische Atheisten. Die Gesetze gegen die Verrichtung von Arbeit am Sabbat gelten in geringerem Ausmaß an anderen Feiertagen. So ist es besonders an einem Feiertag, der nicht zufällig auf einen Samstag fällt, gestattet, alle Arbeiten zu verrichten, die für die Zubereitung der Speisen, die während der Feiertage oder der Tage gegessen werden sollen, erforderlich sind. Rechtlich wird dies als das Vorbereiten einer „Seelenspeise“ (okhel, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN nefesh) definiert; aber „Seele“ wird in der Weise interpretiert, daß „Jude“ gemeint ist, und „Nichtjuden und Hunde“ sind ausdrücklich ausgeschlossen.67 Es gibt jedoch eine Dispensa- tion zu Gunsten mächtiger Nichtjuden, deren Feindschaft gefährlich sein kann: Es ist gestattet, an einem Feiertag Es- sen für einen Besucher zu kochen, der zu dieser Kategorie gehört, vorausgesetzt, daß er nicht ausdrücklich ermutigt wird, zum Essen zu kommen. Eine bedeutsame Wirkung all dieser Gesetze – ganz abgese- hen von ihrer Anwendung in der Praxis – liegt in der [seeli- schen] Einstellung, die durch deren ständiges Studium ge- schaffen wird, was, als Teil des Studiums der Halacha, vom klassischen Judentum als vorrangige religiöse Pflicht ange- sehen wird. Auf diese Weise lernt ein orthodoxer Jude seit seiner frühesten Jugend als Teil seiner heiligen Studien, daß Nichtjuden mit Hunden gleichgesetzt werden, daß es Sünde ist, sie zu loben, und so weiter und so fort. Es ist eine Tatsa- che, daß Lehrbücher für Anfänger in dieser Hinsicht eine schlimmere Wirkung haben als der Talmud und die großen talmudischen Gesetzessammlungen. Ein Grund hierfür ist, daß solche Einführungstexte ausführlichere Erklärungen geben, die so abgefaßt sind, daß sie junge und ungebildete Seelen beeinflussen. Aus einer großen Anzahl solcher Lehr- texte habe ich denjenigen ausgewählt, der gegenwärtig in Israel am volkstümlichsten ist und in vielen billigen Neu- auflagen mit starker finanzieller Unterstützung der israeli- schen Regierung nachgedruckt worden ist. Es ist „The Book of Education“ [Das Buch der Erziehung], das im frühen 14. Jahrhundert von einem anonymen Rabbiner in Spanien geschrieben wurde. Es erklärt die 613 religiösen Pflichten (mitzvot) des Judentums in der Reihenfolge, in der sie im Pentateuch entsprechend der talmudischen Interpretation (in Kapitel 3 behandelt) gefunden worden sein sollen. Es verdankt seinen anhaltenden Einfluß und seine Popularität dem klaren und einfachen hebräischen Stil, in welchem es geschrieben ist. Eine didaktische Hauptabsicht dieses Buches ist es, die „richtige“ Bedeutung der Bibel in bezug auf solche Begriffe 17 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION wie „Nächster“, „Freund“ oder „Mann“ (die wir in Kapitel 3 erörtert haben) hervorzuheben. So trägt der § 219, der der religiösen Verpflichtung gewidmet ist, die aus dem Vers „du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ erwächst, die Überschrift: „Eine religiöse Verpflichtung, Juden zu lieben“ und erklärt: Jeden Juden zu lieben bedeutet genaugenommen, daß wir uns um einen Juden und sein Geld ebenso küm- mern sollten wie um uns selbst und unser eigenes Geld, denn es steht geschrieben: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, und unsere Weisen seligen Andenkens sagten: „Was dir verhaßt ist, das sollst du auch nicht deinem Freunde antun.“ ... und viele andere religiöse Pflichten werden hieraus abge- leitet, denn jemand, der seinen Freund liebt wie sich selbst, wird nicht dessen Geld stehlen, oder Ehebruch mit seiner Frau begehen, oder ihn um sein Geld betrü- gen, oder ihn mit Worten täuschen, oder sein Land stehlen, oder ihn in irgendeiner Weise schädigen. Viele andere religiöse Verpflichtungen hängen ebenfalls hiervon ab, wie jedem einsichtigen Menschen bekannt ist. In § 322, der von der Pflicht handelt, einen nichtjüdischen Sklaven für immer versklavt zu halten (wohingegen ein jüdi- scher Sklave nach sieben Jahren freigelassen werden muß), wird die folgende Erklärung gegeben: Und die Ursache dieser religiösen Verpflichtung [ist die Tatsache, daß] die jüdischen Menschen die besten der menschlichen Spezies sind, geschaffen um ihren Schöpfer zu erkennen und Ihn im Gottesdienst zu ver- ehren, und die würdig sind, Sklaven zu ihren Diensten zu haben. Und falls sie keine Sklaven anderer Völker haben werden, würden sie ihre Brüder versklaven müssen, die dadurch außerstande sein würden, dem Herrn, gesegnet sei Er, zu dienen. Daher ist uns be- fohlen, jene für unsere Dienste zu besitzen, nachdem, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN sie dafür vorbereitet sind und nachdem der Göt- zenglaube aus ihrer Ausdrucksweise entfernt ist, so daß es in unseren Häusern keine Gefahr geben sollte68, und dieses ist die Absicht [engl.: intention] des Verses: „Aber von euren Brüdern, den Kindern Israels, soll kei- ner über den anderen herrschen mit der Strenge“69, so daß ihr diejenigen eurer Brüder nicht versklaven müßt, die bereit sind, Gott zu verehren. In § 545, der sich mit den religiösen Verpflichtungen befaßt, die bei der Eintreibung von Zinsen für an Nichtjuden verlie- henes Geld zu beachten sind, besagt das Gesetz folgendes: „Daß es uns befohlen ist, Zinsen von Nichtjuden zu verlangen, wenn wir ihnen Geld leihen, und wir dürfen ihnen ohne Zin- sen nichts leihen.“ Die Erklärung lautet: Und die Ursache dieser religiösen Verpflichtung ist, daß wir nicht aus Barmherzigkeit handeln sollten, au- ßer gegenüber Menschen, die Gott erkennen und Ihn verehren; und wenn wir uns enthalten, barmherzige Taten gegenüber dem Rest der Menschheit zu tätigen, sondern nur gegenüber den zuvor genannten, so wer- den wir damit auf die Probe gestellt, daß der größte Teil der Liebe und Barmherzigkeit ihnen zukommt, weil sie der Religion Gottes, gesegnet sei Er, folgen. Denn siehe, mit dieser Absicht ist unsere Belohnung [von Gott] dafür, daß wir den anderen [den Nichtju- den] Barmherzigkeit verweigern, ebenso groß wie wenn wir den Mitgliedern unseres eigenen Volkes [barmherzige Taten] gewähren. Ähnliche Unterscheidungen werden an zahlreichen anderen Stellen gemacht. Bei der Erläuterung des Verbots, den Lohn eines Arbeiters (§ 238) verspätet auszuzahlen, vergißt der Autor nicht darauf aufmerksam zu machen, daß die Sünde weniger ernst zu nehmen sei, falls der Arbeiter Nichtjude ist. Das Verbot des Fluchens (§ 239) hat die Überschrift: „Verflu- che keinen Juden, weder Mann noch Frau.“ In ähnlicher Wei- se gelten die Verbote gegen die Erteilung eines irreführen- den Rates, andere Menschen zu hassen, sie zu beschämen 17 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION oder Rache an ihnen zu verüben (§§ 240, 245, 246 und 247) nur gegenüber Mitjuden. Das Verbot, nichtjüdischen Gebräuchen zu folgen (§ 262), bedeutet nicht nur, daß sich Juden von Nichtjuden „zurück- ziehen“, sondern ebenfalls, daß sie „schlecht über ihr ganzes Benehmen, sogar über ihre Kleidung sprechen“ müssen. Es muß nachdrücklich betont werden, daß die oben zitierten Erläuterungen die Lehren der Halacha richtig wiedergeben. Die Rabbiner und, noch schlimmer, die apologetischen „Ge- lehrten des Judentums“ wissen dies sehr wohl und versuchen aus diesem Grunde auch nicht, gegen solche Ansichten in- nerhalb der jüdischen Gemeinschaft zu argumentieren; und natürlich erwähnen sie diese auch niemals außerhalb der- selben. Statt dessen verleumden sie jeden Juden, der diese Angelegenheiten in Hörweite von Nichtjuden zur Sprache bringt, und sie verbreiten betrügerische Lügen, in denen die Kunst der Doppeldeutigkeit ihren Höhepunkt erreicht. So verweisen sie z.B. mit allgemeinen Redewendungen auf die Bedeutung, die das Judentum der Barmherzigkeit beimißt; aber was sie dabei vergessen hervorzuheben ist, daß entspre- chend der Halacha mit „Barmherzigkeit“ nur die Barmher- zigkeit gegenüber Juden meint ist. Jeder, der in Israel wohnt, weiß, wie tief und weitverbreitet diese Neigungen zu Haß und Grausamkeit gegenüber allen Nichtjuden bei der Mehrheit der israelischen Juden verwur- zelt ist. Normalerweise verbirgt man diese Einstellungen gegenüber der Außenwelt, aber seit der Gründung des Staa- tes Israel, dem Krieg von 1967 und dem Aufstieg BEGINs hat sich eine bedeutende Minderheit von Juden, sowohl in Israel als auch im Ausland, solchen Angelegenheiten gegenüber nach und nach stärker geöffnet. In den letzten Jahren sind die unmenschlichen Vorschriften, nach denen Knechtschaft das „natürliche“ Los der Nichtjuden sei, öffentlich in Israel, sogar im Fernsehen, von jüdischen Bauern zitiert worden, die arabische Arbeitskräfte, insbesondere Kinderarbeit aus- beuten. Gusch Emunim-Führer haben religiöse Vorschriften angeführt, welche Juden vorschreiben, Nichtjuden zu unter-, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN drücken, als Rechtfertigung für die versuchte Ermordung palästinensischer Bürgermeister und als göttliche Ermächti- gung für ihren eigenen Plan, alle Araber aus Palästina zu vertreiben. Während viele Zionisten diese Einstellung politisch ableh- nen, basieren ihre maßgebenden Gegenargumente mehr auf Zweckmäßigkeitserwägungen und jüdischem Selbstinteresse als auf allgemeinen Prinzipien der Humanität und Sittlich- keit. So argumentieren sie z.B., daß die Ausbeutung und Unterdrückung von Palästinensern durch Israelis dazu bei- trage, die israelische Gesellschaft zu korrumpieren, oder daß die Vertreibung der Palästinenser unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen undurchführbar sei, oder daß is- raelische Terrorhandlungen gegen die Palästinenser darauf hinausliefen, Israel international zu isolieren. Im Prinzip teilen jedoch fast alle Zionisten – und vornehmlich die „lin- ken“ Zionisten – die tiefe anti-nichtjüdische [engl.: anti- Gentile] Einstellung, die das orthodoxe Judentum so leiden- schaftlich befürwortet.

Die Einstellung gegenüber Christentum und Islam

Im vorhergehenden wurden einige Beispiele der rabbini- schen Einstellung gegenüber diesen beiden Religionen am Rande gestreift. Aber es dürfte zweckmäßig sein, diese Standpunkte noch einmal zusammenzufassen. Das Judentum ist von einem sehr tiefen Haß gegenüber dem Christentum durchdrungen, verbunden mit völliger Un- kenntnis desselben. Diese Einstellung wurde zwar durch die christlichen Judenverfolgungen deutlich verstärkt, ist aber weitestgehend unabhängig von ihnen. Tatsächlich stammt er [der Christenhaß] aus der Zeit, als das Christentum noch schwach war und (nicht nur von Juden) verfolgt wurde, und er [der Christenhaß] wurde auch von Juden geteilt, die nie- mals von Christen verfolgt worden sind oder denen sogar von 17 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION ihnen geholfen wurde. So war z.B. MAIMONIDES der moslemi- schen Verfolgung durch das Almohaden-Regime ausgesetzt und entfloh vor diesem fürs erste in das Königreich Jerusa- lem der Kreuzritter, was aber seine Ansichten nicht im ge- ringsten änderte. Diese äußerst negative Einstellung basiert auf zwei hauptsächlichen Elementen: Erstens auf dem Haß und der böswilligen Verleumdung ge- genüber JESUS. Die traditionelle Anschauung des Judentums über JESUS muß natürlich scharf getrennt werden von der unsinnigen Kontroverse zwischen Antisemiten und jüdischen Apologeten bezüglich der „Verantwortlichkeit“ für seine Hin- richtung. Die meisten neuzeitlichen Erforscher dieser Peri- ode geben zu, daß wegen des Fehlens von originalen und zeitgenössischen Berichten, wegen der späten Abfassung der Evangelien und der Widersprüche zwischen ihnen keine genauen historischen Kenntnisse über die Umstände von JESUS' Hinrichtung zur Verfügung stehen. Auf jeden Fall ist die Vorstellung kollektiver und ererbter Schuld sowohl bös- artig als auch absurd. Was hier jedoch zur Debatte steht, sind nicht die wirklichen Tatsachen über JESUS, sondern die unzutreffenden und sogar verleumderischen Berichte im Talmud und der nachtalmudischen Literatur, – dieses ist es, was die Juden bis zum 19. Jahrhundert glaubten und viele, besonders in Israel, heute noch glauben. Denn diese Berichte spielten sicher eine wichtige Rolle bei der Herausbildung der jüdischen Haltung gegenüber dem Christentum. Nach dem Talmud wurde JESUS von einem zuständigen rab- binischen Gericht wegen Götzendienst, Anstiftung anderer Juden zur Götzenanbetung und wegen Verachtung der rab- binischen Autorität hingerichtet. Alle klassischen jüdischen Quellen, die seine Hinrichtung erwähnen, sind sehr glück- lich, die Verantwortung hierfür zu übernehmen; im talmu- dischen Bericht werden die Römer nicht einmal erwähnt. Solche populäreren Berichte – die nichtsdestoweniger sehr ernst genommen werden – wie das berüchtigte „Toldot Yes- hu“ sind sogar noch schlimmer, denn zusätzlich zu den obi- gen Verbrechen beschuldigen sie ihn der Hexerei. Schon al-, DIE GESETZE GEGEN NICHTJUDEN lein der Name „Jesus“ war für Juden ein Symbol für alles Abscheuliche, und diese populäre Tradition setzt sich noch immer hartnäckig fort.70 Die Evangelien [,,Gospels“] werden gleichfalls verabscheut, und sie dürfen sogar in modernen israelischen jüdischen Schulen nicht zitiert (geschweige denn gelehrt) werden. Zweitens wird das Christentum als Religion aus theologi- schen Gründen – meistens auf Unkenntnis beruhend – durch den rabbinischen Unterricht als Götzendienst eingestuft. Dies beruht auf einer plumpen Interpretation der christli- chen Lehre von der Dreieinigkeit und der Personifikation [engl.: Incarnation]. All die christlichen Symbole und bildli- chen Darstellungen werden als „Götzenbilder“ angesehen – sogar von jenen Juden, die buchstäblich Schriftrollen, Steine oder persönliche Habseligkeiten „heiliger Männer“ [engl.: „Holy Men“] verehren. Die Haltung des Judentums gegenüber dem Islam ist im Gegensatz hierzu relativ gemäßigt. Obwohl man MOHAMMED den formelhaften Beinamen „der Verrückte“ („rneshugga“) ge- geben hat, war dies nicht annähernd so beleidigend, wie es heute klingen mag, und verblaßt in jeder Hinsicht gegenüber den beschimpfenden Bezeichnungen, mit denen man JESUS belegt hat. In ähnlicher Weise ist der Koran [arabisch: qur'an] – im Gegensatz zum Neuen Testament – nicht zum Verbrennen verdammt. Er [der Koran] wird zwar nicht in derselben Weise verehrt wie das islamische Gesetz die jüdi- schen heiligen Schriftrollen ehrt, sondern wie ein gewöhnli- ches Buch behandelt. Die meisten rabbinischen Autoritäten stimmen darin überein, daß der Islam kein Götzendienst ist (obwohl es einige Führer des Gusch Emunim gegenwärtig vorziehen, dies zu ignorieren). Daher verordnet die Halacha, daß Moslems von Juden nicht schlechter behandelt werden sollten als „gewöhnliche“ Nichtjuden. Aber auch nicht besser. Erneut kann hier MAIMONIDES zur Veranschaulichung die- nen: Er stellt ausdrücklich fest, daß der Islam kein Götzen- dienst ist, und in seinen philosophischen Werken zitiert er mit großem Respekt viele islamische philosophische Autori- täten. Er war, wie ich schon zuvor erwähnte, Leibarzt von 17 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION SALADIN und seiner Familie, und er war aufgrund eines Be- fehls von SALADIN das ernannte Oberhaupt aller ägyptischen Juden. Dennoch gelten die von ihm festgelegten Vorschriften gegen die Rettung des Lebens eines Nichtjuden (außer um eine Gefahr für Juden abzuwenden) in gleicher Weise für Moslems., POLITISCHE KONSEQUENZEN

Kapitel 6 Politische Konsequenzen

Die fortbestehenden Verhaltensweisen des klassischen Ju- dentums gegenüber Nichtjuden üben starken Einfluß auf seine Anhänger, die orthodoxen Juden, aus und auf jene, die als ihre Nachfolger angesehen werden können: die Zionisten. Durch letztere beeinflußt es [das klassische Judentum] auch die Politik des Staates Israel. Seit 1967, seitdem Israel mehr und mehr „jüdisch“ wird, ist seine Politik mehr von jüdi- schen ideologischen Erwägungen beeinflußt als denjenigen eines nüchtern ersonnenen regierungsamtlichen [engl.: im- perial] Interesses. Dieser ideologische Einfluß wird gewöhn- lich von ausländischen Experten nicht erkannt, die dazu nei- gen, den Einfluß der jüdischen Religion auf die israelische Politik zu ignorieren oder herunterzuspielen. Dies erklärt, weshalb viele ihrer Voraussagen unrichtig sind. Tatsächlich werden mehr israelische Regierungskrisen durch religiöse, oftmals triviale Ursachen als durch irgendwelche anderen Gründe hervorgerufen. Der Raum, den die israeli- sche Presse den Diskussionen über ständig vorkommende Streitereien zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen oder zwischen religiösen und weltlichen [engl.: secular] wid- met, ist größer als derjenige, der irgendeinem anderen The- ma eingeräumt wird, außer in Kriegszeiten oder Zeiten si- cherheitsbedingter Spannungen. Während der Abfassung dieses Buches Anfang August 1993 sind einige der [nachge- nannten] Themen für die Leser der hebräischen Presse von vorrangigem Interesse: • ob im Kampfe gefallene Soldaten, die Söhne nichtjüdi- scher Mütter sind, in einem abgesonderten Bereich der israelischen Militärfriedhöfe begraben werden sollen; • ob es jüdischen religiösen Bestattungsgesellschaften, die ein Monopol für die Beerdigung aller Juden – mit Ausnahme von Kibbuz-Mitgliedern – haben, erlaubt sein soll, mit ihrem Brauch fortzufahren, die Leichna- 18 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION me aller nicht-beschnittenen Juden (nachträglich) zu beschneiden, bevor sie begraben werden (und ohne die Familie um Erlaubnis zu bitten); • ob der Import von nicht-koscherem Fleisch nach Israel, der seit der Gründung des Staates Israel inoffiziell verboten ist, durch Gesetz erlaubt oder verboten wer- den soll. Es gibt noch viele weitere Probleme dieser Art, die für die israelisch-jüdische Öffentlichkeit von viel größerem Interesse sind als, sagen wir, die Verhandlungen mit den Palästinen- sern und Syrien. Die Versuche, die von einigen wenigen israelischen Politi- kern unternommen wurden, die Bedingungen der „jüdischen Ideologie“ zugunsten rein regierungsamtlicher Interessen zu ignorieren, haben zu verhängnisvollen Ergebnissen geführt. Anfang 1974, nach seiner teilweisen Niederlage im Jom- Kippur-Krieg, hatte Israel ein vitales Interesse daran, den erneut wachsenden Einfluß der PLO zu stoppen, die bis da- hin von den arabischen Staaten noch nicht als die alleinige legitime Vertretung der Palästinenser anerkannt worden war. Die israelische Regierung erdachte einen Plan, um den jordanischen Einfluß auf der Westbank zu fördern, was zur damaligen Zeit ganz beachtlich war. Als König HUSSEIN um seine Unterstützung gebeten wurde, verlangte er eine sicht- bare Ersatzleistung (quid pro quo). Es wurde ausgehandelt, daß sein Hauptvertreter auf der Westbank, Scheich JABRI von Hebron, der den südlichen Teil der Westbank mit eiser- ner Faust und mit Billigung des damaligen Verteidigungs- ministers MOSHE DAYAN regierte, eine Party für die in der Region angesehenen Persönlichkeiten im Innenhof seiner Palast-Residenz in Hebron geben sollte. Auf der Party zu Ehren des Geburtstages des Königs sollte als Hauptschlager die jordanische Flagge öffentlich gezeigt werden und eine pro-jordanische Kampagne beginnen. Doch die religiösen Siedler im nahegelegenen Kiryat-Arba, die damals nur eine Handvoll waren, hörten von diesem Plan und drohten Mini- sterpräsidentin GOLDA MEIR und DAYAN mit energischen Protesten, denn, wie sie es darstellten, widerspreche das, POLITISCHE KONSEQUENZEN Hissen einer Flagge eines „nichtjüdischen Staates“ innerhalb des Landes Israel dem heiligen Grundsatz, der besagt, daß dieses Land nur den Juden „gehört“. Da dieser Grundsatz von allen Zionisten anerkannt ist, mußte sich die Regierung ihren Forderungen beugen und Scheich JABRI anweisen, kei- ne jordanischen Flaggen zu zeigen. Daraufhin sagte JABRI, der tief gedemütigt war, die Party ab, und auf dem Treffen der Arabischen Liga in Fez, das bald danach stattfand, stimmte König HUSSEIN für die Anerkennung der PLO als die alleinige Vertretung der Palästinenser. Für die Masse der israelisch-jüdischen Öffentlichkeit werden die laufenden „Autonomie“-Verhandlungen gleichfalls mehr von solchen jüdischen ideologischen Erwägungen beeinflußt als von ir- gend etwas anderem. Die Schlußfolgerung aus dieser Betrachtung der israelischen Politik, untermauert mit einer Analyse des klassischen Ju- dentums, kann nur sein, daß diejenigen kritischen Untersu- chungen des israelischen politischen Handelns falsch sein müssen, die nicht die Bedeutung seines einzigartigen Cha- rakters als „jüdischer Staat“ hervorheben. Insbesondere ist der leichtfertige Vergleich Israels mit anderen Fällen des westlichem Imperialismus oder mit Ansiedler-Staaten nicht richtig. Während der Apartheid war das Land von Südafrika offiziell aufgeteilt in 87 %, das den Weißen „gehörte“, und 13 %, von dem offiziell gesagt wurde, daß es den Schwarzen „ge- hörte“. Zusätzlich wurden offiziell souveräne Staaten ge- gründet, die sogenannten Bantu-Heimatländer, die mit allen Symbolen der Souveränität ausgestattet waren. Aber die „jüdische Ideologie“ verlangt, daß von keinem Teil des Lan- des Israel anerkannt werden kann, daß es Nichtjuden „ge- hört“, und daß es offiziell nicht erlaubt werden kann, Zeichen der Souveränität wie z.B. jordanische Flaggen zu zeigen. Das Prinzip der „Errettung“ des Landes verlangt, daß im Idealfall alles Land – und nicht nur sagen wir 87 % – im Laufe der Zeit „errettet“ werden soll, d.h. in den Besitz von Juden ge- langt. Die „jüdische Ideologie“ verbietet das sehr zweckdien- liche Prinzip des Imperialismus, das schon den Römern be- kannt war und dem so viele säkulare Weltreiche folgten und das am besten von Lord CROMER beschrieben wurde: 18 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION „Wir regieren nicht Ägypten, wir regieren die Herrscher von Ägypten.“ Die jüdische Ideologie verbietet eine solche Betrachtenswei- se; sie verbietet ebenfalls eine scheinbar respektvolle Hal- tung gegenüber irgendwelchen „nichtjüdischen Gouverneu- ren“ innerhalb des Landes Israel. Der gesamte Apparat von hörigen Königen, Sultanen, Maharadschas und Oberhäup- tern oder, in neuerer Zeit, von abhängigen Diktatoren – so zweckdienlich er in anderen Fällen imperialistischer Vor- herrschaft auch sein mag – kann von Israel nicht innerhalb des Gebietes eingesetzt werden, das als Teil des Landes Isra- el angesehen wird. Folglich sind die Befürchtungen, die ge- wöhnlich von Palästinensern geäußert werden, ihnen würde ein „Bantu-Heimatland“ angeboten, völlig grundlos. Nur falls zahllose jüdische Leben im Kriege verlorengehen, wie es sowohl 1973 als auch in den Jahren 1983-1985 in den Kriegsnachwirkungen im Libanon geschah, ist ein israeli- scher Rückzug denkbar, weil er durch den Grundsatz ge- rechtfertigt werden kann, daß die Heiligkeit jüdischen Le- bens wichtiger sei als andere Erwägungen. Was nicht mög- lich ist, solange Israel ein „jüdischer Staat“ bleibt, ist die israelische Gewährung einer vorgetäuschten, aber nichtsde- stoweniger symbolischen realen Souveränität, oder sogar einer wirklichen Autonomie für Nichtjuden innerhalb des Landes Israel aus rein politischen Gründen. Israel ist wie einige andere Länder ein ausgrenzender [engl.: exclusivist] Staat, aber die israelische Exklusivität ist allein ihrer selbst eigentümlich [engl.: is peculiar to itself]. Über die israelische Politik hinaus darf vermutet werden, daß die „jüdische Ideologie“ auch einen bedeutenden Teil, womöglich die Mehrzahl der Diaspora-Juden beeinflußt. Während die tatsächliche Umsetzung der jüdischen Ideologie von einem starken Israel abhängt, ist dies wiederum in ei- nem beträchtlichen Ausmaß von der Unterstützung abhän- gig, die Diaspora-Juden – besonders Juden in den USA – Israel zukommen lassen. Das Erscheinungsbild [engl.: image] der Diaspora-Juden und ihre Verhaltensweisen ge- genüber Nichtjuden sind völlig verschieden von der Haltung, POLITISCHE KONSEQUENZEN des klassischen Judentums wie es oben beschrieben wurde. Diese Diskrepanz ist am offensichtlichsten in den eng- lischsprachigen Ländern, wo regelmäßig die gröbsten Verfäl- schungen des Judentums vorkommen. Am schlimmsten ist die Situation in den USA und Kanada, den beiden Staaten, welche die israelische Politik am stärksten unterstützen ein- schließlich derjenigen Politik, die sich völlig unverhüllt ge- gen die grundlegenden Menschenrechte von Nichtjuden rich- tet. Die Unterstützung der USA für Israel kann – wenn man sie nicht abstrakt, sondern im konkreten Einzelfall betrachtet – nicht in ausreichender Weise allein als ein Ergebnis ameri- kanischer souveräner Interessen erklärt werden. Es muß auch der starke Einfluß berücksichtigt werden, der von der organisierten jüdischen Gemeinschaft in den USA bei der Unterstützung der gesamten israelischen Politik ausgeübt wird, um die Politik der amerikanischen Administration im Mittleren Osten zu erklären. Dieses Phänomen ist im Falle von Kanada sogar noch auffälliger, dessen Interessen im Mittleren Osten nicht als bedeutend angesehen werden kön- nen, dessen loyale Hingabe an Israel aber noch größer ist als diejenige der USA. In beiden Ländern (und ebenso in Frank- reich, Britannien und vielen anderen Staaten) unterstützen jüdische Organisationen Israel mit etwa der gleichen Loyali- tät, die kommunistische Parteien für so lange Zeit der UdSSR entgegengebracht haben. Desgleichen offenbaren viele Juden, die engagiert in der Verteidigung der Men- schenrechte zu sein scheinen und die in anderen Angelegen- heiten nonkonforme Auffassungen annehmen, in Fällen, die Israel betreffen, ein beachtliches Maß an Totalitarismus und stehen bei der Rechtfertigung jedweder israelischen Politik an vorderster Stelle. Es ist in Israel wohlbekannt, daß der Chauvinismus und Fanatismus, der von den organisierten Diaspora-Juden bei der Unterstützung Israels entfaltet wird, viel größer ist (besonders seit 1967) als der Chauvinismus, der von einem durchschnittlichen israelischen Juden gezeigt wird. Dieser Fanatismus ist in Kanada und in den USA be- sonders auffällig, doch wegen der unvergleichlich größeren politischen Bedeutung der USA werde ich mich auf letztere 18 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION konzentrieren. Es sollte jedoch angemerkt werden, daß wir auch Juden finden, deren Ansichten über die israelische Po- litik sich nicht von derjenigen der übrigen Gesellschaft un- terscheiden (mit gebührender Rücksicht auf Faktoren der Geographie, des Einkommens, der sozialen Stellung usw.). Warum sollten einige amerikanische Juden manchmal einen extremen Chauvinismus entfalten und andere nicht? Wir sollten mit Bemerkungen über die soziale und daher auch politische Bedeutung derjenigen jüdischen Organisationen beginnen, die exklusiver Natur sind: Sie nehmen prinzipiell keine Nichtjuden auf. (Diese Ausschließlichkeit [engl.: exclu- sivism] ist ein amüsanter Kontrast zu ihrer Hetzjagd, mit der sie sogar den unbedeutendsten nichtjüdischen Verein verdammen, der sich weigert, Juden aufzunehmen.) Von denjenigen, die man „organisierte Juden“ nennen kann, und die den größten Teil ihrer Freizeit vorwiegend in der Gesell- schaft anderer Juden verbringen, kann als gegeben ange- nommen werden, daß sie die jüdische Exklusivität aufrecht- erhalten und die Verhaltensweisen des klassischen Juden- tums gegenüber Nichtjuden bewahren. Unter den gegenwär- tigen Verhältnissen können sie diese Verhaltensweisen ge- genüber Nichtjuden in den USA nicht öffentlich ausdrücken, wo Nichtjuden mehr als 97 % der Bevölkerung ausmachen. Sie kompensieren dies, indem sie ihre wahre Einstellung mit ihrer Unterstützung des „jüdischen Staates“ zum Ausdruck bringen und mittels der Behandlung, die dieser [der Staat Israel] den Nichtjuden des Mittleren Ostens zukommen läßt. Wie sonst können wir die Begeisterung erklären, die von so vielen amerikanischen Rabbinern bei ihrer Unterstützung von, sagen wir, MARTIN LUTHER KING entfaltet wurde, ver- glichen mit ihrem Mangel an Unterstützung für die Rechte der Palästinenser, selbst für ihre individuellen Menschen- rechte? Wie sonst können wir den offenkundigen Wider- spruch zwischen den Verhaltensweisen des klassischen Ju- dentums gegenüber Nichtjuden – welche die Vorschrift ein- schließen, daß ihr(e) Leben nicht gerettet werden sollte(n), außer zugunsten jüdischen Interesses – und dem Beistand der amerikanischen Rabbiner und organisierten Juden für die, POLITISCHE KONSEQUENZEN Rechte der Schwarzen erklären? Schließlich sind MARTIN LUTHER KING und die Mehrheit der amerikanischen Schwar- zen Nichtjuden. Selbst wenn man annimmt, daß es nur die konservativen und orthodoxen Juden sind, die zusammen die Mehrheit der organisierten amerikanischen Juden ausma- chen, die solche Ansichten über die Nichtjuden vertreten, so hatte der andere Teil der organisierten US-Judenheit – die Reform-Juden – ihnen niemals widersprochen und zeigt selbst, nach meiner Meinung, eine starke Beeinflussung durch sie. Tatsächlich ist die Erklärung für diesen offensichtlichen Widerspruch einfach. Man sollte sich daran erinnern, daß Judentum, besonders in seiner klassischen Form, seinem Wesen nach totalitär ist. Das Verhalten von Anhängern an- derer totalitärer Ideologien unserer Zeit unterschied sich nicht von demjenigen der organisierten amerikanischen Ju- den. STALIN und seine Anhänger wurden niemals müde, die Diskriminierung der amerikanischen oder südafrikanischen Schwarzen zu verdammen, besonders während [engl.: in the midst] der schlimmsten Verbrechen, die innerhalb der UdSSR verübt wurden. Das südafrikanische Apartheid- Regime denunzierte unermüdlich, ebenso wie seine Unter- stützer in anderen Ländern, die Verletzungen der Men- schenrechte, die entweder durch kommunistische oder durch andere afrikanische Regime begangen wurden. Es lassen sich viele ähnliche Beispiele anführen. Die Unterstützung der Demokratie oder der Menschenrechte ist daher sinnlos oder sogar schädlich und betrügerisch, wenn sie nicht mit Selbstkritik beginnt und mit dem Eintreten für die Men- sche nrechte, wenn diese durch die eigene Gruppe verletzt werden. Jede allgemeine Unterstützung der Menschenrechte durch einen Juden, die nicht die Verteidigung der Men- schenrechte derjenigen Nichtjuden einschließt, deren Rechte vom „jüdischen Staat“ verletzt werden, ist ebenso betrüge- risch wie die Unterstützung der Menschenrechte durch einen Stalinisten. Der sichtbare Enthusiasmus, den amerikanische Rabbiner oder die jüdischen Organisationen in den USA während der 1950er und 1960er Jahre bei der Unterstützung der Schwarzen im Süden entfalteten, war nur von Erwägun- 18 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION gen des jüdischen Eigeninteressen motiviert, ebenso wie es die kommunistische Unterstützung derselben Schwarzen war. Ihre Absicht war in beiden Fällen zu versuchen, die Schwarzen-Gemeinschaft politisch zu vereinnahmen, im jüdischen Falle für eine kritiklose Unterstützung der israeli- schen Politik im Mittleren Osten. Daher ist die tatsächliche Prüfung, vor der sowohl israeli- sche als auch Diaspora-Juden stehen, die Prüfung ihrer Selbstkritik, was auch die Kritik der jüdischen Vergangen- heit einschließen muß. Der wichtigste Teil einer solchen Kri- tik muß die eingehende und ehrliche Konfrontation mit der jüdischen Haltung gegenüber Nichtjuden sein. Dies ist ge- nau das, was viele Juden gerechterweise von Nichtjuden verlangen: sich der eigenen Vergangenheit zu stellen und so der Diskriminierung und Verfolgung gewahr zu werden, der die Juden ausgesetzt waren. In den letzten 40 Jahren ist die Zahl der Nichtjuden, die von Juden getötet wurden, bei wei- tem größer, als die Zahl der Juden, die von Nichtjuden getö- tet wurden. Das Ausmaß der Verfolgung und Diskriminie- rung gegenüber Nichtjuden, das vom „jüdischen Staat“ mit der Unterstützung von organisierten Diaspora-Juden verübt wurde, ist ebenfalls erheblich größer als das Leid, das Juden durch ihnen feindliche Regime zugefügt wurde. Obwohl der Kampf gegen den Antisemitismus (und gegen alle anderen Formen des Rassismus) nie aufhören darf, ist heute der Kampf gegen jüdischen Chauvinismus und jüdische Exklusi- vität, was eine Kritik des klassischen Judentums einschlie- ßen muß, von gleicher oder noch größerer Wichtigkeit., ANMERKUNGEN UND REFERENZEN

Anmerkungen und Referenzen Kapitel 1: Israel - ein Utopia für Auserwählte?

1 WALTER LAQUEUR, History of Zionism, Schocken Publi- shers, Tel Aviv, 1974, in Hebräisch. 2 Siehe Yedioth Ahronot, 27. April 1992. 3 In HUGH TREVOR-ROPER, Renaissance Essays, Fontana Press, London, 1985. 4 Siehe MOSES HADAS: Hellenistic Culture, Fusion and Difusion, Columbia University Press, New York 1959, besonders die Kapitel VII und XX.

Kapitel 2: Vorurteile und Halbwahrheiten

1 Die Juden beschrieben sich im allgemeinen selbst als religiöse Gemeinschaft oder, um genau zu sein, als reli- giöse Nation. „Unser Volk ist allein wegen der Thora ein Volk“ (religiöses Gesetz), – diese Äußerung einer der höchsten Autoritäten, des Rabbiners SA'ADIA HAGGA'ON, der im 10. Jahrhundert lebte, ist sprichwörtlich gewor- den. 2 Durch Kaiser JOSEPH II. im Jahre 1782. 3 All dies wird in der volkstümlichen jüdischen Ge- schichtsschreibung gewöhnlich weggelassen, um den Mythos zu verbreiten, daß die Juden ihre Religion durch ein Wunder oder durch eine eigentümliche mystische Kraft bewahrten. 4 Zum Beispiel in ihrer Arbeit Origins of Totalitarianism, von der ein beträchtlicher Teil Juden gewidmet ist. 5 Vor dem Ende des 18. Jahrhunderts war es deutschen Juden von ihren Rabbinern bei Strafe der Exkommuni- kation, Auspeitschung usw. nur erlaubt, deutsch in he- bräischen Buchstaben zu schreiben. 6 Als durch ein Abkommen zwischen dem Römischen Reich und den jüdischen Führern (der Dynastie der Ne- si’im) alle Juden im Reiche der steuerlichen und diszi- 18 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION plinarischen Autorität dieser Führer und ihrer rabbini- schen Gerichte unterworfen wurden, die sich ihrerseits verpflichteten, Ordnung unter den Juden zu halten. 7 Ich schreibe dieses als Nicht-Sozialist. Aber ich werde Menschen, deren Prinzipien ich nicht zustimmen kann, achten und respektieren, wenn sie sich ehrlich bemü- hen, ihren Prinzipien treu zu bleiben. Umgekehrt ist nichts so verachtenswert wie die unehrliche Verwen- dung allgemeiner Prinzipien – seien sie wahr oder falsch – für die egoistischen Ziele eines Einzelnen oder, was noch schlimmer ist, einer Gruppe. 8 Tatsächlich wurden offensichtlich viele Aspekte des or- thodoxen Judentums durch den verderblichen politi- schen Einfluß PLATONs aus Sparta übernommen. Siehe zu diesem Thema die ausgezeichneten Kommentare von MOSES HADAS, Hellenistic Culture, Fusion and Diffusi- on, Columbia University Press, New York, 1959. 9 Einschließlich der Geographie Palästinas und tatsäch- lich seiner genauen Lage. Dies wird durch die Ausrich- tung aller Synagogen in Ländern wie Polen und Ruß- land demonstriert: Juden beten in die Richtung, in der sie Jerusalem vermuten, und die europäischen Juden, die nur eine unklare Vorstellung von der Lage Jerusa- lems hatten, nahmen immer an, daß es im Osten läge, wohingegen es für sie tatsächlich näher zum Süden lag. 10 Dieses Kapitel hindurch verwende ich den Ausdruck „klassisches Judentum“, um mich auf das rabbinische Judentum zu beziehen, wie es nach etwa 800 n.d.Ztr. in Erscheinung trat und bis zum Ende des 18. Jahrhun- derts fortbestand. Ich vermeide den Begriff „normatives Judentum“, welchen viele Autoren mit annähernd glei- cher Bedeutung verwenden, weil er meiner Meinung nach ungerechtfertigte Nebenbedeutungen hat. 11 Die Werke hellenistischer Juden, so wie PHILO VON ALEXANDRIEN, stellen eine Ausnahme dar. Sie wurden geschrieben, bevor das klassische Judentum eine Positi- on alleiniger Vorherrschaft erlangte. Sie wurden unter den Juden später tatsächlich unterdrückt und überleb- ten nur, weil christliche Mönche sie als geistesverwandt empfanden., ANMERKUNGEN UND REFERENZEN 12 Während des gesamten Zeitraumes von 100 n.d.Ztr. bis 1500 wurden zwei Reisebücher und eine Geschichte talmudischer Studien geschrieben – ein kurzes, unge- naues und langweiliges Buch, das überdies von einem geringgeschätzten Philosophen (ABRAHAM BEN-DAVID, Spanien um 1170) verfaßt wurde. 13 Me'or 'Eynayim des 'AZARYA DE ROSSI von Ferrara, Itali- en, 1574. 14 Die bekanntesten Fälle ereigneten sich in Spanien; z.B. konvertierte (unter Verwendung ihrer angenommenen christlichen Namen) Meister ALFONSO VON VALLADOLID im Jahre 1320, sowie PAUL VON SANTA MARIA 1390 und 1415 zum Bischof von Burgos ernannt. Aber es können viele andere Fälle aus ganz Westeuropa zitiert werden. 15 Gewiß waren der Stil und auch die Folgerungen sehr viel besser als in den Disputationen, in denen Christen der Ketzerei beschuldigt wurden – z.B. jene, in denen PETER ABELARD oder die strengen Franziskaner ver- dammt wurden. 16 Die stalinistischen und chinesischen Beispiele sind hin- reichend gut bekannt. Es ist jedoch erwähnenswert, daß die Verfolgung ehrlicher Historiker in Deutschland sehr früh begann. Im Jahre 1874 wurde H. EWALD, Professor in Göttingen, inhaftiert, weil er „unrichtige“ Ansichten über die hundert Jahre früher stattgefundenen Erobe- rungen FRIEDRICHs II. geäußert hatte. Die Situation in Israel ist ähnlich: Die schlimmsten Angriffe gegen mich wurden nicht durch die heftigen Ausdrücke hervorgeru- fen, die ich bei meiner Verurteilung des Zionismus und der Unterdrückung der Palästinenser verwendete, son- dern durch einen meiner frühen Artikel über die Rolle der Juden im Sklavenhandel, in welchem der zuletzt von mir zitierte Fall aus dem Jahre 1870 stammt. Der Artikel wurde vor dem Kriege von 1967 veröffentlicht; heutzutage würde seine Veröffentlichung unmöglich sein. 17 Schließlich mußten auch noch einige andere Textpassa- gen entfernt werden, z.B. solche, die theologisch absurd schienen (wo z.B. von Gott gesagt wird, daß er zu sich selbst betet oder körperlich einige der Rituale ausführt, 19 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION die dem einzelnen Juden auferlegt sind) oder jene, die allzu offen die sexuellen Eskapaden altehrwürdiger [engl.: ancient] Rabbiner verherrlichten. 18 Traktat Berakhot, Seite 58 b. 19 „Eure Mutter stehet mit großen Schanden, und die euch geboren hat, ist zum Spott (ge)worden; ...“ Jeremia, 50:12. 20 Veröffentlicht von Boys Town, Jerusalem, und heraus- gegeben von MOSES HYAMSON, einem der angesehensten Gelehrten des Judentums in Britannien. 21 Die vermuteten Begründer der Sadduzäer-Sekte [Anm. d. Übers.: Die Sadduzäer waren etwa 150 v.d.Ztr bis 70 n.d.Ztr. eine jüdische Partei des Priesteradels, die wahr- scheinlich nach dem Hohenpriester SALOMOs, ZADOK, benannt wurde. Sie waren Gegner der Pharisäer und erkannten nur die fünf Bücher Mose als Offenbarung an; sie lehnten Auferstehungshoffnung und Engelsglau- ben ab (Bertelsmann Neues Lexikon, 1996).]. 22 Ich freue mich mitteilen zu können, daß in einer kürz- lich herausgekommenen neuen Übersetzung (Chicago University Press) das Wort „Schwarze“ tatsächlich vor- kommt, aber bei dem schweren und sehr teuren Band ist es bis jetzt unwahrscheinlich, daß er in die „falschen“ Hände gerät. In ähnlicher Weise durften in England An- fang des 19. Jahrhunderts radikale Bücher (solche wie von GODWIN) unter der Voraussetzung erscheinen, daß sie in einer sehr teuren Ausgabe herausgegeben wurden. 23 In diesem Zusammenhang kann eine zusätzliche Tatsa- che erwähnt werden: Es war für einen jüdischen Gelehr- ten des Islam, BERNHARD LEWIS (der vormals in London lehrte und jetzt in den USA unterrichtet), durchaus möglich – und offensichtlich ehrbar –, einen Artikel im Encounter zu veröffentlichen, in dem er auf viele Textpassagen in der islamischen Literatur hinweist, die seiner Meinung nach gegen Schwarze gerichtet sind, aber keine von ihnen kommt auch nur im entferntesten den oben erwähnten Passagen nahe. Es wäre heute oder in den letzten 30 Jahren für jedermann völlig unmög- lich, in irgendeiner angesehenen amerikanischen Zeit- schrift [engl.: publication] die obige Passage oder die, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN vielen anderen beleidigenden anti-Schwarzen talmu- dischen Textpassagen zu diskutieren. Doch ohne eine kritische Betrachtung aller Seiten reduziert sich der al- leinige Angriff auf den Islam zu nichts anderem als üb- ler Nachrede.

Kapitel 3: Orthodoxie und Auslegung

1 Wie in Kapitel 2 verwende ich den Ausdruck „klassi- sches Judentum“, um das rabbinische Judentum in dem Zeitabschnitt von ungefähr 800 n.d.Ztr. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zu besprechen. Diese Periode fällt weitestgehend mit dem jüdischen Mittelalter zusam- men, denn für die meisten jüdischen Gemeinschaften bestanden die mittelalterlichen Verhältnisse viel länger als für die westeuropäischen Nationen, nämlich bis zur Zeit der Französischen Revolution. Das, was ich als „klassisches Judentum“ bezeichne, kann als mittelalter- liches Judentum angesehen werden. 2 Exodus [2. Buch Mose], 15:11. 3 ebenda [2. Buch Mose], 20:3-6 [Anmerkung des Überset- zers: Da die Juden ihren Gott JHWH nicht mit Namen nennen dürfen, wird sein Name u.a. mit „der Herr“ um- schrieben; in der LUTHER-Übersetzung der Bibel müßte es daher statt „der Herr“ regelmäßig und richtigerweise immer „JHWH“ (= Jahweh) heißen.]. 4 Jeremia, 10. Kapitel; dasselbe Thema wird noch am Ende des 2. Kapitels Jesaja wiederholt, siehe auch Je- saja Kapitel 44. 5 Die Kabbala ist natürlich eine esoterische Lehre und ihr ausführliches Studium war auf Gelehrte beschränkt. In Europa wurden besonders nach etwa 1750 extreme Maßnahmen getroffen, um sie geheimzuhalten und ihr Studium verboten, außer durch ausgebildete Gelehrte und unter strenger Aufsicht. Die ungebildeten jüdischen Massen des östlichen Europas hatten keine wirklichen Kenntnisse von der kabbalistischen Lehre. Aber die Kabbala sickerte zu ihnen durch in Form von Aberglau- ben und magischen Übungen. 19 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION 6 Viele zeitgenössische jüdische Mystiker glauben, daß man das gleiche Ziel schneller durch Krieg gegen die Araber erreichen könne, durch die Vertreibung der Pa- lästinenser oder sogar durch die Errichtung vieler jüdi- scher Siedlungen auf der Westbank. Auch die wachsen- de Bewegung für den Bau des dritten Tempels basiert ebenfalls auf solchen Ideen. 7 Das hier gebrauchte hebräische Wort yihud – das buch- stäblich Vereinigung in Abgeschlossenheit bedeutet – ist dasselbe, das in Gesetzestexten (die sich mit Heirat usw. befassen) benutzt wird, um auf Geschlechtsverkehr Be- zug zu nehmen. 8 Die sogenannte Qedushah Shlishit (dritte Heiligkeit), die in das Gebet Uva Letzion gegen Ende des Frühgot- tesdienstes eingefügt ist. 9 Numbers [4. Buch Mose], 29. 10 Die Macht Satans und seine Verbindung zu Nichtjuden wird durch ein weitverbreitetes Brauchtum veranschau- licht, das unter kabbalistischem Einfluß in vielen jüdi- schen Gemeinschaften seit dem 17. Jahrhundert entstand. Eine jüdische Frau, die von ihrem monatlichen rituellen Reinigungsbad (nach welchem Geschlechtsverkehr mit Ihrem Ehegatten obligatorisch ist) zurückkehrt, muß sich davor hüten, einem der vier satanischen Wesen zu begegnen: Nichtjude, Schwein, Hund oder Esel. Falls sie irgendeinem von ihnen begegnet, muß sie ein weiteres Bad nehmen. Der Brauch wurde (unter anderem) im Shevet Musar empfohlen, einem Buch über jüdisches moralisches Verhalten, das erstmals 1712 veröffentlicht wurde und bis Anfang dieses Jahrhunderts eines der populärsten Bücher sowohl unter den Juden in Osteuropa als auch in den islamischen Länder war und das noch immer in einigen orthodoxen Kreisen viel gelesen wird. 11 Dieses ist peinlich genau vorgeschrieben. So darf die rituelle Handwaschung z.B. nicht unter einem Wasser- hahn stattfinden; jede Hand muß einzeln in Wasser aus einem Krug (mit vorgeschriebener Mindestgröße), der mit der anderen Hand gehalten wird, gewaschen wer- den. Falls man wirklich schmutzige Hände hat, ist es, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN ganz unmöglich, sie auf diese Weise zu reinigen; doch solche nüchternen Überlegungen sind offensichtlich irrele- vant. Das klassische Judentum schreibt eine große Anzahl solcher im einzelnen dargelegter Rituale vor, denen die Kabbala eine tiefsinnige Bedeutung beimißt. So gibt es z.B. viele genaue Regeln, die das Verhalten im Waschraum betreffen. Ein Jude, der seine Notdurft im Freien verrichtet, darf dies nicht in einer Nord-Süd-Richtung tun, weil der Norden mit Satan in Verbindung gebracht wird. 12 „Interpretation“ ist meine eigene Ausdrucksweise. Die klassische (und gegenwärtige orthodoxe) Sichtweise ist, daß die talmudische Auffasssung, selbst wenn sie im buchstäblichen Sinn gegensätzlich ist, immer die anzu- wendende war. 13 Einer zweifelhaften Geschichte zufolge bemerkte ein berühmter jüdischer Ketzer des 19. Jahrhunderts in diesem Zusammenhang, daß der Vers „Du sollst nicht ehebrechen“ nur zweimal wiederholt wird: „Vermutlich ist es einem daher verboten, Ehebruch zu essen oder ihn zu kochen, ihn aber zu genießen, ist in Ordnung.“ 14 Das hebräische [Wort] re'akha wird in der King-JAMES- Version (und in den meisten anderen englischen Über- setzungen) etwas ungenau als „dein Nachbar“ [engl.: „thy neighbour“] wiedergegeben. Siehe jedoch im 2. Buch Samuel, 16:17, wo genau dasselbe Wort von der King-JAMES-Version [Anm. d. Übers.: ebenso wie in der deutschen LUTHER-Übersetzung] richtigerer mit „dei- nem Freunde“ [engl.: „thy friend“] übersetzt wird. 15 Die Mischna ist von all diesem bemerkenswert frei und insbesondere der Glaube an Dämonen und Hexerei kommt in ihr verhältnismäßig selten vor. Der babyloni- sche Talmud ist dagegen voll von ungeheuerlichen aber- gläubischen Vorstellungen. 16 Oder, um genau zu sein, in vielen Teilen Palästinas. Offensichtlich sind die Gebiete, für welche das Gesetz gilt, jene, in denen es um 150 n.d.Ztr. bis etwa 200 eine überwiegende Vorherrschaft durch eine jüdische Bevöl- kerungsmehrheit gab. 17 Deshalb richten nichtzionistische orthodoxe Juden in 19 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Israel während der Sabbatjahre besondere Geschäfte ein, die Obst und Gemüse verkaufen, das von Arabern auf arabischem Boden angebaut wurde. 18 Im Winter 1945/1946 nahm ich selbst als Junge unter 13 Jahren an solchen Maßnahmen teil. Der Mann, der in der religiösen Landwirtschaftsschule – die ich damals besuchte – mit der Leitung der landwirtschaftlichen Ar- beiten beauftragt war, war ein besonders frommer Jude und dachte, daß es sicher sein würde, wenn die entschei- dende Handlung, das Entfernen der Pappe [oder des Brettes], von einer Waise unter 13 Jahren durchgeführt würde, die noch außerstande sei, eine Sünde zu begehen oder irgend jemanden dazu zu veranlassen, sich einer Sünde schuldig zu machen. (Ein Junge unterhalb dieses Alters kann keiner Sünde schuldig sein; sein Vater wird, falls er einen hat, als verantwortlich betrachtet.) Mir wurde vorher alles genau erklärt, einschließlich meiner Pflicht zu sagen: „Ich brauche diese Pappe“ [oder dieses Brett]; obwohl es in Wirklichkeit nicht benötigt wurde. 19 Beispielsweise verbietet der Talmud einem Juden, sich an dem Licht einer Kerze zu erfreuen, die ein Nichtjude am Sabbat entzündet hat, es sei denn, daß letzterer sie für seinen eigenen Gebrauch entzündet hatte, bevor der Jude den Raum betrat. 20 Einer meiner Onkel wandte vor dem Jahre 1939 in War- schau eine raffiniertere Methode an. Er beschäftigte ein nichtjüdisches Mädchen mit dem Namen Marysia und hatte die Angewohnheit, wenn er von seiner Samstag- Mittagsruhe erwachte, zuerst leise zu sagen: „Wie schön würde es sein, wenn“, – und dann mit erhobener Stimme zu rufen: „ ... Marysia uns eine Tasse Tee bringen wür- de!“ Er wurde für einen sehr frommen und gottesfürch- tigen Mann gehalten und hätte nie im Traum auch nur einen Tropfen Milch früher als sechs Stunden nach ei- ner Fleischmahlzeit getrunken. In seiner Küche gab es zwei Spülbecken: eines zum Abwaschen des Geschirrs, das für den Verzehr von Fleisch benutzt wurde, das an- dere für das Milchgeschirr. 21 Gelegentlich kommen bedauerliche Fehler vor, weil ei-, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN nige dieser Arbeiten ganz angenehm sind, da sie dem Beschäftigten in jeder Woche sechs freie Tage besche- ren. Die Stadt Bney Braq (bei Tel-Aviv), die fast aus- schließlich von orthodoxen Juden bewohnt wird, wurde in den 1960er Jahren von einem schrecklichen Skandal erschüttert. Beim Tode des „Sabbat-Goys“, den sie seit über 20 Jahren beschäftigten, um an den Samstagen über ihre Wasserversorgung zu wachen, wurde ent- deckt, daß er in Wirklichkeit gar kein Christ, sondern ein Jude war! Als daher sein Nachfolger, ein Druse, ein- gestellt wurde, verlangte und erhielt die Stadt von der Regierung ein Dokument mit der Bescheinigung, daß der neue Angestellte ein Nichtjude von rein nichtjüdi- scher Herkunft sei. Es geht das glaubwürdige Gerücht um, daß die Geheimpolizei gebeten wurde, diese Ange- legenheit zu untersuchen. 22 Im Gegensatz dazu kann einfacher Religionsunterricht gegen Bezahlung erteilt werden. Dieser wurde immer als niedere Arbeit angesehen und schlecht bezahlt. 23 Ein anderes „außerordentlich wichtiges“ Ritual ist das Blasen eines Widderhorns zu Rosch ha Schana [Anm. d. Übers.: wörtlich Haupt des Jahres = zweitägiges jüdi- sches Neujahrsfest], dessen Zweck es ist, Satan zu ver- wirren.

Kapitel 4: Der Einfluß der Geschichte

1 Siehe z.B. Jeremia, 44, besonders die Verse 15-19. Für eine ausgezeichnete Bearbeitung gewisser Aspekte die- ses Themas siehe RAPHAEL PATAI, The Hebrew Goddess, Ktav, USA 1967. 2 Esra, 7:25-26. Die letzten beiden Kapitel des Buches Esra befassen sich hauptsächlich mit ESRAs Bemühun- gen, die „reinen“ Juden („die heilige Saat“) von „den Menschen des Landes“ (die selbst mindestens teilweise jüdischer Herkunft waren) zu trennen und Mischehen aufzulösen. 3 W.F. ALBRIGHT, Recent Discoveries in Bible Lands, Funk & Wagnall, New York, 1955, Seite 103. 19 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION 4 Es ist bezeichnend, daß zusammen mit dieser literari- schen Sammlung, all die historischen Bücher, die von Juden nach etwa 400 v.d.Ztr. geschrieben worden waren, ebenfalls abgelehnt wurden. Bis zum 19. Jahrhundert wußten Juden überhaupt nichts von der Geschichte Massadahs [Anm. d. Übers.: auch Masada oder Mezada; diese antike Bergfestung wurde 71-73 n.d.Ztr. von den Römern zwei Jahre lang im jüdischen Freiheitskrieg bela- gert und erst nach Selbstmord der Verteidiger einge- nommen; heute Nationalheiligtum der israelischen Juden] und solchen Persönlichkeiten wie JUDAS MAKKABÄUS [Anm. d. Übers.: das jüdische Herrschergeschlecht der Hasmonäer mit dem Beinamen Makkabäer befreite das jüdische Volk im Makkabäer-Aufstand 167-142 v.d.Ztr. von der Herrschaft der Seleukiden], die heute von vielen (besonders von Christen) als zum „eigentlichen Wesen“ des Judentums zugehörig betrachtet werden. 5 Acts [Apostelgeschichte], 18:15. 6 ebenda [Apostelgeschichte], 25. 7 Siehe Anmerkung 6 zu Kapitel 2. 8 Bezüglich des Begriffes „klassisches Judentum“ siehe Anmerkung 10 zu Kapitel 2 und Anmerkung l zu Kapi- tel 3. 9 Die Nobelpreis-Gewinner AGNON und BASHEVIS SINGER sind Beispiele hierfür; es können aber viele andere ge- nannt werden, besonders BIALIK, der hebräische Natio- naldichter. In seinem berühmten Gedicht Mein Vater beschreibt er, wie sein frommer Vater trunksüchtigen Bauern, die als Tiere dargestellt werden, Wodka ver- kauft. Dieses sehr volkstümliche Gedicht, das in allen israelischen Schulen gelehrt wird, ist eines der Mittel, durch welche die antibäuerliche Einstellung wiederer- weckt [engl.: reproduced] wird. 10 Soweit es die zentrale Macht des jüdischen Patriarchats betraf, wurde das Abkommen von THEODOSIUS II. durch eine Reihe von Gesetzen beendet, die im Jahre 429 n.d.Ztr. ihren Höhepunkt erreichten; aber viele örtliche Übereinkommen blieben in Kraft. 11 Ein anderes charakteristisches Beispiel ist vielleicht das, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN Parther-Reich (bis 225 n.d.Ztr.), von dem aber nicht ge- nug bekannt ist. Wir wissen jedoch, daß die Errichtung des nationalen iranischen Sassaniden-Reiches den un- mittelbaren Niedergang der jüdischen Position verur- sachte. 12 Dieses Verbot erstreckt sich auch auf die Heirat einer zum Judentum konvertierten Frau, weil die Halacha von allen nichtjüdischen Frauen als gegeben voraussetzt, daß sie Huren sind. 13 Eine verbotene Ehe ist gewöhnlich nicht unwirksam und bedarf einer Scheidung. Die Scheidung ist dem Namen nach eine willentliche Handlung seitens des Ehegatten, aber unter bestimmten Umständen kann ein rabbini- sches Gericht ihn zwingen, es zu „wollen“ (kofin oto 'ad sheyyomar rotzeh aní). 14 Obwohl die jüdischen Leistungen während des goldenen Zeitalters im moslemischen Spanien (1002-1147) hervor- ragend waren, waren sie nicht dauerhaft. So wurde z.B. das meiste der herrlichen hebräischen Dichtkunst dieses Zeitalters hernach von den Juden vergessen und erst im 19. oder 20. Jahrhundert von ihnen wiederentdeckt. 15 Während dieses Krieges benutzte HEINRICH VON TRA- STAMARA antijüdische Propaganda, obwohl seine eigene Mutter LEONOR DE GUZMAN, eine hohe kastilianische Adlige, teilweise jüdischer Abstammung war. (Nur in Spanien verheiratete sich der Hochadel mit Juden.) Nach seinem Sieg beschäftigte er auch Juden in den höchsten Stellungen der Finanzverwaltung. 16 Bis zum 18. Jahrhundert wurde allgemein angenom- men, daß die Stellung der Leibeigenen in Polen sogar noch schlechter sei als in Rußland. In diesem Jahrhun- dert wurden gewisse Merkmale der russischen Leibei- genschaft, so wie der öffentliche Verkauf von Leibeige- nen, schlimmer als in Polen. Aber die zentrale zaristi- sche Regierung behielt sich immer eine gewisse Macht über die versklavten Bauern vor, z.B. das Recht, sie für die nationale Armee zu rekrutieren. 17 Während der vorhergehenden Periode waren Verfolgun- gen von Juden selten. Dies gilt für das Römische Reich sogar nach ernsthaften jüdischen Aufständen. GIBBON 19 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION preist zu recht die Liberalität des ANTONIUS PIUS (und des MARCUS AURELIUS) gegenüber Juden schon bald nach dem großen Bar Kochba-Aufstand von 132-135 n.d.Ztr. 18 Auf diese Tatsache, die durch eine Prüfung der Einzel- heiten jeder Verfolgung leicht feststellbar ist, wird in der letzten Zeit von den überwiegend unspezialisierten Geschichtsschreibern nicht hingewiesen. Eine rühmliche Ausnahme ist HUGH TREVOR-ROPER, The Rise of Chri- stian Europe, Thames and Hudson, London 1965, Seite 173-174. TREVOR-ROPER ist auch einer der sehr wenigen modernen Historiker, die die überwiegend jüdische Rolle im frühen mittelalterlichen Sklavenhandel zwischen dem christlichen (und heidnischen) Europa und der moslemi- schen Welt (ebenda Seite 92 f.) erwähnen. Um diese Abscheulichkeit zu fördern – worauf ich hier aus Platzmangel nicht näher eingehen kann – erlaubte MAI- MONIDES Juden im Namen der jüdischen Religion, nichtjüdische Kinder in die Sklaverei zu entführen; und nach dieser Ansicht hat man sich zweifellos gerichtet oder sie spiegelte sich in der zeitgenössischen Praxis wider. 19 Beispiele können in jeder Geschichte der Kreuzzüge gefunden werden. Siehe dazu insbesondere S. RUNCI- MAN, A History of the Crusades [Eine Geschichte der Kreuzzüge], Band l, Buch 3, Kap. l, „The German Crusade“ [Der deutsche Kreuzzug]. Die nachfolgende Niederwerfung dieses Feindes durch die ungarische Armee „erschien den meisten Christen als eine gerechte Strafe, die den Mördern der Juden vom Himmel zuge- messen wurde.“ 20 JOHN STOYE, Europe Unfolding 1648-88, Fontana, Lon- don, Seite 46. 21 Der zuletzt genannte charakteristische Vorgang [der „Gegen-Terror“] wird natürlich von der anerkannten jü- dischen Geschichtsschreibung nicht erwähnt. Die übli- che Bestrafung eines aufrührerischen,, oder selbst „un- verschämten“ Bauern war die Pfählung. 22 Das gleiche kann in verschiedenen Regionen eines gege- benen Landes beobachtet werden. So war in Deutsch-, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN land z.B. das bäuerliche Bayern viel antisemitischer als die industrialisierten Gebiete. 23 „Die Weigerung der Kirche, [das Prinzip] ,einmal Jude immer Jude' gelten zu lassen, war eine weitere Ursache der Pein für einen großtuerischen [engl.: ostentatious] Katholiken wie DRUMONT. Einer seiner Oberleutnants, JULES GUERIN, hat von seinem Widerwillen berichtet, den er empfand, als der berühmte Jesuit PERE DU LAC ihm Vorwürfe wegen seiner Angriffe auf einige konver- tierte Juden namens DREYFUS machte. D.W. BROGAN, The Development of Modern France, Band, l, Harper Torchbooks, New York 1966, Seite 227. 24 Ebenda. 25 Lassen Sie mich den irrationalen, dämonischen Charakter des Rassismus, den dieser zuweilen erreichen kann, an drei wahllos herausgegriffenen Beispielen veranschaulichen: Der größte Teil der Vernichtung der europäischen Juden wurde im Jahre 1942 und Anfang 1943 während der Nazi- Offensive in Rußland durchgeführt, welche mit ihrer Niederschlagung bei Stalingrad ihren Höhepunkt erreichte. Während der acht Monate zwischen Juni 1942 und Februar 1943 benutzten die Nazis wahrscheinlich mehr Eisen- bahnwaggons, um Juden zu den Gaskammern zu trans- portieren, als für den Transport dringend benötigter Versorgungsgüter für die Wehrmacht. Bevor sie in den Tod geschickt wurden, waren die meisten dieser Juden, mindestens in Polen, sehr erfolgreich mit der Produktion von Ausrüstung für die deutsche Wehrmacht beschäftigt. Das zweite, ziemlich weit zurückliegende Beispiel stammt aus einer Beschreibung der Sizilianischen Vesper im Jahre 1282: „Jeder Franzose, den sie trafen, wurde niedergeschlagen. Sie strömten in die von den Franzosen besuchten Gaststätten und in die Häuser, in denen sie wohnten, schonten weder Mann noch Frau noch Kind … Die Aufrührer brachen in die Klöster der Dominikaner und Franziskaner ein, und alle fremden Mönche wurden herausgeschleppt und aufgefordert, das Wort „ciciri“ auszusprechen, dessen Klang die französische Zunge niemals fehlerfrei wiederzugeben vermochte. Jeder, der 20 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION bei diesem Test durchfiel, wurde erschlagen.“ (S. RUNCI- MAN, The Sicilian Vespers, Cambridge University Press, 1958, Seite 215) Das dritte Beispiel ist jüngeren Datums: Im Sommer des Jahres 1980 versammelte sich – nach einem Mordversuch jüdischer Terroristen, durch welchen Bürgermeister BASSAM SHAK'A von Nablus beide Beine verlor und Bürgermeister KARIM KHALAF von Ramallah einen Fuß – eine Gruppe jüdischer Nazis auf dem Hochschulgelände der Universtität von Tel-Aviv, grillte einige Katzen und bot ihr Fleisch Vorübergehenden als „shish-kebab aus den Beinen der arabischen Bürger- meister“ an. Jeder, der so wie ich Zeuge dieser makabren Orgie war, würde zugeben müssen, daß einige Schreckens- handlungen bei unserem gegenwärtigen Wissensstand einer Erklärung trotzen. 26 Einer der frühen Einfalle von JABOTINSKY (Gründer der Partei, die später von BEGIN geführt wurde) war gegen 1912 der Vorschlag, zwei jüdische Staaten zu erschaffen, einen in Palästina und den anderen in Angola: Der er- stere, der arm an Bodenschätzen sei, würde durch die Reichtümer des letzteren finanziell unterstützt werden. 27 HERZL ging im August 1903 nach Rußland, um weniger als vier Monate nach dem entsetzlichen Kishinev-Pogrom VON PLEHVE zu treffen, von dem bekannt war, hierfür verantwortlich zu sein. HERZL schlug ein Bündnis vor, das auf dem beiderseitigen Wunsch basierte, die meisten der Juden aus Rußland herauszuholen und die jüdische Unterstützung für die sozialistische Bewegung in kürzerer Frist abzuziehen. Der zaristische Minister begann das erste Interview (am 8. August) mit der Bemerkung, daß er sich selbst als „eifrigen Unterstützer des Zionismus“ betrachte. Als HERZL fortfuhr, die Ziele des Zionismus zu beschreiben, unterbrach ihn VON PLEHVE: „Sie predigen zu dem Bekehrten“. AMOS ELON, Herzl ,'Am 'Oved, 1976, Seite 415-419, in Hebräisch. 28 Dr. JOACHIM PRINZ, Wir Juden, Berlin 1934, Seite 150 f. 29 Ebenda, Seite 154 f. 30 Siehe z.B. ebenda, Seite 163. Sogar noch schlimmere Sympathiebekundungen für den Nazismus wurden von der extremistischen Lohamey Herut Yisra'el (Stern-, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN Bande) noch Ende 1941 geäußert. Dr. PRINZ war nach zionistischen Begriffen eine „Taube“. In den 1970er Jah- ren förderte [am.: patronised] er sogar die US-jüdische Bewegung Breira, bis GOLDA MEIR ihm davon abriet.

Kapitel 5: Die Gesetze gegen Nichtjuden

1 MAIMONIDES, Mishneh Torah [Mischna Thora], „Gesetze gegen Mörder“ 2, 11; Talmudic Encyclopedia, „Goy“ [= Nichtjude]. 2 Rabbi YO'EL SIRKIS, Bayit Hadash, Kommentar zu Beyt Josef, „Yoreh De'ah“ 158. Die beiden eben erwähnten Vorschriften gelten sogar, falls das nichtjüdische Opfer ger toshav ist, d.h. ein „ortsansässiger Fremder“, der sich vor drei jüdischen Zeugen verpflichtet hat, die „sie- ben noachidischen Gebote“ (sieben biblische Gesetze, die nach Auffassung des Talmuds an Nichtjuden gerichtet sind) einzuhalten. 3 Rabbiner DAVID HALEVI (Polen, 17. Jahrhundert), Turey Zahav zum Shulhan 'Arukh [Schulchan Aruch], „Yoreh De'ah“ 158. 4 Dieser Begriff der „Feindseligkeit“ wird später erörtert werden. 5 Talmudic Encyclopedia, „Ger“ (= Konvertieren zum Ju- dentum). 6 So z.B. Rabbiner SHABBTAY KOHEN (Mitte des 17. Jahr- hunderts), Siftey Kohen zum Schulchan Aruch, „Yoreh De'ah“, 158: „Aber in Kriegszeiten war es der Brauch, sie mit den eigenen Händen zu töten, denn es heißt, ,Den besten der Nichtjuden – töte ihn!'“ Siftey Kohen und Turey Zahav (siehe Anmerkung 3) sind die beiden bedeutendsten klassischen Kommentare zum Schulchan Aruch. 7 Oberst-Rabbiner A. AVIDAN (Zemel), „Tohar hannesheq le'or hahalakhah“ (= „Reinheit der Waffen im Lichte der Halacha“) in Be‘iqvot milhemet yom hakkippurim – pir- qey hagut, halakhah umehqar (In the Wake of the Yom Kippur War – Chapters of Meditation, Halakhah and 20 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Research), Central Region Command [Kommando der Cen- tralregion], 1973: zitiert in Ha'olam Hazzeh, 5. Januar 1974; ebenfalls zitiert von DAVID SHAHAM, „A chapter of meditation“, Hotam, 28. März 1974; und von AMNON RUBINSTEIN, „Who falsifies the Halakhah?“, Ma'ariv, 13. Oktober 1975. RUBINSTEIN berichtet, daß die Broschüre später auf Befehl des Generalstabschefs aus dem Ver- kehr gezogen wurde, vermutlich weil sie Soldaten dazu ermutigte, seine eigenen Befehle zu mißachten; er be- klagt sich aber darüber, daß Rabbiner AVIDAN nicht vor ein Kriegsgericht gestellt worden sei, noch daß irgend- ein Rabbiner – militärisch oder zivil – Einwendungen gegen das vorgebracht hat, was er geschrieben hatte. 8 Rabbiner SHIM'ON WEISER, „Purity of weapons – an ex- change of letters“ im Niv Hammidrashiyyah Yearbook, von Midrashiyyat No'am, 1974, Seiten 29-31. Das Jahr- buch erscheint in Hebräisch, Englisch und Französisch, aber die hier zitierten Textpassagen sind nur in Hebrä- isch gedruckt. 9 Psalmen, 42:3. 10 „Thou shalt blot out the remembrance of Amalek from under heaven“ [sollst du das Gedächtnis der Amalekiter austilgen unter dem Himmel], Deuteronomium * [5. Buch Mose], 25:19. Vgl. auch 1. Buch Samuel, 15:3: „Now go and smite Amalek, and utterly destroy all that they have, and spare them not; but slay both man and woman, infant and suckling, ox and sheep, camel and ass.“ [„So zeuch nun hin, und schlag die Amalekiter, und verbanne sie mit allem, was sie haben. Schone ihrer nicht; sondern töte beide, Mann und Weib, Kinder und Säuglinge, Ochsen und Schafe, Kamele und Esel.“ LUTHER-Bibel, 1902] 11 Wir ersparen dem Leser die meisten dieser ziemlich gewundenen Bezugnahmen und Zitate aus talmu- dischen und rabbinischen Quellen. Solche Auslassungen sind mit [...] gekennzeichnet. Des Rabbiners eigene * Anm. d. Übers.: Deuteronomium [griechisch-lateinisch: zweite Ge- setzgebung] ist eine Bezeichnung für das 5. Buch Mose., ANMERKUNGEN UND REFERENZEN Schlußfolgerungen werden vollständig wiedergegeben. 12 Die Tosafot (wörtlich: Addenda = Nachträge, Zusätze) sind eine Sammlung von erklärenden Randbemerkun- gen (Scholien) zum Talmud, die aus dem 11. bis 13. Jahrhundert stammen. 13 Personen, die sich solcher Verbrechen schuldig gemacht haben, ist es sogar erlaubt, in hohe öffentliche Ämter aufzusteigen. Ein Beispiel hierfür ist der Fall von SHMU'EL LAHIS, der für das Massaker an 50 bis 75 ara- bischen Bauern verantwortlich war, die in einer Mo- schee eingesperrt waren, nachdem ihr Dorf während des Krieges von 1948-1949 von der israelischen Armee er- obert worden war. Nach einer pro-forma Gerichtsver- handlung wurde ihm dank BEN GURIONs Fürsprache vollständige Amnestie gewährt. Der Mann wurde später ein angesehener Rechtsanwalt und Ende der 1970er Jahre zum Generaldirektor der Jewish Agency (die in Wirklichkeit die Exekutive der zionistischen Bewegung ist) ernannt. Anfang 1978 wurden diese Tatsachen über seine Vergangenheit ausführlich in der israelischen Presse diskutiert, aber kein Rabbiner oder rabbinischer Gelehrter stellte Fragen, weder zu seiner Amnestie noch bezüglich seiner Eignung für das neue Amt. Seine Er- nennung wurde nicht widerrufen. 14 Shulhan 'Arukh [Schulchan Aruch], „Hoshen Mishpat“ 426. 15 Traktat 'Avodah Zarah, Seite 26b. 16 MAIMONIDES, a.a.O., „Mörder“ 4, 11. 17 Leviticus [3. Buch Mose] 19:16. Hinsichtlich der Wieder- gabe von „dein Nächster“ [engl.: „thy fellow“] siehe An- merkung 14 zu Kapitel 3. 18 MAIMONIDES, a.a.O., „Götzendienst“ 10, 1-2. 19 In beiden Fällen im Abschnitt „Yoreh De'ah“ 158. Der Schuchan Aruch wiederholt die gleiche Lehrmeinung in „Hoshen Mishpat“ 425. 20 MOSES RIVKES, Be'er Haggolah zum Schulchan Aruch, „Hoshen Mishpat“ 425. 21 So zitiert Prof. JACOB KATZ in seinem hebräischen Buch „Between Jews and Gentiles“ [Zwischen Juden und Nichtjuden] ebenso wie in seiner mehr rechtfertigenden 20 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION englischen Version „Exclusiveness and Tolerance“ nur diese Textpassage wortgetreu und kommt zu der er- staunlichen Schlußfolgerung, daß „hinsichtlich der Ver- pflichtung, Leben zu retten, keine unterschiedliche Be- handlung von Juden und Christen stattfinden sollte“. Er nennt keine der maßgeblichen Auffassungen, die ich oben oder im nächsten Abschnitt zitiert habe. 22 MAIMONIDES, a.a.O., „Sabbat“ 2, 20-21; Schulchan Aruch, „Orah Hayyim“ 329. 23 Rabbiner 'AQUIVA EIGER, Kommentar zum Schulchan Aruch, ebenda. Er fügt auch hinzu, daß, wenn ein ausge- setzter Säugling in einer hauptsächlich von Nichtjuden bewohnten Stadt gefunden wird, bei einem Rabbiner Rat eingeholt werden sollte, ob das Kleinkind gerettet werden sollte. 24 Traktat 'Avodah Zarah, Seite 26. 25 MAIMONIDES, a.a.O., „Sabbat“ 2, 12; Schulchan Aruch, „Orah Hayyim“ 330. Der letztere Text spricht eher von „Heide“ [engl.: heathen] als von „Nichtjude“ [engl.: Gen- tile], aber einige der Kommentatoren, solche wie TUREY ZAHAV, heben hervor, daß diese Regelung „sogar für Is- maeliten“ gilt, d.h. für Moslems, „die keine Götzendiener sind“. Christen werden in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich erwähnt, aber diese Anordnung muß für sie a fortiori [lat.: vom Stärkeren her; in noch stärkerem Maße] gelten, denn – wie wir später sehen werden – wird der Islam in einem günstigerem Licht betrachtet als das Christentum. Siehe auch die weiter unten zitier- ten Responsa von HATAM SOFER. 26 Diese beiden Beispiele aus Polen und Frankreich wer- den von Rabbiner I.Z. CAHANA (später Talmud-Professor an der religiösen Bar-Ilan Universität in Israel) berich- tet, „Medicine in the Halachic post-Talmudic Litera- ture“, Sinai, Band 27, 1950, Seite 221. Er berichtet auch von dem folgenden Fall aus dem 19. Jahrhundert in Ita- lien: Bis 1848 verbot ein Sondergesetz in den päpstli- chen Staaten jüdischen Ärzten, Nichtjuden zu behan- deln. Die 1848 errichtete Römische Republik schaffte dieses Gesetz zusammen mit allen anderen gegen Juden gerichtete diskriminierenden Gesetzen ab. Aber im Jah-, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN re 1849 besiegte ein von Frankreichs Präsidenten LOUIS NAPOLEON (später Kaiser NAPOLEON III.) entsandte Ex- peditionstruppe die Republik und setzte Papst PIUS IX. wieder ein, der die antijüdischen Gesetze im Jahre 1850 wieder aufleben ließ. Die Befehlshaber der französi- schen Garnison, angewidert von dieser extremen Reak- tion, ignorierten das päpstliche Gesetz und stellten eini- ge jüdische Ärzte zur Behandlung ihrer Soldaten ein. Der Oberrabbiner von Rom, MOSHE HAZAN, der selbst Arzt war, wurde gefragt, ob ein Schüler von ihm, eben- falls Arzt, eine Anstellung in einem französischen Mili- tärhospital trotz des Risikos annehmen könnte, den Sabbat entheiligen zu müssen. Der Rabbiner antwortete, daß er ablehnen sollte, falls die Beschäftigungsbedin- gungen ausdrücklich Arbeit am Sabbat erwähnten. Aber falls das nicht der Fall sei, könnte er die Stellung an- nehmen und „die große Klugheit gottesfürchtiger Juden“ einsetzen. So könnte er z.B. am Samstag die am Freitag gegebenen Anordnungen wiederholen, indem er dies dem Arzneiverteiler einfach mitteilt. Rabbiner CAHANAs ziemlich offener Artikel, der viele andere Beispiele ent- hält, wird in der Bibliographie eines Buches des frühe- ren Oberrabbiners von Britannien, Rabbi IMMANUEL JAKOBOVITS, „Jewish Medical Ethics“, Bloch, New York 1962, erwähnt; aber im Buch selbst wird über diese An- gelegenheit nichts gesagt. 27 Hokhmat Shiomoh zum Schulchan Aruch, „Orah Hayyim“ 330, 2. 28 Rabbiner UNTERMAN, Ha'aretz, 4. April 1966. Die einzi- ge Einschränkung, die er macht – nachdem er ständi- gem Druck ausgesetzt gewesen war – ist die, daß in un- serer Zeit jede Weigerung, einem Nichtjuden ärztlichen Beistand zu gewähren, eine derartige Feindseligkeit ver- ursachen könnte, daß jüdisches Leben gefährdet sein möchte. 29 HATAM SOFER, Responsa zum Schulchan Aruch, „Yoreh De'ah“ 131. 30 A.a.O., zum Schulchan Aruch, „Hoshen Mishpat“ 194. 31 Rabbi B. KNOBELOVITZ in „The Jewish Review“ (Zeitschrift der Mizrachi-Partei in Großbritannien), 8. Juni 1966. 20 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION 32 Rabbiner YISRA'EL ME'IR KAGAN – besser bekannt als „HAFETZ HAYYIM“ – klagt in seiner Mishnah Berurah [geschrieben 1907 in Polen): „Und ihr wißt, daß die meisten Ärzte, sogar die mei- sten religiösen, diesem Gesetz keinerlei Beachtung was auch immer schenken; denn sie arbeiten am Sabbat und reisen sogar manche Parasangen [= alt- persisches Wegemaß], um einen Heiden zu behan- deln, und sie mahlen Medikamente mit ihren eigenen Händen. Und es gibt keine Ermächtigung für sie, so zu handeln. Denn obwohl wir es wegen der Furcht vor Feindschaft erlaubbar finden mögen, Verbote der Weisen zu übertreten – und sogar dieses ist nicht klar. Doch bei von der Thora selbst auferlegten Verboten muß es zweifellos für jeden Juden untersagt sein, so zu handeln, und jene, die diese Verbote übertreten, ent- heiligen den Sabbat gänzlich, und möge Gott mit ihnen wegen dieses Frevels Erbarmen haben.“ (Kom- mentar zum Schulchan Aruch „Orah Hayyim“ 330) Der Verfasser wird allgemein als die größte rabbinische Autorität seiner Zeit angesehen. 33 Dr. med. AVRAHAM STEINBERG (Herausgeber), „Jewish Medical Law“ [Jüdisches Ärzterecht], zusammengestellt aus Tzitz Eli'ezer (Responsa von Rabbiner ELI'EZER YEHUDA WALDENBERG), übersetzt von Dr. med. DAVID B. SIMONS, Gefen & Mossad Harav Kook, Jerusalem und Kalifornien, 1980. 34 Ebenda, Seite 39. 35 Ebenda, Seite 41. 36 Ebenda, Seite 41. Die Formulierung „zwischen Jude und Nichtjude“ ist eine sprachliche Verhüllung [engl.: eu- phemism]. Die Dispensation ist dafür bestimmt, Feind- seligkeit von Nichtjuden gegenüber Juden zu verhindern, nicht jedoch für den umgekehrten Weg. 37 Ebenda, Seite 41-42; die Hervorhebungen stammen in der englischen Originalausgabe vom Verfasser Prof. Dr. ISRAEL SHAHAK und wurden in gleicher Weise in die deutsche Übersetzung übernommen. 38 Dr. Falk Schlesinger Institute for Medical Halakhic Re-, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN search at Sha'arey Tzedeq Hospital, „Sefer Asya“ (The Physician's Book) [= Das Buch des Arztes], Reuben Mass, Jerusalem 1979. 39 Von mir selbst [ISRAEL SHAHAK] in „Ha'olam Hazzeh“, 30. Mai 1979 und von SHULLAMIT ALONI, Mitglied der Knesset, in Ha'aretz, 17. Mai 1980. 40 Ezekiel [Hesekiel] 23:20. 41 Traktat Berakhot, Seite 78a. 42 Talmudic Encyclopedia, „Eshet Ish“ (,,Verheiratete Frau“). 43 Exodus [2. Buch Mose], 20:17. 44 Genesis [1. Buch Mose], 2:24. 45 MAIMONIDES, a.a.O., „Prohibitions on Sexual Intercour- se“ [Verbote zum Geschlechtsverkehr] 12, 10; Talmudic Encyclopedia, „Goy“ 46 MAIMONIDES, a.a.O., ebenda, 12, 1-3. Tatsächlich gilt jede nichtjüdische Frau als N.Sh.G.Z. – ein Akronym für die hebräischen Wörter niddah, shifhah, goyah, zonah (unrein durch Menstruation, Sklavin, Nichtjüdin, Prostituierte). Beim Übertritt zum Judentum hört sie tatsächlich auf, niddah, shifhah und goyah zu sein, aber sie wird noch für den Rest ihres Lebens als zonah (Prostituierte) angesehen, einfach deshalb, weil sie von einer nichtjüdischen Mutter geboren worden ist. Ein besonderer Fall ist eine Frau, „die nicht in Heiligkeit empfangen, aber in Heiligkeit geboren wurde“, d.h. von einer Mutter geboren, die während der Schwangerschaft zum Judentum übertrat. Um es ganz sicher zu machen, daß es keine Verwicklungen gibt, bestehen die Rabbiner darauf, daß ein verheiratetes Paar, das gemeinsam zum Judentum übertritt, sich drei Monate lang der ehelichen Beziehungen enthalten muß. 47 Bezeichnenderweise wird von dieser Verallgemeinerung eine Ausnahme in bezug auf Nichtjuden gedacht, die gesetzliche Ämter mit Verbindung zu finanziellen Transaktionen innehaben: Notare, Schuldeneintreiber, Gerichtsvollzieher und dergleichen. Eine ähnliche Aus- nahme wird in Anbetracht normaler anständiger Nichtjuden nicht gemacht, nicht einmal, wenn sie Juden gegenüber freundlich sind. 20 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION 48 Einige sehr frühe Rabbiner (1. Jahrhundert v.d.Ztr.) nannten dieses Gesetz „barbarisch“ und gaben tatsäch- lich verlorenes Eigentum zurück, das Nichtjuden gehör- te. Aber das Gesetz blieb nichtsdestoweniger bestehen. 49 Leviticus [3. Buch Mose], 25:14. Dies [engl.: „Do not de- fraud each man his brother. “] ist eine wörtliche Überset- zung des hebräischen Textes. Die King-JAMES-Version übersetzt dieses mit „ye shall not oppress onie aniother“ [ihr sollt euch nicht gegenseitig unterdrücken]*; „oppress“ ist ungenau, aber „one another“ ist eine richti- ge Wiedergabe des biblischen Idioms „each man his brother“ [jedes Mannes Bruder]. Wie schon in Kapitel 3 herausgestellt wurde, legt die Halacha alle solchen Idi- oms so aus, daß diese sich ausschließlich auf den eige- nen Mitjuden [engl.: fellow Jew] beziehen. 50 Schulchan Aruch, „Hoshen Mishpat“ 227. 51 Diese Sichtweise wird befürwortet von H. BAR-DROMA, „Wezeh Gvul Ha'aretz“ (And this is the Border of the Land), Jerusalem, 1958. In den letzten Jahren wurde dieses Buch vielfach von der israelischen Armee ver- wendet, um ihre Offiziere zu indoktrinieren. 52 MAIMONIDES, a.a.O., „Götzendienst“ 10, 3-4. 53 Siehe Anmerkung 2. 54 Exodus, [2. Buch Mose], 23:33. 55 MAIMONIDES, a.a.O., „Götzendienst“ 10, 6. 56 Deuteronomium [5. Buch Mose], 20:16. Siehe auch die in Anmerkung 10 zitierten Verse. 57 Numbers [4. Buch Mose] 31:13-20; beachte besonders Vers 17: „So erwürget nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Weiber, die Männer erkannt und beigelegen haben.“ [LUTHER-Bibel von 1902] 58 Rabbiner SHA'UL YISRA'ELI, „Taqrit Qibbiya Le'or Ha- halakhah“ („Der Qibbiya-Vorfall im Lichte der Ha- lacha“), in „Hattorah Wehammedinah“, Band 5, 1953- 1954. * Anmerkung des Übersetzers: In der Luther-Bibel (Stuttgart 1902) wird diese Textpassage übersetzt mit: „ ... soll keiner seinen Bruder übervorteilen.“, ANMERKUNGEN UND REFERENZEN 59 Diesem folgt ein Segensspruch „daß man mich nicht zum Sklaven macht“. Danach muß ein Mann einen Se- gensspruch „daß ich keine Frau wurde“ hinzufügen, und eine Frau: „daß er mich nach seinem Willen erschaffen hat“. 60 In Osteuropa war es bis vor kurzem ein allgemein verbrei- teter Brauch unter Juden, an dieser Stelle als Zeichen der Verachtung auf den Boden zu spucken. Dies war jedoch keine strenge Verpflichtung, und heute wird dieser Brauch nur noch von den Frömmsten eingehalten. 61 Das hebräische Wort ist meshummadim; es bezieht sich im rabbinischen Sprachgebrauch auf Juden, die „Göt- zendiener“ werden, d.h. entweder Heiden oder Christen, nicht jedoch auf Juden, die zum Islam übertreten. 62 Das hebräische Wort ist minim; seine genaue Bedeutung ist: „Ungläubige an der Einzigartigkeit Gottes“ [engL: „disbelievers in the uniqueness of God“]. 63 Traktat Berakhot, Seite 58b. 64 Vielen rabbinischen Autoritäten zufolge gilt die ur- sprüngliche Regel noch vollständig im Lande Israel. 65 Dieser Brauch gab Anlaß zu vielen Zwischenfällen in der Geschichte der europäischen Judenheit. Einer der berühmtesten, dessen Wirkung noch heute sichtbar ist, ereignete sich im 14. Jahrhundert in Prag. König KARL IV. von Böhmen (der auch Kaiser des Heiligen Römi- schen Reiches war) hatte ein prachtvolles Kruzifix in der Mitte einer Steinbrücke errichtet, die er gebaut hatte und die heute noch vorhanden ist. Es wurde ihm dann berichtet, daß die Juden von Prag die Gewohnheit hät- ten, jedesmal auszuspucken, wenn sie in der Nähe des Kruzifix vorbeikamen. Als berühmter Beschützer der Juden leitete er keinerlei Verfolgung gegen sie ein, son- dern verurteilte die jüdische Gemeinde einfach dafür zu bezahlen, daß das hebräische Wort Adonay (Gott der Herr) in goldenen Buchstaben auf dem Kruzifix eingra- viert wurde. Dieses Wort ist einer der sieben heiligsten Namen Gottes, und vor ihm ist keinerlei Anzeichen von Respektlosigkeit erlaubt. Das Spucken hörte auf. Andere Vorkommnisse im Zusammenhang mit demselben 21 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Brauch waren weit weniger amüsant. 66 Die für diesen Zweck am häufigsten gebrauchten Verse enthalten Worte, die von der hebräischen Wurzel shaqetz abgeleitet sind, was „verabscheuen“ [engl.: „abominate“ bzw. „detest“] bedeutet, wie im Deuterono- mium [5. Buch Mose] 7:26: „Du sollst es gänzlich verabscheuen [engl.: detest], und du sollst es gänzlich verabscheuen [engl.: ab- hor], denn es ist ein verfluchtes Ding.“ [Anm. des Übers.: Die vorherige Textpassage ist eine genaue Rückübersetzung von SHAHAKs Zitat aus dem Eng- lischen.] [Anm. d. Übers.: oder: „… du sollst einen Ekel und Greuel daran haben; denn es ist verbannet.“ LUTHER-Bibel von 1902, 5. Mose 7:26] Es scheint, daß der beschimpfende Ausdruck sheqetz, der in bezug auf alle Nichtjuden (Kapitel 2) benutzt wird, von diesem Brauch herrührt. 67 Talmud, Traktat Beytzah, Seite 2la, b; Mishnah Beru- rah zum Schulchan Aruch, „Orah Hayyim“ 512. Ein an- derer Kommentar (Magen Avraham) schließt auch die Karaiten aus. 68 Entsprechend der Halacha sollte ein nichtjüdischer Sklave, der von einem Juden gekauft wurde, zum Ju- dentum übergetreten sein, wird dadurch aber kein ech- ter Jude. 69 Leviticus [3. Buch Mose] 25:46 70 Die hebräische Form des Namens Jesus – Yeshu — wird als Akronym für die Verdammung „mögen sein Name und Andenken ausgerottet sein“ gedeutet, was als eine extreme Form der Beschimpfung benutzt wird. Tatsäch- lich bezeichnen antizionistische orthodoxe Juden (wie NETUREY QARTA) HERZL manchmal als „Herzl Jesus“, und in religiösen zionistischen Schriften habe ich Aus- drücke wie „Nasser Jesus“ und mehr jüngeren Datums „Arafat Jesus“ gefunden.,

Stichwortverzeichnis

Aberglaube, Hexerei und Antisemitismus, 23, 188; Wunder, 81, 195n (Anm. Bündnis mit Zionismus, 15); durch Kabbala, I93n 132 ff.; moderner, 124 ff. (Anm. 5); polnischer Ju- Apartheid, Vergleich der den, 119 f. jüdischen Ideologie mit „achtzehn Segnungen“, Ab- der, 183 schnitt des Wochentags- APULEIUS, „Der goldene gebetes, 169 Esel“, 53 Agada (f.) [= Sammelbegriff Araber, als Feinde, 142 f.; für den gesamten nicht Ausbeutung der Arbeit religionsgesetzlichen Teil der, 28, 176; siehe auch des Talmuds; die Agada Islam; Moslems steht im Gegensatz zur Arabische Bürgermeister, Halacha], talmudische Mordversuche an (1980), Geschichten, 81 202n (Anm. 25) AGNON, –, israelischer No- Arabische Liga, Treffen in belpreisträger für Litera- Fez, 183 tur, 171 „Arba'ah Turirn“, über die Ägypten, Israels Ansprüche Rettung von Leben, 148 an, 35; Juden in, 100 Arbeit, im Talmud definier- Albaner, im Osmanischen te Kategorien von, 81-83 Reich, 112 Arbeit, Recht auf, Diskrimi- ALEXANDER VI. BORGIA, nierung von Nichtjuden, Papst, 53 . 28 AL-MANSUR, Kalif von Spa- Arbeiterbewegung, zionisti- nien, 110 sche, und das „errettete“ Almohaden-Regime, 111 Land, 31 Almoraviden-Herrschaft in ARENDT, HANNA, über jüdi- Spanien, 110 f. sche Geschichte, 45 ALONI, SHULAMIT, 62 Armee siehe Israelische Ar- Altes Testament, und alte mee Königreiche, 98 f. ARTAXERXES L, König, 99 Amalekiter, 155; Gesetz Ärzte, von Herrschern be- über die Vernichtung schäftigt, 104; und ver- der, 142, 204n (Anm. 10); wundete Nichtjuden (is- Palästinenser gleichge- raelische Armee), 64 f.; setzt mit, 167 f. und Rettung von Leben 21 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION am Sabbat, 82 f., 150- BEGIN, MENACHEM, israeli- 159, 207-208n (Anm. 26, scher Ministerpräsident, 32) Chabad-Unterstützer, 62; Aspekte (soziale), der Dis- starker Einfluß der Ver- pensationen, 94 ff. gangenheit unter, 75 Atomwaffen, Israels Dro- BEN-GURION, DAVID, 39 f.; hung auf Einsatz von, 41 Bündnis mit französischen Aufklärung, und Antisemi- Antisemiten, 133;jüdische tismus, 129 ff.; zionisti- Ideologie, 33 f.,38, 74; sche Feindschaft gegen- Wiederherstellung des über, 132 ff. Königreichs Davids und ausländische Experten, Salomons, 33 f. mangelhafte Kenntnisse Beraubung (mit Gewalttä- der, 181 tigkeit), von Nichtjuden, Ausreden, um den Sabbat 164 f. nicht zu entweihen, 150- BERMAN, HUGO SHMUEL, 153,154-157; siehe auch Philosoph, 64 Dispensationen Besetzte Gebiete, israelisches Australien, 56 f. Regime in, 22; Rückkauf = Errettung des Landes in, Babylonisches Exil, Rück- 32 kehr aus (537 v.d.Ztr.), Bestechung, Anwendung 98 von, 46, 53 Barmherzigkeit, Interpreta- Besteuerung, jüdischer Kle- tion von, 175 rus befreit von, 104 Bar Mizwa-Zeremonie, 47 Betrug, gegenüber Nichtju- Bauern, Abwesenheit von, den, 164 im klassischen Juden- „Beyt Yosef“, Kodifizierung tum, 102 f.; jüdische Ver- der talmudischen Geset- achtung der, 84, 134 f., ze, 139 f.; über die Ret- 198n (Anm. 9); Unter- tung von Leben 148 f. drückung durch Juden in Bezahlung, für Arbeit am Polen, 118 ff.; Unter- Sabbat, 93 drückung durch den Bibel, biblische Grenzen Staat Israel, 137 Israels, 33-36; Auslegung „Bayit Hadash“, Autor: der, 75-79; Königreiche Rabbiner YO'EL SIRKIS des Alten Testaments, 98 (Polen, 17. Jahrh.), 153 f.; Neue Testament ist zu Befreiung, vorwiegend von verbrennen, 52,179; außen, 44 Vielgötterei in, 69 ff.,

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BISMARCK, OTTO VON, 131 Christentum, und Feldzug Bratislava (Preßburg), Ju- gegen den Talmud, 52 ff.; den in, 43 f. jüdischer Haß auf das, britische Arbeiterpartei 168 ff., 177 f.; Fehlen von (British Labour Party), Rassismus im, 125 f.; Plan für die Vertreibung Verfolgung von Juden, der Palästinenser, 67 f. 177 f.; christliche Zeug- BUBER, MARTIN, chassidi- nisse der jüdischen Ge- scher Apologist, 63 f. schichte, 101; Aufstieg „Buch der Erziehung“, un- des, 100 bekannter Rabbiner christliche Geistliche, als (Spanien, 14. Jahrh.), er- „Freunde der Juden“, 66 f. klärt die 613 religiösen Codex der talmudischen Pflichten (mitzvot) des Gesetze (Editio Prin- Judentums, 173 ff. ceps), 53 „Buch des Wissens“ (Gesetz- CROMER, Lord, zum Prinzip buch des Maimonides), des Imperialismus, 183 f. Bücher, verbannte, 48 f. DAYAN, MOSHE, 182 Bund [osteuropäische jüdi- Dekalog (zehn Gebote), tal- sche Arbeiterpartei, gegr. mudische Auslegung des, l897in Wilna], 103 76 ff. Demokratie, Mängel im Chabat-Bewegung (Hab- Staate Israel, 23 ff. bad), 64 f. DEUTSCHER, ISAAC, Sozia- Charakterisierung, von Ju- list, 103 den, und modernem An- Deutschland, BUBERs Lob- tisemitismus, 49, 125 ff. preisungen des Chassi- chassidische Bewegung, dismus in, 63 f.; jüdische Einstellung gegenüber Aufklärung (Haskala) in, Nichtjuden, 61-65 130 f.; jüdische Gesell- Chassidismus, irreführende schaft im 18. Jahrhun- Bearbeitung durch Ge- dert, 43 ff.; und moderner lehrte, 63 Antisemitismus, 124 ff., Chauvinismus, jüdischer, 38 127 ff.; Bauernkrieg f., 188 (1525), 136; Verfolgung Chmielnicki-Aufstand von Historikern, 19In (Ukraine 1648), 123 f., (Anm. 16); siehe auch 135 ff. Nazis 21 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Diaspora, Juden in der, Ein- England, jüdische Gemein- fluß der talmudischen schaft im mittelalterli- Gesetze, 22 f.; kritiklose chen, 108 f.; anerkannte Unterstützung für Israel, Rechte der Juden in, 42 184 ff.; siehe auch USA Englische Revolution, 128 Diebstahl, talmudische In- „errettetes Land“, Ideologie terpretation von, 76, 164 vom, 30-32 Dispensationen (heterim), Erschaffung (Schöpfungs- 85-93; und Täuschung akt) durch First Cause,70 Gottes, 94 f.; an Feierta- ESRA, Buch von, 99 gen, 172 f.; Profitsucht Establishment der USA, bei, 95 ff.; soziale Aspek- israelischer Einfluß auf, te der, 94-97; siehe auch 24, 185 ff. Sabbat Evangelien (Gospels) in DREYFUS-Affáre, 127 Schulen verboten, 179 DRUMONT, E., „La France Juive“, 126 f. Fatimidisches Reich, und Juden in Ägypten, 111- EDUARD I. (von England), 113, 114 108 Feiertage, Gesetze gegen Ehebruch, Kapitalverbre- Arbeit an, 172 f.; siehe chen, 159 f. auch Sabbat Ehescheidung, 199 (Anm.13) Feindseligkeiten gegen Ju- ElGER, AQIVA (Rabbiner), den, Vermeidung von, 151 Gesetze über Geld und Einwanderungsgesetze, Besitz, 162-164; und Rückkehrgesetz, 29 f.; Mord, 140 ff.; öffentliche Wohnrechte, 27 f. Lustbarkeiten, 171 f.; EISENMENGER, J.A., „Ent- und Rettung von Leben, decktes Judentum“ (Kö- 140 f., 150-154, 156-159 nigsberg 1711), Anm. d. FERDINAND, katholischer Übers., 131, 167 König von Spanien, 115 Emanzipation von Juden FESTUS, röm. Statthalter in (Liberalisierung), An- Judäa, 100 wachsen des Antisemi- Fez, Arabische Liga in, 183 tismus, 130 ff.; inner- „First Cause“, Schöpfungs- halb bürgerlicher [engl.: akt, 70 civil] Staaten, 42 f., 43- Fleisch und Milch, Verbot 47, 124 f. der Vermischung, 77,

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Form (Gebetsformel), Be- Fundsachen, die Nichtjuden deutsamkeit der, 73-74 gehören, 163, 210n (Anm. Frankreich, jüdische Ge- 48) meinschaft im mittelal- terlichen, 108 f.; aner- Galiläa, „Judaisierung“ von, kannte Rechte der Juden 32 in, 42; und moderner An- GALLION, röm. Statthalter tisemitismus in, 124, 126 (Korinth), 100 f., 133; und modernes Gazastreifen, 168 Judentum in, 101 GAZIT, SHLOMO, General, Französische Revolution, 42, 37 f., 39 44, 128, 136 Gebete, gegen Nichtjuden, Frauen, Hebammen, 152- 169-171, 211n(div. 158; Rechtsstellung von Anm.); Morgen-, für die nichtjüdischen, 159-162, Vereinigung von „Sohn“ 209n (Anm. 46); Rechts- und „Tochter“, 71 f.; stellung von jüdischen, abergäubischer Gebrauch 161; gründliche Bekeh- von, 94 f.; um Satan gün- rung bei Glaubensüber- stig zu stimmen, 34 f. tritt („Reinigungsbad“), Gebetsformel (Form), Be- 27 deutsamkeit der, 73-74 Frauenhaß, Kritik an chas- Geburtshelferinnen, siehe sidischer Bewegung, 64 Hebammen FRAZER, Autor von: „Golden Geistliche, christliche, als Bough“ [Goldener Zweig], „Freunde der Juden“, 66 f. 94 Geistlichkeit, jüdische, Fremdenfeindlichkeit (Xe- Macht und Befreiung von nophobie), und Antisemi- Steuern, 104 ff.; Be- tismus, 128 schränkungen bei Heirat, „Freunde der Juden“, nicht- 113 jüdiche, plumpe Beschul- Gelehrsamkeit (Lernen), digung des Antisemitis- religiöse Lehrbücher, 173 mus mit größter Feinse- ff.; Einschränkung im ligkeit und Wucht von, klassischen Judentum, 66-67 48 f., 50 ff., 191n (Anm. Friedhöfe, Segenssprüche 12), 198n (Anm. 4); siehe und Verfluchungen von, auch Geschichte 56 f., 170 f.; australische Gelehrte, Täuschung durch, Ureinwohner, 57; Schän- 58-61; Vergleich mit dung von, 78 „Opiumschmugglern“, 65 21 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Gemara (f.), Erörterungen Goldene Zeitalter, jüdische, der Mischna, 80 im moslemischen Spani- Generalstaaten [Etats géné- en, 109-111, !99n (Anm. raux], für Frankreich, 14) allgem. Ständetag, 109 GORDON, A.D., 3l Geographie, Studium der Gospels (Evangelien) in verbotenen, 49, 190n Schulen verboten, 179 (Amn. 9) Gott der Rache, 171 Gesäuerte Lebensmittel, griechisch-orthodoxe Kirche, Dispensationen für, 90 f. und Antisemitismus, 127 Geschäftsdispensation (heter Grund und Boden, Eigentum ’isqa), in Zweigstellen is- von, 25 ff., 27 f.; Rück- raelischer Banken, 86 f. kauf = Errettung von, 30- Geschenke, als Geldanlage 32,38, 183; Verkauf an [engl.: investment], 162 f. Nichtjuden, 87 f., 165 f. „Geschichte der Könige Gruppenloyalität zugunsten Frankreichs...“ 50 f. von Juden, 66 „Geschichte des Zionismus“ Gusch Emunim (m.), und [History of Zionism], von biblische Grenzen von Is- WALTER LAQUEUR, 3l rael, 35; kabbalistische Geschichte, jüdische Igno- Traditionen des, 70 f., 74; ranz und Furcht vor, 47- zum Islam, 179; und Un- 49, 50-52, I98n (Amn. 4); terdrückung von Nicht- Notwendigkeit jüdischer juden, 176 f.; Gebete ge- Auseinandersetzung mit, gen die Christenheit, 169 135-138; Totalitarismus, ff.; und Behandlung der 54, 191n (Anm. 16) Palästinenser, 166 ff. Geschichtsschreibung, und GUZMAN, LEONORDE, 199n Nationalismus, 22 (Anm. 15) Geschichtsschreibung, jüdi- sche, irreführende in Ha'aretz, hebräische Tages- englischer Sprache, 102 zeitung, Medienskandal, Gesetze, „des Himmels“, 22 140; siehe auch Talmud Habbad, siehe Chabad- GEYL, PIETER, über Ge- Bewegung schichtsschreibung, 54 HADAS, MOSES, über plato- Gleichheit vor dem Gesetz, nische Einflüsse, 40 f. nichtjüdische Staatsbür- HAFETZ HAYYIM (Rabbiner ger haben kein Recht auf, JISRA'EL ME'IR KAGAN), 28 f. 208n (Anm. 32),

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HAGGA'ON, SA'ADIA (Rabbi- HERZL, ZHEODOR (Zionist), ner), 189n (Anm. 1) Bündnis mit VON PLEH- Halacha (f.) [religionsge- VE, 132, 202n (Anm. 27) setzliche System des „Hesronot Shas“, Ausgabe klassischen Judentums], der „ Talmudischen Aus- 81, 139; und Israels lassungen“, 56 f. Strafgesetz, 146; alle HESS, MOSES, jüdischer Nichtjuden promisk und Rassist, 67 keine Ehe für Heiden, hippokratischer Eid, 156 ff. 160; gegenüber Moslems, HITLER, ADOLF, zionistische 179 f.; zur Rettung von Anerkennung von, 133 ff. Leben, 147 ff.; seelische „Hokhmat Shlomoh“, Kom- Auswirkungen des Stu- mentar zum Schulchan diums der, 173 Aruch aus dem 19. Jahr- Hände, rituelles Waschen hundert, 153 f. der, 73, I94n (Anm. 11) Holland, Zensur talmu- Haskala (f.), jüd. Aufklä- discher Literatur in, 53; rung, 70, 130 f. anerkannte Rechte der „Hatanya“, Buch (Leitfaden) Juden in, 42; und moder- der Chabad-Bewegung, nes Judentum, 101; Nie- 62 f. derländischer Befrei- Häuser, Vermietung von, ungskrieg (1568-1648), 166 f.; Verkauf an 128 Nichtjuden, 166 Holocaust, der, 120 f., 20ln Hebammen, für Nichtjuden, (Anm. 25) am Sabbat, 152 ff., 155 Humor, jüdischer Sinn für, ff.; in der Türkei, 154 f. 48 Heilkunde, siehe Ärzte; HUSSEIN, König, von Jorda- Hebammen nien, 182 f. Heilmittel, Erprobung an Heiden, 148 ID-card = identity-card, Per- HEINE, HEINRICH, jüdischer sonalausweis, 29 Dichter, 129 Imperialismus, LORD HEINRICH II. (von Trasta- CROMERs Beschreibung mara und Castilien), 115, des, 183 f.; „Apparat“ des, 199 (Anm. 15) 184 HEINRICH II. und HEINRICH Irak, Israels Ansprüche an, III. (von England), 108 35 Hellenismus, Einfluß des, ISABELLA, katholische Köni- 99 gin von Spanien, 115 21 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Islam, Einstellung des Ju- Israelische Ärztevereini- dentums zum, 179 f.; gung (Israeli Medical As- verbietet Vertreibung sociation), 159 von Juden, 109; fehlen- Israelische Landbehörde der Rassismus im, 125; (Israel Land Authority), siehe auch Araber; Mos- 27 f. lems ISSERLES, MOSES (Rabbi- Israel, altes Königreich, 98 ner), 149 Israel, Land (genaue Gren- Italien, anti-jüdische Geset- zen nach dem Talmud), ze in, 206-207n (Amn. 26) 165; Gesetze gegen Nichtjuden in, 165-168 JABOTINSKY, VLADIMIR, Pakt Israel, Staat, Staatsangehö- mit PETLYURA, 132 rigkeit des, 26 f., 28-30; JABRI, Scheich, von Hebron, Gefahren, ausgehend 182 f. vom, 22 f., 32-34; we- Jacquerie, Bauernaufstand sentlicher Charakter als in Frankreich (1357- „jüdischer Staat“, 23-27; 1358), 136 Diskriminierung von Jemen, Juden im, 101 Nichtjuden, 27-30, 55-58; JESUS, talmudische Fehl- Vorherrschaft der osteu- deutungen bezüglich, ropäischen Juden, 120; 177-179; talmudische Gesetze bezüglich Mord, Regeln gegen, 52 f.; 212n 140-146; religiöse Basis (Anm. 70) der Politik, 21-24, 33-35, Jiddisch, Ungenauigkeit des 181 f.; Wiederherstellung Spezialwörterbuches für, der biblischen Grenzen, 61; Literatur in, 130 34-36; politische Rolle im JNF siehe Jüdischer Natio- Mittleren Osten, 37 f., nal Fund 136 f.; kritiklose Unter- JOHANNES XXIII., Papst, stützung für, 185 ff. 170 Israelische Armee, Militär- Jom Kippur (m.), Versöh- ärzte und Nichtbehand- nungsfest, 94 lung verwundeter Jom Kippur-Krieg, 182 Nichtjuden, 62, 64; reli- Jordanien, Israels Ansprü- giöse Gesetze zum Mord che auf, 35, 165; Bezie- an Nichtjuden, 140-146, hungen zum Staat Israel, 203n (Amn. 6); und Hei- 182 f. lighaltung des Sabbats, JOSUA, 167 91-93 Juda, altes Königreich, 98,

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Juden, vom Talmud defi- Jüdischer National Fund nierte Kategorien von, (JNF), 27 f., 30-32 81; ihre Beschreibung jüdischer Staat, wesentli- um 1780, 42; Definition cher Charakter des, 23 ff. nach israelischem Recht, „Jüdisches Ärzterecht“ (Je- 26 ff., 197-198n; soziale wish Medical Law), 157 f. Funktion in Osteuropa, jüdisches Sparta, 41 53 ff. „Jungfrau“, Definition des Juden im Mittelalter, 50 ff. Talmud, 83 f. Judentum, Einstellung zum Islam, 179 f.; zeitliche Kabbala (Mystizismus), Lücke über Kenntnisse Ausbreitung, 69 ff. des, 101; Haß auf Chri- Kaddisch (n.), altes aramäi- stentum, 177-179; histo- sches Gebet, 95 rische Phasen des, 98- Kafr Qasim, Massenmord 101; siehe auch klassi- von, 146 sches Judentum; Gusch Kanaaniter, 55 f., 167 f. Emunim; Mystizismus; Kanada, Unterstützung für orthodoxes Judentum Israel, 185 „jüdisch“, Definition des Kapitalismus, und moderner Begriffs, 26 f., 28 f. Antisemitismus, 124 ff. jüdische Aufklärung (Has- Karaiten (ketzerische Sek- kala) 70, 130 f. te), Verfolgung in Kasti- jüdische Gemeinschaften, lien, 114; Verbot der Ret- im 18. Jahrhundert, 42- tung des Lebens von, 44; „Selbstregierung“ der, 154, 157 104 ff., 114 f., 117 f.; zwi- KARL IV. VON BÖHMEN, Kai- schen talmudischer und ser des Heiligen Römi- klassischer Periode, 84; schen Reiches, 21 In Befreiung durch moderne (Anm. 65) Staaten, 44 ff., 124; als KARO, YOSEF, (Rabbiner), Mittelklasse in feudalen Autor des Werkes: „Beyt Ländern, 102 ff., 107 f. Yosef, 139 „jüdische Ideologie“, Fortbe- KASIMIR, der Große, von stehen des Chauvinismus Polen, 116 f. der, 47 f.; Imperialismus Kastilien siehe Spanien verboten durch, 183 f.; katholische Kirche, und Einfluß der, 38 f., 181 ff.; Allianz mit Antisemitis- siehe auch klassisches mus, 126 f Judentum; Judentum KAUFMAN, YEHEZKIEL, 64 22 1, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION Kibbuz, Ausgrenzung durch, KONSTANTIN, der Große, 104 32, 47 f. Koran (arabisch: qur'ari), Kinderarbeit, Ausbeutung nicht vom Judentum arabischer, 176 verdammt, 179 f. KING, MARTIN LUTHER, jüdi- Kreuzzüge, und Verfolgung sche Unterstützung für, von Juden, 122 f. 60, 186 f. Kushites (Kushini), Um- Kiryat-Arba (Siedlung), 35, schreibung von Schwar- 182 zen, 60 Klassen, innerhalb der jüdi- Kuwait, Ansprüche Israels schen Gemeinschaften, auf, 35 105 f. klassisches Judentum, 137 LAHIS, SHMU'EL, Amnestie f., 190n (Anm. 10), 193n für, 205n (Anm. 13) (Anm. 1); Auswirkungen Land, siehe Grund und Bo- der Dispensationen auf den das, 85 f., 94 ff.; Haupt- Landwirtschaft, 84, 87 f.; merkmale des, 101-108; jüdische Verachtung der, platonischer Einfluß auf, 84, 102 f.; vermischte 39-41; Profitdenken im, Feldfrüchte, 89 f. 96; religionsgesetzliche LAQUEUR, WALTER (Zionist), Struktur des, 69 ff.; Un- 3l terdrückungsmentalität Laubhüttenfest [engl.: Feast im, 50-52; Verfall des of Tabernacles], 72 f. Monotheismus im, 69-73; Law of Return, siehe Rück- siehe auch orthodoxes kehrgesetz Judentum; Zionismus Leibeigenschaft, in Osteu- KOHENs (priesterlicher ropa, 102 f.; in Polen, Stamm), 161 116 f., 199n(Anm. 16); Kol Nidre (n.), Gebet am in Rußland, 102 f., 135, Vorabend des Jom Kip- I99n (Anm. 16) pur, 94 Lemberg (Lvov), Rabbiner „Komitee der vier Länder“, vergiftet in, 47 autonom, jüdisches Or- LENIN, Prinzipien der Ge- gan in Polen, 117 schichte, 36 Könige, Ausnahmen von den Lernen siehe Gelehrsamkeit Gesetzen gegen Nichtju- Libanon, Ansprüche Israels den, 104 auf, 35 ff., 165 f. Konservatismus, Bündnis mit Liberalisierung, siehe Antisemitismus, 127-133 Emanzipation von Juden,

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Likud-Partei, und Wieder- MENKENS, HARM, „Wer will herstellung der bibli- den Dritten Weltkrieg?“ schen Grenzen, 36 (Süderbrarup 1987), LIOR, DOV (Rabbiner), 35 Anm. d. Übers., 168 Löhne, verspätete Auszah- Menschenrechte, und Ein- lung der, 175 stellung gegenüber LUCRETIUS, Warnung des, Nichtjuden, 184-187 65 Mesopotamien, altes König- LUDWIG VII. (1137-1180), reich, 84, 98 kapetingischer König Metternich-Regime (Öster- (Frankreich), 108 reich), 46 Lvov siehe Lemberg Metz (Frankreich), 153 Midianiter, biblische Er- MACHIAVELLI, 39 munterungen gegen die, Magna Charta (1215), 108 168 Mahlen (von Mehl), verbo- Midrashiyyat No'am, reli- ten am Sabbat, 40 f., 91 giöse Hochschule, 142 MAIMONIDES, MOSES, „Füh- Mischehen, in Spanien und rer der Verirrten“ [Guide Polen, 126, 199n (Anm. 15) to the Perplexed], 59; Mischna (f.), Gesetzbuch des Mishneh Tor ah [Mischna Talmud, 80 Thora], 53, 58-60, 139; „Mishnah Berurah“, moder- moslemische Verfolgung ne Kodifizierung der von, 178; Arzt von talmudischen Gesetze, SALADIN, 113,179 f.; 140, 208n (Anm. 32) Rassismus von, 59 f.; zur „Mishneh Torah“, MAI- Rettung von Leben, 80 f. MONIDES' Kodifizierung Makkabäerzeit (142-63 der talmudischen Geset- v.d.Ztr.), 40 ze, 53, 139; und Arbeit MARX, KARL, Prinzipien der am Sabbat, 154 ff. Geschichte, 36; zum Ju- Mittlerer Osten, Rolle des dentum, 97 Staates Israel im, 37 f., Marxisten, als „Freunde der 137 Juden“, 66 f. Monotheismus, im Juden- MEIR, GOLDA, Ministerprä- tum, 69-73 sidentin, 133, 182 Mord, an Nichtjuden, 140 Melken am Sabbat, Dispen- ff.; an Juden, 140 ff. sationen für, 88 f. More, Sir Thomas, 39 MENCIUS, (chinesischer Mose ben Maimon, siehe Weise), 137 f. Maimonides 22 3, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION MOSES, Inkarnation als Nichtjuden [engl.: Gentiles], „Sohn“, 71 131, 149, 176; und Auto- MOSHE (Soldat), Briefe an rität über Juden, 161; Rabbiner, 142-146 Pflicht zur Unterdrük- moslemische Länder, Juden kung der, 175 ff.; fiktive im Mittelalter, 109-113 Verkäufe zum Sabbat- Moslems, und mutmaßliche jahr, 87 f. und Passah- Verunreinigung von Fest, 90 f.; Geschenke an, Wein durch, 172 162 f.; Könige ausge- „Müßiggang an Wochenta- nommen von Gesetzen gen“, 93 gegen, 103 f.; im Lande Mystizismus, Einstellung Israel, 165-168; Mord gegenüber Nichtjuden, durch, 140 ff.; Mord an, 45, 65; und Täuschung, 140 ff.; Verbot des Lobes 63-66; Chassidismus, 61- für, 171; mutmaßliche 65; siehe auch Kabbala; Verunreinigung von Gusch Emunim Wein und Nahrungsmit- teln durch, 172 f.; als „Nächster“, Interpretation ortsansässige Fremde, von, 77 f., 174, 2l0n 166, 203n (Anm. 2); Ret- (Anm. 49) tung des Lebens von, NAPOLEON, Armeen der 21 f., 147-149, 150 ff.; franz. Revolution in sexuelle Vergehen und Deutschland, 44 Rechtsstellung von Frau- NAPOLEON III., Kaiser von en, 159-162, 209n (Anm. Frankreich, 2O7n 46); als Sklaven, 174 f. (Anm. 26) Nichtjuden [engl.: non- Nationalismus, und Ge- Jews], „Freunde der Ju- schichtsschreibung, 54 den“, 66-68; im jüdischen Nazis, Vernichtung von Ju- Mystizismus, 45 f.; und den, 120, 201n (Anm. 25); zurückgekauftes = erret- jüdische, 202n (Anm. 25) tetes Land, 30 ff.; für Ar- NEHEMIA, Mundschenk von beit am Sabbat beschäf- König ARTAXERXES, 99 tigte, 88, 91-93 Neues Testament, öffentli- „Nie geschaute Welten“, sie- che Verbrennung (1980 he UEXKÜLL in Israel) des, 52; in is- NIKOLAUS L, von Rußland, raelischen Schulen, 179 46 Nicaragua, israelische Rolle Noachidische Gebote, 166, in, 137 203n (Anm. 2),

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Organisationen, Exklusivi- Patriarch, jüdischer, im tät der jüdischen, 185 ff. Römischen Reich, 105 f., orthodoxes Judentum, 41, I98n (Anm. 10) 69 ff.; verderblicher Ein- PAULUS, Apostel, 100 fluß des, 94 ff.; siehe auch Pedro I., von Kastilien, 115 klassisches Judentum; Pentateuch [die fünf Bücher Zionismus Mose], talmudische In- ORWELL,,,1984“, 66 terpretation des, 77 Osmanische Reich, Juden Persisches Reich, 99 f. im, 111 ff., 131 Personalausweis (identity Österreich, jüdische Aufklä- card = ID-Karte), 29 rung in, 130 f.; Juden in, peruanischer Stamm, Über- 43 f.; und modernes Ju- tritt zum Judentum, 25 dentum, 100 f.; Leibei- Pest, 123 genschaft in, 102 f.; unter PETLYURA, –, Pakt mit Metternich, 46 JABOTINSKY, 132 Pharisäer, 99 Palästina, altes Königreich, PHILIPP II. August, 109 84, 50 f.; PLO, 182 f.; PHILIPP IV., der Schöne, 109 kein „Bantu-Heimatland“ PHILO VON ALEXANDRIEN, in, 184 190n (Anm. 11) Palästinenser, Plan der bri- Piemont, feudale Enklaven tischen Labour Party zur von, 109 Vertreibung der, 67 f.; PLATON, 39 f., 190n (Anm. 8) religiöse Pflicht zur Ver- PLEHVE, Graf VON, Bündnis treibung der, 167 f., 177; mit HERZL, 132, 202n zionistische Feindselig- (Anm. 27) keiten gegenüber, 64-66, PLO [Palestine Liberation 134 f. Organization], 182 f. Pan, kleiner polnischer Pogrome, im zaristischen Gutsherr, 61 Rußland, 122 päpstliche Staaten, 109 Polen, Dispensation für ver- Papsttum, Aufgeklärtheit zinslichen Kredit, 86 f.; des, 53; und Verfolgung jüdische Gemeinschaften von Juden, 121-124 in, 43, 46 f., 106, 115-120; Parther-Reich, 199n (Anm. königliche Städte, 117 f.; 11) Leibeigenschaft in, 102 f., Passah, jüdisches Fest zum 199n (Anm. 16); Be- Gedenken an den Auszug handlung von Nichtjuden aus Ägypten, 90, 100 am Sabbat, 153 22 5, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION POPPER, KARL, „The Open nalität des, 111-112n Society and Its Enemies“, (Anm. 25); pro-jüdischer 41,48 unter Nichtjuden, 66-68 Portugal, 114; siehe auch Raub (mit Gewalttätigkeit), Spanien siehe Beraubung Prag, Kruzifix auf Brücke, RAZIN, STENKA, Aufstand 211n(Anm. 65) russischer Bauern, 135 Preßburg (Bratislava), Ju- Reformation, intellektuelle den in, 43 f. Ehrlichkeit während der, Preußen, Emanzipation von 53 Juden in, 132; Leibeigen- Reinheit der Rasse, ideologi- schaft in, 102 sche Gemeinsamkeiten Priester siehe Geistliche von Nazismus und Zio- PRINZ, Dr. JOACHIM (Zio- nismus, 132-135 nist), und die Ideologie „Reinheit der Waffen“ [engl.: der rassischen Reinheit, „purity ofweapons“], 142- 133 f. 146, 203-204n (Anm. 7, 8) private Armeen, der großen „Reinigungsbad“, bei Bekeh- Adelshäuser (Polen), 116 rung in gründlicher Wei- Privilegien [Sonderrechte], se, 27 während der Periode des Reisen, am Sabbat, 155-157 klassischen Judentums Religionsministerium (des 104 f. Staates Israel), 52 Profitstreben, in Dispensa- religiöse Pflichten, die „ 613 tionen, 95-97 mitzvot“, 173 Protestantismus, und religiöser Fanatismus, Ge- Bündnis mit Antisemi- fahren des, 65 f. tismus, 126 ff. religiöse Toleranz, im frü- Pugatschow-Rebellion, in hen Judentum, 98-100 Rußland, 135 f. Rettung von Leben, 147-149, 205-206n (Anm. 16-21); Qibbiya-Massaker, an Palä- am Sabbat, 150-159 stinensern, 168 RICHARD I., König von Eng- land, 123 rabbinische Gerichte, Ritual, Wichtigkeit des, 73 f., nichtjüdische Zeugen vor, 194-195n (Anm. 11) 161 f.; von Jerusalem, RIVKES, MOSES (Rabbiner), 21 f.; Macht der, 43 f. Liberalismus des, 149 Rassismus, gegen Nichtju- Römisches Reich, jüdische den, 23, 128 f.; Irratio- religiöse Toleranz im,,

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100, 199-200n (Anm. 17); Sammlung der talmu- rechtliche Status der Ju- dischen Gesetze (Editio denheit im, 104 ff. Princeps), 53 ROSTEN, LEO, „The Joys of SAMUEL der Fürst (SHMU'EL Yiddish“ [Die Freuden HANNAGID), von Grana- des Jiddischen], 61 da, 110 f. Rückkehrgesetz (Law of Satan, Ränke des, 33 f.; Return), 29 f. Besänftigung [engl. pro- Rumänien, Emanzipation pitiation, auch: Versöh- der Juden in, 131 nung, Sühneopfer] des, Rußland, Zensur talmu- 72 f.; Rolle des, 70 f., discher Literatur in, 53, I94n (Anm. 10) 55 f.; Emanzipation der Saudi Arabien, Forderungen Juden in, 131; Verfol- Israels an, 35 gung der Juden in, 122; SCHNEURSSOHN, M.M. (Rab- Leibeigenschaft in, 102 f., biner), 62 135 f., 199n (Anm. 16) SCHOLEM, GERSHOM, 45 Schöpfungsakt (Erschaf- Sabbat, Dispensationen für fung) durch „First Cau- Melken am, 88 f.; Ret- se“, 70 tung von Leben am, 150- Schulchan Aruch (Shulhan 159; Definitionen der 'Arukh), Kodifizierung vom Talmud verbotenen der talmudischen Geset- Arbeit am, 82-84, 154 ff.; ze, 139 f.; über die Ret- „stillschweigende Einbe- tung von Leben, 150-152 ziehung“ (havla'ah) des, Schulen, israelische, Evan- 93; Benutzung des Tele- gelien (Gospels) verboten fons am, 21; siehe auch in, 179; „Talmudische Dispensationen Auslassungen“ unterrich- Sabbat-Goi, Dispensationen tet an, 56 f. für, 91-93, 196-197n Schwarze, Rassismus gegen, (Anm. 19-22) 59 f., 192n (Anm. 22); Sabbatjahr, Dispensation Unterstützung der US- für, 87 f. 195-196n Juden für, 186 ff. (Anm. 17) „Seelenspeise“ (okhel nefesh), Sadduzäer, Trennung von 173 Pharisäern (140 v.d.Ztr.) Seldschuken-Staaten, 111 99, 192n (Anm. 21) Selbsthaß, jüdischer, 66 SALADIN, Toleranz der Ju- Sexuelle Vergehen, Gesetze den, 111, 113, 179 f. der Halacha bei, 159-161 22 7, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION SHARON, ARIEL, 36, 38 Slawen, Nazi-Vernichtung Shaygets (sheqetz), Definiti- von, 121 on von, 61, 212n (Anm. SMITH, IAN, 68 66) SOFER, MOSHE (Rabbiner) SHAZAR, israelischer Präsi- („Hatam Sofer“), 43 f., dent, Chabad-Unter- Responsa, 154-157 stützer, 62 Sohn („der heilige Gesegne- Shekhinah siehe Tochter te“), und Vereinigung mit „Shevet Musar“, Buch über Tochter, 70-72 jüd. moralisches Verhal- Sozialismus, und Antisemi- ten, 107n (Anm. 10) tismus, 128 f. SHMU'EL HANNAGID (SAMU- Sozialisten, Rassismus jüdi- EL der Fürst), von Gra- scher, 67, 103 nada, 110 f. Spanien, Goldene Zeitalter, „Shulhan 'Arukh“siehe jüdisches, 110 ff., I99n Schulchan Aruch (Anm. 14); Juden in, 43, SIGISMUND I., von Polen 112-115, 191n (Anm. 12, (1506-1548), 117 14); Massaker an Juden SIGISMUND II. AUGUSTUS, (1391), 123 von Polen (1548-1572), STALIN, JOSEPH, 187 117 STEINSALZ, ADIN (Rabbiner), Sinai, beansprucht vom 57 Staat Israel, 35, 165 Steuereinnehmer, Juden SIRKIS, JO'EL (Rabbiner), als, 104, 114, 117 f. Autor von „Bayit Ha- Straßburg, Verfolgung von dash“, 153 Juden, 123 „Sir Thomas More and Uto- Südafrika, „Bantu-Heimat- pia“, 39 länder“ in, 183; und SIXTUS IV., Papst, 53 Menschenrechte, 187 Sizilianische Vesper (1282), Suez-Krieg (1956), 33 f. 201n (Anm. 25) Syrien, altes Königreich, 98; Sizilien, feudales König- Ansprüche des Staates reich, 109 Israel auf, 35, 165 Sklaven, nichtjüdische, 174 f., 200n (Anm. 18), Tabernacles [engl. = Hütten, 212 (Anm. 68) Zelte], Feast of, siehe Sklavenerhebungen, 135 f. Laubhüttenfest Sklavenhandel, jüdische Taifas, 110, 114 Rolle im, 191n (Anm. 16), Talmud, babylonischer, 80 200n (Anm. 18) ff., 84, 139,

STICHWORTVERZEICHNIS

Talmud, Jerusalemer (palä- Todesstrafe, innerhalb der stinensischer), 80 jüdischen Gemeinschaf- Talmud und talmudisches ten, 43 f., 46 f. Gesetz, Angriffe auf „Toldot Yeshu“, Buch über Christentum, 51-53, 55- JESUS, 178 57, 192n (Anm. 19); Torah siehe Mishneh Torah christliche Angriffe auf, TORQUEMADA, TOMAS DE, 51-54; Ermunterung zum Inquisitor, 115 Völkermord, 167 f.; und Totalitarismus, und Täu- Auslegung der Bibel, 75- schung, 65 f.; in israe- 80; und Profitstreben, lisch-jüdischer Gesell- 96 f.; über die Rettung schaft, 36, 187 f. von Leben, 147 f.; Be- „Trankopfer-Wein“, 172 standteile des, 80-85; TRASTAMARA, HEINRICH II. siehe auch Mishneh VON, 115, 199 (Anm. 15) Torah; Schulchan Aruch TREVOR-ROPER, HUGH, „Sir Talmudic Encyclopedia, 140 Thomas More and Uto- „Talmudische Auslassun- pia“, 39; „The Rise of gen“, 56 Christian Europe“, 111n talmudische Literatur, 80; (Anm. 18) Zensur der, 52 f., 55; sie- Türkei, Israels Ansprüche he auch Agada; Gemara; an, 35, 165; Hebammen Mischna; Talmud in, 154 f. Täuschung im Geschäfts- Türken, im Osmanischen leben, 164 Reich, 112 TAYLOR, A.J.P., Analyse von, 44 Übertritt vom Judentum, technischer Fortschritt, 52, 191n(Anm. 14), 211n Auswirkung auf die Ein- (Anm. 61); als Flucht, 44 haltung des Sabbats, 91- Übertritt zum Judentum, und 93 Definition von „jüdisch“, Tempel, Bau und Zerstö- 26 f.; Rechtsanspruch in rung der, 71 Israel ansässig zu wer- TERTULLIAN, früher Kir- den, 25 ff.; von Frauen, chenvater, 83 27, 209n (Anm. 46) THEODOSIUS I., römischer UdSSR, und Menschenrech- Kaiser, 105 te, 187; Einwanderer aus Tochter (Shekhinah), und der, 29 Vereinigung mit Sohn, UEXKÜLL, JAKOB VON, „Nie 70-72 geschaute Welten“ (Berlin 22 9, JÜDISCHE GESCHICHTE, JÜDISCHE RELIGION 1949), Anmerkung des Prinzips „eines jüdischen Übersetzers, 151 Staates“, 24 Ukraine, Chmielnicki- Verfolgung von Juden, 120- Aufstand (1648), 123, 135 124, 178, 199-200n (Anm. Umayyaden-Kalifat, 110 17, 18) Ungarn, Leibeigenschaft in, vermischte Feldfrüchte, 102 f. Dispensation für das Sä- Universitäten, Dispute über en, 89 f., 196n (Anm. 18) talmudisches Judentum, Verschwörungstheorie der 52 f., 191 (Anm. 15) Geschichte, und moderner ursprüngliche Absicht Antisemitismus, 125 f. [engl.: primary intenti- Volksbewegungen, und Op- on], und Verbot von Ar- position gegen Juden, beit am Sabbat, 158 f. 115, 120 f., 122-124; Ras- USA, und BUBERs Arbeiten sismus ist keine mitbe- zum Chassidismus, 63- stimmende Ursache bei, 65; israelischer Einfluß 135 ff. in, 24 f, 41; nichtjüdische VOLTAIRE, 137,138 „Freunde der Juden“, 66- 67; Vorherrschaft der ost- WALDENBERG, ELI'EZER europäischen Juden, 120; YEHUDA (Rabbiner), 157 Unterstützung für Israel, Waschen, der Hände, 72, 73, 184 ff.; Übersetzung von 194n (Anm. 11); rituelles MAIMONIDES' „Führer der Reinigungsbad, 107n Verirrten“, 59 (Anm. 10) WEISER, SHIM'ON (Rabbi- „verbotene Gedanken“, ner), Brief an Soldat 46, 50 MOSHE, 143-145 Verdammung (Verfluchung), Westbank, nur von Juden zu von Gebäuden, 171; von nutzendes Land, 25; Un- Christen 169 ff., 211n terdrückung der Palästi- (Anm. 61-66); von Fried- nenser, 66; Beziehungen höfen, 57; von Heiden mit Jordanien, 182 f. und Nichtjuden, 57 ff., WILHELM der Eroberer, Ju- 93 ff.; Verbot barmherzi- den unter, 108 ger Taten gegenüber „Wir Juden“, Buch von Dr. Nichtjuden, 175 f.; Spuk- JOACHIM PRINZ (1934), ken, 211n (Anm. 60, 65) 133 f. Verfassungsgesetz, israeli- Wohnrecht, Diskriminie- sches, gegen Gegner des rung bezüglich, 27 f.,

STICHWORTVERZEICHNIS

World Zionist Organization, Zionismus, Bündnis mit [Zionistische Weltorgani- Antisemitismus, 132-135; sation], 27 und Hass auf Bauern, 103; Einfluß im Staate Xenophobie, siehe Fremden- Israel, 40 f., 100 f., 181 f.; feindlichkeit Einflüsse auf, 22 f., 74 f.; XIMENES, Kardinal, Inquisi- und Gesetze gegen tor, 115 Nichtjuden, 165-168; No- stalgie für die geschlos- Yad Le'akhim-Orçanisation, sene Gesellschaft, 49; jüdische religiöse, 52 und politische Zweckmä- ßigkeit, 177; als Reaktion Zigeuner, Nazi-Vernichtung auf den Antisemitismus, von, 120 f. 129-135; siehe auch klas- Zinsen für Anleihen, Dis- sisches Judentum; ortho- pensation für Einnahme doxes Judentum von, 86 f., 163; gegenüber Zypern, Israels Anspruch Nichtjuden, 163, 175 auf, 35, 165 23 1, CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Šahaq, Yisra'el: Jüdische Geschichte, jüdische Religion ; der Einfluß von 3000 Jahren / Israel Shahak. [Aus dem Engl. übers, von: Friedel Wiezoreck und Harm Menkens. Bearb. der dt. Ausg.: Harm Menkens]. – Süderbrarup: Lühe-Verl., 1999 (Internationale Literatur zur Erforschung politischer Hinter- grundmächte; Bd. 5) Einheitssacht.: Jewish history, Jewish religion ISBN 3-926328-25-8]
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