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SAFI NIDIAYE DAS TAO DES HERZENS Wie Sie Ihre Gefühle befreien WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN HEYNE ESOTERISCHES WISSEN Herausgegeben von Michael Görden 13/9899 Unsere größte Angst ist nicht, unzulänglich zu sein. Unsere größte Angst ist, grenzenlos mächtig zu sein. Unser Licht, Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf nicht unsere Dunkelheit ängstigt uns am meisten. Wir fra- chlor- und säurefreiem Papier gedruckt. gen uns: Wer bin ich denn, dass ich so brillant sein soll? Aber wer bist du, es nicht zu sein? Du bist ein Kind Gottes. Es dient der Welt nicht, wenn du dich klein machst. Dich klein zu m...
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Dokumentinhalt

SAFI NIDIAYE

DAS TAO DES HERZENS

Wie Sie Ihre Gefühle befreien WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

,

HEYNE ESOTERISCHES WISSEN

Herausgegeben von Michael Görden 13/9899 Unsere größte Angst ist nicht, unzulänglich zu sein. Unsere größte Angst ist, grenzenlos mächtig zu sein. Unser Licht, Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf nicht unsere Dunkelheit ängstigt uns am meisten. Wir fra- chlor- und säurefreiem Papier gedruckt. gen uns: Wer bin ich denn, dass ich so brillant sein soll? Aber wer bist du, es nicht zu sein? Du bist ein Kind Gottes. Es dient der Welt nicht, wenn du dich klein machst. Dich klein zu machen, nur damit andere um dich herum sich nicht un- sicher fühlen, hat nichts Erleuchtetes. Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, der in uns ist, zu manifestieren. Er ist nicht nur in einigen von uns, er ist in jedem Einzelnen. Und wenn wir unser Licht leuchten lassen, geben wir damit unbewusst anderen die Erlaubnis, es auch zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind, befreit unsere Ge- genwart automatisch die anderen.

Nelson Mandela

2. Auflage Taschenbucherstausgabe 6/2002 Copyright © 2002 der deutschsprachigen Ausgabe by Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München www.heyne.de Printed in Germany 2003 Umschlaggestaltung: FranklDesign, München Umschlagillustration: Shivananda Ackermann Satz: Fotosatz Völkl, Puchheim Druck und Bindung: Ebner & Spiegel, Ulm ISBN 3-453-21466-8,

INHALT

Einführung

TEIL I

1. KAPITEL Mein Weg zur körperzentrierten Herzensarbeit 2. KAPITEL Das Herz kennt keine Probleme 3. KAPITEL Fühle, was du fühlst: Mehr ist nicht nötig 4. KAPITEL Gefühle wollen ausgedrückt werden - wenn wir wissen, was wir fühlen 5. KAPITEL Bewusst und doch verdrängt: Um ein Gefühl zu wissen, ist nicht genug 6. KAPITEL Kann man Hass ins Herz schließen?, 7. KAPITEL 2. KAPITEL Das offene und das verschlossene Herz Anwendungsmöglichkeiten der 86 körperzentrierten Herzensarbeit 8. KAPITEL Mit dem Herzen zuhören 3. KAPITEL 97 Die Technik der körperzentrierten Herzensarbeit 9. KAPITEL Die Entwicklung der körperzentrierten Herzensarbeit 4. KAPITEL und ihr Verhältnis zu anderen Methoden Beispiele für eine problemorientierte Anwendung 102 der körperzentrierten Herzensarbeit 10. KAPITEL Eine neue Art, mit Problemen umzugehen 5. KAPITEL 115 Fallbeispiele zur körperzentrierten Herzensarbeit 11. KAPITEL Wo Gefühle sich im Körper verstecken TEIL III 1. KAPITEL 12. KAPITEL Körperzentrierte Herzensarbeit als Weg Der Sinn der körperzentrierten Herzensarbeit 301 aus höherer Sicht 127 2. KAPITEL Erfahrungen mit der körperzentrierten

TEIL II Herzensarbeit

Die Technik der körperzentrierten Herzensarbeit 3. KAPITEL In Zeiten der Krise: Liebe heilt immer 1. KAPITEL 312 Vorbereitende, begleitende und ergänzende Übungen Literatur 133 315,

EINFÜHRUNG

Wir alle leiden mehr oder weniger darunter, nicht das zu sein, was wir eigentlich sind, und nicht das Leben zu füh- ren, das wir eigentlich führen könnten, wenn wir wären, was wir eigentlich sind. Eigentlich wissen wir so viel, aber wir verhalten uns wie Dummköpfe; eigentlich sind wir großzügige, mitfühlende, verstehende Wesen, aber wir verhalten uns kleinlich, geizig, engstirnig und eifersüchtig. Eigentlich sind wir mächtig, aber wir verhalten uns schwach, hilflos, ohnmächtig. Eigentlich sind wir gut, aber wir verhalten uns schlecht. Wir haben Visionen, die wir nie verwirklichen, Träume, die wir nie ausleben; wir begnügen uns mit einer schmalen Scheibe dessen, was wir sein, er- leben und erschaffen könnten. Unsere Lebensumstände ge- fallen uns nicht, aber es fällt uns schwer, sie zu ändern, und wenn wir sie geändert haben, kommen wir oftmals vom Regen in die Traufe. In unseren Beziehungen sind wir nicht glücklich, und viele von uns wissen genau, warum; wissen genau, was sie falsch machen und wie sie glücklicher leben könnten - aber sie können es nicht. Wir beten, wir meditie- ren, wir haben große Erkenntnisse und große Momente, aber im kleinen Alltag scheinen sie uns nicht wirklich zu verändern. Warum? Aus dem Grund, weil es jemanden gibt, der unserer Ent- faltung, unserer Selbstverwirklichung, Gottverwirklichung, Erleuchtung oder schlicht unserem Glück im Wege steht. Dieser Jemand sind wir selbst. Es ist derjenige Teil unser selbst, den wir in unserem Körper, in den Grauzonen unse- rer Psyche eingesperrt haben, weil er das ist, was wir nicht sein wollen, und das fühlt, was wir auf keinen Fall fühlen wollen. Vielleicht weil wir Angst haben, dass es uns um- bringen würde. Er steht uns nicht deshalb im Wege, weil er unser Glück verhindern möchte; sondern deshalb, weil wir, ihn aus unserem Bewusstsein und unserem Herzen ver- so wenig Sie es auch möchten, Ihr Verhalten und Ihre Le- stoßen haben, sodass weder die Erleichterung des Verstan- benssituation beeinflussen. denwerdens noch der Trost des Mitgefühls ihn erreichen Das liegt daran, dass Gefühle, die wir zu kennen meinen, und vom Unglücklichsein erlösen kann; auch darf er nicht im Allgemeinen trotzdem noch verdrängt sind. Ein Gefühl am Leben teilhaben, sodass der gnädige, alles immer weiter ist ein körperlicher und emotionaler Seinszustand; und nur tragende und wandelnde Strom des Lebens ihn nicht be- wenn wir ihn als solchen kennen gelernt haben, kennen wir rührt. So tragen viele von uns ihr Unglücklichsein, ihren es wirklich. Das heißt, wir müssen das Gefühl körperlich Schmerz, ihren Hass, ihre Angst unverändert durchs ganze und emotional vollständig erleben, damit es nicht mehr zu Leben, ohne es zu merken. Und weil wir diese Gefühle - jenem uns gegen unseren Willen beherrschenden Teil unse- diesen verbannten Teil unser selbst - nicht bemerken, be- res Wesens gehört, den man »Unterbewusstsein« nennt, herrschen sie uns. Obwohl, beziehungsweise gerade weil sondern das Licht unseres Bewusstseins erblickt. wir solche Anstrengungen unternehmen, um dieses Kerker- Aber auch das reicht noch nicht aus, um unseren Gefan- Ich, dieses Wesen in uns - das all das ist, was wir auf keinen genen zu erlösen. Sein Gefühl muss auch angenommen Fall sein wollen - auszulöschen, zu begraben, nichtexistent werden. Die Angst, um bei unserem Beispiel zu bleiben, zu machen, beherrscht es unser Leben, unsere Beziehungen, muss von uns auch geachtet werden; wir müssen uns dafür unser Verhalten, und wir selber sind die Letzten, die es mer- verstehen, dass wir Angst haben; wir müssen Erbarmen mit ken. Wenn Sie beispielsweise große Angst vor Versagen in ihr haben. Mit anderen Worten: Der Gefangene muss sicher sich tragen, diese Angst jedoch vor sich selber verstecken, sein, mit seiner Angst einen Platz in unserem Herzen zu fin- weil Sie sie nicht fühlen möchten (weil sie Ihnen unerträg- den. Sonst fühlt er sich wie ein Kind, das zwar weiß, dass lich erscheint oder weil Sie sie verachten), dann wird diese die Eltern wissen, was es fühlt, aber nicht sicher ist, ob sie es Angst Sie zwingen, Situationen zu meiden, in denen Sie ver- mit diesem Gefühl auch lieben können. sagen könnten. Da Sie die Angst nicht wahrnehmen, mer- Das ist Erlösung. Das ist die Heimkehr des verlorenen ken Sie auch nicht, dass Sie überhaupt etwas meiden. Sie Sohnes. Jedes Mal, wenn wir ein solches »verlorenes Kind« wundern oder ärgern sich manchmal, dass Sie es einfach wieder finden und in die Arme schließen, geschieht etwas nicht schaffen, das zu tun, was Sie tun wollen; da aber die Wunderschönes. Je schlimmer die Gefühle sind, die wir Angst, der eigentliche Verursacher dieses Missstands, Ihrer endlich zu fühlen wagen, desto tiefer und schöner ist das in- Aufmerksamkeit entgeht, können Sie die Situation nicht än- nere Erleben, das dieser Öffnung des Herzens folgt. Eine po- dern. Was immer Sie unternehmen, fruchtet nichts oder sitive Erschütterung, eine Welle von Liebe, Mitgefühl, Ver- wenig. Und Sie bleiben weiterhin dem Vermeidungszwang stehen durchzieht unser ganzes Wesen und in vielen Fällen ausgesetzt, ohne es zu merken. öffnen sich spontan die Türen zum Himmel, das heißt zu Würden Sie die Angst kennen, so wüssten Sie immerhin den höheren Ebenen unseres Bewusstseins, und wir erleben um die wahren Zusammenhänge. Aber das reicht nicht aus. Augenblicke von tiefer Einsicht in die Zusammenhänge des Viele von Ihnen werden sich verschiedener negativer Ge- Lebens, von Erinnerung an die Absicht, die uns in dieses fühle bewusst sein - was jedoch nichts an diesen Gefühlen Leben geführt hat, an die Welt der Engel öder das Bewusst- ändert und auch wenig an der Tatsache, dass diese Gefühle, sein des höheren Selbst. 12 13, Um diese Erlösung, die Befreiung unseres inneren Gefan- taphern erscheinen. Das liegt daran, dass hier innere Erfah- genen aus seinem Kerker, geht es in diesem Buch. Ich werde rungen geschildert werden, die aus Bereichen unseres We- Ihnen eine Methode vorstellen - eine sehr direkte, schnör- sens stammen, die dem analytischen Verstand nicht zu- kellose, einfache, von mir entwickelte und jahrelang in gänglich sind und daher sprachlich nicht in einer den Gruppen, Seminaren, Partner- und Einzelübungen erprobte Verstand befriedigenden Weise ausgedrückt werden kön- und vervollkommnete Methode -, die es Ihnen ermöglicht, nen. Von manchem muss man sich gefühlsmäßig berühren anhand der aktuellen Probleme Ihres Lebens mit Ihrem Ge- lassen und darauf verzichten, sie intellektuell verstehen zu fangenen in Kontakt zu kommen, ihn kennen zu lernen, an wollen. die Hand zu nehmen und nach Hause zu bringen - in Ihr Ich selber praktiziere die Methode der körperzentrierten Herz (was ich unter »Herz« verstehe, erläutere ich am Herzensarbeit seit einigen Jahren. Schicht um Schicht wer- Schluss dieser Einführung). Diese Methode habe ich »kör- den, angeregt durch die jeweils aktuellen Ereignisse meines perzentrierte Herzensarbeit« genannt, weil sie bei der Lebens, die grundlegenden inneren Schmerzen, Qualen, Wahrnehmung des Körperzustands ansetzt und zur Öff- Ängste, Traumata meiner Psyche aufgedeckt und geheilt, in nung des Herzens führt; ihre Bestandteile habe ich oben be- manchen Phasen fast täglich eine neue, und mehr und mehr reits angedeutet. Eigentlich geht es um nichts weiter als verstehe ich mich selber und damit natürlich auch andere. darum, das, was man fühlt, vollständig wahr- und anzu- Viele negative Gefühle und Grundüberzeugungen, die un- nehmen. Das Schöne an dieser Methode ist, dass es, um mit bemerkt mein ganzes Leben beherrscht hatten, haben schon ihrer Hilfe einem Problem auf den Grund zu gehen, keiner an Macht über mich und an Einfluss auf mein Schicksal ver- gedanklichen Vorarbeit bedarf. Im Gegenteil, man kann alle loren. Und zwar ohne dass ich mich bemüht hätte, sie in Gedanken, die man sich bereits über das Problem gemacht positive Gefühle umzuwandeln. Ich habe sie lediglich im hat, getrost vergessen, denn wenn man, anstatt nachzuden- Körper entdeckt, als Gefühlszustand zugelassen und an- ken, unmittelbar wahrnimmt, was im eigenen Innern ge- genommen. Das Positive - das Heile, das Gute - ist ja der schieht, kommt man zu ganz anderen Einsichten; Einsichten, natürliche Zustand; wir müssen ihn nicht künstlich herstel- die einer tiefen und unmittelbaren Erkenntnis entspringen, len. Bevor ich die körperzentrierte Herzensarbeit entdeckte, der Erkenntnis des Herzens. Auf die Weisheit und Erkennt- kannte ich diese Aussage als - einleuchtende - Theorie; aber nisfähigkeit des Herzens gehe ich später ausführlicher ein. durch die Praxis dieser Arbeit habe ich sie als Realität ent- Dies ist kein psychologisches Buch, obwohl es im Wesent- deckt. Man muss nur wagen, das, was man fühlt - was es lichen um das geht, was wir die Psyche nennen. Die Er- auch sei -, ganz zu fühlen und ganz anzunehmen; allein da- kenntnisse, die ich hier mit Ihnen teile, stammen aus der durch befindet man sich automatisch im Positiven, im Ge- praktischen Arbeit. Die dabei angewandte Methode ent- sunden, im Zustand von Heilsein und Liebe. wickelte sich aus der Praxis der Zen-Meditation, aus der Probieren Sie es aus. Vielleicht werden Sie, ebenso wie ich, einfachen Übung des Sitzens und Wahrnehmens. Näheres eines Tages, nachdem Sie bereits große Teile Ihres inneren über die Entwicklung der Methode erzähle ich in Teil I des Gefangenen ans Licht befördert haben, unter Tränen des Buches. Einige der Begriffe, die ich verwende, mögen dem Mitgefühls, in der Erschütterung des Erkennens zu sich sel- Verstand des Lesers wie unscharfe, teils auch kitschige Me- ber sagen: »Jetzt sehe ich endlich, was du all die Jahre erlit- 14 15, ten hast. Welche entsetzliche Angst du mit dir herumgetra- und deshalb auch Glück und Freude und Liebe nie wirklich gen hast. Wie du dich abgemüht hast, um dir einen Weg fühlen konntest! Ab heute will ich mich um dich kümmern. durch den Dschungel des Lebens zu bahnen, obwohl du Ich werde lernen wahrzunehmen, wie es dir geht. Ich werde dich so hilflos, so schutzlos und verzweifelt fühltest; wie du dich an die Hand nehmen, wenn du Angst hast, und in die dich ständig angestrengt hast, um anders zu sein, als du Arme schließen, wenn du traurig bist. Ich will dir die An- bist, weil du dachtest, du seist schlecht und hässlich und erkennung und Liebe geben, die du brauchst, ganz gleich, schuldig; wie du verzweifelt um Liebe gekämpft hast, wie du dich gerade fühlst. Ich weiß noch nicht, ob mir das immer bemüht, nichts Falsches zu tun, um nicht verstoßen immer gelingt, denn ich habe Angst davor, mich schwach zu werden; wie du in diesem Bemühen Schmerz und oder unfähig oder traurig zu fühlen; deshalb muss ich mich Demütigung, Zorn und Aufbegehren unterdrückt hast, um erst einmal dieser Angst zuwenden und versuchen sie zu immer freundlich und offen, tolerant und tapfer zu sein; wie fühlen und zuzulassen. Aber ich habe jetzt gesehen, wie du du für ein bisschen Wärme und Zuneigung deine Wahrheit, leidest, und das wird mir die Kraft geben, es zu wagen.« deine Sehnsucht, deine Seele verraten hast .Jetzt endlich Wenn unser Gefangener endlich befreit ist, beherrscht er sehe ich dich, fühle ich dich, erkenne ich dich wieder als uns nicht mehr. Dann ist der Weg frei zur Verwirklichung mich selber. Ab heute darfst du in mir leben, ab heute will unseres höheren Potenzials. Das geschieht nicht auf einmal, ich fühlen, was du fühlst, und dich nicht mehr im Stich las- sondern nach und nach. Haben wir unsere Angst vor Versa- sen. Vielleicht gelingt mir das nicht auf Anhieb, weil ich es gen ins Bewusstsein geholt und ins Herz geschlossen, dann erst lernen muss. Aber ich verspreche, es zu üben.« können wir es - während die Angst sich sozusagen in den Wenn Sie ein Mann sind - oder eine Frau mit einer mehr Armen unseres Herzens geborgen und verstanden fühlt - männlichen Lebenshaltung -, können Sie sich womöglich wagen, uns in Situationen zu begeben, die wir vorher unter mit diesen Formulierungen nicht recht identifizieren. Viel- dem Einfluss der unbewussten Angst gemieden haben; und leicht müsste Ihre Selbstansprache sinngemäß lauten: »Jetzt in diesen Situationen können wir endlich die Fähigkeiten merke ich endlich, wie schlecht es dir die ganze Zeit gegan- oder Qualitäten zum Einsatz bringen, die uns schon ge- gen ist. Welche Angst du immer gehabt hast und wie du hören, aber noch nicht zur Manifestation gekommen sind. dich angestrengt hast, damit das niemand merkt! Wie du Wenn wir unser Ungeliebtsein gefühlt und angenommen dich immer gefürchtet hast zu versagen und wie du dich haben, können wir endlich wagen, wir selbst zu sein - was zu immer neuen Leistungen gequält hast, um endlich die wir uns zuvor versagt haben, weil wir ja aufpassen muss- Anerkennung zu bekommen, nach der du dich gesehnt ten, nichts zu tun oder zu sagen, was unsere Mitmenschen hast! Und wie neidisch du insgeheim immer warst, wenn oder Lebenspartner veranlasst hätte, uns ihre Liebe zu ent- andere geweint und gelacht und sich umarmt haben, weil ziehen. Das musste auf jeden Fall vermieden werden, um du an dieser Welt der Gefühle nicht teilhaben konntest! Weil nicht das, was wir verdrängt hatten, doch fühlen zu müs- du dein Herz verschlossen hattest vor allem, was nach sen: das Ungeliebtsein. Gefühlen roch, weil du erfahren hattest, dass Fühlen mit Der Weg zur Integration unserer Schönheit, unserer Grö- schrecklichem Schmerz verbunden war! Wie du dich ein- ße, unserer Kraft, unserer Liebe, unserer Weisheit führt über geigelt hast in dir selber, um nur ja nichts fühlen zu müssen, die Integration unserer verdrängten Hässlichkeit, unseres 16 17, verdrängten Geizes, Neides, unserer Ohnmacht, unseres Angst, sich plötzlich einsam einer kalten Welt ausgesetzt zu Hasses, unserer Verwirrung, unserer Hilflosigkeit und finden; oder die Angst, man könne entdecken, wie unfähig Schuld. In dem Maße, in dem wir diese verstoßenen armen wir in Wirklichkeit sind; und so fort. oder hässlichen Wesensteile als Bestandteile unser selbst Wenn wir diese Angst gefunden, körperlich und emotio- erkennen und anerkennen, können wir unseren Reichtum nal erlebt und gewürdigt, verstanden und als etwas, das zu und unsere Schönheit erkennen und anerkennen - das heißt uns gehört, anerkannt haben, können wir aufatmen. Er- unser Potenzial verwirklichen, unsere Visionen in Realität leichterung durchzieht das ganze Wesen. Etwas, das ver- verwandeln, unser Leben leben, wir selber sein und die Rea- stoßen war, wird endlich gewürdigt und darf da sein. Dann lität erschaffen, nach der wir uns sehnen. erst sind wir frei von dieser Angst. Nicht frei in dem Sinne, Solange wir dazu nicht in der Lage sind, gibt es mit Si- dass wir keine Angst mehr fühlen, sondern frei in dem cherheit eine Angst in uns, die uns daran hindert. Wir Sinne, dass wir Angst fühlen und trotzdem tun können, was führen unsere Lage vielleicht auf äußere Umstände oder an- wir tun möchten. Mit der Zeit wird dann auch die Angst dere Menschen zurück; aber wenn wir uns von äußeren weniger, denn nun haben wir das Gefürchtete gewagt, und Umständen oder anderen Menschen einengen, beherr- es ist nichts Schlimmes passiert; wir leben und atmen, und schen, unterdrücken oder hin und her zerren lassen, anstatt die Sonne scheint immer noch. wir selber zu sein und unser wahres Wesen auszudrücken, Bevor wir nicht gelernt haben, uns selber diese Liebe zu dann liegt das daran, dass das einem (verdrängten) Teil geben, können wir auch andere nicht wahrhaft lieben, weil unser selbst willkommen ist: ebendiesem Teil, der vor ir- wir gar nicht wissen, wie das geht. Wir bemühen uns viel- gendetwas Angst hat. Um diese Angst zu entdecken, müs- leicht, gut zu ihnen zu sein und sie zu verstehen; wir fühlen sen wir uns nur sehr deutlich vorstellen, was passieren vielleicht Emotionen, die mit Liebe einhergehen; aber unser würde, wenn die äußeren Umstände beziehungsweise die Herz bleibt diesen Menschen verschlossen - jedenfalls all anderen Menschen uns nicht mehr beherrschen, wenn sie den Gefühlen und Aspekten unserer Geliebten, von denen wegfallen /fortgehen oder sich ändern würden. Wenn wir wir uns unbewusst bedroht fühlen, sowie all denen, die wir uns das ernsthaft und deutlich vorstellen, werden wir mer- in uns selber verdrängen. ken, dass unser Körper darauf reagiert. Wenn wir uns auf- Egoistisch sind wir nicht deshalb, weil wir uns selber zu merksam in diese Reaktion einfühlen, werden wir die Angst sehr lieben, sondern weil wir uns zu wenig lieben. Wenn wir entdecken. Zum Beispiel die Angst, nicht in der Lage zu uns beispielsweise im tiefsten Innern ungeliebt fühlen, uns sein, das Leben zu bewältigen (solange wir von den Um- aber um dieses Gefühl nicht kümmern, weil wir es ver- ständen oder Mitmenschen in eine Position der Schwäche, drängt haben, dann werden wir bedürftig, gierig, ja süchtig Abhängigkeit, Ohnmacht oder Unfreiheit gezwängt wer- sein nach der Liebe anderer. Wir wollen haben und haben den, müssen wir uns dieser Angst nicht stellen, sodass wir und können nicht genug davon bekommen. Wir können ja es vorziehen, schwach, abhängig, ohnmächtig, unfrei zu die Liebe, die uns entgegengebracht wird, nicht wirklich an- bleiben); oder die Angst, abgelehnt und/oder nicht mehr nehmen - denn sie entspricht nicht dem, wie wir uns auf geliebt zu werden (wenn wir plötzlich stark, erfolgreich, selbstverständliche, aber unbemerkte Weise im Innern füh- gesund sind statt schwach, krank oder bedürftig); oder die len: ungeliebt. Wir brauchen immer neue Äußerungen und 18 19, Beweise dieser Liebe. So kann auch die allergrößte Liebe, gerechterweise aufgezwungen worden war; deshalb ent- die ein anderer uns entgegenbringt, nicht unseren Hunger stand in mir der Wunsch, der andere, der Verursacher, solle stillen, wenn wir uns selber nicht lieben. ihn fühlen. Statt des aus meinem Bewusstsein verdrängten Solange wir unsere Not verdrängen, werden wir, ohne es Originalgefühls (Schmerz) fühlte ich also nun Hass und Ra- zu merken, andere brauchen oder benutzen, um diese Not chedurst. Auch Hass und Rachedurst verdrängte ich viel- zu lindern. Oft werden wir finden, dass der Mensch, den leicht aus meinem Bewusstsein, weil beides Gefühle waren, wir selbstlos zu lieben meinen, für uns als Quelle von mit denen ich mich nicht identifizieren konnte. Was nun Sicherheit, Geborgenheit, Fürsorge, Liebe, Wertschätzung passiert, ist, dass Hass und Rachedurst, ohne dass ich es oder was auch immer so wichtig ist, dass wir versuchen, ihn kontrollieren kann, in meinen Worten, Handlungen oder mit unserer Liebe an uns zu binden. Blicken aus mir hervorschießen, sobald irgendetwas ge- Wenn wir nun stattdessen beginnen, Liebe in uns selber zu schieht, das mich befürchten lässt, jenes entsetzliche Gefühl entwickeln, indem wir aufhören, uns zu verdammen, zu ver- von Demütigung erleiden zu müssen, das ich damals ver- urteilen, unsere wahren Gefühle zu verdrängen, zu missach- drängt hatte. Da ich aber Hass und Rachedurst nicht fühle ten, unser Herz vor unserer eigenen Not, unserem Schmerz, und auf keinen Fall manifestieren darf, kleide ich diese aus unserer Angst, unserer Sehnsucht, unseren Wünschen zu mir hervorschießenden Pfeile in freundliches Gebaren. verschließen, vor unserem Hass, unserer Bitterkeit, unserem So kommt etwas »Unreines« heraus. Ein reines Herz Neid, unserer Liebe ... Wenn wir es stattdessen wagen, zu würde einfach den Schmerz fühlen, und die ganze Kette fühlen, was wir fühlen - was es auch sei -, und alles, was wir von Leid und Verdrehung, die in unserem Beispiel aus der fühlen, zu achten, zu würdigen und zu verstehen, ganz gleich, Ablehnung des Schmerzes entstanden ist, käme nicht zu- wie unser konditionierter Verstand es beurteilt, bedingungs- stande. los, einfach, weil es da ist, dann öffnet sich unser Herz. Dann Ganz im Kern sind wir rein. Ganz im Kern sind wir un- plötzlich können wir fühlen, wie es ist, unser Partner, unser schuldig. Eigentlich gibt es nichts Schlechtes an uns. Wel- Kind, unsere Mutter, unser Chef zu sein, und dasselbe Mit- ches Gefühl auch immer Sie nehmen: Fühlen Sie es durch gefühl und Erbarmen, das wir zuvor uns selber entgegenge- und durch, bis auf den Grund, und Sie werden immer etwas bracht haben, regt sich nun spontan auch für den anderen. Unschuldiges und Schönes finden. Und ebenso wenig gibt Indem wir nach und nach unser Herz unserer eigenen Not es etwas in uns, das so schlimm wäre, dass wir es nicht öffnen, anstatt sie weiter zu verdrängen, kommen wir zu verkraften könnten. Nehmen wir den allerschlimmsten dem, was man ein reines Herz nennt und was viele spiri- Schmerz, das allerschlimmste Schuldgefühl, die allergrößte tuelle und religiöse Menschen anstreben. Ein reines Herz zu Angst: Wenn wir dieses Gefühl einfach ganz und gar zulas- haben bedeutet, das, was man fühlt, zu fühlen. Ein Beispiel: sen, während wir mitten in diesem Gefühl auf dem sicheren Wenn mir jemand eine Demütigung aufgezwungen hat, die Platz des bewusst Wahrnehmenden verharren, gewappnet mir den schlimmsten Schmerz zufügte, den es meinem Ge- mit nichts als der Bereitschaft, was immer da auftaucht, zu fühl nach geben konnte, dann war dieser Schmerz vielleicht fühlen und zu verstehen - dann finden wir auf dem Grun- für mich so schlimm, dass ich ihn nicht fühlen wollte; außer- de des Schlimmen, wenn wir es zu Ende gefühlt und ge- dem wollte ich ihn deshalb nicht fühlen, weil er mir ja un- würdigt haben, das Schöne. Letztlich finden wir immer 20 21, Liebe. Das ist keine spirituelle Theorie, sondern Erfahrung wart unserer Mutter, in die wir einfach eingehüllt waren, aus vielen Sitzungen körperzentrierter Herzensarbeit. wurde dieser Quell der Wärme und Geborgenheit plötzlich Solange wir nicht gelernt haben, uns selber unmittelbare etwas, das sich außerhalb von uns befand, das die meiste Zuwendung zu schenken, geben wir uns Ersatz. Selbst Zeit körperlich nicht vorhanden und nur für relativ kurze Menschen, die bereits mit ihrem »inneren Kind« gearbeitet Zeit - des Stillens, des Auf-dem-Arm-getragen-Werdens, und gelernt haben, seine Bedürfnisse und Nöte zu fühlen, des Schmusens - körperlich präsent war. Wir ruhten nicht neigen dazu, es mit Ersatz abzuspeisen. Anstatt ihm unmit- mehr in ihrer Gegenwart, sondern wir wurden bedürftig, ja telbare Zuwendung durch reine Präsenz zu schenken, su- süchtig nach ihr. In noch naturnah lebenden Völkern, bei- chen wir Mittel, die diese Zuwendung ersetzen können. Wir spielsweise in Afrika oder Südamerika, ist das anders. Müt- haben das nicht anders gelernt. Als Neugeborene - jeden- ter tragen ihre Kinder am Körper, solange es geht. Das Kind falls wenn unsere Ankunft auf Erden sich einigermaßen bleibt eingehüllt in die körperliche Gegenwart der Mutter, normal zugetragen hat - befanden wir uns in einer Art pa- auf selbstverständliche Weise geborgen; es ist einfach über- radiesischem Urzustand, nicht unterschieden vom Rest der all dabei, während die Mutter ihren Tätigkeiten nachgeht. Welt und in uns ruhend, wenn nicht gerade ein körperliches Es ist keineswegs Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Unwohlsein uns daraus aufschreckte, das wir unmittelbar Mutter, wie bei uns im Allgemeinen der Fall; es ist einfach artikulierten. Dieses In-sich-selber-Ruhen wurde uns so bei der Mutter und die Mutter richtet ihre Aufmerksamkeit schnell wie möglich abgewöhnt. Unsere Eltern - in der Mei- auf das, was sie tut. Das Kind wird nicht gewaltsam aus die- nung, man müsse Intelligenz und Empfindungsfähigkeit sem Paradies verstoßen, sondern es macht sich nach und des Babys aktiv wecken - taten ihr Bestes, um uns aus un- nach selber frei. serem seligen In-uns-selber-Ruhen herauszuholen; sie lenk- Anstatt also in uns selber zu ruhen, suchen wir Erfüllung ten unsere Aufmerksamkeit auf Dinge außerhalb von uns und Glück in Dingen, die außerhalb von uns sind; anstatt in selbst, auf Rasseln, bunte Kugeln und dergleichen, sie uns ein Gefühl selbstverständlicher Geborgenheit zu tra- schnitten Grimassen und bemühten sich nach Kräften, uns gen, erleben wir Geborgenheit als etwas, das grundsätzlich zu unterhalten. Bald schon verlernten wir, in uns selber Se- nicht vorhanden ist, sondern das von außen zu uns kommt ligkeit und Zufriedenheit zu finden, und begannen, beides beziehungsweise das wir uns beschaffen müssen. Wir sind außerhalb unser selbst zu suchen und danach süchtig zu süchtig nach Ersatz. werden. Wir wurden süchtig nach Ersatz. Der australische Und ebenso geben wir unserem inneren Kind, jenem Teil Weisheitslehrer Barry Long führt fast unser ganzes Un- unser selbst, der Kind geblieben ist, Ersatz. glücklichsein auf diesen Umstand zurück. Wir versuchen es mit mittelbarer Zuwendung zufrieden Ähnliches vollzog sich in der Beziehung zu unserer Mut- zu stellen. Wir trinken warme Milch, gehen Eisessen, rau- ter. Ursprünglich war sie etwas, das einfach da war, nicht chen, trinken Alkohol, lesen, sehen fern, geben Geld aus für von uns unterschieden, wir waren eingehüllt in ihre Gegen- Gegenstände, die uns wertvoll erscheinen, für ein Haus, das wart, ihre Wärme, ihre Liebe und fühlten ihren Herzschlag. uns Geborgenheit vermittelt, streben nach Beziehungen, Nun wurden wir in Wiege und Kinderwagen gesteckt, und von denen wir uns möglichst viel an Liebe, Wärme, Gebor- statt der selbstverständlichen immer währenden Gegen- genheit, Sicherheit oder Anerkennung versprechen, die wir 22 23, brauchen. Aber Ersatz macht nicht glücklich, macht nicht zweifelt sehnen, finden wir in ihm. Die bedingungslose wirklich satt. Sie kennen das sicher vom Essen. Nehmen wir Liebe, nach der wir alle hungern, finden wir in unserem an, Sie haben Appetit auf Brathähnchen. Nun ist kein Brat- eigenen Herzen. hähnchen greifbar oder Sie sind Vegetarier oder dürfen kei- Was ist eigentlich gemeint, wenn vom Herzen die Rede nes essen, und so bereiten Sie Sojaschnitzel oder gebackene ist? Ist es die kitschige Metapher, die in »Herz-Schmerz- Bananen zu. Aber Sojaschnitzel oder gebackene Bananen Schlagern« gemeint ist? Oder das Organ Herz? Oder das sind eben kein Brathähnchen und Sie sind nicht ganz zu- energetische Herzzentrum, das Herzchakra in der Mitte der frieden. Deshalb gehen Sie eine halbe Stunde nach dieser Brust? Ist es das, womit wir fühlen? Mahlzeit wieder in die Küche und verzehren ein Käsebrot Das Herz, das ich meine, ist all das und etwas mehr. Die- und später noch ein Stück Kuchen ... Am Schluss sind Sie ses »Mehr«, das ist das Problem, kann man nicht in Worten doppelt unzufrieden: kein Brathähnchen und ein voll ge- ausdrücken. Man kann es nur erfahren. Das liegt daran, schlagener Blähbauch. dass dieses Herz - das Herz in seiner Essenz - nicht etwas Ersatz macht nicht glücklich, Ersatz macht nicht satt; aber ist, das wir haben, sodass wir es von uns unterscheiden, an- Ersatz macht süchtig. Und wir sind alle süchtig. Hören wir schauen und schildern können, sondern etwas, das wir auf, uns Ersatz zu geben, gehen wir in uns und geben dem sind, ganz tief innen, im Kern unseres Wesens. Letztlich ist fühlenden, dem leidenden emotionalen Wesen in unserem es deshalb nicht etwas, das man mit dem Verstand ermitteln Innern endlich das, was es wirklich braucht, den Schutz un- kann, sondern etwas, das man kennen lernen kann, indem serer Gegenwart, den Trost unseres Verstehens, die Wärme man es erfährt. unseres Mitgefühls! Das ist das Herz in seinem Wesen, seiner Essenz. Dieses Vor kurzem besuchte mich eine Freundin. Sie erzählte mir Wesen, diese Essenz - die unser Kern ist - manifestiert sich von ihrer Enttäuschung über einen Mann, den sie liebte, auf verschiedenen Ebenen, zum Beispiel auf der physischen und bat mich, ihr zu helfen. Ich führte sie in eine Sitzung Ebene als Organ, auf der energetischen als Energiezentrum körperzentrierter Herzensarbeit. Sie lenkte ihre Aufmerk- (viertes Chakra in der Mitte der Brust) und auf der meta- samkeit auf das, was in ihrem Körper geschah, während sie phorischen Ebene (in der die Realität aus Sinnbildern be- an die enttäuschende Situation dachte, und entdeckte darin steht - so ähnlich wie auf der mentalen Ebene die Realität längst vergessene, verschüttete Emotionen aus ihrer Kind- aus Gedanken und Erkenntnissen) als Metapher. heit, die sie nun endlich fühlen und annehmen konnte. Am Der amerikanische Arzt Dr. Paul Pearsall liefert aus wis- Schluss weinte sie vor Rührung über ihr eigenes Herz. »Das senschaftlicher Perspektive einen interessanten Beitrag zur Herz kommt mir vor wie eine große Mutter«, sagte sie unter Klärung dieser Verwirrung um das Herz. In seinem Buch Tränen, »die ihre Arme öffnet und alle Kinder einlädt, ganz »Heilung aus dem Herzen« schreibt er (S. 101): »Albert Ein- gleich, wer sie sind und was sie angestellt haben mögen.« stein hat nachgewiesen, dass Masse (M) und Energie (E) Genauso ist unser Herz. Die Geborgenheit, die wir su- äquivalent sind; die Kardioenergetiker behaupten, dass die- chen, finden wir in ihm. Das Verständnis, das wir brauchen, se Austauschbarkeit auch für Energie (E) und Information finden wir in ihm. Die Achtung, die uns fehlt, finden wir in (I) gilt. Dass Masse, Energie und Information ein und die- ihm. Das Erbarmen, nach dem wir uns manchmal so ver- selben quantenhaften mikrophysikalischen Größen sind, 24 25, ist ein guter Ausgangspunkt, um zu verstehen, dass unser bracht hatte. Die Mutter ging mit ihr zur Polizei und nach Herz eine Zellmasse, aber gleichzeitig auch eine infoener- der Beschreibung des Mädchens konnte der Mörder gefasst getische Welle und eine Ansammlung von Teilchen sein werden. Die Beweise, die das Mädchen lieferte, waren so könnte ...« hieb- und stichfest, dass man den Mann problemlos über- Überhaupt war es für mich sehr aufschlussreich, in die- führte und verurteilte. Tatzeit, Tatwaffe, Tatort, die Klei- sem Buch eines Arztes und Wissenschaftlers vieles zu ent- dung, die er trug - alle Angaben der kleinen Herztrans- decken, das mich an die aus meiner psychospirituellen plantatempfängerin erwiesen sich als hundertprozentig Arbeit gewonnenen Erkenntnisse über das Herz erinnerte, zutreffend. obwohl es aus einer völlig anderen Sichtweise kommt. Eini- ge dieser wissenschaftlichen Entdeckungen fasse ich hier Dr. Pearsall fasst das kardioenergetische* Bild des Her- kurz zusammen, weil sie Licht auf unser Herz werfen. Dr. zens - als Ergebnis vielfältiger Forschungen - so zusammen Pearsall schildert in seinem Buch die Erkenntnisse aus den (S. 123): jüngsten Forschungen von Energiekardiologie und Psycho- »1. Das Herz ist unser machtvollstes Organ. neuroimmunologie über das physische Organ Herz. Die be- 2. Das Herz reagiert unmittelbar auf seine Umwelt (es merkenswerteste Entdeckung ist die, dass unser Herz - hier kann uns sagen, wann ein Ort, ein Mensch oder eine ist nicht die Metapher und nicht das Chakra gemeint, son- Situation nach seinem Gefühl gut oder schlecht für uns dern das Organ, das man transplantieren kann - denkt, ist). fühlt und kommuniziert. Dr. Paul Pearsall ist Arzt, Experte 3. Das Herz ist ein Energieleiter für die Körperzellen. für Psychoneuroimmunologie und Kardiologe und hat mit 4. Das Herz ist ein dynamisches System, einem stetigen vielen Empfängern von Herztransplantaten gearbeitet. Er Wandel unterworfen. hat verblüffende Fallgeschichten gesammelt, aus denen 5. Das Herz ist die wichtigste ordnende Kraft im Körper. hervorgeht, dass die Zellen des Körpers tatsächlich ein Ge- 6. Das Herz schwingt, denn es enthält informationstragen- dächtnis besitzen und dass das Herz eine tragende Rolle de Energie. beim Zugriff auf diese Erinnerungen spielt. Menschen, 7. Das Herz ist das Kernstück des Körpersystems. denen ein fremdes Herz transplantiert wurde, verändern 8. Das Herz >spricht< und sendet Botschaften. Das Herz hat auf manchmal drastische Weise Temperament und Vorlie- seine eigene Weisheit, die sich von dem Wissen des ra- ben, die psychologische Einstellung zu ihren Partnern, und tionalen Gehirns unterscheidet. zwar auf eine Weise, die dem Temperament, den Vorlieben 9. Alle Herzen tauschen Informationen mit anderen Her- und dem Verhalten des Spenders entspricht. Zusammen mit zen und Gehirnen aus. dem Organ Herz werden offenbar Zellerinnerungen über- 10. Bei einer Transplantation wird das Herz mitsamt seinem tragen. Dr. Pearsall beschreibt unter anderem den Fall eines infoenergetischen Zellgedächtnis übertragen.« achtjährigen Mädchens, dem das Herz eines zehn Jahre alten Mädchens implantiert wurde, das ermordet worden war. Die Kleine begann nach der Herztransplantation von * Die Kardioenergetik ist eine neue wissenschaftliche Disziplin, die Er- kenntnisse aus Kardiologie und anderen Forschungszweigen zusam- dem Mann zu träumen, der ihre Organspenderin umge- menfasst. 26 27, Dr. Pearsall geht in seinem Buch auch auf die energetische Sprünge verstehen, kann sie unser Leben zerstören, denn sie Sichtweise der fernöstlichen Therapiesysteme ein. Er schreibt überschattet unser Arbeits- und Liebesleben, was andere (S. 367): »Im Gegensatz zur westlichen Medizin, in der das häufig eher als wir selbst sehen und spüren. Basierend auf Gehirn als Dreh- und Angelpunkt im Körpersystem gilt, ist den Erkenntnissen über das Kardiotemperament sollten wir für die traditionelle chinesische Medizin die vierte Energie- uns vor Augen halten, dass unser Herz genau das anzieht, zone, das Herz, der Regulator für alle Energiezentren, eine was sich in ihm verbirgt, und dass wir, wenn wir uns über primäre Verbindungsstation, die als Mittler zwischen den unser Los beklagen, in Wirklichkeit darüber klagen, wer niederen physischen und den höheren Energieebenen und wie wir in Wahrheit, in unserem Herzen, sind.« dient.« Auch für den körperzentrierten Ansatz meiner Arbeit Seine Empfehlungen, wie man zu einer gesunden Lebens- fand ich in diesem Buch Bestätigung - so bei der von Dr. weise und einem gesunden Herzen gelangt, geben interes- Pearsall zitierten Neurobiologin Dr. Candace Pert (8. 369): sante Aufschlüsse über die Natur des Herzens. »Wir« ist »Zu Beginn meiner Arbeit ging ich davon aus, dass Gefühle dem Herzen wichtiger als »ich«, »sein« wichtiger als »tun«. im Kopf oder im Gehirn entstehen. Heute würde ich sagen, Dr. Pearsall (S. 61 f.): »Am besten lässt sich die Beschaffen- dass sie sich auch im Körper befinden. Sie werden im Kör- heit unserer Herzenergie von Menschen beobachten, die mit per zum Ausdruck gebracht und sind Teil des Körpers.« uns zusammenleben sowie zusammenarbeiten. Aus der Und schließlich bekennen sich diese Wissenschaftler kardioenergetischen Warte ist das psychologische, spirituel- ebenso wie viele Praktizierende der körperzentrierten Her- le und physische Wohl weniger eine Sache der persönlichen zensarbeit dazu, das Herz auch als Zentrum der religiösen Erfüllung. Es gilt vielmehr, ein energetisches Gleichgewicht Erfahrung entdeckt zu haben. Sara Paddison vom Institute zu allen Herzen und Energieströmen in unserem Umfeld of Heart Math schreibt (ebenfalls von Dr. Pearsall zitiert, herzustellen ... Wenn wir dem Herzen wieder den ihm ge- S. 281): »Ungeachtet der Religion... ist das Herz im mensch- bührenden Platz im Leben einräumen, können wir unser lichen System derjenige Punkt, der uns Zugang zu der Mög- Leben damit nicht nur retten und verlängern, sondern auch lichkeit bietet, Gott zu erfahren.« Und wieder Dr. Pearsall: allen und allem in unserem Umkreis Stärke und >Herz< ver- »Wenn wir still werden und andere Herzen einladen, leihen.« sich mit unserem zu verbinden, und wenn wir empfänglich Übrigens weisen auch die Forschungsergebnisse der Ener- werden für die ... Energie, die unser Herzcode ist..., erken- giekardiologie darauf hin, wie wichtig es ist, unterdrückte nen wir die Verbindung zu allen Menschen, Dingen und Wesensteile aus der Verdrängung zu erlösen. Dr. Pearsall: Zeiten ...« »Unser inneres Selbst ... besitzt aggressive und liebevolle Wenn unser Herz »energetisch geöffnet« ist, wie Dr. Pear- Energie. Auch wenn wir die dunkle Seite unserer Energie sall es nennt, finden wir Verbundenheit und Liebe. Alles leugnen, beeinflusst sie uns unbewusst: Sie bewirkt, dass kann vom Herzen verstanden und angenommen werden, wir uns in uns selbst zurückziehen, überreagieren, wenn wenn wir es nur zulassen. Innerhalb des Herzens gibt es - wir wütend sind, und die Welt mit feindseligem, zynischem hier beziehe ich mich nun auf Erkenntnisse aus meiner Blick betrachten... Solange wir diese dunkle Seite der Ener- eigenen Arbeit - keine Grenzen, keine Konflikte, keine Wi- gie nicht klar erkennen, uns zu ihr bekennen und ihre Ur- dersprüche. Ihr Herz kann Ihren Schmerz ebenso verstehen 28 29, und annehmen wie die Angst vor ebendiesem Schmerz, Ihren Hass ebenso wie Ihre Liebe. Im Innern des Herzens ist es wie im Paradies, wo die Lämmer friedlich neben den Löwen existieren. Deswegen spricht man auch oft vom »Tempel des Herzens«. In diesen Tempel des Herzens, Ihren einzigen sicheren TEIL I Zufluchtsort - der inmitten der Wirbelstürme der Gefühle liegt -, einzutreten, lade ich Sie ein. Der Schlüssel zu diesem Tempel ist Bereitschaft: die Bereitschaft, zu fühlen und zu verstehen. Wenn Sie fühlen, was Sie fühlen, und sich selber dafür verstehen, können Sie Ihr Wesen in allem, was Sie sagen und tun, freier, vollständiger und echter ausdrücken; und wenn Sie fühlen, was Sie fühlen, und sich selber dafür ver- stehen, können Sie auch fühlen, was andere fühlen, und sie dafür verstehen. Zu fühlen, was man fühlt, zu sein, was man ist, und bei- des auszudrücken; zu fühlen, was andere fühlen und ande- re sind, und es in sich aufzunehmen, das ist das Yin und das Yang - zusammengefasst das Tao - des Herzens., 1. KAPITEL

Mein Weg zur

körperzen trierten Herzensarbeit Es ist sehr wichtig, dass ihr die grund- sätzliche Unschuld aller Gefühle er- kennt, denn jedes von ihnen wird, sich selbst überlassen und durchempfunden, euch zur Wirklichkeit der Liebe zurück- führen. Jane Roberts/Seth Es begann mit einem Anfall von Eifersucht. Er war so stark, dass ich drei Tage lang buchstäblich krank war vor Eifer- sucht. Da erinnerte ich mich an die Lehren einer Zen-Meis- terin, die ich schon seit langem mit Begeisterung studierte. Ich wusste: Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als sie an- zuwenden. Die Zen-Meisterin hatte gesagt: Jedes Gefühl ist letztlich eine Verspannung im Körper. Man muss nur lange genug seine Gedanken beobachten, dann hören sie irgendwann auf herumzukreisen und man entdeckt das, worum sie die ganze Zeit kreisten: eine Verspannung im Körper - eine Emotion. Diese gilt es zu erleben, anstatt in den Gedanken gefangen zu bleiben. Ich setzte mich also hin und beobachtete, was in mir vor- ging. Es war nicht leicht, mich nicht von meinen Gefühlen davontragen zu lassen; es war nicht leicht, diese überhaupt auszuhalten. Ich hielt mich an meinem Atem fest. Und etwas Erstaunliches passierte. Während ich atmete und beobachtete, enthüllte meine Eifersucht nach und nach mehrere Schichten älterer Emotionen, die unter ihr verbor- gen gewesen waren, nebst dazugehörigen Erinnerungen, aus meiner Kindheit bis hin zu der Zeit kurz nach meiner (»Wie fühlst du dich jetzt? Spürst du deinen Körper? Deine Geburt. Füße? Deinen Bauch?«) in das Gewahrsein ihres körperli- Am Schluss stellte sich ein tiefer Frieden ein. Die Eifer- chen Zustands im gegenwärtigen Augenblick zu bringen. sucht war verschwunden. Eines Tages fand ich heraus, dass diese einfache Fragetech- Dies war eines der wichtigsten Ereignisse, die zur Ent- nik, wenn man sie mit dem Problem der betreffenden Per- wicklung der Methode führten, die ich in diesem Buch vor- son in Verbindung brachte, zu höchst aufschlussreichen stelle: der körperzentrierten Herzensarbeit. Einen weiteren Entdeckungen führte. Eine Seminarteilnehmerin beispiels- wichtigen Beitrag lieferten die Informationen und Anre- weise erzählte von den Schwierigkeiten, die sie mit ihrer gungen, die ich auf medialem Wege von höheren Ebenen Mutter hatte. Ich fragte sie: »Was macht dein Körper, wenn des Bewusstseins erhielt und an Teilnehmer meiner Grup- du an deine Muttejr denkst?« Sie antwortete: »Der Hals tut pen und Seminare übermittelte. Leser, die schon andere mir weh.« Daraufhin bat ich sie, ihre gesamte Aufmerksam- Bücher von mir kennen, werden wissen, dass meine Tätig- keit, bewusst atmend, auf diesen Schmerz zu konzentrieren. keit als Schriftstellerin und Seminarleiterin damit begann, Sobald sie das tat, begann sich die ganze Vielfalt der Gefüh- dass ich Wissen von höheren Ebenen des Bewusstseins - le, die mit ihrem Problem verbunden waren, zu enthüllen. jenen Schichten, denen Intuition entspringt - übermittelte. Sie sagte: »Es wird ganz eng im Hals.« Ich bat sie, sich mit Meine Arbeit mit Menschen konzentrierte sich in den ersten ihrer Aufmerksamkeit in diese Enge hineinzubegeben, wei- Jahren vor allem darauf, uns den Zugang zu diesen höheren terhin bewusst atmend. Nun brachen all die Angst und Ver- Ebenen zu erschließen und die Angelegenheiten und Pro- zweiflung, die in ihrem Hals gesessen hatten, aus ihr he- bleme des Lebens aus der Warte dieser höheren Bewusst- raus. Danach meldete sich ein Schmerz in ihrem Bauch und seinsebenen betrachten zu lernen. Im Verlauf der Jahre ging verlangte nach Aufmerksamkeit; auch auf diesen richtete ich mehr und mehr dazu über, den Menschen, die in meine sie ihr Bewusstsein in konzentrierter Form, woraufhin Wut Seminare kamen, nicht nur Informationen zu übermitteln, und Groll zutage traten. Schließlich, einer Intuition folgend, die ihnen halfen, ihre Probleme zu lösen, sondern vielmehr forderte ich sie auf, all diese Gefühle aus ihren Körperver- unmittelbar mit ihnen zu arbeiten. Schwerpunkt dieser Ar- stecken ins Herz zu holen. Daraufhin verschwanden die beit wurde mehr und mehr das Herz als Schlüssel sowohl Schmerzen aus Hals und Bauch, und anstelle von Angst zum Unterbewusstsein als auch zu den höheren Ebenen. und Verzweiflung, Wut und Groll fühlte sie Erleichterung, Nach und nach begannen wir die Ebene des Herzens als Verständnis und Liebe für sich selbst und Geborgenheit. Seinszustand kennen zu lernen - einen Seinszustand, der So befragte ich die Menschen, wenn sie mir ihre Probleme sich grundlegend von unserem gewohnten alltäglichen Zu- präsentierten, nach ihrem körperlichen Zustand. Ursprüng- stand unterscheidet. Darauf gehe ich in späteren Kapiteln lich benutzte ich in starkem Maß meine mediale Fähigkeit - näher ein. meine Intuition - und lenkte die Wahrnehmung der Betref- Ausgangsbasis dieser Arbeit war zunächst die Übung, fenden je nach den Eingebungen, die ich erhielt, in diesen präsent zu sein. Das Herz kennt nur die Gegenwart; wenn oder jenen Teil ihres Körpers. Manchmal sagte mir die inne- man »im Herzen« ist, ist man gegenwärtig. Um dies zu re Stimme: »Solarplexus«, und dann wusste ich, dass das üben, begann ich die Teilnehmer mit einfachen Fragen Problem sich im Solarplexus konzentrierte. Manchmal sah 34 35, ich, wo sich ein Gefühlsknoten verbarg, manchmal befragte trifft, worum es geht. Die Methode setzt beim Körper an ich das innere Selbst der betreffenden Person. Diese geführ- und führt ins Herz. Dazu braucht man nichts weiter als ein te Wahrnehmungsarbeit brachte in erstaunlich kurzer Zeit - Problem und die Absicht, ihm auf den Grund zu gehen, einer Viertel-, einer halben, einer Dreiviertelstunde, je nach indem man schlicht und einfach bewusst erlebt, was sich im Fall - Schicht um Schicht den hinter dem jeweiligen Pro- Körper abspielt, während man an das Problem denkt, und blem verborgenen Gefühlskomplex nebst dazugehörigem alle dabei auftretenden Emotionen bewusst zulässt und an- Erinnerungsmaterial an die Oberfläche; und der letzte und nimmt. entscheidende Schritt dieser Übung, der mir wunderbarer- Wir - meine Trainingspartnerin und Mitarbeiterin Gloria weise eingegeben worden war, nämlich das bewusste und und ich - haben festgestellt, dass keine andere der vielen absichtliche Aufnehmen aller zutage getretenen Gefühle ins Techniken, mit' denen wir im Zuge unserer spirituellen Ent- Herz, schenkte uns stets von neuem tiefe und wunderbare wicklung gearbeitet haben, uns sowohl in unserer geistigen Erlebnisse von Heilung und Einssein. Entwicklung als auch in unserem Umgang mit Lebenspro- In den ersten Jahren dieser Arbeit schien alles an mir zu blemen so schnell und so gründlich weitergebracht hat wie hängen. Ich arbeitete mit Gruppen, die so klein waren, dass die Technik der körperzentrierten Herzensarbeit. Für uns ich jeden einzeln durch die Phasen der körperzentrierten beide - und für viele andere Menschen - ist sie mittlerweile Herzensarbeit führen konnte, wobei mir meine Intuition zu zur Basis der spirituellen und therapeutischen Arbeit mit Hilfe kam. Eines Tages jedoch war ich bei einem Seminar in uns selbst und anderen geworden. Es ist ein gerader und Hamburg mit 50 Teilnehmern konfrontiert. Das zwang mich ehrlicher Weg, der ohne Schnörkel und Umwege Wahrheit dazu, meine Methode zu analysieren, um sie »standardisie- und Liebe zutage fördert und zu Integration, Klarheit und ren« zu können, sodass die Menschen sie allein und zu Lebendigkeit führt. zweit ohne meine Hilfe durchführen konnten. Ich entdeck- Deshalb wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass die- te, dass sie im Wesentlichen aus drei Schritten besteht, die ses Buch und diese Arbeit Verbreitung finden und Men- jeder nachvollziehen kann. Diese Schritte brachte ich den schen mit und ohne spirituelle oder therapeutische Erfah- 50 Teilnehmern bei, und sie konnten sie in Partnerübungen rung helfen mögen, ihr Herz zu öffnen, sich selbst und erfolgreich miteinander praktizieren. So entstand die Übungs- andere zu verstehen, Einsicht in ihre Probleme zu erlangen, form der körperzentrierten Herzensarbeit, die ich hier vor- Liebe und Einssein zu erleben und Heilung zu finden. Eben- stelle. so wünsche ich mir, dass Therapeuten, Lebensberater und Mit Freunden, Trainingspartnern, Gruppen- und Semi- spirituelle Wegbegleiter die körperzentrierte Herzensarbeit narteilnehmern und natürlich mit mir selbst habe ich sie zu kennen lernen, um sie als Bereicherung und punktuelle dem Zeitpunkt, da ich dieses Buch schreibe, sieben Jahre oder generelle Vertiefung ihrer Arbeit nutzen zu können. lang praktiziert. Sie ist mehrere tausend Male in Sitzungen, Der Weg des Herzens ist ein Weg der Praxis, nicht der Gruppen, Seminaren und privaten Partnerübungen ange- Theorie. Demgemäß habe ich in diesem Buch darauf ver- wandt worden, bevor ich sie nun hier veröffentlichte. zichtet, die Zusammenhänge theoretisch zu erfassen oder »Körperzentrierte Herzensarbeit« ist eine Bezeichnung überhaupt Theorien aufzustellen über die Methode der kör- für diese Technik, die zwar umständlich ist, aber genau perzentrierten Herzensarbeit. Alles, was ich in diesem Buch 36 37, schreibe, ist das Ergebnis praktischer Erfahrungen mit der 2. KAPITEL körperzentrierten Herzensarbeit. Ich schildere die Methode in allgemeiner (Teil I) und praktischer Weise (Teil II) so einfach und systematisch wie Das Herz kennt keine Probleme möglich, damit jeder sie nachvollziehen kann. Bei der Be- schreibung der wesentlichen Bestandteile der Methode wie- Weil man seit seiner Kindheit die Freude derhole ich gleiche und ähnliche Formulierungen etliche und das Leben und das Licht dieses Male. Dies geschieht mit voller Absicht, denn wir haben in Ortes, den man einen himmlischen Ort im der Praxis des Übens festgestellt, dass man diese Formulie- Herzen der Menschen nennen kann, rungen wieder und wieder gehört beziehungsweise gelesen nicht erfahren hat, weiß man auch weiterhin nichts über ihn. haben muss, bis sie so tief ins Bewusstsein eingedrungen Hazrat Inayat Khan sind, dass sie einem in dem Augenblick, da sie gebraucht werden, einfallen und einleuchten. Ich bin mir dessen be- wusst, dass die schematische Darstellung der Methode, die Paula war wütend auf mich. Jede Art von Unpünktlichkeit ich in Teil II gebe, unzulänglich ist, da das Leben sich nicht und Unkorrektheit ist ihr ein Gräuel, und ich hatte mich in ein Schema pressen lässt. Sie reicht aber, wie vielfach er- ausgerechnet bei ihrer Gruppe zum ersten Mal in meinem probt wurde, aus, um sich selber oder einen Übungspartner Seminarleiterleben mit der Zeit vertan. Anstatt auf ein Ende anleiten zu können, wobei man flexibel genug sein muss, um 19 Uhr, wie im Prospekt angekündigt, war meine inne- um mit dem Fluss der Ereignisse zu gehen und der eigenen re Uhr merkwürdigerweise an diesem Tag auf 20 Uhr ein- Intuition zu folgen. Die Sitzungsprotokolle in Teil II, die ich gestellt. Dies war insofern eine Katastrophe, als es sich um zur Demonstration der Methode wiedergebe, zeigen an- eines jener Seminare handelte, in denen ich - mit Unterstüt- hand unterschiedlicher Fälle und unterschiedlicher Übungs- zung der Gruppe - mit jedem Teilnehmer einzeln arbeitete situationen, wie das in der Praxis aussehen kann. Ich ver- (»gruppengestützte Einzelarbeit« nennt man das) und der traue darauf, dass jeder, der mit der Methode arbeitet - sei Hauptsinn für jeden Teilnehmer darin bestand, an die Reihe es allein, sei es mit Partner -, dabei konsequent aufrichtig zu kommen. Den Nachmittag hindurch arbeitete ich kon- vorgeht und niemals zulässt, dass Fantasie oder Eigeninte- zentriert und ohne Hast: Bis 20 Uhr war ja noch genügend resse in die Übung einfließt und ihn selbst oder den Men- Zeit für jeden Einzelnen. Um halb sieben fiel mir auf, dass schen, der sich seiner Anleitung anvertraut hat, vom gera- alle nervös auf die Uhr schauten, und plötzlich wurde mir den und klaren Pfad der Wahrheit abbringt. klar, dass ich mich vertan hatte. Alle außer mir waren da- rauf eingestellt, dass wir um 19 Uhr aufhören würden. Drei Teilnehmer waren aber noch nicht an der Reihe gewesen, und Paula gehörte dazu. Wir mussten also bis 20 Uhr »nach- sitzen«. So war der Stand der Dinge, als Paula an die Reihe kam. Sie war sehr aufgebracht. »Ich verstehe nicht, wie eine Lei- 38 39, terin einen solchen Fehler machen kann«, ereiferte sie sich. sagte Paula. »Grau und zäh und klebrig.« - »Das ist auch ein Ich schlug ihr vor, diesen Unmut gleich zum Gegenstand Teil von dir«, sagte ich. »Ein Teil, der darunter leidet, sich ihrer Herzensarbeit zu machen, und bat sie, mit ihrer Auf- grau und zäh und klebrig zu fühlen. Er will auch angenom- merksamkeit in ihren Körper zu gehen und zu schauen, was men werden. Er braucht Liebe.« - »Ja«, sagte Paula nach- sich dort tat. Trotz ihrer Wut auf mich ließ sie sich von mir denklich. »Das stimmt. Er ist ein Teil von mir. Eigentlich anhand ebendieser Wut in die Übung körperzentrierter kenne ich ihn. Ich mag ihn nicht. Ich will ihn immer loswer- Herzensarbeit führen. »Meine Arme«, sagte sie und schlug den. Aber er braucht es, dass ich ihn annehme.« - »Kannst hilflos mit den geballten Fäusten auf ihre Knie. »In meinen du ihn annehmen?«, fragte ich. »Kannst du ihn als etwas, Armen ist ganz viel Spannung. Und ich will aufstampfen.« das da ist und zu dir gehört, ins Herz schließen?« Paula saß - »Die Beine sind auch angespannt?« - »Ja, die Arme und ganz still. Ihr Gesicht, das vorher Härte und Anspannung die Beine.« Ich bat sie, ihre ganze Aufmerksamkeit und zeigte, entspannte und glättete sich. Man spürte, dass etwas ihren Atem in den Beinen und den Armen zu konzentrieren, sehr Schönes in ihrem Innern passierte. Unwillkürlich wur- damit sie den Zustand ihrer Arme und Beine von innen ken- den wir alle ganz still. Unsere Gedanken gingen sozusagen nen lernen konnte. »Wie fühlst du dich im Innern dieser ver- auf Zehenspitzen, um das Heilige, das dort geschah, nicht spannten Arme und Beine?« - »Das Gefühl, das da drinnen zu stören. Nach einer langen Weile der Stille schlug Paula sitzt, sagt so etwas wie: Ich habe es satt, immer die Ver- die Augen wieder auf. Schönheit und Frieden strahlten jetzt ständnisvolle zu sein! Immer Verständnis, Verständnis, Ver- aus ihren Augen, und ihre Züge zeigten eine neue Weich- ständnis! Immer bin ich die Gutmütige! Ich habe es satt!« - heit. Niemand brauchte etwas zu sagen. Wir alle wussten, »Sagst du das nur oder fühlst du das auch?«, fragte ich. »Ich was geschehen war, denn wir hatten es schon etliche Male fühle es«, sagte Paula. »Es ist Wut. Und Erbitterung.« - selber erlebt. Wieder einmal war ein verdrängtes Gefühl aus »Dann nimm bitte deine Wut und deine Erbitterung mit seiner Verbannung nach Hause geholt worden ins Herz, aller Aufmerksamkeit wahr und spüre dabei deinen Atem. und für einen Augenblick hatten wir den Himmel ganz Sie sind ziemlich stark, nicht wahr? Kannst du dich dafür nahe gespürt. verstehen? Nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Her- Paula war so aufgebracht gewesen, weil ihr Herz ver- zen?« - »Ja«, sagte Paula leise. »Mein Herz kann das verste- schlossen war. Sie hatte es verschlossen, um ein Gefühl hen.« - »Kann es die Wut und die Verbitterung auch in sich nicht fühlen zu müssen, das ihr unangenehm war (das, was aufnehmen?« Paula schwieg, und man hörte ihren Atem tie- sie als »grau, zäh, schlammig und klebrig« bezeichnet fer und langsamer gehen. »Ja«, sagte sie nach einer Weile. hatte). Es trat erst zutage, nachdem die Gefühle, die es ver- »Ja, ich glaube, das geht. Aber da ist noch mehr. Da ist etwas deckt hatten, gewürdigt und angenommen worden waren in meinem Rücken, in der Brustwirbelsäule, das sich jetzt (die Wut und die Verbitterung). Es war ein seit langem, meldet. Es gehört auch dazu. Es ist hinter meinem Herzen möglicherweise lebenslang existierendes Seinsgefühl, das versteckt. Es ist irgendwie grau und schlammig.« Paula ver- sie so wenig leiden konnte, dass sie es hinter ihrem Herzen zog angewidert das Gesicht. Ich bat sie, mit ihrem Bewusst- versteckt hatte. Dieses Gefühl konnte dadurch endlich zuta- sein und ihrem Atem in dieses Graue, Schlammige hinein- ge treten, dass sie darauf verzichtete, sich weiter in Wut und zugehen. »Wie fühlt es sich von innen an?« - »Klebrig«, Verbitterung zu ergehen, und stattdessen ihre Aufmerk- 40 41, samkeit mit dem ernsthaften Wunsch, ihre innere Wahrheit nen Gefühlen auf den Grund zu gehen und sich um sie zu kennen zu lernen, auf ihren Körper richtete. Und durch ihre kümmern und anschließend einen Herz-zu-Herz-Kontakt Bereitschaft, es anzunehmen, konnte sie diesem Gefühl ihr mit ihrem Mann herzustellen, um zu verstehen, was in ihm Herz öffnen. Zuvor war es noch nie gefühlt und nie ins Herz vorgeht. Sie atmet in ihren Körper hinein, während sie sich geschlossen worden. das Telefongespräch vergegenwärtigt, und spürt die in ihm Paula konnte nicht nur auf diese einfache Weise diesen verborgenen Emotionen auf. Dabei entdeckt sie, dass sie un- Teil ihrer selbst endlich aus der Verbannung erlösen und mit bewusst die Überzeugung gehegt hat: »Ich mache nichts sich - und dadurch auch mit mir - Frieden schließen; son- richtig. Ich bin nicht gut genug.« Tatsächlich konnte man bei dern es geschah noch mehr. Paula nutzte ihre Chance. ihr ein verzweifeltes Bemühen beobachten, alles gut und Immer, wenn eine Emotion mit Macht von uns Besitz er- richtig zu machen. Das ist auch der Grund gewesen, warum greift, haben wir die Chance, durch ebendieses Gefühl Zu- sie sich von den Anklagen ihres Mannes in ein Gefühl von gang zu bekommen zu einem tieferen, umfassenderen Verzweiflung hat treiben lassen. Sie fühlt die Emotion, die Seinsgefühl. Indem sie sich nicht von ihren Gefühlen da- dieser Überzeugung zugrunde liegt, und schließt sie ins vontragen ließ, sondern sie bewusst wahr- und in ihr Herz Herz, indem sie sich vorstellt, sich selber mit diesem Gefühl aufnahm, gelangte sie für einen Augenblick in einen Zu- in die Arme zu nehmen. stand jenseits der üblichen Eingegrenztheit in die eigene Anschließend, als sie sich von sich selbst verstanden und Person, einen Zustand von Liebe und Einssein. angenommen fühlt, denkt sie an ihren Mann und versucht ihn mit den Augen ihres Herzens zu sehen, das heißt mit der Helena und ihr Mann haben sich getrennt. Sie haben noch Bereitschaft, sich seinen Gefühlen zu öffnen. Ein Bild taucht Kontakt zueinander wegen des gemeinsamen Kindes. Das in ihrem Geist auf, das ihn als kleinen Jungen zeigt, der sei- Auto gehört ihm, Helena hat jedoch auch einen Schlüssel ner Mutter eine Schuld anlastet. Helena erkennt, dass es und darf es nach Absprache benutzen. Eines Morgens will diese Schuld ist, die er unbewusst auf sie übertragen hat - Helena mit ihrem Fahrrad zur Schule fahren, wo sie im Rah- nicht nur in der Situation, die sich an diesem Morgen abge- men ihrer Ausbildung um acht Uhr eine Prüfung hat. Sie spielt hat, sondern während ihrer ganzen Ehe. Plötzlich muss pünktlich sein. Ihr Fahrrad hat jedoch einen platten kann sie ihn und zugleich vieles von dem, was in den Jah- Reifen. Sie ruft bei ihrem Mann an, um ihn zu fragen, ob sie ren ihres Zusammenlebens Schwierigkeiten bereitet hat, das Auto nehmen darf - ihre einzige Möglichkeit, noch verstehen. pünktlich zur Prüfung zu kommen. Sie erreicht ihn nicht, Als sie ihre Sitzung abgeschlossen hat, klingelt das Tele- nimmt auf eigene Faust das Auto und fährt zur Schule. fon. Ihr Mann ruft an, um sich für sein Verhalten zu ent- Abends telefoniert sie mit ihrem Mann. Er ist sehr wütend, schuldigen. weil sie einfach das Auto genommen hat, und behauptet, sie Wenn wir »im Herzen sind«, wie man so schön sagt, also nehme keinerlei Rücksicht auf ihn. Sie streiten. Als er aufge- bereit, uns dem, was wir und was unsere Mitmenschen legt hat, fühlt Helena sich »perplex und verzweifelt«. fühlen, zu öffnen, gibt es kein Problem. Mitfühlen ist, wenn Mit diesem Gefühl steigt sie in die Übung der körperzen- man im Herzen zentriert und das Herz offen ist, kein wohl- trierten Herzensarbeit ein. Ihre Absicht: zuerst ihren eige- wollendes Bemühen, sondern der natürliche Zustand; denn 42 43, das Herz fühlt einfach, es fühlt die eigenen Nöte und Freu- Echtheit, Spontaneität, Ehrlichkeit, natürliche Aggressivität, den ebenso wie die aller Wesen, denen man begegnet - gesundes Selbstbewusstsein, Lebensfreude, Kraft und Ge- wenn man es lässt. sundheit. Nichts von dem, was ein anderer uns tut oder sagt, kann Das Herz aber bleibt verschlossen. uns dann kränken, beleidigen, wütend machen oder in Natürlich bleibt es verschlossen. Es muss sich ja ver- Angst versetzen. Was auch immer unser Partner, Freund, schließen, damit wir unsere unliebsamen Emotionen nicht Verwandter, Kollege, Chef oder mit wem wir sonst zu tun fühlen müssen. Würden wir unser Herz offen halten, so haben sagt oder tut, wir fühlen, was ihn dabei bewegt, und würden wir fühlen, dass wir wütend sind, und wären eins verstehen es ganz unmittelbar. Was nicht dasselbe ist, wie es mit unserer Wut; das gestatten wir uns aber nicht, weil wir zu billigen oder gut zu finden; es heißt auch nicht, zu allem denken, dass wir nicht wütend sein dürfen. Wut verträgt Ja zu sagen oder immer lieb und nett zu sein. Man fühlt, was sich nicht mit unserer Vorstellung von Liebe oder Großmut man selber fühlt, und ist in der Lage, es einfach und direkt oder von dem, was ein guter Mensch ist. Außerdem tut es auszudrücken, wenn es nötig oder erwünscht ist - ehrlich weh, sich wirklich wütend zu fühlen. Möglicherweise wie ein Kind. Und zugleich fühlt man, was der andere fühlt; haben wir auch Angst davor, mit unserer Wut Schaden an- es gibt keine Mauer im eigenen Herzen, an der fremde Ge- zurichten, wenn wir es erst einmal zulassen, sie zu fühlen fühle abprallen müssten, weil man Angst vor ihnen hätte - (das Gegenteil ist der Fall: Nicht bewusst gefühlte und an- das Herz ist offen und bereit, alles aufzunehmen und zu genommene, sondern verdrängte Wut richtet Schaden an; verstehen. darauf gehe ich später ausführlicher ein). Die Wut jedoch Wo gäbe es da Probleme? Weder auf individueller noch nicht zu fühlen, nicht anzuerkennen und nicht anzunehmen auf kollektiver Ebene gäbe es Probleme. Alle auftauchenden heißt, sie aus unserem Herzen zu verbannen, und das geht Unstimmigkeiten ließen sich im Nu klären, wenn die Her- nur, indem wir unser Herz verschließen. Ein verschlossenes zen der Menschen offen wären. Herz aber ist ein verschlossenes Herz; wenn es uns selber Nun wissen wir das natürlich alle, und die Wohlmeinen- verschlossen ist, ist es auch anderen verschlossen. So kön- den und Bemühten unter uns, vor allem diejenigen, die spi- nen wir uns zwar bemühen, andere vom Kopf her zu ver- rituelle Wege gehen oder ihre Religion praktizieren, bemü- stehen - das heißt, indem wir uns an ähnliche eigene Er- hen sich redlich darum, ihr Herz zu öffnen. Meist ohne fahrungen erinnern -, aber das echte, das unmittelbare Erfolg. Was dabei in vielen Fällen herauskommt, ist eine Verstehen durch Mitfühlen, das Domäne des Herzens ist, bemühte bis verkrampfte Nettigkeit, ein angestrengtes Gut- bleibt uns verschlossen. Wir können uns bemühen, nett zu sein, unter dem das »Bösesein« lebendig begraben liegt. den anderen zu sein, aber die wahre Liebe, die mit Nettsein Man versucht, Menschen, die man nicht mag, zu mögen, nichts zu tun hat, jene Liebe, die immer das gibt, was dem Verhaltensweisen, die einen aufregen, zu verstehen, We- wahren Wohl der anderen dient, diese Liebe können wir senszüge, die man an anderen nicht ausstehen kann, zu ihnen nicht geben, weil wir sie nicht zulassen; ließen wir sie rechtfertigen und seine Ablehnung zu kompensieren durch zu, so müssten wir unser Herz öffnen. Und öffneten wir eine betonte Anerkennung positiverer Seiten des Betreffen- unser Herz, so müssten wir all das fühlen, was wir nicht den (»nett ist er ja«). Was uns dabei abhanden kommt, sind fühlen möchten, weil wir es ablehnen oder fürchten. 44 45, Ein verschlossenes Herz ist isoliert; der Mensch, dessen der Schönheit ihres Wesens, von ihrer Größe und ihrer Zer- Herz verschlossen ist, ist einsam, und niemand kann ihn brechlichkeit, überwältigt von der unvorstellbaren Liebe aus dieser Einsamkeit erlösen: kein Freund, kein Ehepart- Gottes kann man einen Schmerz empfinden, der zur Liebe ner, kein Geliebter, denn das Herz, das verschlossen ist, selbst zu gehören scheint und ganz anders ist als der psy- kann auch die Liebe, die dem Menschen entgegengebracht chische Schmerz, der entsteht, wenn man sich durch die wird, nicht aufnehmen; es kann überhaupt nichts aufneh- Taten oder Worte anderer Menschen angegriffen, gekränkt men. So kann ein Mensch an Liebesmangel gewissermaßen oder enttäuscht fühlt. Ich werde hier nicht weiter auf das verhungern, obwohl er von Menschen umgeben ist, die ihn Wunder des Herzens eingehen, da ich in einem anderen aufrichtig lieben. Buch (Die Stimme des Herzens) sein Lob gesungen habe. Ein verschlossenes Herz schafft unlösbare Probleme. Das In diesem Buch geht es um Technik. Wie können wir er- Herz ist unser Kern, unser Zentrum als fühlendes Wesen. kennen, dass unser Herz verschlossen ist? Wie können wir Etwas in sein Herz hineinzulassen heißt, bereit zu sein, es zu es öffnen? Wie können wir es offen halten? Ist es nicht ge- fühlen - und dieses Fühlen bedeutet zugleich Verstehen. fährlich, in dieser rücksichtslosen Welt sein Herz zu öffnen? Und Verstehen wiederum bedeutet Lieben (»Verstehen und Macht es uns verletzlicher? Kann man sich trotzdem schüt- Lieben sind nicht zwei verschiedene Dinge, sondern eines«, zen, auch wenn man sein Herz offen hält? Und vor allem: sagte schon Sufi-Meister Hazrat Inayat Khan). Der natürli- Wie können wir mit unseren Problemen, Sorgen und Kon- che Zustand des Herzens ist Liebe; seine natürliche Fähig- flikten auf eine neue, bessere Art umgehen, eine Art, die keit ist das Mitfühlen. Das ist nicht dasselbe wie Mitleid, das unsere Tiefe berührt und uns nicht nur von lästigen Sym- entweder herablassend ist (»du Ärmster!«) oder uns selber ptomen und Problemen kuriert, sondern Heilung und Ver- herunterzieht, indem wir unglücklich sind, weil ein anderer wandlung bewirkt? Das sind die Fragen, auf die ich in die- leidet; das Herz fühlt einfach, was ein anderer fühlt - es sem Buch eingehen möchte, und ihre Beantwortung kreist fühlt das unmittelbar, im eigenen Innern. Vom Herzen aus um einen Kern: um die Methode oder eigentlich Nichtme- kann man auch mit sich selber mitfühlen. Das heißt, man thode (denn es sollte das Natürlichste von der Welt sein, sie nimmt Gefühle bewusst wahr und kümmert sich um sie wie anzuwenden), die ich hier vorstelle und die uns zu einer eine Mutter um ihre Babys (ein sehr hilfreicher Vergleich, vollständigen Wahrnehmung unser inneren Probleme und den der buddhistische Meditationslehrer Thich Nhat Hanh einer echten Wandlung verhilft. gern gebraucht). Gefühle sind der Hintergrund aller zwischenmenschli- Deshalb stimmt die Gleichung von »Herz und Schmerz« chen Konflikte; Gefühle, die entweder völlig aus dem Be- nicht. Der Schmerz, der in dieser populären Formel gemeint wusstsein verdrängt sind (»unbewusste« Gefühle, deren ist, ist der emotionale Schmerz -jener Schmerz, der dadurch Gesamtheit das bildet, was man den Emotionalkörper oder entsteht, dass man mit den Emotionen, die andere Men- das Unterbewusstsein nennt) oder von deren Existenz wir schen oder Ereignisse in einem auslösen, identifiziert ist. zwar wissen, die wir aber nie vollständig erlebt und ange- Das Herz kennt auch Schmerz, aber es ist der Schmerz der nommen haben. Selbst Konflikte, die scheinbar überhaupt Liebe: Überwältigt von der Liebe des Herzens, vom Leid nichts mit Emotionen zu tun haben wie etwa Kriege, die aus der geliebten Menschen, das man nicht lindern kann, von wirtschaftlichen oder machtpolitischen Interessen geführt 46 47, werden, könnte man letztlich auf verdrängte Gefühle zu- wusste ich, was es bedeutet, ein Gefühl zu fühlen. Und be- rückführen. Hinter Staaten und Konsortien, die Kriege merkte mit Erstaunen, dass ich das noch nie zuvor getan führen, stehen immer Menschen; Menschen, die wünschen, hatte. Das Gleiche stellte ich bei allen Menschen fest, mit ihren Grad an Macht oder Reichtum zu steigern oder welches denen ich jemals gearbeitet habe. Nun sind das aber Men- persönliche Interesse auch immer zu befriedigen. Der Hun- schen, die bereits bewusster leben als der Durchschnitt; ger nach Macht oder Reichtum aber ist ein Gefühl; was ihm Menschen, die entweder meditieren und spirituelle Übun- zugrunde liegt, ist ein tief vergrabener, nie gefühlter, nie ge- gen praktizieren oder Therapieerfahrung haben oder sogar würdigter, nie mit Erbarmen ins Herz geschlossener Mangel. selber Therapeuten sind. Es wäre allerdings ein Fehler, die menschlichen Probleme Was ist ein Gefühl? Zunächst einmal: So etwas wie »ein ausschließlich von dieser psychologischen Warte aus zu be- Gefühl« gibt es eigentlich nicht. Gefühle sind keine Objekte, trachten. Denn alles, was geschieht, hat nicht nur eine Ursa- die man abtrennen und betrachten und bezeichnen kann. In che, sondern dient auch einem Zweck. Aus psychischem unserer Sprache tun wir das zwar, aber es entspricht nicht Hunger, Mangel und in Extremzuständen wie im Krieg ganz der Realität. Die Realität könnte man eher »Fühlen« können vielleicht Qualitäten, Bestrebungen, Fähigkeiten, nennen als »Gefühl«. Es geht darum, wie wir uns fühlen in Erkenntnisse, Ideen, Werke und Leistungen erwachsen, die einer gegebenen Situation, in bestimmten Umständen, auf- ohne Hunger, Mangel oder Krieg nie entstanden wären - grund bestimmter Gedanken. Dieses »Fühlen« können wir ein Gedanke, der allerdings nicht als Grund missbraucht auf verschiedenen Ebenen wahrnehmen. Die unterste, in werden darf, nicht zu helfen, das Leid auf unserem Planeten gewisser Weise realste, jedenfalls am meisten manifeste zu lindern, dort, wo man kann und sich aufgerufen fühlt.* Ebene ist die körperliche. Wenn wir wütend sind, fühlen Verdrängte Gefühle sind also der Hintergrund aller zwi- wir - wenn wir darauf achten - eine körperliche Verspan- schenmenschlichen Probleme und Konflikte. Und ich be- nung, zum Beispiel im Kiefer, in den Armen, den Beinen, im haupte, dass wir fast alle unsere Gefühle verdrängen. Ver- Bauch. Wenn wir traurig sind, fühlen wir vielleicht einen drängt sind nämlich interessanterweise nicht nur die uns Kloß im Hals, einen Druck auf der Brust oder eine allgemei- unbewussten Gefühle, sondern auch diejenigen, von deren ne körperliche Schwäche. Wenn wir Angst haben, fühlen Existenz wir wissen, um die unsere Gedanken kreisen und wir vielleicht, wie unser Bauch, unser Po, unser Hals oder die unsere Handlungen und Worte ganz offensichtlich be- die Gesamtheit unseres Körpers sich zusammenzieht. Wenn stimmen. Denn das Verrückte ist, dass wir überhaupt nicht wir Verbitterung fühlen, spüren wir vielleicht, wie unsere wissen, was es bedeutet, ein Gefühl zu fühlen. Ich war sehr Mundwinkel sich nach unten ziehen. Und so fort. verblüfft, als ich das entdeckte. Erst als ich zum ersten Mal Schenken wir nun dem betreffenden Körperzustand - der ein Gefühl, das ich durchaus zu kennen meinte, als Kör- Verspannung, dem Kloß im Hals oder den verzogenen perzustand und als Gemütszustand mit ausschließlicher Mundwinkeln - unsere ganze Aufmerksamkeit, indem wir Aufmerksamkeit erlebt und ihm mein Herz geöffnet hatte, mit unserem Bewusstsein in die betroffenen Körperstellen hineingehen, so lernen wir das, was wir fühlen, auf der kör- * Auf diese Zusammenhänge wird in meinem Buch Neues Wissen, neues perlichen Ebene kennen. Wir erleben den betreffenden Kör- Denken für eine bessere Zukunft näher eingegangen. perzustand von innen. 48 49, Wenn wir diesen Körperzustand gründlich von innen tun) und dass die Gefühle, um die es geht, tatsächlich erlebt kennen gelernt und gewürdigt haben - ohne darüber nach- und umgewandelt werden können. Die Umwandlung ge- zudenken und zu versuchen, ihn irgendwie zu kategorisie- schieht dabei, paradoxerweise, durch das Annehmen. Jeder ren oder uns auf sonst eine Weise von der reinen Wahrneh- Versuch, das, was wir fühlen, absichtlich umzuwandeln, mung zu entfernen -, so können wir uns fragen, wie wir uns entspringt einer Ablehnung, und Ablehnung verfestigt das in diesem verspannten Hals, in diesen heruntergezogenen betreffende Gefühl. Mundwinkeln fühlen. Das ist, kurz gesagt, die Methode. Was ihre Vollständig- Auf diese Weise richten wir unsere forschende Aufmerk- keit betrifft, so muss ich noch hinzufügen, dass man eine samkeit auf die Ebene der Emotion. Hierbei werden wir oft Emotion außer auf den drei genannten Ebenen - Körper, feststellen, dass das Gefühl, das wir dabei entdecken, ein Gefühl, Herz - natürlich auch noch auf anderen Ebenen anderes ist, als wir gedacht hatten. Auf diese Weise, begin- wahrnehmen könnte: beispielsweise der energetischen, als nend bei der Körperwahrnehmung, gelangen wir zu dem, Energiezustand oder auf der Ebene der Aura als Lichtfarbe. was wir wirklich fühlen. Vielleicht geht es gar nicht um Es bleibt natürlich jedem überlassen, auch diese Ebenen in Wut, wie wir ursprünglich gemeint hatten, sondern um ein seine Wahrnehmung einzubeziehen. Im Sinne der Heilung, Gefühl von Ohnmacht. Bewusstwerdung und Integration jedoch hat sich die kör- Dies ist der nächste Schritt: die Aufmerksamkeit einfach perzentrierte Herzensarbeit in ihrer Dreiteilung Körper- auf dem ruhen zu lassen, was wir fühlen, während unser Emotion-Herz als vollständig erwiesen. Alle anderen fein- Bewusstsein in den betroffenen Körperzonen konzentriert stofflichen Ebenen sind implizit darin enthalten. Die eigent- ist; den Gemütszustand einfach zuzulassen und aufmerk- liche Heilung geschieht, sobald das Herz sich öffnet und das sam wahrzunehmen - ohne uns von unseren Gefühlen zuvor verdrängte, abgelehnte oder verstoßene Gefühl auf- überwältigen und davontragen zu lassen. nimmt. Wenn die ersten beiden Schritte - Kennenlernen des Kör- perzustands und Kennenlernen des Gemütszustands - ge- tan sind, kommt der dritte und entscheidende: das Gefühl »ins Herz zu schließen«. Hier geht es darum, das, was wir fühlen, nicht nur wahrzunehmen, sondern auch anzuneh- men, sein Herz zu öffnen für sich selbst - für den Teil seiner selbst, der Schmerz, Trauer, Ärger, Wut, Angst, Bitterkeit, Hass oder welche Not auch immer leidet. Das sind die drei Stufen: Körper, Gefühl, Herz. Der Schlüssel, der Anker und das verbindende Element ist der Atem. Vom ersten Augenblick der Übung an bis zum Schluss bleiben wir uns des Atems bewusst. Das sorgt dafür, dass wir gegenwärtig bleiben (anstatt uns von Gedanken und Gefühlen davontragen zu lassen, wie wir es üblicherweise 50 51, 3. KAPITEL getragen und durchdrungen ist von Liebe, Verstehen und Frieden. Es ist der Zustand, der sich einstellt, wenn man »im

Fühle, was du fühlst: Herzen« ist und etwas, das zuvor daraus verstoßen war, heimgeholt hat in sein Herz. Mehr ist nicht nötig Wendet man hingegen ein Gegenmittel an - seinen

Schmerz mit guten Worten wegtrösten, mit Scherzen, Spaß und Aktivität vertreiben oder sich mit etwas anderem be- Wir glauben, wir könnten unserem schäftigen, um ihn zu vergessen -, so hilft das vielleicht mo- Leiden entrinnen, es ignorieren oder mentan, sich besser zu fühlen, aber im Innern bleibt etwas wegdenken oder jemand anderen dazu zurück, das einsam, unbeachtet, ungewürdigt, ungeliebt ist. überreden, es uns zu nehmen. Wir glauben, nicht dazu bestimmt zu sein, Da es im Bewusstsein und im Herzen nicht existieren darf, den Schmerz unseres Lebens auf uns zu sucht es sich einen Platz im Körper. Und da es dort nicht nehmen. Das Traurige dabei ist, dass hingehört, sorgt unsere Natur dafür, dass es wieder auftau- wir, solange wir ausweichen wollen, chen kann. Sie serviert uns Ereignisse, die das versteckte uns selbst vom Wunder des Lebens und vom Wunder dessen, was wir sind, Gefühl veranlassen, aufzutauchen wie ein Springteufel aus ausschließen. der Kiste. Der Schmerz, den wir uns heute zu fühlen gewei- Charlotte Joko Beck gert haben, wird sich morgen bei einem anderen Anlass wieder melden. Wenn es uns schlecht geht, halten wir Ausschau nach einem Die große Entdeckung liegt darin, dass wir kein Gegen- Gegenmittel. Was kann ich tun, damit es mir besser geht? mittel brauchen. Wir brauchen keine Medizin gegen unse- Wenn wir wütend sind, möchten wir unsere Wut am liebs- ren Schmerz, unsere Angst, unsere Wut. Wir können diese ten hinaustoben oder schreien. Wenn wir Angst haben, ver- Gefühle einfach annehmen. Und durch das Annehmen ge- suchen wir uns zu beruhigen und Mut oder Vertrauen auf- schieht das Wunder der Heilung. Diese Heilung ist nicht zubauen. Wenn wir zu jemandem sagen: »Ich bin traurig«, nur Rückkehr zu einem ursprünglichen Zustand des Heil- meinen wir im Allgemeinen: »Bitte tröste mich.« Wir lenken seins; sie ist viel mehr. Sie beinhaltet immer einen neuen uns ab, wir muntern uns auf, heitern uns auf, wir versuchen Schritt in unserer Entwicklung. Wir finden dieses neue Heil- unsere Gefühle zu überwinden. sein dadurch, dass wir uns erweitern - unser Herz und Dabei reicht es aus, sie zu fühlen. Dadurch wandeln sie damit unsere Erkenntnis erweitern. Diese Art von Heilung sich um, und nicht dadurch, dass wir sie ablehnen, über- mündet immer in der Entwicklung einer neuen Qualität - winden oder von ihnen wegdenken. Wenn man seinen Selbstannahme, Kraft, Mitgefühl, Vertrauen, Unabhängig- Schmerz - letztlich läuft jedes negative Gefühl auf Schmerz keit, unterschiedliche Qualitäten, je nach Fall. hinaus - vollständig wahr- und annimmt, wandelt er sich Das Annehmen, von dem hier die Rede ist, ist kein ober- von selber um. Nicht nur in ein Gefühl, das etwas angeneh- flächliches Sichfügen. Es ist auch keine absichtliche An- mer ist, sodass wir sagen können: »Es geht mir schon bes- strengung, etwas anzunehmen, das man in Wirklichkeit ser«, sondern in ein tieferes, umfassenderes Seinsgefühl, das überhaupt nicht haben will - wer will schon traurig, wü- 52 53, tend oder von Angst erfüllt sein? Das tiefere Annehmen be- Wissen, das aus der Tiefe aufsteigt -, Veränderung, Lösung, ginnt mit Wahrnehmen, mit dem bewussten und vollstän- Heilung. digen Erleben des Gefühls. Wenn ich mir selber gegenüber Wenn es uns schlecht geht, können wir mehr tun, als nach aufrichtig bin, weiß ich, dass ich nur etwas, was ich voll- einem Gegenmittel zu suchen, mehr, als unser Unbehagen ständig kennen gelernt habe, vollständig annehmen kann. ins Herz zu schließen - wir können es begrüßen als Ge- Und um ein Gefühl vollständig kennen zu lernen, muss ich legenheit, einen verstoßenen Teil unser selbst nach Hause es mit Interesse und ungeteilter Aufmerksamkeit auf all zu holen und zu einem umfassenderen Bewusstseins- und seinen Ebenen wahrnehmen. Seinszustand zu erwachen. Alles, was wir dazu zu tun Das bewusste Annehmen des Gefühls - dem Gefühl sein haben, ist, unserem Unbehagen körperlich und emotional Herz öffnen - ist erst der zweite Schritt. Versucht man ihn ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, es ganz zuzulas- vor dem ersten zu gehen, bleibt das Ergebnis oberflächlich. sen und ihm unser Herz zu öffnen. Geht man jedoch tief und aufrichtig in die Wahrnehmung All unseren Problemen - ich habe schon darauf hingewie- aller Schichten des betreffenden Gefühls hinein, so ist die sen - liegen Gefühle zugrunde, denen das verwehrt wurde, Chance groß, dass das Herz sich von allein öffnet und die was ihr natürliches Bedürfnis und Recht ist: nämlich ge- Emotionen, die zuvor daraus verbannt waren, in sich auf- fühlt, gewürdigt und angenommen zu werden. nimmt. Der Übergang zwischen Wahrnehmen und Anneh- Nun gibt es ja auch Probleme, die sachlicher Natur sind, men ist in der Praxis fließend. Und doch müssen wir der die offenkundig nichts mit Herz und Gefühl zu tun haben - Vollständigkeit halber darauf achten, dass alle Schritte der wenn einem zum Beispiel das Konto gesperrt wird oder Methode eingehalten werden: Körperwahrnehmung - Wahr- wenn der Küchenabfluss verstopft ist. Ein gesperrtes Konto nehmen der Emotion - die Emotion ins Herz schließen. und ein verstopftes Abflussrohr sind Tatsachen, keine Pro- Wahrnehmen und Annehmen: Das ist das ganze Geheim- bleme. Das, was eine Tatsache für uns zu einem Problem nis. Es ist unendlich einfach. Das sind die drei Stufen der macht, sind die Gefühle, die diese Tatsache in uns auslöst. körperzentrierten Herzensarbeit: Wir erleben die Emotion Vielleicht macht sie uns Angst oder wir werden wütend ganz - körperlich, Stufe eins, und als Gefühl, Stufe zwei - oder ärgerlich, fühlen uns blockiert, mutlos, ohnmächtig und öffnen ihr unser Herz, Stufe drei. Nichts weiter. Jeg- oder traurig. Darin liegt das Problem, nicht in der Tatsache liches Suchen nach einem Gegenmittel, einer Problem- selbst. Es liegt in den Gefühlen. Gäbe es sie nicht, wir wür- lösung, einer heilenden Maßnahme, einer Möglichkeit der den einfach unser Bestes tun, um die Tatsachen zu ändern, Umwandlung, der Auflösung, auch nach einem besseren und wenn wir es nicht könnten, würden wir sie einfach hin- Verständnis der Situation - das hat sich in unzähligen Sit- nehmen. Das Problem liegt in den Gefühlen. Und mehr als zungen gezeigt -, ist überflüssig, oberflächlich und kann das: Gefühle liegen auch dem Entstehen der Problemsitua- entfallen, wenn man sich stattdessen einfach hinsetzt und tion zugrunde. Vielleicht hängt das gesperrte Konto mit sein Problem vollständig, das heißt körperzentriert und einem unerkannten emotionalen Mangel zusammen, der atemverbunden, wahrnimmt und sein Herz öffnet für alles, sich in Geldmangel niederschlägt; und der verstopfte Ab- was man wahrnimmt. Alles Übrige kommt von selber, so- fluss mit einer Nachlässigkeit im Umgang mit Haushalts- zusagen als Abfallprodukt dieser Übung: Erkenntnis - ein dingen, die in einer Depression wurzelt.Zusammenhän- 54 55, ge, die ich anhand meiner persönlichen Kämpfe in dem wenn es nicht ins Herz aufgenommen wird, kann es sich Buch Den Weg des Herzens gehen beschrieben habe. nicht umwandeln. Man weiß dann, dass man beispielswei- Unsere zwischenmenschlichen Probleme gehen darauf se Angst hat, vielleicht lernt man auch, irgendwie mit ihr zurück, dass wir unser Herz verschließen, um Gefühle, die umzugehen, aber die Angst bleibt. Fehlt der Körper, so uns bedrohlich erschienen - seien es eigene oder die ande- nimmt man zwar das Gefühl zur Kenntnis, aber man erlebt rer -, nicht fühlen zu müssen. Warum streiten wir mit unse- es nicht zur Gänze, und so bleibt immer ein verdrängter Bo- rem Ehepartner? Weil wir unfähig oder nicht willens sind, densatz zurück - im Körper. mit ihm oder ihr mitzufühlen; oder weil wir unseren eige- Erst wenn ein Gefühl vollständig, also auch körperlich nen Schmerz aus unserem Herzen und unserem Bewusst- erlebt und vollständig vom Herzen angenommen wurde, sein verbannen und, statt ihn zu fühlen, auf unseren Partner kann es das tun, was es natürlicherweise, wenn man es wütend sind. Warum werden wir krank vor Ärger? Weil wir ließe, immer tun würde: sich umwandeln, sich auflösen. Ge- unfähig sind, unseren eigenen Gefühlen die Aufmerksam- fühle sind eigentlich wie das Wetter, sie verändern sich an- keit und Achtung zu schenken, die sie verdienen; weil wir dauernd. Die Sonne scheint, dann ziehen Wolken auf; es unserem Herzen nicht erlauben, sich um unseren Ärger und blitzt und donnert, es stürmt, es regnet, dann wieder um das, was hinter ihm steckt, zu kümmern; und weil wir, herrscht Frieden und Sonnenschein. Das Wetter befindet als Folge dieser Hartherzigkeit uns selbst gegenüber, unser sich in unaufhörlicher Veränderung. So auch unsere Ge- Herz dem anderen verschließen. Warum reagieren wir auf fühle - wenn wir sie lassen. Nur leider lassen wir sie nicht. Situationen manchmal in einer Weise, die wir selber nicht Wir haben von klein auf gelernt, dass man angenehme Ge- verstehen? Weil es tief in unserem Innern Wunden gibt, die fühle festhalten und unangenehme bekämpfen muss - lei- nie angeschaut, nie gereinigt und nie versorgt wurden - der meist mit umgekehrtem Effekt, dass nämlich die ange- weil wir unser Herz verschlossen haben. Warum gibt es nehmen, die wir festzuhalten versuchen, verschwinden und Konflikte, die Menschen dazu treiben, sich bis aufs Blut zu die unangenehmen bleiben. Was zurückbleibt, ist eine An- bekämpfen? Weil die Menschen ihre Herzen verschlossen sammlung nicht oder nicht vollständig wahrgenommener halten. Gefühle, die sich formiert zu einer Gestaltung, die man Vielleicht klingt das wie eine Binsenweisheit oder wie »Emotionalkörper« nennt. Früher dachte ich, dieser Emo- eine Sonntagspredigt. Aber ich meine es ganz sachlich: Wir tionalkörper sei etwas Natürliches; da wir mehrschichtige alle haben von Kindesbeinen an gelernt, unser Herz zu ver- Wesen sind, sei eben eine Schicht unseres Wesens die schließen, und kaum einer von uns ist je darauf aufmerk- Schicht der Emotionen, die einen »Körper« bilden. Bei Barry sam gemacht, geschweige denn gelehrt worden, wie man es Long, dem bekannten australischen Weisheitslehrer, las ich wieder öffnen kann. jedoch, dass dieser Emotionalkörper etwas Unnatürliches Viele Menschen bemühen sich, ihrer Gefühle gewahr zu ist, nämlich eine Zusammenballung vergangenen Un- werden; jedoch werden dabei meistens zwei Ebenen ver- glücks, die bei einer natürlichen Lebensweise nicht zu exis- nachlässigt: zum einen die des Herzens und zum anderen tieren brauchte und die man auflösen könne und müsse. die des Körpers. Fehlt das Herz, so wird ein Gefühl zwar Zuerst war ich entsetzt über diese Aussage; aber die Erfah- bewusst gemacht, aber nicht ins Herz aufgenommen, und rungen, die wir mit der körperzentrierten Herzensarbeit ge- 56 57, macht haben, bestätigen ihre Richtigkeit. Ebenso wenig, wie Betrachten wir den Aspekt »Wahrnehmen«. Wenn wir es Schlacken in unserem Körper zu geben brauchte, wenn wütend sind, nehmen wir dann unsere Wut wahr? Nein. wir eine natürliche Lebensweise hätten, müsste es, so ver- Wir beschäftigen uns stattdessen damit, über die Ursache mute ich heute, einen »Emotionalkörper« geben. Es gäbe und den Verursacher der Wut nachzudenken und das, nur das aktuelle Gefühl, und das wäre im nächsten Augen- wovon wir uns bedroht oder beleidigt fühlen, abzuwehren. blick in ein anderes verwandelt, wie bei einem kleinen Kind, Wenn wir verliebt sind, nehmen wir dann unser Verliebtsein das in einem Augenblick weint und im nächsten lacht, oder wahr? Nein, wir beschäftigen uns stattdessen damit, über wie bei einem Hund, der knurrt, wenn er befürchtet, dass das Objekt unserer Verliebtheit nachzudenken und uns vor- wir ihm seinen Knochen nehmen wollen, und im nächsten zustellen, wie es wäre oder wie es sein wird, mit ihm oder Augenblick den Knochen fallen lässt und freudig mit uns zu ihr dies oder das zu tun, oder uns an die letzte Begegnung neuen Abenteuern aufbricht. zu erinnern. Wir kanalisieren unsere Emotionen in Gedan- Ein Gefühl will also vollständig erlebt und angenommen ken, Worten oder Handlungen; aber wir nehmen sie nicht werden; das ist alles, was es braucht. Danach ist seine Exis- wirklich wahr oder, wenn überhaupt, nur flüchtig oder un- tenz überflüssig geworden und es löst sich auf beziehungs- vollständig. Wir nehmen bestenfalls zur Kenntnis, dass sie weise wandelt sich um. Dieses vollständige Erleben und vorhanden sind. Annehmen wäre eigentlich etwas Natürliches, aber wir Wenn Sie verliebt sind und gerade an das Objekt Ihrer haben es, wie gesagt, verlernt, und zwar schon sehr früh, so- Verliebtheit denken, versuchen Sie einmal, anstatt zu träu- dass wir uns auch nicht erinnern können, wie es vorher war. men, Ihre Aufmerksamkeit ganz in den gegenwärtigen Deshalb brauchen wir, um es wieder zu lernen, eine Metho- Augenblick zu ziehen und wahrzunehmen, was von Ihrer de, die uns dieses vollständige Erleben und Annehmen in Verliebtheit im jetzigen Moment real in Ihnen vorhanden einfachen praktikablen Schritten ermöglicht. ist. Vielleicht ist es das Gefühl des Sich-geliebt-Wissens, ver- Diese Methode ist die körperzentrierte Herzensarbeit. bunden mit einem Dauerlächeln in Ihrem Gesicht; vielleicht Sie setzt beim Körper an und ermöglicht es, durch Wahr- Herzklopfen; vielleicht die Anspannung der Angst in der nehmung des mit dem jeweiligen Problem verbundenen Kehle; vielleicht ein Gefühl von Verlangen, das Ihren gan- Körperzustands mit gebündelter und atemverbundener zen Körper belebt. Bleiben Sie ganz gegenwärtig, nehmen Aufmerksamkeit alle Schichten des verdrängten Gefühls- Sie einfach diese Gefühle wahr. Wenn Sie das gründlich und komplexes einschließlich der dazugehörigen Erinnerungen ausgiebig tun, werden Sie vielleicht entdecken, dass Ihr sogar aus fernster Vergangenheit ins Bewusstsein zu beför- ganzer Körper und Ihr Gemüt vibrieren können vor Verlan- dern. Der zweite Schritt ist das vollständige Erleben dieser gen und Sie doch in sich ruhen. Wenn man Verlangen auf Gefühle, und der dritte ihr ebenso vollständiges Anneh- diese Weise erlebt und annimmt, bedarf es, paradoxerweise, men, das dadurch geschieht, dass man diesen Gefühlen sein keiner Erfüllung. Herz öffnet. Oder am Beispiel eines negativen Gefühls: Sie sind unge- Eigentlich sollte das alles selbstverständlich sein. Es ist ja heuer wütend auf jemanden, der Sie ungerecht behandelt nichts weiter als das vollständige Erleben und Annehmen hat. Anstatt ihn zu beschimpfen, auf den Tisch zu hauen dessen, was man fühlt. Tun wir das nicht sowieso? oder wütend über ihn nachzudenken, werden Sie einfach 58 59, Ihrer Wut gewahr. Sie lernen Ihre Wut als körperlichen Zu- einer Extrasitzung - anwendet, sondern gleichzeitig ein stand und als Gefühl kennen, indem Sie sie mit hundert- Weg, etwas, das man im tagtäglichen Leben praktizieren prozentiger Aufmerksamkeit wahrnehmen. Es kann ein kann. Anstatt die Emotionen, die durch Ereignisse und Ge- bisschen schwierig sein, weil Sie zu Anfang den Eindruck spräche in uns ausgelöst werden, aus sich heraus- und in haben werden zu explodieren, wenn Sie nicht sofort etwas etwas hineinzukanalisieren - in Gedanken, Worte, Hand- zerschlagen oder zerreißen dürfen oder laut schreien. Wenn lungen, Fantasien -, oder zu versuchen, sie zu verändern Sie all das nicht tun und einfach sitzen, atmen und Ihre Wut oder zu verdrängen, nimmt man sie mitten in der auslösen- wahrnehmen, werden Sie schließlich feststellen, dass das, den Situation vollständig (körperlich und emotional) wahr. was Sie erleben, einfach vibrierende Energie ist. Vibrierende Auf diese Weise erfährt man Gefühle nicht mehr als etwas, Energie, die Ihren Körper erfüllt und in sich ruht, so para- das eine Richtung hat und uns zu etwas treiben will, son- dox das klingt, und auf nichts und niemanden gerichtet zu dern als etwas, das in sich ruht. Und ebenso vollständig werden braucht. schließt man sie ins Herz, indem man Mitgefühl, Verständ- Kommen wir dann zum zweiten Schritt, dem Annehmen. nis, Erbarmen und Achtung für sich selber aufbringt - für Wenn wir, um bei unseren beiden Beispielen zu bleiben, nun das, was die Situation in einem auslöst. unser Herz für unsere eigene Emotion öffnen, so kommt all Durch diese Praxis können wir lernen, mit allen auftau- diese Kraft - die vibrierende Kraft des Verlangens bezie- chenden Gefühlen so umzugehen, dass kein Rest zurück- hungsweise der Wut - unserem Herzen zugute. Anstatt die bleibt. Aber was ist mit all den alten Gefühlen, die in unserem Kraft zu verdrängen oder zu versuchen, sie aus uns heraus- Unterbewusstsein sitzen, in unseren Körper eingesperrt zukanalisieren, nehmen wir sie in unser Herz auf - das sind, mit dieser Anhäufung alten Unglücks, die den Emo- heißt, wir nehmen sie an als unsere eigene, umfangen sie tionalkörper bildet? Das Wunderbare ist, dass wir durch das mit unserer Liebe und verwandeln sie, dies geschieht Tor unserer aktuellen Gefühle mühelos an diese alten Emo- absichtslos, durch das Annehmen der Emotion, ganz von tionen herankommen. Natürlich nur, wenn wir durch die- allein - in Liebe. ses Tor auch hindurchgehen. Das ist die Stufenleiter des Wahr- und Annehmens: Kör- Ein Beispiel: Ich hatte mich über einen Freund geärgert, per, Emotion, Herz. Diese Stufenleiter geht übrigens noch der mir in strengem Ton wegen einer Kleinigkeit Vorhaltun- weiter. Sobald wir auf Stufe drei - Herz - angekommen gen gemacht hatte. Ich fühlte mich gemaßregelt, herab- sind, öffnet sich eine Tür zum Himmel, sozusagen zu einer gesetzt und ohnmächtig. Ich fühlte den Wunsch in mir ent- höheren Oktave der Emotion. Plötzlich stellen sich, ganz stehen, ihn irgendwie zu bestrafen. Stattdessen setzte ich von selber, höhere Emotionen ein - Liebe, Verzückung, tie- mich hin und richtete meine Aufmerksamkeit auf das, was fer Friede, ein Gefühl von Licht oder der Gegenwart von in meinem Körper geschah, während ich an den ärgerlichen Engeln. Plötzlich weiß man, was zu tun ist, erhält Führung, Vorfall dachte. Ich stellte fest, dass sich mein Solarplexus Inspiration, Wissen. So hat die Praxis dieser Übung uns be- verkrampft hatte und dass meine Schultern sich zusam- stätigt, dass das Herz tatsächlich das Tor zum Himmel ist. menzogen. Ich begab mich mit meinem Bewusstsein in die Körperzentrierte Herzensarbeit ist nicht nur eine Technik, verkrampften Zonen hinein, um ihren Zustand von innen die man in einem vom Alltagsleben isolierten Zustand - zu erleben, während ich meinen Atem wahrnahm. Ich fühl- 60 61, te mich dabei weinerlich, jämmerlich, hilflos und zugleich rung an einen tatsächlichen Vorfall, den man entweder wütend wegen meiner Ohnmacht. Erinnerungen an meine selbst in einem anderen Leben erlebt hat oder der einem ir- Kindheit, an Erlebnisse mit meinem Vater tauchten auf; und gendwie aus dem kollektiven Gedächtnis zugeflogen ist. plötzlich Bilder aus einer ganz anderen Zeit: Ich sehe mich Ich habe in meiner Arbeit einige Fälle erlebt, die man sinn- im Staub liegen, von Füßen in Schnürstiefeln getreten. Ich vollerweise kaum anders interpretieren kann als Erinnerun- empfinde dabei Unverständnis, Empörung, Hilflosigkeit gen an eigene vergangene Inkarnationen (wenn wir uns in und Wut. Ich erlebe diese Gefühle bewusst und aufmerk- Begriffen unserer linearen Zeitvorstellung ausdrücken). De- sam, während ich meinen Atem spüre und mich sozusagen taillierte Erinnerungen traten mit scharfer Deutlichkeit zu- an ihm festhalte. Mit einem Gedanken von Erbarmen und tage, als gebündelte und atemverbundene Aufmerksamkeit Verständnis für mich selber öffne ich schließlich mein Herz auf bestimmte körperliche Symptome gerichtet wurde, Er- all dieser Not, und Tränen stellen sich ein zugleich mit innerungen, die ganz offensichtlich im Körper gespeichert einem Seufzer der Erleichterung. Frieden, Liebe, Einssein waren und starken Einfluss auf das jetzige Leben der Person mit mir selber und vollkommenes Verstehen und Erbarmen hatten, bis sie entdeckt und die ihnen innewohnenden Ge- stellen sich ein. Als ich nun zurückdenke an den Vorfall, der fühle zugelassen und angenommen worden waren. das Ganze ausgelöst hat, und mir meinen schimpfenden Das sind jedoch Ausnahmefälle. Nur wenige Menschen Freund vorstelle, spüre ich keinen Ärger und keine Ver- sind in der Lage, ihre Wahrnehmung so zu konzentrieren, krampfung mehr, auch kein Bedürfnis, ihn zu bestrafen. dass so tief vergrabenes Material zutage tritt. Man richte Eine vage Ahnung von dem, was meinen Freund dazu be- sich also keinesfalls darauf ein, diese Methode dazu zu ge- wegte, mich so zu beschimpfen, taucht auf; seltsamerweise brauchen, interessante Erinnerungen an vergangene In- ist es ein ganz ähnliches Gefühl wie das, das ich auch in mei- karnationen zutage zu fördern. Das würde nur die Fantasie nem Innern gefunden habe: eine Mischung von Unver- anregen, Bilder zu produzieren, die unsere Neugier und ständnis, Empörung, Hilflosigkeit und Wut - Gefühle, die unser Verlangen nach Faszinierendem befriedigen. Es wäre ich meinerseits durch mein Verhalten in ihm ausgelöst ein Missbrauch der körperzentrierten Herzensarbeit, die ja hatte. Ich lächle und beschließe, meinen Freund anzurufen dazu dienen soll, das Herz der inneren Wahrheit zu öffnen. und mich zu entschuldigen. Ich erzähle ihm aber auch, wel- Wenn wir jeden Vorfall, der starke Emotionen in uns aus- chen Ärger und welche Pein seine Schimpftirade in mir aus- löst oder uns in Probleme stürzt, nutzen, um uns selber ken- gelöst hat, und bitte ihn, in Zukunft zu versuchen, direkt nen zu lernen und unser Herz zu öffnen, können Gefühle, auszudrücken, was er empfindet, anstatt mich zu be- die der Vergangenheit angehören, Schicht um Schicht auf- schimpfen. Er ist gerührt und betroffen und entschuldigt gelöst werden und sie beherrschen und belasten uns nicht sich ebenfalls. länger. Nach und nach erfahren wir Emotionen nicht mehr Die Körperwahrnehmung hat in diesem (authentischen) als bleibende Gegebenheiten, sondern als etwas, das auftritt Beispiel eine Mischung von Emotionen zutage gefördert, und wieder verschwindet, wie Regen oder Sonnenschein. Je die ihren Ursprung in der Kindheit, in der Beziehung zum umfassender unser Bemühen, desto vollständiger ist diese Vater hatte; und ferner Bilder, die man als aussagekräftige Auflösung. Wenn wir uns nur punktuell bemühen - nur, Symbolik, als Fantasie interpretieren kann oder als Erinne- wenn wir »richtige Probleme« haben - und dann wieder 62 63, nachlassen und auf die übliche unbewusste Weise leben, 4. KAPITEL tragen wir zwar einiges ab, häufen aber auch Neues an. Was uns hilft, diese Arbeit zu tun, ist eine radikale Ab- sicht. Radikal heißt nicht fanatisch; radikal heißt bis an die Gefühle wollen ausgedrückt werden - Wurzeln. Wenn wir bis an die Wurzeln aufrichtig mit uns wenn wir wissen, was wir fühlen selber sind, bis an die Wurzeln gewillt, uns der Wahrheit zu öffnen, und bis an die Wurzeln der Liebe verpflichtet, dann haben wir die radikale Absicht, die uns führen und uns die Solange unsere Worte noch im Gerings- Kraft geben wird, alles Verdrängte nach und nach ans Licht ten an unser Ego gebunden sind, sind sie nicht aufrichtig. Die wahren Worte des Bewusstseins zu holen und durch die Liebe unseres kommen dann, wenn wir verstehen, Herzens zu erlösen. was es bedeutet zu wissen, dass wir wütend sind, zu wissen, dass wir Angst haben, und wenn wir warten können, bis wir zur Ruhe gekommen sind. Dazu müssen wir nicht unbedingt sitzen und meditieren; manchmal müssen wir nur tief einatmen, einen Augenblick warten, spüren, was in uns vorgeht, und dann sprechen. Charlotte Joko Beck Manche Teilnehmer an meinen Seminaren - vor allem Men- schen, die entweder Therapieerfahrung als Klienten hatten oder selber Therapeuten waren - stießen sich daran, dass meine Arbeit sich auf das Wahr- und Annehmen der Emo- tionen beschränkt und nicht den Ausdruck der Gefühle ein- bezieht. Das ist ein wichtiger Punkt. In meiner Arbeit habe ich fest- gestellt - und auch die zitierte Zen-Lehrerin Joko Beck weist darauf hin -, dass das Ausdrücken eines Gefühls oftmals der Versuch ist, es nicht fühlen zu müssen, es loszuwerden. Wut zu fühlen finden wir sehr unangenehm - tatsächlich wissen die meisten von uns überhaupt nicht, wie es ist, Wut wirklich zu fühlen, denn das Übliche ist, dass wir sie ver- drängen, dass wir sie in Gedanken kanalisieren oder an an- deren auslassen. Einfach nur dazusitzen und wütend zu 64 65, sein, kommt uns beängstigend und bedrohlich vor. Außer- im Allgemeinen keine emotionale Reaktion mehr auslösen; dem ist man ja Opfer, und der Täter (der Mensch, der uns man kann es mit Gleichmut anschauen, es sei denn, es sind wütend gemacht hat) muss bestraft oder wenigstens darauf noch unerkannte wunde Punkte im Spiel. Das würde man hingewiesen werden, was er angerichtet hat - gute Gründe, daran erkennen, dass der Körper sich immer noch an ir- um die Wut auszudrücken. Dann ist das unangenehme Ge- gendeiner Stelle verspannt, wenn man an das betreffende fühl, so hoffen wir, an den anderen weitergereicht - an die Ereignis oder die betreffende Person denkt. Wenn das der Person, die schließlich ja auch dafür verantwortlich ist, Fall ist, muss man denselben Weg noch einmal gehen: Kör- denn sie hat uns ja durch ihr Handeln wütend gemacht. perwahrnehmung, Atem, Emotion, Herz. Schließlich wird So vermeiden wir, unsere Wut zu fühlen, indem wir sie in man das Ereignis friedvoll und gesammelt anschauen kön- Worte oder Handlungen kanalisieren - in der Hoffnung, sie nen, und wenn man dann an die Person denkt, die die Wut dadurch aus uns herauszubringen und nicht mehr in uns in Gang gesetzt hat, wird man wahrscheinlich, wie in mei- haben zu müssen. Leider ist das ein Trugschluss. Tatsächlich nem im letzten Kapitel geschilderten Beispiel ersichtlich, kann niemand anderes Wut in uns erzeugen. Wut ist etwas, Mitgefühl empfinden - das heißt, man wird mit dem Her- das dadurch hervorgerufen wird, dass der andere in uns zen verstehen können, was eigentlich diesen Menschen einen wunden Punkt trifft (ich spreche hier von Wut, die dazu getrieben hat, so zu handeln, wie er uns gegenüber dadurch entsteht, dass uns etwas persönlich getroffen hat, gehandelt hat. nicht von unpersönlicher Empörung angesichts einer unge- Allerdings ist es nach einer Sitzung, in der man sich einem rechten oder grausamen Handlung). Der wunde Punkt ist bestimmten Emotionskomplex - wie hier der Wut - zuge- da; nichts kann ihn aus uns heraus- oder von uns fortbrin- wandt hat, nicht immer gut, sofort einen Schritt weiter zu gen, auch nicht der Ausdruck unserer Wut. Die Wut aber gehen, indem man sich bemüht, sein Herz der Person zu öff- kann uns helfen, ihn aufzuspüren und zu heilen. Das ge- nen, die das betreffende Gefühl ausgelöst hat. Oftmals be- schieht dadurch, dass man sich den Vorfall, der uns wütend darf es zuerst einer Zeit der »Nachsorge«, in der man das gemacht hat, vergegenwärtigt und sich dann mit ganzer aufgespürte eigene Gefühl (den wunden Punkt, der die Wut Aufmerksamkeit dem zuwendet, was er in uns bewirkt ... ausgelöst hat) ganz bewusst existieren lässt und sich liebe- Körper, Atem, Emotion, Herz, wie bereits beschrieben. So voll darum kümmert. Als Folge dieser Selbstzuwendung finden wir das, was eigentlich in uns die Wut erzeugt hat, geschieht der nächste Schritt - das Herz öffnet sich dem an- und immer werden wir feststellen, dass das nicht etwas ist, deren - meist von selber. Versucht man hingegen, ihn zu for- das von dem anderen ausgeht, sondern etwas, das in uns cieren, so macht man unter Umständen die Wirkung der selber liegt. Um dieses Etwas - diesen wunden Punkt - kön- Arbeit zunichte. Denn man kann sich den Gefühlen der an- nen wir uns dann, wenn wir ihn auf diese Weise mithilf e der deren Person erst dann öffnen, wenn man sich den eigenen Wut aufgespürt haben, kümmern und ihn verarzten. »Ver- Gefühlen geöffnet hat, indem man sie erlebt, würdigt und arzten« geschieht durch Zuwendung. Zuwendung ist alles, annimmt. Dann ist man auch viel besser in der Lage, zu be- was wunde Punkte brauchen, um zu heilen. urteilen, ob es angemessen ist, dem anderen zu sagen, dass Wenn man das getan hat und dann wieder zurückschaut man sich über ihn geärgert hat. Vielleicht ist man zu dem zu dem Vorfall, der die Wut ausgelöst hat, wird das Ereignis Schluss gekommen, dass die Wut, die er in einem ausgelöst 66 67, hat, nur mit einem selber zu tun hat und nicht mit ihm, und bewusst zu werden, die man zuvor nicht wahrgenommen verspürt kein Bedürfnis nach einer Aussprache. Oder aber hatte. Man hat die körperliche Anspannung oder den kör- man fühlt, dass man sich etwas vom Herzen reden muss. In perlichen Schmerz wahrgenommen, man weiß oder ahnt diesem Fall wird man nun in der Lage sein, aus der Wahr- auch irgendwie, welche Emotion sich darin manifestiert, heit seines Herzens heraus die richtigen Worte zu finden, aber man fühlt sie nicht. Dann ist es hilfreich, das vermute- Worte, die für den anderen eine Information sind, mit der er te Gefühl in Worten auszudrücken. Dabei sollte man sich etwas anfangen kann, da sie ihn nicht angreifen oder herab- aber nicht in das Ausdrücken hineinsteigern (was ja dem würdigen. entspricht, was wir nur allzu gern tun und was uns wieder Eine solche Aussage kleidet man natürlich am besten in vom eigentlichen Fühlen entfernt und uns deshalb nicht die Ichform, denn die einzige wahre Aussage, die man tref- weiterhilft), sondern an dem Punkt innehalten, an dem die fen kann, ist eine Ichaussage (»Ich bin wütend über ...«). Emotion fühlbar geworden ist, um sich dann erneut aufs be- Und das kann manchmal sehr wichtig sein und klärend wir- wusste Wahrnehmen und Atmen zu konzentrieren. ken; denn wie soll ein anderer wissen, was in uns vorgeht, wenn wir es ihm nicht sagen? Wer jemals an einem gut geführten Familienaufstellungs- seminar nach Hellinger teilgenommen hat, hat wahrschein- lich einige Male in beeindruckender Weise erlebt, dass selbst unangenehme Wahrheiten, sobald sie erkannt und ausgesprochen werden, befreiend und heilend wirken. Wenn ich also immer wieder darauf hinweise, dass es bei der Methode der körperzentrierten Herzensarbeit einzig und allein darauf ankommt, Gefühle wahr- und anzuneh- men, und nicht darum, sie auszudrücken, so bezieht sich dies auf die Methode selber, nicht aber grundsätzlich auf den Umgang mit unseren Mitmenschen. Unsere innere Wahrheit auszudrücken, kann sehr wichtig sein. Aber, wie auch Joko Beck in dem Zitat, das ich diesem Kapitel voran- gestellt habe, sagt: Erst muss man wissen, was man fühlt, und es wirklich fühlen; dann ist man in der Lage, ganz auf- richtig und ganz aus dem Herzen heraus zu sprechen. Wir sprechen dann auf eine Art, die den anderen freundschaft- lich einbezieht, anstatt ihn auszugrenzen. Allerdings benutzen wir das verbale Ausdrücken von Ge- fühlen manchmal als Hilfsmittel der körperzentrierten Her- zensarbeit. Es kann manchmal helfen, sich einer Emotion 68 69, 5. KAPITEL Erst in diesem Augenblick lernte ich meine Angst kennen. Da erst fühlte ich sie. Vorher wusste ich, dass sie existierte, ich erlaubte ihr, mein Handeln zu bestimmen, und wusste

Bewusst und doch verdrängt: auch das, aber ich fühlte sie nicht. Denn hätte ich es zuge- Um ein Gefühl zu wissen, lassen, sie zu fühlen, so hätte ich mich mit dem, was die

Angst auslöste, auseinander setzen müssen. Deshalb hatte ist nicht genug ich sie aus meinem Bewusstsein verdrängt. Obendrein hatte ich sie auch noch aus meinem Herzen verstoßen, indem ich sie ablehnte. Ich lehnte sie deshalb ab, weil sie meiner Die Suche nach Befreiung vom Leid ist Idealvorstellung von mir selber nicht entsprach, die darin selber eine Form von Leid. Sie ist nicht die Lösung des Problems ... Der Grund, bestand, jemand zu sein, der unter allen Umständen der dass ihr so verstört seid angesichts der Wahrheit ins Gesicht blickt. Ich verweigerte meiner Angst Gegebenheiten eures Lebens, die euch meine Anerkennung, meine Achtung, meine Zuwendung. Angst, Trauer und Zorn einflößen, Ich fühlte sie nicht. Und doch hatte ich die ganze Zeit über besteht darin, dass ihr nie diese Gefühle vollständig fühlt. Wenn ihr euch nicht gewusst, dass sie da war. verkrampft und das Fühlen unbegrenzt Um ein Gefühl zu wissen, ist also nicht genug. So viele wird, dann wird es zum Sein an sich ... Menschen werden von negativen Gefühlen beherrscht, die Es ist Liebe, Glückseligkeit... die aus ihnen durchaus bekannt sind, die sie aber nicht fühlen und sich heraus existierende, strahlende, völlig ungehinderte Kraft des Daseins. demzufolge für unveränderliche Gegebenheiten halten (denn Gefühle, die wir fühlen, verwandeln sich im gleichen Da Avabhasa Moment, während Gefühle, die wir nicht fühlen, unverän- dert bleiben). »Ich habe eben Angst, da kann man nichts ma- Ich hatte Angst. Ich fürchtete, dass etwas wahr sein könn- chen.« - »Immer wenn ... werde ich traurig/wütend/ärger- te, was auf keinen Fall wahr sein durfte, weil ich es nicht lich ...« Manche wissen genau, dass sie auf ihre Eltern hätte ertragen können. Ich tat alles, um der Konfrontation wütend sind, und versagen sich als Erwachsene Glück, Er- mit dem, was ich fürchtete, aus dem Weg zu gehen. Eines folg oder Gesundheit, um ihren Eltern zu demonstrieren, Tages wurde ich doch gezwungen, mich mit diesem angst- wie schlecht sie sie behandelt haben (»Ihr seid selbst schuld, besetzten Thema auseinander zu setzen. Ich lenkte meine wenn mir die Finger abfrieren, wieso kauft ihr mir auch Aufmerksamkeit in meinen Körper und stellte fest, dass keine Handschuhe!«) - und doch ist diese Wut verdrängt! Kopf, Nacken, Brust und Rücken, vor allem aber meine Sie ist nie wirklich gefühlt worden. Hände völlig verkrampft waren. Als ich in diese »Verspan- Man kommt nicht gleich darauf, dass es sich um eine Ver- nungsgestalt« forschend hineinspürte, merkte ich, dass drängung handelt; man kennt ja das Gefühl, wieso soll es ich große Angst hatte, die Hände wollten sich abwehrend verdrängt sein? Wenn Sie sich ärgern und ich Ihnen sage: ausstrecken, der Schrei »Nein! Bitte nicht!« tauchte in mir »Setzen Sie sich mal hin mit Ihrem Ärger, lernen Sie ihn ken- auf. nen und machen Sie Ihr Herz auf für ihn«, werden Sie mir 70 71, entgegenhalten: »Wieso denn? Ich kenne den Ärger und ich oft Tränen aus - gute Tränen, kein erschöpfendes Schluch- fühle ihn, und selbstverständlich ist mein Herz für diesen zen, sondern Tränen der Liebe, des Erbarmens, der Erleich- Ärger offen - ich bin durchaus einverstanden mit ihm, ich terung. Es ist wie Heimkehren. bin nämlich im Recht, XY benimmt sich wirklich unmög- Allerdings habe ich beobachtet, dass die Anzahl der uns lich.« Und Sie werden sich weiter ärgern. Tatsächlich fühlen selbstverständlich von klein auf begleitendenden negativen Sie Ihren Ärger eben nicht. Sie verdrängen ihn. Wenn Sie Grundgefühle, deren wir uns überhaupt nicht bewusst sind, sich das nächste Mal ärgern, machen Sie das Experiment: größer ist als die, von deren Vorhandensein wir immerhin Setzen Sie sich hin und denken Sie an die Person oder Si- wissen. Zum Beispiel das Grundgefühl, nicht geliebt zu tuation, die Ihren Ärger auslöst. Beobachten Sie Ihren Atem werden, nichts wert zu sein, schuldig zu sein und so fort. Sie und beobachten Sie, was sich in Ihrem Körper tut. Dann erst glauben gar nicht, wie viele Menschen in unserem Kultur- fangen Sie an, das, was Sie fühlen, wirklich kennen zu ler- kreis von Gefühlen dieser Art beherrscht werden, ohne es nen. Wenn Sie weiter bewusst atmen, in den reagierenden überhaupt zu bemerken. Wir bemerken sie deshalb nicht, Körperzonen präsent bleiben und den in ihnen eingesperr- weil sie uns so selbstverständlich sind, weil wir uns so ten Gefühlen erlauben, in ihrem Bewusstsein aufzusteigen, selbstverständlich damit identifizieren, dass wir uns noch damit Sie sie bewusst fühlen können, werden Sie vielleicht nie genügend von ihnen distanziert haben, um sie über- entdecken, dass es das erste Mal ist, dass Sie Ihren Ärger haupt wahrzunehmen. Aber sobald wir uns auf den Weg wirklich erleben. Wenn es Ihnen dann noch gelingt, diesem der Bewusstwerdung gemacht haben, hilft uns das Leben, Gefühl Ihr Herz zu öffnen, indem Sie es mit Erbarmen, diese Gefühle zu entdecken und zu erlösen (es tut immer Liebe und Verständnis umfangen, werden Sie wahrschein- sein Bestes, um uns zu heilen, aber wenn wir noch nicht am lich feststellen, dass dies das erste Mal ist, dass Sie ein Ge- Abenteuer der Bewusstwerdung teilnehmen, merken wir fühl wirklich annehmen. das nicht). Es liefert uns Begebenheiten, die diese tief in uns Ebenso ist es mit jenen Gefühlen, die wir seit langem, oft vergrabenen Gefühle auslösen, damit wir sie endlich be- seit frühester Kindheit in uns herumtragen und die uns merken. In diesem Sinne benutze ich jede Begebenheit, die durchaus vertraut sind. Würde uns jemand sagen, es hand- ein ungutes Gefühl in mir auslöst, um mich an die Arbeit zu le sich um Verdrängungen, so würden wir erstaunt oder machen - die Arbeit des Wahr- und Annehmens, die ich empört reagieren. »Ich kenne dieses Gefühl sehr wohl; körperzentrierte Herzensarbeit genannt habe -, denn jedes schon immer fühle ich mich so, wenn diese bestimmte Sache Ereignis dieser Art hilft mir, ein altes verbanntes, verstoße- passiert.« Aber denken Sie an diese bestimmte Sache, die nes Gefühl, einen inneren Gefangenen aus seinem Gefäng- immer das altbekannte Gefühl auslöst, und nehmen dabei nis zu befreien. wahr, was in Ihrem Körper geschieht und wie Sie sich Sobald ein Gefühl gefühlt und vom Herzen angenommen fühlen, während Sie in seine Verspannungen hineinspüren ist, beherrscht es nicht mehr unser Handeln - oder jeden- und atmen - dann erst erleben Sie dieses Gefühl. Und wenn falls mit der Zeit immer weniger. Das Paradoxe ist: Wenn Sie dann Ihr Herz öffnen und diesem Gefühl sagen: »Komm wir ein Gefühl wirklich angenommen haben - ins Herz ge- her, du gehörst zu mir, ich achte dich und nehme dich an«, schlossen - und ihm auch in der Folgezeit erlauben zu exis- dann erst erkennen Sie es ganz. Und dieses Erkennen löst tieren, hört es auf, uns mit eisernem Griff zu umklammern, 72 73, und obwohl es da ist und wir es fühlen, werden wir nach Zeit immer deutlicher wahrnimmt, was in anderen vorgeht und nach frei von ihm. Dafür ist allerdings zweierlei nötig: - es sei denn, man ist nicht frei für diese Wahrnehmung, einmal eine Sitzung körperzentrierter Herzensarbeit, in der weil man in Bezug auf die betreffende Person zu stark in sei- wir diesem Gefühl vollständige Aufmerksamkeit widmen, nen Emotionen gefangen ist. und zum anderen eine »Nachsorge«, die sich über Tage oder Wenn diese Art der Wahrnehmung anderer sich zu ver- Wochen erstrecken kann (das wird bei jedem Gefühl und stärken beginnt, ist es allerdings sehr wichtig, dass man sie jeder Person anders sein). Während dieser Nachsorgezeit nicht missbraucht, um das verdrängte Negative, das man in gilt es, dem Gefühl ganz bewusst zu erlauben zu existieren, anderen wahrnimmt, zu geißeln. Wenn man sich dabei er- ihm, wann immer es auftaucht, liebevolle Zuwendung zu wischt, kann man es als sicheres Zeichen dafür werten, dass widmen und auf gar keinen Fall irgendetwas zu unterneh- erstens das Herz nicht eingeschaltet ist und man zweitens men, um es zu überwinden. Auf diese Weise verliert es nach genau das, was man bei dem anderen Menschen anpran- und nach an Realität und Macht. Der Versuch hingegen, es gert, selber in sich trägt, es nur eben unterdrückt. Es ist nicht absichtlich zu verwandeln oder zu überwinden, führt zu er- damit getan, dass wir uns dessen bewusst werden, was in neuter Verdrängung und Verfestigung des unerwünschten anderen (oder in uns) vorgeht; es geht darum, dass wir Gefühls. unser Herz öffnen. Es geht um Liebe. Dann ist unser Wahr- Ich schreibe das mit der Sicherheit innerer Gewissheit und nehmen nicht ein Akt, der aus Distanz und Entfremdung, vieler Jahre Erfahrung mit mir und anderen; aber meine womöglich Überheblichkeit hervorgeht, sondern es ist un- Kenntnis kann natürlich trotzdem unvollständig sein. Viel- mittelbar. Für den Moment, da wir den anderen mit dem leicht gibt es doch Möglichkeiten, Gefühle zu verändern, Herzen wahrnehmen, sind wir eins mit ihm - und übrigens, loszuwerden oder zu überwinden, ohne sie gewürdigt und paradoxerweise, genau dadurch auch davor geschützt, von angenommen zu haben. Mir sind keine bekannt, bezie- dem, was er oder sie ausdrückt, verletzt zu werden. hungsweise alle Versuche, die ich in früheren Jahren unter- Eines Tages saß ich am Steuer meines Autos, neben mir nommen habe, haben sich als oberflächlich und nur kurz- auf dem Beifahrersitz saß ein Freund. Ich fuhr mit mittlerer fristig wirksam erwiesen, und dasselbe habe ich bei anderen Geschwindigkeit und ein Auto raste an uns vorbei, das min- beobachtet. Mir sind viele Menschen begegnet, die auf- destens doppelt so schnell fuhr. Ich machte eine Bemerkung grund spiritueller, religiöser oder esoterischer Lehren oder über die Gefährlichkeit des Schnellfahrens auf der Auto- therapeutischer Selbstversuche daran gearbeitet haben, sich bahn. Es war harmlos dahingeplaudert, aber mein Freund über ihre Gefühle zu erheben, ihre Gefühle zu überwinden ging hoch wie eine Rakete. Meine Bemerkung hatte ihn in oder sie absichtlich zu verwandeln, und bei denen doch das große Wut versetzt. Ich hatte meine Bewusstheit einge- abgelehnte und unerwünschte Negative deutlich sichtbar, schaltet und reagierte nicht emotional, sondern fragte nur: ungebrochen und unverwandelt vorhanden war. Es zeigt »Was macht dich so wütend?«, worauf er noch zorniger sich im Mienenspiel, in der Wortwahl, in Nebensätzen, in wurde. Ich hatte den Eindruck, dass er sich selber aus ir- der Körperhaltung und, direkter wahrnehmbar, aber subti- gendeinem Grund mit dem schnell fahrenden Autofahrer ler, in der Atmosphäre um den betreffenden Menschen. Das identifizierte und mich mit irgendeiner Instanz, die anderen ist natürlich ein Nebeneffekt der Übung, dass man mit der die Freude an Rausch, Freiheit oder Abenteuer nehmen will. 74 75, Ich fragte: »Warum identifizierst du dich mit ihm?«, und am Abend den Tag und schauen Sie, was Sie wirklich getan mein Freund wurde noch wütender. haben. Beim Frühstück hat vielleicht Ihr Partner eine Be- Ich war bewusst geblieben. Ich hatte nicht emotional rea- merkung gemacht, die Sie geärgert hat; Sie haben einen lan- giert. Trotzdem fühlte ich mich den ganzen nächsten Tag gen Streit vom Zaun gebrochen, ohne rechtzeitig zu mer- über so verletzt, dass ich mit meinem Freund nicht mehr ken, worum es eigentlich ging. Seine Bemerkung oder sprechen konnte. Ich ärgerte mich über seine Wutaus- jedenfalls das, was Sie in sie hineininterpretiert haben, traf brüche, obwohl ich meinte, verstanden zu haben, was da- in Ihnen auf ein verdrängtes Gefühl von, sagen wir, Min- hinter steckte. Schließlich schaute ich mir die Situation im derwertigkeit. Wären Sie ganz wach gewesen, so hätten Sie Rückblick noch einmal an und stellte fest, was geschehen sich für einen Augenblick diesem Gefühl von Minderwer- war: Genau in dem Augenblick, als die Wut in ihm losbrach, tigkeit aufmerksam und liebevoll zugewandt. Vielleicht hatte ich mein Herz verschlossen, aus Angst, von dieser hätten Sie Ihrem Partner gesagt, wie Sie sich fühlen, und für Wut verletzt zu werden. Ich entdeckte, dass ich genau durch eine Weile Ihren Schmerz geteilt; vielleicht hätten Sie sich dieses Verschließen getroffen worden war. Hätte ich mein umarmt, wären plötzlich voller Liebe gewesen und hätten Herz offen gehalten, ich wäre mit meinem Freund gewesen, dann gelacht. Vielleicht hätten Sie sich auch nur im Stillen anstatt mich als Opfer seiner Wut zu erleben; ich hätte mit um Ihre Minderwertigkeitsgefühle gekümmert. Stattdessen ihm fühlen können. Da ich dies aber nun einmal nicht getan haben Sie viele Stunden lang Ihren Groll gehätschelt, um hatte, hätte ich mich wenigstens um meine eigenen verletz- das ursprünglich in Ihnen aktivierte Gefühl - Hellinger ten Gefühle kümmern müssen. Natürlich holte ich beides spricht von »Primärgefühlen« statt Sekundärgefühlen, hier nach und danach konnte ich wieder mit ihm reden. das Gefühl von Minderwertigkeit - nicht fühlen zu müssen. Gefühle sind wie Wasser. In der- esoterischen Tradition Später haben Sie vielleicht mit Ihrer Freundin telefoniert sind sie ja auch dem Element Wasser zugeordnet. Die Natur und sind danach lange verstimmt gewesen; diese Verstim- der Gefühle ist Fließen. Besser gesagt, die Natur unseres mung hat dazu geführt, dass Sie sich erlaubt haben, negati- Fühlens - denn »Gefühle« als Gegenstand gibt es ja eigent- ve Gedanken über Ihre Freundin zu denken, Gedanken viel- lich nicht - ist stetige Veränderung. Jeden Augenblick leicht, die sich in altbekannten Mustern bewegen. Wenn Sie fühlen wir uns anders. Das ist natürlich - wäre natürlich, nun das Gespräch rekapitulieren, sehen Sie, dass Sie es ver- wenn wir aufhören würden zu versuchen, Gefühle festzu- säumt haben, Ihrer Freundin an einem bestimmten Punkt halten. ihrer Ausführungen Ihre Meinung zu sagen. Sie haben mit Festhalten entsteht durch zweierlei: dadurch, dass wir Ihrer Meinung hinter dem Berg gehalten - warum eigent- versuchen, angenehme Gefühle über ihre natürliche Dauer lich? Weil Sie Angst hatten, die Freundin zu verärgern. Sie hinaus zu verlängern oder am liebsten zu verewigen, und wollten die Harmonie nicht stören. Hier hätte »im Fluss dadurch, dass wir versuchen, unangenehme zu verkürzen sein« bedeutet, nicht zu versuchen, an einem Gefühl von oder am liebsten abzutöten. So kämpfen wir ständig gegen (Schein-)Harmonie festzuhalten, sondern die tatsächlich den natürlichen Fluss der Gefühle. vorhandene Angst zu spüren; Sie hätten für einen Augen- Es ist leicht, sich vorzunehmen: Heute werde ich meinen blick Ihre Angst wirklich gefühlt. Wenn Sie sehr wach ge- Gefühlen freien Lauf lassen. Aber rekapitulieren Sie dann wesen wären, hätten Sie vielleicht gesagt: »Ich sage das 76 77, nicht gern, weil ich Angst habe, dich zu verärgern, aber viel- 6. KAPITEL leicht ist es eine wichtige Information für dich«, und dann hätten Sie trotz Ihrer Angst doch sagen können, was Sie zu sagen hatten. Nach diesem Augenblick der Angst wäre Kann man Hass ins Herz schließen? dann vielleicht Erleichterung aufgetreten, weil Sie es ausge- sprochen haben und trotzdem nicht tot umgefallen sind; Nur was wir lieben, gibt uns frei. und so fort. Bert Hellinger Es gibt also Arbeit zu tun, wenn wir wirklich lernen wol- len, im Fluss zu sein. Ich saß im Zug und las in einem Buch des Benediktiner- und Zen-Mönchs David Steindl-Rast. Von Liebe war darin die Rede, und »Bruder David« schrieb, dass das Gegenteil von Liebe nicht Hass sei, sondern Gleichgültigkeit. Hass bindet ebenso wie Liebe und kam deshalb in diesem Buch, im Gegensatz zu Gleichgültigkeit, gar nicht so schlecht weg. An dieser Stelle rührte sich etwas in meinem Innern. Aus verborgenen Tiefen stieg eine Anwandlung, eine Ah- nung von Hass schüchtern empor, ein Hass aus Kinder- tagen, von dessen Vorhandensein ich nicht die geringste Ahnung gehabt hatte. Ich war immer der Überzeugung gewesen, dass Hass ein mir völlig unbekanntes Gefühl sei, und obwohl ich sonst fast alles verstehen konnte, was Men- schen bewegte - Hass war mir unverständlich. Hass durfte es nicht geben, und wo es ihn doch gab, war das eine ganz böse Sache. Und nun entdeckte ich ihn in mir selber! Ein heiliger und von mir hoch geschätzter Mönch hatte gesagt, dass er exis- tieren dürfe, hatte ihn nicht verdammt, sondern ihn sogar an die Seite der Liebe gestellt, und das hatte meinen Hass veranlasst, sich ans Tageslicht zu wagen. Damals hatte ich die körperzentrierte Herzensarbeit noch nicht entdeckt; ich war - obwohl zuerst erschrocken und entsetzt - einfach froh, dieses Gefühl aus der Verdrängung geholt zu haben, und nahm es erstaunt und erleichtert zur Kenntnis., Hass ist das Gefühl, das vielleicht am schwersten ins Herz entdeckte ich zum ersten Mal, was abgrundtiefer Hass be- zu schließen ist. Denn wir alle haben die Vorstellung, Hass deutet. Die Ausgangssituation, mit der ich in die Übung ein- dürfe nicht sein. Er ist nicht nur ein hässliches Gefühl, son- stieg, war eine banale alltägliche Situation. Beim Vergegen- dern der, der eingestandenermaßen hasst, offenbart damit wärtigen dieser Situation entdeckte ich eine sehr tiefe auch Schwäche. Verspannung, die meinen ganzen Körper umfasste. Als ich In meiner Arbeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass diese Verspannung von innen erforschte, tauchte eine Erin- Hass keine primäre Realität hat. Es gibt natürlich einen nerung auf an einen Zustand des Eingemauertseins. Ich sah Gemütszustand, der dem entspricht, was wir »Hass« nen- mich als Gefangene in einem Raum, der keine Tür hatte, nur nen, aber wenn wir diesem Zustand weiter auf den Grund ein schmales Fenster, durch das mir der Wärter das Essen gehen, finden wir darunter ursprünglichere Emotionen. Die reichte. Dieser Wärter nun, so offenbarte mein innerer ursprüngliche Emotion ist Schmerz; aus nicht angenomme- »Film« weiter, war ein Mann, in den ich sehr verliebt war nem Schmerz wird Zorn; aus Zorn wird, wenn er sich stei- (seit wann das so war, ob ich ihn vorher schon gekannt hatte gert, nicht ins Herz geschlossen wird oder sich nicht adä- oder nicht, habe ich mir nicht angeschaut). Ich war einer po- quat äußern kann, Wut; und aus Wut wird Hass, wenn litischen Intrige zum Opfer gefallen; es ging um irgendeine derjenige, der wütend ist, nichts unternehmen kann, um Machtposition, und der Mann, der mich hatte einmauern sich gegen den Auslöser seiner Wut zu wehren - mit ande- lassen, hatte das getan, um sich diese Macht anzueignen. Ich ren Worten, wenn die Wut sich mit Ohnmacht verbindet. bekam ihn in meinem Gefängnis nie zu Gesicht, aber ich Das gilt, meiner Kenntnis nach, auch für jene Arten von wusste es. Als ich eingesperrt wurde, war ich jung und Hass, die ein kollektives Gesicht haben: Rassenhass, Frem- schön, ebenso jung und schön wie mein Wärter, in den ich denhass, Frauen- oder Männerhass und dergleichen. Geht so verliebt war. Aber dem Einfluss von Sonne, frischer Luft, man Hass mit körperzentrierter Herzensarbeit auf den Wind und Leben entzogen, ohne Bewegung, ohne Freude, Grund, so wird man stets - wem auch immer der Hass gilt, ohne Kontakte zur Außenwelt, alterte ich blitzartig, sodass einem Einzelnen oder einem Kollektiv - auf verdrängte, ich nach kurzer Zeit - und das ist die Formulierung, die sich eigentlich recht kindliche Gefühle von Wut, Ohnmacht und mir tief und schmerzhaft eingebrannt hatte - »alt und häss- Verzweiflung stoßen, die ihren historischen Ursprung in Er- lich vor den Augen meines Geliebten« war (die Angst, »alt lebnissen aus ferner Vergangenheit, oftmals aus der Kind- und hässlich vor meinem Geliebten« zu sein, erkannte ich heit, haben. Wut, Ohnmacht und Verzweiflung - Gefühle, sogleich wieder als Gefühl, das mir auch im jetzigen Leben die dem zugrunde liegen, was wir »Hass« nennen - sind vertraut war). Not, höchste psychische Not. Was diese Not braucht, ist ein Nun war dies der größte Schmerz, den man mir nach mei- offenes Herz, das sich ihrer erbarmt; sobald dieses Erbar- ner gefühlsmäßigen Wertung überhaupt zufügen konnte, men sich einstellt, schwindet das Leid und mit ihm der die größte Demütigung - etwas, das ich auf keinen Fall Hass. ertragen wollte und konnte. So verwandelte sich dieser Schmerz, den ich nicht zu erleiden bereit war und deshalb Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung. verdrängte, in Hass auf den, der ihn verursacht hatte, in Ra- In einer Sitzung unter Führung meiner Übungspartnerin chedurst, in den Wunsch, ihn etwas erleiden zu lassen, das 80 81, so schlimm wäre wie das, was er mir zugefügt hatte. Und sung verdrängter Seelenqualen): Einsicht in das Wesen von weil ich zum Sterben in dieser türlosen Zelle verurteilt war, Hass und Grausamkeit, die mir bis dato mein Leben lang ohne diesen Mann überhaupt zu Gesicht zu bekommen, ein schockierendes Rätsel gewesen waren. Ich erzähle die- konnte ich diesen Hass und Rachedurst nicht an der rich- ses Beispiel deshalb so ausführlich, weil aus ihm eine ganze tigen Adresse in die Tat umsetzen, und so richtete ich die Gefühlskette ersichtlich wird, die aus der Verdrängung des zerstörerische Kraft dieser Emotion auf mich selber und - so Primärgefühls (Schmerz) entsteht und typisch ist für solch erlebte ich es in der Rückerinnerung mit schmerzlicher eine Verhängniskette. Aus dem Schmerz (der Erniedrigung), Deutlichkeit - tötete an seiner Stelle mich selber ab; nicht der abgelehnt wurde, entsteht Wut; die Wut, gepaart mit indem ich körperlich Selbstmord verübte, sondern indem Ohnmacht, ergibt Hass und Rachedurst; Hass und Rache- ich alles in mir absterben ließ und kalt und gefühllos wurde. durst, wiederum gepaart mit Ohnmacht, ergeben Selbst- Irgendwie schien mir das die einzige Art zu sein, Rache zu abtötung, Gefühllosigkeit und schließlich (Fähigkeit zur) üben - wahrscheinlich, indem ich nun jenen Bösewicht Grausamkeit. dazu verurteilte, schuld daran zu sein, dass ich für alle Zei- Die Umkehr zur Liebe wurde übrigens in jener Sitzung ten kalt und böse geworden war. »Von hier ab«, sagte ich an dadurch ausgelöst, dass ich mich plötzlich - als ich noch diesem Punkt der Sitzung zu Gloria, die mich durch die mitten in der Kälte von Hass und Grausamkeit steckte - Übung führte, »könnte ich grausam sein.« Der Erinne- unter Tränen sagen hörte: »Aber das ist doch nicht mein rungsfilm ging nicht weiter, denn nun konzentrierte ich wahres Ich! Mein wahres Ich ist das schöne Ich! Aber das hat mich ganz auf die Emotionen und kümmerte mich vor jemand getötet.« allem darum, den Originalschmerz, den Schmerz, um den Und genau so ist es. Ihr wahres Ich ist das schöne Ich. es eigentlich ging (»alt und hässlich zu sein vor den Augen Wenn Sie die verhedderte Gefühlskette in Ihrem Innern meines Geliebten«), zuzulassen und ihm mein Herz zu öff- wieder entwirren, indem Sie sich Schicht um Schicht ehrlich nen. Zunächst erwischte ich mich dabei, in eine Falle zu tap- und aufmerksam durch alles, was Sie fühlen, hindurch- pen, in die man an dieser Stelle leicht gerät, was ich sogleich fühlen, stoßen Sie auf Ihr wahres Ich, das schön ist. Das ist laut aussprach. »Ich glaube«, teilte ich Gloria mit, »ich nicht einfach eine Behauptung, die ich aus meiner eigenen mache gerade einen Fehler. Ich versuche, den Schmerz weg- Erfahrung ableite, sondern das habe ich in all den Jahren zutrösten. Aber ich muss ihn so annehmen, wie er ist.« Und meiner Arbeit mit Menschen in jeder einzelnen Sitzung das konnte ich. Es war ein sehr erschütterndes Erlebnis. Nie immer wieder bestätigt gefunden. in meinem ganzen Leben habe ich Tränen geweint, die aus Neben Hass gibt es auch andere negative Gefühle, die solch großer Tiefe kamen. Dieses Ereignis kann ich übrigens schwer zu akzeptieren sind; für manchen ist es beispiels- kaum anders interpretieren als eine persönliche Reinkarna- weise schwer, seine Angst anzunehmen, weil er gelernt hat, tionserinnerung; zu tief, zu authentisch war dieser Schmerz dass Angst ein Zeichen von Schwäche sei und dass man und zu klar und vertraut die Bilder, um diese Geschichte nicht schwach sein dürfe. Es gehört zur Technik der körper- anders zu verstehen. zentrierten Herzensarbeit, jeweils das wahrzunehmen und Diese Sitzung hat mir etwas geschenkt, das ich mir immer anzunehmen, was im Vordergrund steht. In diesem Beispiel schon gewünscht habe (abgesehen natürlich von der Erlö- muss vor der Angst die Ablehnung der Angst gewürdigt, werden. Man kann die innere Partei, die die Angst ablehnt, ich jetzt wusste, von meinem verdrängten Hass gesteuert sprechen lassen (laut, falls man allein arbeitet). Man kann waren. Endlich war ich auch befreit von der ständigen - bis sie bitten, ihre Gefühle und Motive zu äußern, damit man dato unbewussten - Selbstverurteilung, denn natürlich ver- sie besser kennen lernt und versteht. Anschließend ist es ein urteilte ich mich dafür, dass ich hasste (auch wenn weder Leichtes, sie ins Herz zu schließen, und dann kann man sich der Hass noch die Verurteilung mir bewusst war). Es war der Angst zuwenden. Die Angst und die Ablehnung der eine große Erleichterung, als der Hass plötzlich da sein Angst können im Herzen friedlich nebeneinander existie- durfte. Mich anzunehmen als jemand, der Hass fühlt, und ren. diesen Hass zu verstehen und dahinter zu blicken, brachte Hinter jedem noch so negativ bewerteten Gefühl steckt mich meiner Unschuld näher. Das ständige Versteckspiel etwas ganz Einfaches und Unschuldiges. Auch das Allerbö- vor mir selbst und anderen kann jetzt wegfallen. Ich bin seste, das zutage tritt, erweist sich, wenn man ihm auf den auch nicht mehr persönlich betroffen, wenn meine Kollegen Grund geht, als etwas sehr Einfaches, Unschuldiges, meist in Diskussionen etwas sagen, das ich unsinnig oder falsch Kindliches, etwas, das jeder kennt und jeder verstehen finde. Früher war ich gezwungen, mich darüber aufzuregen kann. Eigentlich reduziert die Welt der negativen Gefühle und auf eine bestimmte Weise zu reagieren. Heute diskutie- sich an der Basis auf die Primärgefühle Traurigkeit, Wut re ich auch noch und ich sehe auch noch, dass sie Unsinn er- und Angst, wobei alle drei auf Schmerz zurückzuführen zählen, aber es regt mich nicht auf diese persönliche Weise sind; somit könnte man sagen, das ursprüngliche Negativ- auf und ich bin nicht gezwungen zu reagieren. Ich bin viel gefühl ist immer Schmerz. Wenn man das erst einmal in sich freier. Und der Hass ist verschwunden. Ich glaube, dass selber begriffen und am eigenen Leibe erfahren hat, fällt es jeder, der an innerer Freiheit interessiert ist, irgendwann leichter, seinen Blick auch bei anderen auf das Unschuldige dorthin kommen muss, seinen Hass zu finden und zuzulas- zu richten anstatt auf das vermeintlich Schlechte und Bös- sen - es sei denn, er ist völlig frei davon.« willige. Niemand würde übrigens auf die Idee kommen, dass die Sophie entdeckte, nachdem sie schon einige Jahre sehr Person, die hier von ihrem Hass spricht, Sophie ist. Sophie konsequent körperzentrierte Herzensarbeit betrieben hatte, ist beliebt und geachtet wegen ihrer Offenheit und Warm- ihren Hass. »Viele Male hatte ich schon das Gefühl gehabt, herzigkeit. Und doch hat sie, tief vergraben auf dem Grun- etwas ganz Grundsätzliches aufgedeckt zu haben«, berich- de ihrer Psyche, Hass in sich getragen (wenn man ihre tete sie. »Als aber der Hass auftauchte, sah ich, dass dies die Geschichte kennt, übrigens mit gutem Grund). Man ersieht wichtigste aller Entdeckungen war. Er war so tief vergra- daraus, dass Hass ein Gefühl ist, das auch bei den »allerbes- ben, unter so vielen Schichten anderer Gefühle, dass ich nie ten« Menschen vorkommt. darauf gekommen wäre, so etwas wie Hass zu fühlen. Noch weniger wäre ich auf die Idee gekommen, dass Hass, wie sich nun herausstellte, viele meiner typischen Verhaltens- weisen beherrschte! Erst als ich den Hass entdeckte, wurde mir das klar. Es war eine große Befreiung. Endlich war ich nicht mehr das Opfer all dieser Verhaltensmuster, die, wie 84 85, 7. KAPITEL teressiert ihn ebenso wie das, was ihn selbst bewegt. Er nimmt sich selbst nicht ernst; er kann lachen. Er hat ebenso viel Mitgefühl und Nachsicht mit sich selbst wie mit ande-

Das offene und ren. Er fühlt, was er fühlt, und wenn er darüber spricht, sagt

das verschlossene Herz er einfach, was er fühlt. Er strahlt zugleich Selbstachtung und Demut aus. Er hält sich nicht für wichtiger als irgendjemand anderen. Nur ein Gewahrsein deiner Gefühle In seiner Gegenwart fühlt man sich erhoben, geachtet, ver- kann dein Herz öffnen. standen und angenommen. Er ist aufrichtig, und seine Auf- Gary Zukav richtigkeit ist ansteckend. Die meisten Leser werden sich eingestehen müssen, dass Das Herz kann offen oder verschlossen sein. Der in der Ein- diese Beschreibung - die ganz sicher nicht vollständig ist - führung zitierte Kardiologe Dr. Pearsall spricht vom »ener- auf sie nicht zutrifft, ebenso wenig wie auf mich. Ich kenne getisch offenen« oder »energetisch verschlossenen« Herzen. all diese Merkmale, weil ich den Zustand des offenen Her- Was bedeutet das? Ich bin nicht in der Lage, das intellektu- zens aus sozusagen punktueller Erfahrung kenne - vor ell zu analysieren - das Herz, ich habe es eingangs schon ge- allem aber deshalb, weil ich Menschen getroffen habe, auf sagt, ist eine Sphäre, die sich der intellektuellen Definition die all das zutrifft. entzieht. Gott sei Dank gibt es einige davon in unserer Welt, und es Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so gibt nichts Wunderbareres und nichts Lohnenderes, als sich ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen. Aber ich kann in ihrer Gegenwart aufzuhalten. aus Beobachtung und Intuition heraus einige Symptome Unser Herz ist meistens mehr oder weniger verschlossen. aufzählen, woran man ein offenes Herz erkennen kann.* Viele von uns wissen das und bemühen sich redlich, es zu Ein Mensch, dessen Herz offen ist, fühlt mit, was die Men- öffnen, indem sie versuchen, nett und »herzlich« zu sein, schen fühlen, mit denen er zu tun hat; er verteidigt sich ihren Ärger und Stolz, ihr »Ego« zu überwinden und ande- nicht, greift nicht an, fühlt sich nicht angegriffen, gekränkt, re zu verstehen. Leider fruchten diese Bemühungen, wie verletzt, bedroht oder beleidigt. Nichts von dem, was ande- schon erwähnt, oft wenig. Was dabei herauskommt, ist re tun, kann ihn persönlich treffen, denn er fühlt, was diese meist Zwiespalt, Unheil durch Unterdrückung eigener anderen bewegt. Er fühlt ihre Not, ihren Schmerz, ihre Be- Emotionen und Missachtung der eigenen Wahrheit, Verwir- drängnis in seinem eigenen Herzen. Er ist im Zustand der rung durch das Aussenden von Doppelbotschaften (man Liebe. Er bringt sich selbst und anderen Achtung entgegen. sagt etwas anderes, als man fühlt), Missverständnisse, Kon- Er hat aufrichtiges Interesse für andere, er hört zu. Er lernt flikte, in die man gerät, ohne zu verstehen, warum, Krank- von jedem, der ihm etwas erzählt. Was andere bewegt, in- heit, Scheinheiligkeit. Drei Bemerkungen möchte ich in diesem Zusammenhang * Ausführlich wird darauf eingegangen in meinem Buch Die Stimme des machen. Sie zu verstehen, kann hilfreich sein, wenn man Herzens. solche Fehlversuche vermeiden will. 86 87, 1. Liebe zuerst dich selbst, dann kannst du deinen Nächsten wie 2. Wahrheit kommt vor Liebe. dich selbst lieben. Wenn wir versuchen zu lieben, ohne uns zuallererst der Hier bedeutet das: Bevor wir uns bemühen, jemand anderen Wahrheit zu verpflichten, kann Selbstbetrug und Täu- zu verstehen, müssen wir uns selber verstehen; bevor wir schung des Geliebten dabei herauskommen, eine Scheinöff- uns bemühen, unser Herz einem anderen zu öffnen, müssen nung des Herzens, eine Scheinliebe. Wir sind netter, als wir wir es uns selber öffnen - einfach deshalb, weil es sonst wirklich sind; wir lassen mehr zu, als wir in Wahrheit zu- nicht »funktioniert«. lassen; wir lassen uns Dinge gefallen, die wir ablehnen; wir Wenn wir in uns selber etwas ablehnen - also unser Herz bringen Opfer und nehmen übel. Bei alledem ist unser Herz davor verschließen -, lehnen wir es auch in anderen ab. Ein verschlossen. Großteil der Selbstablehnung, unter der wir alle, die einen Verpflichten wir uns hingegen zuallererst der Wahrheit - mehr, die anderen weniger, leiden, ist kaum bewusst oder sodass wir unter allen Umständen bereit sind, uns der völlig unbewusst. Oft merken wir, dass wir einen bestimm- Wahrheit zu öffnen und unserer inneren Wahrheit entspre- ten Menschen ablehnen, entweder insgesamt oder auf- chend zu handeln -, so kommt Liebe dabei heraus, wahre grund einer bestimmten Eigenschaft oder Verhaltensweise. Liebe. Es geht gar nicht anders. Denn sich der Wahrheit zu Wir wissen aber nicht oder kommen nicht darauf, dass es öffnen bedeutet, sein Herz zu öffnen; und wenn das Herz uns so geht, weil wir dasselbe Merkmal in uns selber ableh- offen ist, ist Liebe da, weil Liebe der natürliche Zustand des nen. Versuche, diese ungerechtfertigte oder ungerechte Ab- offenen Herzens ist. lehnung zu überwinden, werden wenig nützen, solange wir Verpflichten wir uns der Wahrheit, so bedeutet das ferner, nicht das abgelehnte Merkmal in uns selber entdecken und anderen Menschen gegenüber wahrhaftig zu sein, unsere nach Hause holen ins Herz, indem wir ihm erlauben, zu Wahrheit auszudrücken. Was ist Ihre Wahrheit, wenn Sie existieren, indem wir es verstehen und mitfühlen. sich über einen Menschen ärgern? Wahrheit ist nicht, dass Selbstliebe kommt also vor der Liebe zu anderen. Selbst- dieser Mensch ein Idiot oder ein Schuft ist; Wahrheit ist, liebe in diesem Sinne bedeutet, dass man sich erlaubt zu dass Sie Ärger empfinden. Um das in dieser einfachen und fühlen, was man fühlt, und dass man sich selbst samt allem, ehrlichen Form auszudrücken, müssen Sie Ihr Herz öffnen was man fühlt, annimmt; dass man seinem Körper und sei- - dem anderen Ihr »Herz ausschütten«. Das ist ein Akt der ner Psyche den Trost, den Schutz und die Sicherheit seiner Liebe. Sie erlauben einem anderen, in Ihr Herz zu schauen: Präsenz schenkt (anstatt ständig außer sich zu sein); dass Sie vertrauen ihm, Sie erweisen ihm Achtung. man seine Bedürfnisse achtet und beachtet. Zu seinem emo- In vielen, wahrscheinlich den meisten Fällen wirkt das an- tionalen Wesen verhält man sich wie eine gute Mutter zu steckend; der andere fühlt sich betroffen, weil er plötzlich ihrem Kind. Sie achtet auf seine Bedürfnisse, erspürt, was versteht, was Sie fühlen, und so öffnet er ebenfalls sein gut für das Kind ist, und gibt es ihm, jedoch lässt sie sich Herz. Wenn er es nicht tut, sind Sie dann verletzt? Beschlie- weder von ihm beherrschen, noch identifiziert (= verwech- ßen Sie dann, nie wieder Ihr Herz zu öffnen? Wenn Sie zu- selt) sie sich mit ihm, noch erfüllt sie ihm jeden Wunsch. allererst der Wahrheit verpflichtet sind, ist Ihnen das un- Sie achtet es und würdigt zugleich seine Kleinheit und möglich. Sie werden Ihr Herz trotzdem offen halten - oder Verletzlichkeit. wieder öffnen und fühlen, warum der andere nicht in der 88 89, Lage ist, auf Ihre Einladung einzugehen. Sie werden immer habe oft erlebt, dass das verwechselt wird. Viele Menschen noch bereit sein, die Wahrheit (hier: die innere Wahrheit des sind sich dessen bewusst oder ahnen, dass die Motive hin- anderen) kennen zu lernen. ter ihrem Handeln nicht mit dem übereinstimmen, was sie So entsteht Liebe aus Wahrheit. Letztlich liegt das daran, nach außen hin vorgeben, und in Momenten der Selbster- dass Liebe der Urgrund und die Ursache von allem ist, was kenntnis schämen sie sich dieser egoistischen Motive und existiert. Ganz tief im Herzen weiß man das und man kann meinen, sie bereinigen zu müssen, indem sie sich edlere Mo- zu diesem Wissen finden, indem man sich konsequent und tive zulegen. Das funktioniert nicht. Es führt nur zu wei- radikal der Wahrheit öffnet und bereit ist, alles, was da terer Verwirrung und Verdrängung, und die Sache wird ist, unvoreingenommen und vollständig wahrzunehmen. immer komplexer. Genau das ist die Methode, die ich hier vorstelle und »kör- perzentrierte Herzensarbeit« genannt habe. Um das zu entwirren und zu bereinigen, schlage ich vor, - die wahren Motive festzustellen, 3. Die Motive müssen klar sein. - den diesen Motiven zugrunde liegenden Gefühlen sein Nicht immer entspringt eine nette und liebevolle Haltung Herz zu öffnen. dem aufrichtigen Wunsch, den Mitmenschen zu dienen, sondern oft liegt ihr Angst zugrunde. Die Angst, nicht ge- Das heißt, dass man sich fragt: Warum tue ich das? Warum liebt zu werden, abgelehnt zu werden, verlassen zu werden, bemühe ich mich, freundlich und verständnisvoll zu sein? angegriffen zu werden, zu verletzen, selber verletzt zu wer- Warum sage ich nicht, dass ich wütend bin? Warum verhal- den. Wenn wir zu einer wahrhaft liebevollen Einstellung te ich mich nicht entsprechend meinen wahren Gefühlen kommen wollen, müssen wir diese Motive klären. Das ist und Gedanken? Da es sich bei diesem Themenkomplex auch im eigenen Interesse wichtig, denn das Echo, das von immer um Angst handelt, ist es am einfachsten, wenn man anderen zurückkommt, bezieht sich in vielen Fällen nicht die Frage stellt, die immer geeignet ist, Angst hervor- auf das, was wir bewusst ausdrücken, sondern auf das, zulocken: Was ist das Allerschlimmste, das passieren kann? was wir unbewusst denken und fühlen. So kann es dazu Man stelle sich vor, dass man (je nach Lage des Falls) nicht kommen, dass wir uns von unseren lieben Mitmenschen nett oder ehrlich ist, nicht Ja sagt, dass man auf den Tisch verkannt, missbraucht oder ungerechterweise abgelehnt haut, ausspricht, was man auf dem Herzen hat, tut, was fühlen, weil sie auf unsere Liebe und Fürsorge undankbar man wirklich tun will, authentischer ist etc. Man stelle sich reagieren - während ihre Reaktion in Wirklichkeit ver- das Allerschlimmste, das infolgedessen passieren kann, ständlich und angemessen ist, weil das wahre Motiv unse- möglichst konkret und deutlich vor. Was geschieht dabei im res fürsorglichen Verhaltens nicht die Liebe zu ihnen ist, Körper? Wo verspannt sich etwas, tut etwas weh, fällt etwas sondern unsere Angst oder Bedürftigkeit, und weil diese auf? Hier konzentriert man Aufmerksamkeit und Atem, wie von uns ausgesandten Doppelbotschaften sie verwirren bereits geschildert, spürt die Gefühle auf, die dort verbor- oder gegen uns aufbringen (oft ohne dass es ihnen bewusst gen sind, und schließt sie ins Herz (all diese Schritte werden ist). in Teil II dieses Buches ausführlich beschrieben). Es mag die »Motive klären« bedeutet nicht »Motive veredeln«. Ich Angst sein, den anderen zu verlieren, die Angst, sich schlecht 90 91, und schuldig fühlen zu müssen, die Angst, nicht mehr ge- der Wahrheit verpflichten und wenn wir die Motive, die liebt zu werden, unbeliebt zu sein, die Angst vor Einsam- unser Verhalten bestimmen, geklärt und mit dem Herzen keit; ja, sogar die Angst vor körperlicher Verletzung steckt verstanden haben, kann sich unser Herz nach und nach öff- uns manchmal unbewusst tief in den Knochen, obwohl wir nen, und unsere Beziehungen wandeln sich. Weniger und vielleicht in diesem Leben nie etwas erlebt haben, das sie weniger werden sie von Verhaltensmustern, Unechtheit, rechtfertigt. Abwehrstrategien, von Angst und Mangel geprägten Ver- Eine Teilnehmerin meiner Gruppen war in ihrem ganzen strickungen beherrscht, mehr und mehr lassen sie Mitge- Verhalten Mitmenschen gegenüber von Angst vor körperli- fühl, echtes Interesse, Verständnis, Achtung und Offenheit cher Gewalt beherrscht, obwohl sie in diesem Leben, jeden- herein. falls soweit sie sich erinnern konnte, nie körperliche Gewalt Manche Menschen haben mich gefragt, was denn pas- erlebt hatte. Sie hatte diese Angst offenbar schon mitge- siert, wenn zwar sie ihr Herz öffnen, ihr Partner aber nicht. bracht, denn sie fürchtete sich schon im Sandkasten vor Meist fangen sie an dieser Stelle an, sich bitterlich über das Gleichaltrigen. Ich selber habe mich dabei erwischt, dass ich Unverständnis, die Verschlossenheit oder die Bockigkeit nicht wagte, einem Taxifahrer zu widersprechen, weil ich ihres Partners zu beschweren. Wenn Sie sich in einer derar- Angst hatte, geschlagen, verletzt, aus dem Auto geworfen, tigen Lage befinden, ist es höchste Zeit, sich um die Gefüh- getötet zu werden. Eine unsinnige Angst, wenn man meine le, die das unverständliche, verschlossene oder bockige Ver- derzeitige Biografie betrachtet; eine ganz und gar nicht halten Ihres Partners in Ihnen auslöst, zu kümmern: Ihre unsinnige Angst, wenn man bedenkt, dass es in der Ge- Enttäuschung, Ihre Frustration, Ihren Ärger, Ihre Wut, Ihre schichte der Menschheit bis heute jeden Tag hundert- und Traurigkeit, Ihre Resignation, je nachdem. Das ist Liebe. tausendfach vorkommt, dass Menschen misshandelt, ge- Wenn Sie das tun, ist Ihr Herz wieder offen, und Sie werden prügelt, getötet werden, weil sie ihre Meinung äußern. Es ist Ihren Partner mit anderen Augen sehen. Vielleicht verste- nicht verwunderlich, dass eine solche Angst auf dem Grun- hen Sie sein Verhalten jetzt besser; vielleicht verstehen Sie es de unserer Psyche existieren kann - denn ist nicht unsere nicht, sind aber weniger abhängig von seinem Verhalten Psyche Teil der kollektiven Psyche der Menschheit? Einmal und können es respektieren; vielleicht sind Sie jetzt sogar in ganz abgesehen davon, dass wir möglicherweise selber der Lage, die Gefühle, die sein Verhalten bestimmen, zu schon in anderen Inkarnationen Gewalt am eigenen Leibe fühlen. erfahren haben. Zunächst hört man so etwas nicht gern. Wieso muss ich Es gibt keine Angst, die nicht ihren Grund hätte. Jede mich hinsetzen und an mir arbeiten, wenn mein Partner sich Angst verdient Respekt. Ist die Angst erst bewusst gefühlt, falsch verhält? Das Verhalten unseres Partners oder eines gewürdigt und angenommen, so bestimmt sie nicht mehr anderen Menschen müsste uns an und für sich keine Pro- aus dem Untergrund heraus unser Verhalten. Sie wird noch bleme bereiten, es sei denn, er schlüge uns, verspielte unser eine Zeit lang vorhanden sein, aber wir werden ihrer ge- Vermögen, setzte das Haus in Brand oder die Kinder auf die wahr sein und mit der Zeit immer freier von ihr werden. Straße. Um solch krasse Übergriffe handelt es sich bei den Wenn wir gelernt haben, uns selber Liebe entgegenzu- Problemen, mit denen wir arbeiten, im Allgemeinen aber bringen, wenn wir uns in unseren Beziehungen vorrangig nicht. Sondern wir ärgern uns, dass er oder sie uns nicht ant- 92 93, wortet, nicht zuhört, muffig dreinschaut, mal wieder ver- den anderen an, machen ihm Vorwürfe, beschimpfen ihn, gessen hat, dies und das zu tun, sich bockig verhält, falsch setzen ihn herab, als schlicht zu sagen: »Ich bin sehr ärger- auf Stichworte reagiert, Geburtstage vergisst oder anderen lich.« Oder: »Ich bin traurig. Ich fühle mich enttäuscht.« Das Frauen /Männern hinterher sieht. Die Probleme, die wir mit würde ja auch bedeuten, das Problem als etwas zu betrach- dem Verhalten unseres Partners haben, entstehen aus und in ten, das zu einem selber gehört (und nicht zum anderen), uns selber, nämlich daraus, wie wir sein Verhalten interpre- und es auch noch auszusprechen. Unser Ärger scheint tieren (zum Beispiel als für uns bedrohlich oder kränkend) aber nach Rache, nach Bestrafung, zumindest nach Befriedi- und auf welche Reaktionsmuster und darunter vergrabe- gung dadurch, dass man uns Recht zugesteht, zu schreien. nen verdrängten Gefühle dieses Verhalten in uns stößt. Deshalb sagen wir: »Du hast.. .« oder »Du bist...«, anstatt Eigentlich ist der Partner, mit dem wir zusammenleben, unser Herz auszuschütten und zu sagen: »Ich fühle ...« von einer höheren Warte aus betrachtet grundsätzlich Tatsächlich aber verlangt unser Ärger nur eins: gefühlt, ge- immer unser Freund - ganz gleich, wie er sich verhält. Er würdigt und angenommen zu werden, und zwar vollstän- gibt uns durch das, was er mit seinem Verhalten in uns aus- dig. Nur dadurch stellt sich wieder Frieden und Einssein löst, Gelegenheit, uns selber kennen zu lernen, uns zu er- mit uns selber ein. Und dann sind wir tatsächlich, ohne dass weitern und uns zu heilen - wenn wir die Chance nutzen, es ein Problem für uns darstellt, in der Lage, schlicht und die er uns bietet, indem wir bewusst wahrnehmen, was sich ehrlich und ohne den anderen anzugreifen zu sagen, was in uns abspielt, und unser Herzdafür öffnen. Oft ist er oder wir auf dem Herzen haben. Dann ist dies ein Beweis unse- sie auch Spiegel für uns: Er oder sie verhält sich uns ge- res Vertrauens und unserer Liebe. genüber so, wie wir uns selbst gegenüber verhalten. Es Wenn wir, andersherum, unser Herz aufmachen, um das, lohnt sich immer zu prüfen, ob das der Fall ist. Vielleicht was ein anderer fühlt, in uns hineinzulassen, so laufen leiden wir darunter, dass er oder sie uns nicht genügend wir Gefahr, von diesem Gefühl verletzt, gekränkt, vergiftet, beachtet oder achtet. Dann sollten wir prüfen, ob wir uns herabgesetzt oder sonst wie geschädigt zu werden. Das be- selber genügend Beachtung oder Achtung schenken. fürchten wir und deshalb ziehen wir es meist vor, unser Eine andere Frage, die viele Menschen in diesem Zusam- Herz verschlossen zu halten. Wenn unser Partner wütend menhang beschäftigt: Ist es nicht gefährlich, in dieser rück- auf uns ist, fürchten wir unbewusst, dass diese Wut, wenn sichtslosen Welt sein Herz zu öffnen? wir sie hereinlassen, uns vernichten kann; wenn er auf uns Wenn wir unser Herz öffnen und die Wahrheit sagen, also ärgerlich ist, befürchten wir, dass sein Ärger, wenn wir ihn das aussprechen, was wir fühlen, machen wir uns verletz- hereinlassen, uns das offenbart, was wir ohnehin wissen, bar. Der andere kann unser Gefühl würdigen und verste- aber ängstlich verdrängen: unsere Schlechtigkeit. Sogar vor hen, aber er kann sich auch angegriffen fühlen oder er kann der Traurigkeit unseres Partners verschließen wir manchmal unser Vertrauen missbrauchen, indem er sich über unsere unser Herz, weil wir Angst haben, verantwortlich zu sein Gefühle lustig macht oder das Wissen um sie für seine für diese Trauer und uns schuldig fühlen zu müssen, und Zwecke benutzt. Das ist es, was wir fürchten und warum deshalb ziehen wir es vor, sie nicht an uns heranzulassen. wir es oft vorziehen, den Menschen, mit denen wir zu tun Tatsächlich sieht es ganz anders aus, wenn wir unser Herz haben, unser Herz nicht auszuschütten. Lieber greifen wir dem Gefühl eines anderen öffnen. Es geschieht uns gar 94 95, nichts Schlimmes. Alles, was passiert, ist ein Durchbruch 8. KAPITEL von Liebe und Verstehen. Plötzlich fühlen wir die Not des anderen und verstehen ihn. Vielleicht haben wir wirklich etwas getan, das falsch war, etwas, das wir aus Achtlo- Mit dem Herzen zuhören sigkeit oder Zorn heraus getan haben; dann werden wir jetzt, im Zustand des mitfühlenden Verstehens, den Wunsch Da Liebe erfordert, dass wir uns selbst empfinden zu sagen, dass es uns Leid tut, und etwas für den ausdehnen, ist sie immer entweder anderen zu tun, das ihm hilft, wieder froh zu sein. Vielleicht Arbeit oder Mut... Die Hauptform, aber erkennen wir, dass seine Trauer zwar durch etwas aus- die die Arbeit der Liebe annimmt, gelöst wurde, das wir getan haben, dass wir aber trotzdem ist Aufmerksamkeit. nicht dafür verantwortlich sind, denn wir haben getan, was M. Scott Peck wir tun mussten. Wir fühlen seinen Schmerz und sind im Zustand der Liebe, lassen aber die Verantwortung für den Von der Ebene des Herzens aus gesehen, ist jede Erfahrung Schmerz bei ihm und achten ihn als ein Wesen, dessen heilig. Hört man einem Menschen, der einem seine Proble- Leben und Schicksal Sinn macht und das in der Lage ist, sie me anvertraut, mit dem Herzen zu, so verspürt man keiner- zu meistern. Das ist eine Haltung, die sich von selber ein- lei Bedürfnis, etwas von dem, was dieser Mensch fühlt oder stellt, wenn unser Herz offen ist. erlebt, zu verbessern oder zu verändern. Es gibt nichts zu raten, nichts zu heilen, nichts zu verändern; irgendwie ahnt oder weiß man, dass der Mensch, den man vor sich hat, ein integres Ganzes ist, etwas, das heil und ganz ist und so, wie es ist, seine Richtigkeit hat. Und während man auf diese Weise zuhört, lernt man etwas darüber, wie es ist, dieser an- dere Mensch zu sein. Dass man sich nicht auf der Ebene des Herzens befindet, kann man daran erkennen, dass man sich angesichts eines Menschen, der einem seine Nöte anver- traut, ständig getrieben fühlt, nach Abhilfe zu suchen; man versucht recht und schlecht Ratschläge zu geben, Auswege oder etwas zu finden, das ihn von seiner Not befreien kann. Ich will damit nicht sagen, dass ein Mensch, der ein offenes Herz und ein offenes Ohr für die Nöte seiner Mitmenschen hat, diesen nicht auch helfen würde; der entscheidende Un- terschied besteht jedoch darin, dass er die Not des anderen in sich aufnimmt, anstatt sie abzuwehren. Er würdigt und achtet diese Not und fühlt sie in seinem eigenen Herzen, an- statt gleich zu versuchen, sie zu beheben oder fortzureden. 96 97, Das ist die größte Hilfe, die man einem Menschen geben Schmerz hindurchgehen - auch durch solchen, der von kann, der sich in emotionaler Not befindet: seine Not wür- durchaus realen und wirklich schlimmen Ereignissen unse- digen und mitfühlen. Wir haben die Erfahrung gemacht, rer Geschichte herrührt - und man kann es gut überstehen. dass allein die Tatsache, dass jemand uns mit dem Herzen Die meisten Menschen haben das nie erlebt und wissen es zuhört, wenn wir ein Problem schildern, die Last schon deshalb nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jeder leichter und das Thema klarer macht. Die Offenheit des ein Allerschlimmstes hat, das er auf keinen Fall fühlen will. Zuhörers wirkt ansteckend auf den Erzähler, sodass auch Manchmal meint man, das Allerschlimmste schon aufge- dieser sein Herz öffnen kann; und ist dies erst einmal ge- deckt zu haben, und dann geschieht etwas, das uns auf schehen, so stellt sich auch die Lösung ein. Diese Lösung etwas noch Schlimmeres stößt, das darunter verborgen lag, kommt dann aus der Tiefe des Herzens des Betreffenden. eine noch tiefere Schicht. Auch ich, die ich seit Jahren be- Sie muss nicht immer so aussehen, wie wir uns eine explizi- wusst mit Körper, Herz und Emotionen arbeite, mit mir te Problemlösung vorstellen (»Ich werde das und das tun, selbst und mit anderen, stoße bisweilen noch auf irgendein und damit ist das Problem gelöst«); sie kann auch einfach in Allerschlimmstes, das ich auf keinen Fall fühlen will, weil einem Gefühl von Frieden, Klarheit, wieder hergestellter ich offenbar Angst habe, das nicht zu überstehen. Natürlich Offenheit oder neuem Verständnis liegen oder in dem Wis- setze ich mich, wenn ich so etwas entdecke, gleich hin und sen um den nächsten Schritt, der zu tun ist. kümmere mich darum; als Erstes akzeptiere ich, dass ich Wenn man sich also dabei erwischt, dass man gerade ver- das Schlimme auf gar keinen Fall fühlen will, spüre die sucht, die Probleme eines anderen zu lösen oder hinwegzu- Angst davor in meinem Körper auf, lerne sie kennen und reden, kann man es als Hinweis darauf nehmen, dass man hole sie ins Herz, und dabei lasse ich es erst einmal bewen- sein Herz nicht »eingeschaltet« hat. den. Ich erlaube dieser Angst, da zu sein, und versuche Manchmal geraten wir in Resonanz oder Konflikt mit nicht, sie zu überwinden. Oft bin ich aber schon im selben dem, was der andere fühlt; das heißt entweder, dass das Ge- Augenblick, in dem ich die Angst vor einem schlimmen Ge- schilderte uns vertraut zu sein scheint und wir »O ja, das fühl zulasse und ins Herz schließe, in der Lage, das Schlim- kenne ich« seufzen, in eigene Erinnerungen abgleiten und me selbst zuzulassen und ihm mein Herz zu öffnen. zu verstehen meinen, was der andere durchmacht, weil wir Wenn man nie in sich selber erlebt hat, dass man ein etwas Ähnliches durchgemacht haben - oder etwas von furchtbares Gefühl ganz und gar zulassen und das überle- dem, was der andere fühlt, löst in uns Wut, Ärger, Abnei- ben kann, dann kann man natürlich auch die furchtbaren gung aus, weil es einen Nerv unserer persönlichen Ge- Gefühle anderer nicht zulassen und mitfühlen. Das heißt, schichte berührt. Auch dies sind klare Anzeichen dafür, wenn ein Mensch, dem wir wohlwollend gegenüberstehen, dasS wir nicht mit dem Herzen zuhören. uns seine Nöte anvertraut, werden wir so schnell wie mög- Wenn man niemals ein schlimmes Gefühl zur Gänze zu- lich versuchen, diese Nöte zu beheben, denn unbewusst gelassen und bis zu Ende gefühlt hat, dann weiß man nicht, meinen wir ja, dass sie nicht erlebbar und überlebbar sind. dass man das überleben kann. Man kann es überleben, Weder darf der andere - unserer Meinung nach - sie erle- sich ungeliebt, hässlich, minderwertig, schlecht, schuldig zu ben, noch dürfen wir selber sie mitfühlen, denn sie sind ein- fühlen; man kann durch den schrecklichsten psychischen fach zu schlimm. Sie sind unerträglich - meinen wir. 98 99, Tatsächlich ist es ganz anders. Ja, ein Gefühl kann sehr muss nicht mehr korrigierend eingreifen; man nimmt das, schlimm sein, und man muss manchmal über eine Schwelle was einem anvertraut wird, mit Interesse, Achtung und der Angst und des Widerstands gehen (indem man Angst Mitgefühl auf und kann, wenn erwünscht, aus dem Wissen und Widerstand würdigt und in Liebe annimmt!), um das heraus antworten, das das Herz aus dem Mitfühlen ge- schlimme Gefühl wirklich zulassen zu können. Wenn wir es winnt. Um dies zu lernen, muss man üben, mit dem Herzen jedoch zulassen, zur Gänze erleben und zur Gänze ins Herz zuzuhören. Wie das konkret aussieht, schildere ich in Teil II nehmen, geschieht etwas Wunderschönes. Es ist ein Erleb- dieses Buches. nis von Einswerdung; etwas ganz Kostbares, Heiliges, Inti- mes. Es ist unbeschreiblich, paradox. Wir haben endlich das Allerschlimmste zugelassen und akzeptiert - und das Aller- schönste stellt sich ein. Das ist allerdings ganz natürlich, denn ein Teil von uns, der getrennt, abgespalten, in einen dunklen Kerker gesperrt war, darf endlich wieder da sein, wieder atmen, wieder frei sein, wieder zu uns gehören, wird endlich angenommen und geliebt. Der verlorene Sohn kehrt heim, und es gibt ein Fest. Jedes Mal, wenn so etwas ge- schieht, gibt es übrigens auch ein Fest im Himmel (der in uns liegt und nicht irgendwo »dort oben«). Unser höheres Selbst feiert. Ein Stück Leid ist erlöst, ein Stück Universum wieder vereinigt, ein Stück mehr Liebe Wirklichkeit gewor- den. Wenn man diese Arbeit eine Zeit lang getan hat, begeht man immer seltener den Fehler, andere Personen oder äuße- re Umstände für den eigenen Gemütszustand und das eige- ne Schicksal verantwortlich zu machen. Das Wunderbare ist, man tut es tatsächlich nicht mehr - man versucht sich das nicht nur aus seinem Wissen heraus zu »erdenken«, sondern es geschieht tatsächlich. Von tief innen heraus be- ginnt eine Verwandlung, die uns befähigt, Verantwortung für die Situationen unseres Lebens zu übernehmen, anstatt uns als Opfer zu betrachten und ihnen ausgeliefert zu sein. Und je mehr wir hierzu in der Lage sind, desto leichter fällt es uns, unser Herz zu öffnen und mit Interesse und Mit- gefühl zuzuhören, wenn uns jemand seine Probleme und Nöte anvertraut. Man muss nicht mehr reagieren, man 100 101, 9. KAPITEL scheidende nicht die Glaubenssätze sind, sondern die mit ihnen verbundenen Emotionen. Jane Roberts/Seth weisen

Die Entwicklung der auch darauf hin; aber damals ahnte ich noch nicht, was es bedeutet, eine Emotion bewusst zu fühlen.

körperzentrierten Herzensarbeit und Wie viele andere unternahm ich viele Jahre lang den Ver- such, schöpferisch mit meinem Denken und meinem ihr Verhältnis zu anderen Methoden Schicksal umzugehen, anstatt mich einfach als Opfer der in- neren und äußeren Umstände zu erfahren. Die Lehren nicht nur von Seth/Jane Roberts, sondern auch von Joseph Mur- ... Dann wird das eine sichtbar, phy, Prentice Mulford und anderen hatten mir zutiefst ein- worauf es ankommt: die vpllkommene Akzeptation der Gegenwart. geleuchtet, und ich versuchte sie anzuwenden.* Der Ansatz, Martin Buber aus dem heraus geistige Methoden dieser Art betrieben werden, ist jedoch meist eine kurzsichtige Perspektive, und so war es auch damals bei mir. Man ist im Allgemeinen ja Viele Jahre bevor ich die Methode der körperzentrierten gefangen in der Identifikation mit seiner Person und aus Herzensarbeit entdeckte, habe ich mich damit beschäftigt, dem begrenzten Blickwinkel des persönlichen Selbst heraus mein Denken auf die ihm zugrunde liegenden unbewussten wünscht man sich dies oder das und versucht sich Glau- oder kaum bewussten Überzeugungen und Glaubenssätze benssätze zurechtzuzimmern, die die gewünschte Realität zu untersuchen, die es strukturieren und die mich Dinge herbeiführen. Man versucht das Leben unter seine Kontrol- und Ereignisse auf eine bestimmte Art interpretieren lassen. le zu bringen, anstatt sich der Weisheit des Lebens als Ich hatte erkannt - und war vor allem von Jane Roberts' Schüler anzuvertrauen und »Jünger jedes Augenblicks« zu wunderbarem Lehrer Seth gelehrt worden* -, dass wir sein, wie Richard Moss es formuliert. unser Leben selber gestalten, und zwar mittels unserer Diese schöpferische und aktive Phase wurde abgelöst grundlegenden Überzeugungen. »Euch wurde Göttliches durch eine Phase, in der ich lernte, das, was ist, einfach be- zuteil«, sagt Seth. »Ihr selbst gestaltet eure Realität und die wusst wahrzunehmen, anstatt zu versuchen, es umzuge- eurer Erfahrungswelt. Ihr erschafft sie aufgrund eurer zu stalten. Hier halfen mir die Lehren des Taoismus und des Glaubenssätzen erhärteten Überzeugungen.« Es ist gute Zen-Buddhismus, die mir in verschiedenen Gestalten be- 15 Jahre her, dass ich mich intensiv mit dem Seth-Material gegneten, zuletzt und am für mich verständlichsten und beschäftigte. Ich beobachtete mein Denken und versuchte eindrucksvollsten in den Vorträgen der amerikanischen die ihm zugrunde liegenden verborgenen Glaubenssätze Zen-Lehrerin Charlotte Joko Beck, die in den beiden Bü- aufzuspüren. Tatsächlich entdeckte ich auch viele. Die ne- gativen Grundüberzeugungen versuchte ich in positive um- zuwandeln. Damals wusste ich noch nicht, dass das Ent- * Viele Jahre später schrieb ich übrigens ein Pfentice-Mulford-Arbeits- buch mit dem Titel Vertrauen ins Leben, in dem ich eine Brücke schlug zwischen dem positiven Denken, als dessen Urvater man Prentice Mul- * Siehe vor allem Die Natur der persönlichen Realität von Jane Roberts. ford ansieht, und unserem heutigen psychospirituellen Stand. 102 103, ehern Zen im Alltag und Einfach Zen in deutscher Sprache als bei anderen mir bekannten Zen-Lehrern, bei Thich Nhat erschienen sind. Hanh). Ich lernte, meine Gedanken zu beobachten und zu benen- Die Praxis der buddhistischen Meditationstechniken, so- nen, anstatt sie einfach zu denken. Das schuf Distanz. Ich weit sie mir bekannt sind, kann meiner Ansicht nach durch entdeckte, wie es ist, frei zu sein vom Einfluss seiner Ge- körperzentrierte Herzensarbeit wunderbar ergänzt werden. danken. Die Gedanken sind da, aber man fällt nicht auf sie Nehmen wir an, Sie stoßen bei Ihrer täglichen Meditation herein. Man weiß, dass es nur Gedanken sind und nicht die auf Gedanken, die um einen Gefühlskern beziehungsweise Realität. Diese Freiheit und Losgelöstheit vom Einfluss der ein Problem kreisen; anstatt einfach nur die Gedanken Gedanken entstehen durch die Praxis der buddhistischen wahrzunehmen und zu benennen, möglicherweise auch die Meditationstechniken Vipassana und Zazen. Körperempfindungen und Gefühle, die dabei auftauchen, Im Zuge dieser Praxis fand ich etwas Interessantes he- können Sie an dieser Stelle Ihre Meditation vertiefen und in raus. Ich entdeckte, dass ich die gleiche hundertprozentige die körperzentrierte Herzensarbeit einsteigen. Aufmerksamkeit, die man bei der buddhistischen Medita- Zu dem Zeitpunkt, als ich begann, die Methode zu ent- tion auf alles richtet, was der gegenwärtige Augenblick ent- wickeln, befand ich mich seit rund 15 Jahren auf dem spiri- hält, auch bündeln und gezielt einsetzen konnte - und zwar tuellen Weg, praktizierte Meditation und spirituelle Übun- indem ich sie wie einen Scheinwerfer auf ein bestimmtes gen. In geistiger Hinsicht machte ich bestimmt Fortschritte Gefühl richtete und dort so lange hielt, bis das betreffende in dieser Zeit. Ebenso wie meine Übungspartnerin und Mit- Gefühl oder der betreffende Gefühlskomplex aus dem Dun- arbeiterin Gloria stellte ich jedoch fest, dass all diese geisti- kel des Un- oder Halbbewussten vollständig ins Licht des ge Arbeit erst richtig zu »greifen« begann, nachdem ich be- Bewusstseins getreten war, einschließlich aller Erinnerun- gonnen hatte, sie mit körperzentrierter Herzensarbeit zu gen, die mit ihm verbunden waren (bis hin zu frühkindli- ergänzen. Diese liefert mir Basis und Boden zu jedweder chen, pränatalen oder gar aus anderen Inkarnationen stam- spirituellen Übung. Auch im Retreat (einer Art Einkehr, menden Eindrücken). während der man sich zurückzieht, schweigt, meditiert und Hier liegt der Unterschied der körperzentrierten Herzens- spirituelle Übungen praktiziert) hat sie sich als unschätzbar arbeit zur Praxis der grundlegenden buddhistischen Me- wertvoll erwiesen, um die im Zuge der Meditation und der ditationstechniken, wie ich sie verstehe: Bei der körperzen- spirituellen Übungen im Bewusstsein auftauchenden per- trierten Herzensarbeit bündelt man die Aufmerksamkeit sönlichen Probleme anzugehen. und richtet sie absichtlich auf einen bestimmten Problembe- Was die tägliche Meditationspraxis anbelangt - ein Tipp reich; ferner werden Gefühle nicht einfach wahrgenommen für alle, die täglich Meditation oder sonstige spirituelle und bewusst erlebt (und/oder benannt), sondern auch be- Übungen praktizieren -, so erhöht es die Qualität der Me- wusst und absichtlich ins Herz geschlossen. Auf diese Weise ditation, wenn man sie daduch einleitet, dass man sich mit werden sie nicht nur aus ihrer Verdrängung aus dem Be- körperzentrierter Herzensarbeit um die akuten persönli- wusstsein befreit (dazu würde es genügen, sie wahrzuneh- chen Probleme kümmert. Dies kann in Kurzform gesche- men), sondern auch aus ihrer Verbannung aus dem Herzen hen, wenn man nur wenig Zeit zur Verfügung hat. Sie wer- erlöst (sinngemäß findet man diesen Ansatz, ausgeprägter den feststellen, dass der Kontakt zu Ihrem innersten 104 105, Wesenskern und zu höheren Bewusstseinsebenen wesent- Körperzentrierte Herzensarbeit und die Arbeit lich leichter herzustellen ist, ja oft von selbst auftritt, wenn mit dem inneren Kind Sie sich auf diese Weise über Ihre aktuellen Probleme an die Meditation herantasten, als wenn Sie die Probleme zur Seite Die Arbeit mit dem »inneren Kind«, wie sie unter anderem schieben, um zu meditieren. in dem Buch Die Aussöhnung mit dem inneren Kind von Cho- Auch die von den Sufis stark kultivierte Kontemplation pich und Paul dargestellt ist, halte ich für eine ungeheuer archetypischer Qualitäten (wie zum Beispiel Mitgefühl, wertvolle Entdeckung. Auch sie lässt sich ergänzen und Einsicht, Stärke, Macht, Schönheit, Güte, Friedfertigkeit vertiefen durch körperzentrierte Herzensarbeit. etc.) lässt sich vertiefen und unterstützen durch körperzen- Anstatt nur verbal-gedanklich oder schriftlich den Dialog trierte Herzensarbeit - beispielsweise, um Widerstände und mit dem inneren Kind zu führen, kann man mit der Technik Schwierigkeiten, die beim Kontemplieren einer Qualität der körperzentrierten Herzensarbeit die Nöte des Kindes auftauchen, kennen zu lernen und ins Herz zu holen. Kon- auf der Ebene des Körpers und der Emotionen kennen ler- zentriert man sich zum Beispiel auf die Qualität »Meister- nen und das Kind mit diesen Nöten bewusst ins Herz schaft«, so wird man vielleicht feststellen, dass man sich schließen. Hierbei ist es in den meisten Fällen bei der letzten zwar nach Meisterschaft sehnt, aber dass auch Angst oder Stufe (Herz) am einfachsten und wirksamsten, sich vorzu- Unbehagen dabei auftaucht. Anstatt das nur zur Kenntnis stellen, dass man das Kind in die Arme schließt. Allerdings zu nehmen oder einfach darüber hinwegzugehen und sich darf diese Zweiteilung inneres Kind/innerer Erwachsener weiter auf das Positive - die angestrebte Qualität - zu kon- nicht dazu führen, dass zwischen dem Übenden und dem zentrieren, wendet man sich erst dem Hindernis zu, indem (kindlichen) Gefühl eine Distanz besteht. Man muss es zu- man es auf der körperlichen und der emotionalen Ebene be- lassen, sich ganz und gar so zu fühlen, wie das Kind sich wusst erlebt und ihm dann sein Herz öffnet.* fühlt - nur eben bewusst und bewusst atmend. Manchmal Auch Gebete lassen sich ergänzen und vertiefen mit kör- kommt es vor, dass das innere Kind wegen jahrelanger oder perzentrierter Herzensarbeit. Welche Sorge, welcher Kum- lebenslanger Vernachlässigung so wütend ist, dass es nicht mer, welches Schuldgefühl, welche Angst, welcher Wider- in die Arme genommen werden will. Dann muss man seine stand auch immer auftauchen mag, während wir ein Gebet Wut und seinen Trotz würdigen und annehmen. Oft ist es sprechen - wir können innehalten und uns diesem Gefühl schon damit getan, dass man bereit ist, das Kind auch mit- oder Gefühlskomplex mithilfe der körperzentrierten Her- samt seinen trotzigen oder hasserfüllten Gefühlen in die zensarbeit liebevoll zuwenden und dann das Gebet wieder- Arme zu schließen. holen oder fortsetzen. Oftmals geht aus der Übung der kör- Zum Abschluss kann es wichtig sein, dem Kind ein Ver- perzentrierten Herzensarbeit auch ganz von selbst ein sprechen zu geben: »Ich werde mich besser um dich küm- Gebet hervor oder sie verwandelt sich in ihrer Schlusspha- mern«, »Ich werde deinen Gefühlen mehr Beachtung schen- se von allein in ein stilles Gebet. ken«. Dazu möchte ich eine Empfehlung geben: Man sollte das Kind zuerst befragen, bevor man ihm etwas verspricht, * In meinem Buch Meditation löst Lebensprobleme habe ich der Arbeit mit das vielleicht nicht genau das ist, was es braucht. Fragen Qualitäten ein Kapitel gewidmet. wir: »Was brauchst du von mir?«, dann bleiben wir mit ihm 106 107, in Kontakt und erweisen ihm Respekt und die Bereitschaft sich mit Recht hilflos und ohnmächtig fühlt, aber er wird in zu wirklicher Liebe. Was nicht bedeutet, dass wir den jeder Situation Distanz wahren können und sagen: »Mo- Wunsch des Kindes als Befehl auffassen müssen. Wenn es ment mal. Es muss eine Möglichkeit geben. Denken wir sich um etwas handelt, das wir nicht geben zu können in nach, beten wir darum, verhandeln wir, fragen wir unser der Lage sind (oder zu sein meinen), oder etwas, was uns höheres Selbst« - je nach Situation und Überzeugung. nicht richtig erscheint, müssen wir mit ihm verhandeln - so Indem wir uns mit unseren Gefühlen identifizieren und lange, bis beide zufrieden sind. Im Allgemeinen bringt das dabei unsere Bewusstheit verlieren (anstatt sie bewusst Kind berechtigte, plausible, einfache Wünsche vor, die sich wahrzunehmen), lassen wir unser inneres Kind im Stich. erfüllen lassen: »Ich möchte, dass du dich mehr um mich Plötzlich sind wir nur noch Kind; das Kind ist ganz allein - kümmerst«, »Du sollst merken, wenn ich unzufrieden bin«, kein Erwachsener ist da, der einen kühlen Kopf behält und »Du sollst mich besser beschützen«. die Situation meistern kann. Ein Kind kann mit den meisten Letzteres ist ein wichtiger Punkt. Ein Kind braucht den Situationen des Erwachsenenlebens nicht fertig werden. Es Schutz des Erwachsenen in der Welt der Erwachsenen. Wir ist überfordert. Und genau das ist der Grund, warum wir geben unserem inneren Kind diesen Schutz dadurch, dass uns oft überfordert fühlen: Wir verlieren unser Bewusstsein. wir während unserer Interaktionen und Gespräche mit Mit- Wir verwechseln uns mit dem inneren Kind. Wir vergessen, menschen bewusst bleiben. Wir versagen ihm diesen dass wir erwachsen sind. Schutz, wenn wir während unserer Interaktionen und Ge- Hier hilft Stufe zwei der körperzentrierten Herzensarbeit: spräche vergessen, dass wir erwachsen sind, und in eine sich von Gefühlen nicht davontragen zu lassen, sondern sie Emotion unseres inneren Kindes so sehr hineinrutschen, bewusst (und bewusst atmend) wahrzunehmen! Sobald in dass wir unser Bewusstsein verlieren und uns mit dem Kind einer gegebenen Situation Emotionen aufsteigen, sich zu er- verwechseln. Man erkennt das daran, dass man beginnt, innern: Wahrnehmen! Atmen! Damit ist erreicht, dass die wie ein Kind zu reagieren. Immer, wenn wir unseren Mit- Bewusstheit eingeschaltet ist. menschen Macht über uns zubilligen, reagieren wir wie ein Wenn wir unserem inneren Kind etwas versprechen, müs- Kind. Immer, wenn wir uns abhängig machen vom Wohl- sen wir natürlich wissen, dass wir es halten können. Und wollen anderer, reagieren wir wie ein Kind. Immer, wenn wir müssen auch wissen, was genau wir gemeint haben mit wir uns hilflos und ohnmächtig fühlen, reagieren wir wie unserem Versprechen. Wenn wir sagen: »Ich werde mich ein Kind. Immer, wenn wir trotzig werden, reagieren wir um dich kümmern«, wissen wir dann, wie dieses Kümmern wie ein Kind. Immer, wenn wir traurig werden, weil jemand aussehen soll? Es ist gut, sich konkrete Dinge vorzunehmen, nicht lieb zu uns ist, reagieren wir wie ein Kind. Ein Er- anstatt allgemein zu bleiben. Auch dies kann in Absprache wachsener ist souverän genug, selbst zu bestimmen, was er mit dem inneren Kind geschehen. »Kümmern« kann zum tun oder nicht tun will; ein Erwachsener braucht das Wohl- Beispiel bedeuten, auf Bedürfnisse des Kindes zu achten. wollen anderer nicht zum Überleben, jedenfalls nicht in Kinder spielen gern. Schon mancher Erwachsener, mit dem dem Ausmaße, in dem ein Kind das Wohlwollen seiner El- ich gearbeitet habe, hat seinem inneren Kind versprochen, tern braucht, einfach weil es ohne sie nicht existieren kann. mit ihm zu spielen und die einfachen Freuden zu genießen, Ein Erwachsener mag sich in Situationen finden, in denen er denen man sich als Kind stundenlang hingeben konnte: am 108 109, Wasser sitzen und mit Steinchen spielen zum Beispiel. Ab Macht über uns ein), sondern indem wir zu uns selber und zu ein bisschen herumhopsen, wenn niemand hin- stehen und unsere Mitmenschen nach Möglichkeit durch schaut. Auf eine Mauer klettern. Im Gras sitzen und nichts Klarheit und Ehrlichkeit an verletzenden Übergriffen hin- tun. Vielleicht malt das Kind auch gern; dann kann man ihm dern. Ferner nimmt man sein inneres Kind in Schutz, indem versprechen, Malstifte zu kaufen und mit ihm zu malen. man sich gegebenenfalls bewusst macht - und dem Kind Dabei ist es unwichtig, wie gut oder schlecht man malen mitteilt -, dass die Emotionen, die ein anderer fühlt und kann; es geht um das Vergnügen. Manche Kinder tanzen vielleicht äußert (Ärger, Unmut, Wut, Gereiztheit etc.), des- oder singen gern. Vielleicht tut es Ihrem inneren Kind auch sen Sache sind und darauf zurückgehen, dass der Betreffen- gut, wenn Sie Sport treiben, Volleyball spielen, schwimmen de ein Problem hat, das ihm zu schaffen macht. Man braucht oder Eis laufen. Jeder, der seinem inneren Kind ein solches sich von diesen Emotionen nicht persönlich betroffen zu Versprechen gegeben hat und es auch hält, wird belohnt mit fühlen. Und wenn dies schon geschehen ist, muss man sich einem Zuwachs an Zufriedenheit, Erfülltheit, Lebensfreu- um dieses Betroffensein natürlich kümmern, indem man de. Leichtiekeit und Kreativität. sozusagen mit sich selber mitfühlt. Frühkindliche Bedürfnisse, die auftauchen können, sind das Bedürfnis nach Bemutterung, Geborgenheit, Wärme. Wie kann man sich um diese Bedürfnisse kümmern? Man Körperzentrierte Herzensarbeit und Psychotherapie kann sich selber schaukeln und wiegen, man kann für das Jede mir bekannte Form der Psychotherapie kann ebenfalls innere Kind Wiegenlieder singen oder einfach einen Augen- hervorragend ergänzt werden durch körperzentrierte Her- blick für es da sein, indem man ganz bei sich ist und Atem zensarbeit. Einige Therapeuten haben meine Kurse besucht und Bewusstsein in dem Teil des Körpers konzentriert, in und profitieren ihren eigenen Angaben nach enorm von der dem man das Kind fühlt (in der Brust, im Bauch?), dort die Ergänzung ihrer Arbeit durch diese zusätzliche Dimension. Hand auflegen und einfach anwesend sein. Manchmal hilft Manche Seminarteilnehmer mit Therapieerfahrung behaup- warme Milch oder eine Wärmflasche dem Kind, sich wohl ten, eine Stunde körperzentrierte Herzensarbeit ersetze und geborgen zu fühlen. Jahre der Psychotherapie. Nun, das glaube ich zwar nicht, Die einfache und in unserem Zusammenhang wichtigste denn eine Psychotherapie, die sich über Jahre erstreckt, för- Form von Fürsorge besteht aber in aufmerksamer Präsenz; dert ganz bestimmt einen Reifeprozess, der nicht dadurch darin, die Gefühle des Kindes - unsere eigenen kindlichen zu ersetzen ist, dass man sich einmal hinsetzt und einen be- Emotionen - bewusst und liebevoll wahrzunehmen, sobald stimmten Emotionsknoten kennen lernt und ins Herz holt. sie auftauchen. Es kann im Interesse des Kindes wichtig Jedoch enthält diese Aussage einen wahren Kern, der auf sein, ihnen Ausdruck zu verleihen, um dadurch einen an- jeden Fall bedenkenswert ist. deren Menschen daran zu hindern, etwas wieder zu tun Ich glaube, es hat damit zu tun, dass die körperzentrierte oder zu sagen, was das Kind verletzt hat. Auf diese Weise Herzensarbeit ein Weg ist, der drei Ebenen einbezieht - Kör- nehmen wir unser inneres Kind in Schutz. Nicht dadurch, per, Emotion und Herz. Der Körper muss einbezogen wer- dass wir uns rechtfertigen, uns beklagen oder um etwas bet- den, weil wir in einer körperlichen Realität leben. Im Körper teln (das ist kindliches Verhalten und räumt dem anderen befindet sich der Teil unseres Seins, der zum jetzigen Zeit- 110 111, punkt verkörpert, also «tatsächlich, real, manifest ist. Alles, muss ich mich jetzt meinem Ärger zuwenden und ihn ins was nicht in die Verbindlichkeit der Materie eingegangen Herz schließen. An diesem Punkt meiner Überlegungen ist, ist demgegenüber weniger tatsächlich, weniger real, ge- schaltete sich mein besseres Wissen ein. »Stopp«, sagte es. wissermaßen virtuell beziehungsweise potenziell real. In »Das alles sind Überlegungen. Das ist nicht das, worum es diesem Sinne ist der Körper Spiegel, Ausdruck, Feedback; geht. Denk einfach zurück an das Telefongespräch und in ihm finden wir das verkörpert, was wir glauben, denken, wende dich deinem Körper zu.« Ich tat es und stellte fest, fühlen, womit wir uns identifizieren. dass meine Arme verspannt waren, besonders die Außen- Der weitaus größere Teil unserer Realität ist nicht - oder seiten. Als ich Aufmerksamkeit und Atem in den Armen noch nicht - verkörpert; von dem, was wir in Wahrheit sind, konzentrierte, merkte ich, dass ich versuchte, etwas abzu- ist unser Körper gewordener Teil nur so etwas wie die Spit- wehren; das Gefühl, das sich in dieser Spannung verbarg, ze eines Eisbergs, die über der Wasseroberfläche zu sehen war verzweifelte Abwehr. Ich widmete diesem Gefühl ist. Aber sie enthält unsere persönliche Wahrheit. In den Zel- meine ungeteilte Aufmerksamkeit, öffnete ihm mein Herz len unseres Körpers sind unsere Erinnerungen gespeichert und Tränen der Erleichterung stellten sich ein. Was also und die Gefühle, die wir (durch Ablehnen und Verdrängen) beim Telefonieren tatsächlich das Unbehagen in mir aus- festgehalten haben. Sie sind auf körperlicher Ebene erfahr- gelöst hatte, war die Tatsache, dass ich verzweifelt versucht bar; als körperlicher Zustand, als Körperempfindung. Das hatte, etwas abzuwehren, nämlich die Frustration und Vor- ist die unterste, die am meisten manifeste Ebene dessen, würfe meines Gesprächspartners. Ich musste sie abwehren, was wir fühlen. Lassen wir diese Ebene bei der Psychothe- weil ich - unbewusst - befürchtete, mich schuldig fühlen zu rapie außer Acht, so fehlt unserer Arbeit das Fundament. müssen, wenn ich Frust und Vorwurf des Freundes an mich Viele Therapeuten unserer Zeit haben das natürlich er- heranließ. So wandte ich mich als Nächstes dem Schuld- kannt, und es gibt etliche neue Therapierichtungen, die gefühl zu, vor dem ich offenbar solche Angst hatte. Das Ge- beim Körper ansetzen. fühl von Unwohlsein und Ärger war natürlich danach auf- Über den Körper findet man einen viel direkteren Zugang gelöst. Nicht um Ärger ging es also, sondern um Schuld und zu seiner eigenen inneren Wahrheit als über den Verstand. Angst vor Schuld. Genau wie in diesem Beispiel fördert kör- Vor einiger Zeit rief mich ein Freund an. Nach dem Telefon- perzentrierte Herzensarbeit fast immer ganz andere Gefüh- gespräch mit ihm fühlte ich mich unwohl und verärgert. Ich le zutage, als wir denken. Therapeuten, die körperzentriert überlegte, warum das so war. Ich erinnerte mich, aus der arbeiten, wissen das natürlich. Stimme meines Freundes Frustration und Vorwurf heraus- Familienaufstellung nach Hellinger, Kinesiologie, Reinkar- gehört zu haben, die er jedoch nicht geäußert hatte. Anstatt nationstherapie, Atemtherapie, Gesprächstherapie, körper- diesen Gefühlen mein Herz zu öffnen, hatte ich emotional zentrierte Methoden der Psychotherapie: Viele Therapiefor- reagiert - mit Ärger. Irgendwie war mir das vertraut; schon men, die mir bekannt sind, lassen sich meines Erachtens seit ich diesen Freund kannte, kannte ich diesen Ärger. Die- wunderbar ergänzen. An welchem Punkt welcher Therapie ser Mensch, dachte ich, unterdrückt durch Nettigkeit die auch immer man steht, körperzentrierte Herzensarbeit Vorwürfe, die er mir eigentlich machen möchte, und das ist kann das Gewahrsein an diesem Punkt vertiefen und den es, was den Ärger in mir auslöst. Folglich, dachte ich weiter, Anstoß zu einer entscheidenden Veränderung geben., Wir verzichten bei dieser Arbeit völlig darauf, zu inter- 10. KAPITEL pretieren, zu analysieren; wir stellen keine Zusammenhän- ge her; wir verknüpfen nichts. Erkenntnisse über Zusam- menhänge stellen sich von selbst ein. Plötzlich versteht Eine neue Art, man, warum man dies oder das tut, warum man so oder so mit Problemen umzugehen reagiert oder sich in gewissen Situationen immer so oder so fühlt. Aber es geht nicht um diese Erkenntnis; die Erkennt- nis ist sozusagen ein Abfallprodukt dessen, worum es Die Wahrheit ist, dass wir unser Drama eigentlich geht: um Einswerden mit sich selbst - letztlich nur zu sehr lieben. um Liebe. Charlotte Joko Beck Die Wahrheit unseres Herzens - unsere eigentliche Wahr- heit - ist schlicht und letztlich immer unschuldig. Wenn man verlernt hat, ihr zu trauen und zu vertrauen, wenn man verlernt hat, sie zu äußern, ja, sie überhaupt wahrzu- nehmen, wird man entweder kompliziert und für die Mit- menschen verwirrend oder oberflächlich, hartherzig, »ver- kopft«, selbstherrlich oder tyrannisch. Man manövriert sich selbst und seine Mitmenschen in ein Geflecht von Scheinbe- ziehungen hinein, die nach außen hin beherrscht werden von Sekundärgefühlen (das heißt Gefühlen, die deshalb ent- stehen, weil das eigentliche, primäre Gefühl verdrängt ist) und im Stillen von verdrängten Primärgefühlen, anstatt schlicht und einfach aus der inneren Wahrheit gespeist zu werden und sich mit der Wahrheit zu entwickeln und zu verändern. Die Rückkehr zu Echtheit und Einfachheit und zu Bezie- hungen, die von der Wahrheit des Herzens getragen sind, ist eine natürliche Folge der konsequenten Praxis der kör- perzentrierten Herzensarbeit; eine Folge, die sich allerdings langsam, mit der Zeit einstellt - je nachdem, wie groß die Verwicklung und wie konsequent das Üben ist. Man kann sich lange Streitgespräche sparen, wenn man auch im täglichen Leben an die Übung der körperzentrier- ten Herzensarbeit denkt. Dazu bedarf es natürlich der be- 114 115, rühmten Achtsamkeit. Mit anderen Worten: Während man wickeln - in ein Hin und Her von Argumenten, Erklärun- sich in ein Gespräch vertieft, darf man seine Bewusstheit gen, Angriffen, Rechtfertigungen oder auch Versuchen, ge- nicht ganz verlieren. Man muss sich immer wieder daran er- meinsam eine Situation zu analysieren oder in den Griff zu innern, bei sich zu bleiben und wahrzunehmen, was im bekommen. Vielleicht kommt man zu Ergebnissen; viel- eigenen Innern - Körper und Emotion - geschieht, und leicht kommt man einen Schritt weiter oder schließt wieder ebenso daran, sein Herz offen zu halten für das, was ge- Frieden; vielleicht bleibt man erbittert oder resigniert schieht. Und man muss seinen Atem spüren. Eine gute For- zurück. Fest steht aber: Wenn man gleich zu Anfang der kri- mel, sich zu erinnern, ist: »Wahrnehmen und atmen«. tischen Phase des Gesprächs innehält und die Übung des Was wir üblicherweise tun, sieht anders aus. Jemand sagt Wahr- und Annehmens einschaltet, kommt man nicht nur etwas zu uns, das unser unbewusstes Interpretationssystem schneller auf das, worum es eigentlich geht hinter dem Kon- als Angriff auffasst, um ein Beispiel zu nennen. Bevor wir flikt, sondern wesentlich leichter zu Mitgefühl und Ver- überhaupt merken, wie uns geschieht, reagieren wir gemäß ständnis sich selbst und dem anderen gegenüber. unserem üblichen Reaktionsmuster. Wir schießen zurück Jedes Beziehungsereignis, gleich, ob es Freude, Ärger (»Du hast doch gestern genau dasselbe gemacht ...«) oder oder Trauer in uns auslöst, ist ein wertvoller Anlass, etwas wir rechtfertigen uns oder wir ziehen uns aus der Bezie- über uns selbst zu erfahren und uns auszudehnen, indem hung zurück und schmollen - oder wie auch immer unsere wir unser Herz öffnen. Wir erweitern uns, indem wir Teile automatische Reaktion aussieht. unser selbst, die aus Herz und Bewusstsein ausgeklammert Wäre unsere Achtsamkeit eingeschaltet gewesen, wir hät- waren, integrieren, indem wir den Menschen, mit dem wir ten sofort innegehalten, nachdem wir die fraglichen Worte zu tun haben, einbeziehen statt ausgrenzen und indem wir vernommen hätten; wir hätten bewusst wahrgenommen, lernen, unsere Gefühle ehrlich und direkt auszudrücken. welche Reaktion in unserem Körper und Gemüt abläuft, Manche Menschen haben Probleme damit, sich abzugren- und uns einen Augenblick Zeit genommen (der Gesprächs- zen. Sie leiden darunter, dass sie Stimmungen und Gefühle partner braucht nichts davon zu merken), um diese zu wür- anderer leicht in sich aufnehmen. Solche Menschen meinen digen und mit dem Herzen zu verstehen. Und dann, viel- oft, eine Arbeit, die zu größerer Offenheit des Herzens führt, leicht noch verletzlich und unsicher, aber entschlossen, sei nichts für sie, weil sie ohnehin zu offen seien. Hier liegt hätten wir von der Warte des offenen Herzens aus unseren jedoch ein Missverständnis vor: Wenn wir darunter leiden, Partner gebeten zu erklären, was er uns eigentlich mitteilen zu empfänglich zu sein, und uns nicht dagegen wehren wollte, was ihn bedrückte oder ärgerte. Wir hätten versucht, können, dass fremde Stimmungen und Gefühle von uns Be- seine Erklärungen offenen Herzens aufzunehmen, in dem sitz ergreifen, so liegt das nicht daran, dass unser Herz offen Bestreben, wirklich zu verstehen, was ihn bewegt. Und ist, sondern es steckt immer eine psychisch-geistige Kon- zweifellos hätten wir festgestellt, dass nichts von dem, was stellation dahinter, die es zu erforschen gilt. Dass Stimmun- er vorbringt, uns verletzen kann, sondern dass wir in unse- gen und Gefühle ansteckend sein können, ist ja allgemein rem Herzen fühlen können, wie er sich fühlt und was er uns bekannt; aber damit verhält es sich meiner Auffassung nach eigentlich mitteilen möchte. so wie mit Krankheiten, die als ansteckend gelten. Die einen Das Übliche: Man verwickelt sich - oder lässt sich ver- fangen sie sich aus zehn Metern Entfernung ein, die ande- 116 117, ren noch nicht einmal, wenn sie den Kranken umarmen. sein. Oder wir verdrängen das Ganze, indem wir uns in eine Wenn wir uns vom Gefühl eines anderen anstecken lassen, Arbeit oder Ablenkung stürzen. müssen wir prüfen, ob es eine Resonanz in uns gibt - ob Indem wir einfach unseren Gedanken oder Gefühlen frei- dasselbe Gefühl in uns selber schon vorhanden war, ohne en Lauf lassen und uns mit ihnen identifizieren (anstatt sie dass wir es bemerkt haben, und dieses nun dadurch, dass bewusst wahrzunehmen), kreisen wir in unseren Denk- und wir einem anderen begegnet sind, der es manifestierte, so- Fühlmustern wie der Hamster im Laufrad. Irgendwann las- zusagen mitschwingt; oder ob wir einen Grund haben, das sen wir das Thema vielleicht fallen und wenden uns einer Gefühl des anderen zu übernehmen. Wenn beispielsweise anderen Sache zu; aber im Stillen arbeitet es weiter, und Ihr Partner traurig ist und Sie den Eindruck haben, daran immer wieder werden wir feststellen, dass unsere Gedan- schuld zu sein, werden Sie vielleicht versuchen ihm einen ken auf die gleiche Art um das gleiche Gefühl kreisen. Teil Traurigkeit abzunehmen, indem Sie auch traurig sind. Was geschieht stattdessen, wenn wir uns mit körperzen- Dies alles hat nichts mit einem offenen Herzen zu tun. trierter Herzensarbeit durch ein Gefühl hindurcharbeiten? Wenn unser Herz offen ist, öffnen wir uns mit Verständnis Wir lenken unsere Aufmerksamkeit statt auf die Vergangen- und Anteilnahme den Gefühlen unserer Mitmenschen, heit (Gedanken über das Vorgefallene), die Zukunft (Sorgen ohne sie jedoch mit unserer eigenen Gemütslage zu ver- in Bezug auf das, was werden wird) und Dinge oder Perso- wechseln. Der Gemütszustand des anderen setzt sich auch nen, die nicht anwesend sind, auf das, was hier und jetzt nicht in uns fest. real ist. Wo ist das Problem jetzt? Was bleibt vom Problem, Auch in der Art, wie wir mit uns selber umgehen, bewirkt wenn ich gegenwärtig bin und nur das wahrnehme, was körperzentrierte Herzensarbeit einen großen Unterschied real vorhanden ist? Es bleibt eine Empfindung im Körper gegenüber dem Üblichen. Wenn uns etwas verstimmt, ver- und ein Zustand des Gemüts - in Wirklichkeit nicht zwei letzt, Ärger oder Trauer in uns auslöst: Was tun wir übli- verschiedene Zustände, sondern ein einziger, der einmal als cherweise, wenn wir allein damit fertig werden wollen? Wir physischer und einmal als psychischer Zustand wahrge- denken darüber nach, indem wir die Situation analysieren nommen wird. Das fragliche Thema versetzt mich also in und zu einer befriedigenden Lösung oder Veränderung zu einen bestimmten Zustand, und diesen Zustand gilt es voll- kommen versuchen; wir denken darüber nach, indem wir ständig und bewusst wahrzunehmen, mit gebündelter Auf- endlos das Geschehene in Gedanken wiederkäuen; wir den- merksamkeit. Zur gebündelten Aufmerksamkeit gehören ken darüber nach, indem wir uns ausmalen, was wir hätten Bewusstheit und Atem. Sobald dieser Zustand vollständig tun oder sagen sollen oder können; wir sind gedanklich wahrgenommen und, nächster Schritt, vom Herzen ange- damit beschäftigt, das Geschehene abzuwehren. Oder aber nommen wurde, löst er sich auf. wir überlassen uns einem emotionalen Anfall; wir stampfen Wenn es sich um einen akuten Zustand handelt, löst er auf, schreien oder schäumen vor Wut, schlagen auf irgend- sich sogleich und restlos auf. Handelt es sich um einen chro- etwas ein beziehungsweise brechen in Tränen aus und wei- nischen Zustand - einen Gemüts- und Körperzustand, der nen möglicherweise, bis wir erschöpft sind. Wir lassen uns uns schon seit langem begleitet, vielleicht seit Jahren, seit also entweder von unseren Gedanken oder von unseren Ge- Jahrzehnten, von Kindesbeinen an oder womöglich schon fühlen davontragen und verlieren in ihnen unser Bewusst- während anderer Inkarnationen -, so bedarf er besonders 118 119, gründlicher und beharrlicher Aufmerksamkeit. Er muss so hat: Geh weg, ich mag dich nicht. Ich mag nicht, wie du dich lange erfahren und angenommen werden, bis er vollstän- fühlst. Es macht mir Angst. Es ist hässlich. Du darfst nicht dig, bis in seine Tiefen hinein, bewusst geworden und ins existieren. Du störst meine Pläne. Du bist unmoralisch. Du Herz aufgenommen worden ist. Das kann in einer einzigen bist unangenehm. Auf diese Art verbannen wir uns selber Sitzung geschehen, die bei sehr alten, also tief reichenden aus unserem Herzen, versagen uns die Liebe, die wir so Zuständen vielleicht auch einmal zwei oder drei Stunden dringend brauchen, und stürzen uns in den Zustand des dauern kann, es kann aber auch wiederholter gebündelter Ungeliebtseins, aus dem niemand uns befreien kann, wenn Aufmerksamkeit bedürfen, bis ein solcher Gefühlskomplex wir es nicht selber tun. Wie kann die Liebe Gottes uns errei- zur Gänze ins Bewusstsein und ins Herz geholt worden ist. chen, wenn wir uns selber Liebe versagen? Wie kann die Was uns Schwierigkeiten macht in dieser Welt, sind im Liebe eines anderen Menschen uns wirklich berühren und Allgemeinen nicht die Tatsachen, sondern die Gefühle. Was erfüllen, wenn wir uns insgeheim für nicht würdig halten, fürchten wir, wenn uns jemand verlässt? Wir fürchten nicht geliebt zu werden, wenn wir uns ablehnen? eigentlich die Tatsache, dass die andere Person dann nicht mehr bei uns ist; wir fürchten unsere Gefühle. Wir fürchten, Gewöhnliche Wahrnehmung und Wahrnehmung dass wir uns einsam fühlen, verlassen oder ungeliebt; wir in der körperzentrierten Herzensarbeit fürchten den Schmerz des Getrenntseins, des Verlassen- seins, des Alleinseins; wir fürchten unsere Trauer. Wir Im Bereich der Gefühle und Empfindungen verwechseln haben Angst vor Gefühlen, nicht vor Tatsachen. Was fürch- wir oft »wahrnehmen« mit »feststellen, dass es vorhanden ten wir, wenn uns das Geld ausgeht? Letztlich fürchten wir ist«. Das ist so ähnlich, wie wenn man meint, ein Haus zu nicht, dass wir unter der Brücke landen, sondern wir haben kennen, weil man täglich daran vorbeikommt, während Angst davor, wie wir uns unter der Brücke fühlen. man es jedoch noch nie genau angesehen, geschweige denn Deshalb ist es von größter Wichtigkeit zu lernen, dass von innen erlebt hat. man Gefühle aushalten kann, dass man sie überleben kann, In der körperzentrierten Herzensarbeit nehmen wir un- dass man sich getrost trauen kann, sie zu fühlen - auch die sere Gefühle und Körperempfindungen vollständig wahr, allerschlimmsten; dass man ihnen standhalten kann und, indem wir sie sozusagen von innen erleben. Hinzu kommt mehr noch, dass man sie annehmen kann. Sie erfahren da- noch ein weiterer entscheidender Unterschied zur gewöhn- durch keine Heilung, wie es heute manchmal heißt; was lichen Wahrnehmung. Das A und O bei der körperzentrier- gibt es an einem Gefühl zu heilen? Schmerz ist einfach ten Herzensarbeit ist der bewusste Atem. Der Atem dient Schmerz, und Wut ist einfach Wut. Es ist nichts Krankes hier nicht dazu, etwas zu verändern wie bei manchen ande- oder Unheiles an einem Gefühl beziehungsweise an der Tat- ren Techniken - beispielsweise verengte Räume zu weiten, sache, dass wir Schmerz oder Wut fühlen. Nicht das Gefühl verspannte Zonen zu entspannen oder Gefühle »wegzuat- - das immer rein und unschuldig ist - wird geheilt, sondern men«. Der Atem hilft vielmehr, unsere Gefühle der Mensch wird von seinem Unheilsein befreit, das einzig und allein darin besteht, dass er sich von sich selbst abge- - aus ihren Verstecken auftauchen zu lassen; spalten hat, indem er zu einem Teil seines Wesens gesagt - lebendig zu machen, damit sie gefühlt werden können; 120 121, - zur Gänze zu erleben; 11. KAPITEL - auszuhalten, indem er uns einen Anker bietet, an dem wir unsere Bewusstheit festmachen können, sodass wir nicht auf Gefühlen davonschwimmen und uns vergessen; Wo Gefühle sich im Körper verstecken - ins Herz zu holen, indem er unsere Verbindung mit unse- rem Innersten vertieft und den Weg ins Herz - bei ent- sprechender Absicht - freilegt. Wenn wir wirklich Abstand nehmen und beobachten - und das ist außerordentlich Ferner hilft er uns, schwierig, wenn wir wütend sind -, kön-nen wir allmählich unsere Gedanken als Gedanken, das heißt als etwas Unwirkli- - alle Schichten des Wesens zusammenzuhalten - Körper, ches, sehen und erkennen, dass sie nicht Emotion, Herz und höhere Ebenen; die Wahrheit sind ... Und was bleibt dann? - sich mit der Quelle seines Wesens und Lebens, dem in- Es bleibt die unmittelbare Erfahrung der physischen Reaktion in meinem Körper, nersten Selbst, zu verbinden; der Bodensatz sozusagen. Wenn ich diesen - präsent zu bleiben. Bodensatz direkt erlebe (als Spannung, Verkrampfung), werde ich, da es im un- Deshalb ist der bewusste Atem nicht nur eine entscheiden- mittelbaren Erfahren keine Dualität gibt, allmählich in die Dimension (samadhi) de Hilfe für diese Übung, sondern auch für das ganze Leben gelangen, in der ich weiß, was zu tun und (vergleiche hierzu auch die Lehren des vietnamesischen was der nächste Schritt ist. Zen-Lehrers Thich Nhat Hanh). Charlotte Joko Beck Gefühle können sich in allen Körperteilen und Gewebe- schichten verstecken. Einige führe ich hier vorab auf, weil man bei manchen Körperzonen nicht so leicht auf die Idee kommt, dass in ihnen ein Gefühl versteckt sein kann. Zum Beispiel die Zähne: Wut ist manchmal in den Zähnen versteckt (und offenbar steckt verdrängte Wut oft hinter Zahnproblemen!). Es ist nicht leicht, darauf zu kommen; es ist eine ganz subtile Spannung, die man in den Zähnen wahrnehmen kann. Ein besonders beeindruckendes Beispiel: Inges Zähne saßen so locker, dass sie bereits wackelten und gezogen werden mussten. Ich empfahl ihr, sich mit ihrem Bewusstsein in ihre Zähne hineinzubegeben, um ihren Zu- stand von innen kennen zu lernen. Getrieben von der Angst 122 123, vor Zahnziehen und Prothesen, bat Inge ihren Zahnarzt um Rückens (zum Beispiel als Verspannung im unteren Rü- Aufschub und widmete sich ihren Zähnen per körperzen- ckenbereich, die sich anfühlt wie »den Schwanz einzie- trierter Herzensarbeit. Sie befreite die starken aggressiven hen«). Angst sitzt auch oft in den Nieren (wie man ja auch Emotionen, die sich darin festgesetzt hatten, und berichtete aus der traditionellen chinesischen Medizin weiß). Als ich mir nach wenigen Wochen, dass ihre Zähne wieder »bom- einmal sehr krank war, kam ich auf die Idee, meine Hände benfest« saßen und nicht mehr gezogen werden mussten. auf die Nieren zu legen. Im selben Augenblick brach ich in Offensichtlicher, auch allgemein bekannt, ist das Phänomen Tränen aus, und der Gedanke tauchte auf: »Gott sei Dank, des verspannten Kiefers. Die Lippen können betroffen sein dass du endlich da bist, wir wussten schon gar nicht (das Bemühen, den Mund verschlossen zu halten, weil man mehr, wie wir mit all der Angst fertig werden sollten!« Das nichts sagen kann oder will). Der Gaumen kann verspannt Symptom übrigens, das mich auf die Nieren aufmerksam sein und eine verdrängte Emotion bergen (zum Beispiel die gemacht hatte - Blut im Urin -, verschwand daraufhin so- Angst, sich nach oben hin zu öffnen, zum höheren Selbst, zu fort und blieb verschwunden. Gott oder den höheren Mächten). Auch in allen übrigen Organen können sich Gefühle fest- Wut sitzt natürlich, das liegt auf der Hand, vor allem in all gesetzt haben. Wut und Zorn habe ich bei mir selber in der jenen Teilen des Körpers, die Aggressionen ausagieren: also Leber gefunden, auch ein Gefühl von Erschöpfung und in den Händen und Armen (man möchte zuschlagen oder Überlastetsein. Eine Krebskranke entdeckte bei der konzen- auf den Tisch hauen), den Füßen und Beinen (man möchte trierten Körperwahrnehmung, dass ihre Leber »schwarz« treten); manchmal, wenn sie mit dem Gefühl von Beengt- war vor Gift; vergiftet von Emotionen (Wut, Frust, Groll, sein verbunden ist, kann sie auch in den Ellenbogen und Enttäuschung, Bitterkeit), die sie dort versteckt hatte. Nach- Oberarmen sitzen (man möchte sich Platz schaffen). Auch dem sie diesen Emotionen erlaubt hatte, in ihr Bewusstsein' in den Fingern und Fingerspitzen/Nägeln (man möchte aufzusteigen, sodass sie sie fühlen konnte, und ihnen ihr kratzen) und, wie schon erwähnt, in Zähnen und Kiefer- Herz geöffnet hatte, war die Leber in ihrer inneren Wahr- muskulatur (man möchte beißen). nehmung nicht mehr schwarz, sondern hell und durchlässig. Sehr subtil sind die Knochen. Es gibt tatsächlich Gefühle, Viele Gefühle sitzen im Solarplexus und im Bauch, man- die einem »in den Knochen sitzen«. Wenn man das bei sich che in der Brust; oftmals lagern sie auf oder über dem Her- entdeckt und dann mit seinem Bewusstsein in die Knochen zen und drücken aufs Herz oder »machen das Herz schwer«. hineingeht, findet man möglicherweise eine ganz feine, Gelegentlich kommt es vor, dass jemand ein Gefühl nicht in- leichte Spannung im Innern der Knochen. nerhalb des Körpers, sondern außerhalb entdeckt; vor der Angst ist manchmal schwer im Körper aufzuspüren, Brust beispielsweise, hinter dem Rücken oder um den Kör- wenn sie nicht massiv bemerkbar ist, dadurch beispiels- per herum lagernd. Hiermit kann ebenso umgegangen wer- weise, dass der Hals eng wird oder der Solarplexus sich den wie mit einem Zustand, den man innerhalb des physi- zusammenkrampft. Eine subtilere Erscheinungsform ist fol- schen Körpers entdeckt: Man kann sich mit Bewusstsein gende: Die ganze Körperperipherie zieht sich leicht zusam- und Atem hineinbegeben und diesen - anscheinend aus men wie ein Panzer, vor allem die Außenseite der Arme dem physischen Körper ausgelagerten - Teil seiner selbst (man versucht, etwas von sich fern zu halten) und Teile des von innen kennen lernen., Das sind nur einige Beispiele möglicher Körperverstecke. 12. KAPITEL Diese Hinweise können helfen, ein verdrängtes Gefühl auf- zuspüren, wenn man, nachdem man seine Aufmerksamkeit auf den Körper gerichtet hat, nichts Besonderes entdeckt. Der Sinn der Der Ansatz liegt ja bei dieser Methode nicht darin, dass man körperzentrierten Herzensarbeit von einem bereits definierten Gefühl ausgeht (»Ich möchte jetzt meine verdrängte Angst finden«) und dann nachsieht, aus höherer Sicht wo es sich im Körper versteckt hat; sondern man vergegen- wärtigt sich einfach das auslösende Ereignis oder die Per- son, mit der man Probleme hat, und richtet dann seine Auf- Ein Wanderer bist du. Nicht Welten merksamkeit auf den Körper, um festzustellen, wie er auf durchwanderst du, nicht Wege auf die-sem Planeten, auch nicht verschiedene das Problem reagiert. Indem man die reagierenden Zonen Leben; Landschaften deiner Seele sind von innen kennen lernt, findet man die Emotion(en), um die es, die du durchwanderst. Deine Seele es geht. Auf diesem Wege gelangt man direkt zu seiner in- ist ein Universum; geheimnisvoll und neren Wahrheit - und nicht auf dem Umweg über den Ver- sich selber unbekannt. Deine Seele durchwandert sich selbst, und während stand, der in Gefühlsangelegenheiten meist ein Abweg ist. sie sich erlebt und erforscht, offenbart sie sich; und während sie sich offenbart, verwirklicht sie sich; und während sie sich verwirklicht, erweckt sie sich. Das ist die Reise deines Lebens. Safi Nidiaye (aus: Die Stimme des Herzens) Zum Abschluss des allgemeinen Teils dieses Buches schalte ich auf »Empfang«, um aus höheren Ebenen des Bewusstseins einen Kommentar zum Sinn der körperzentrierten Herzensarbeit aus einer ganz anderen, spirituellen Perspektive zu erhalten. Es folgt der auf diese Weise »kanalisierte« Text. Aus höherer Sicht betrachtet, ist das, was hier »körperzen- trierte Herzensarbeit« genannt wird, etwas höchst Notwen- diges. Es ist Sinn und Zweck der Seele, sich selbst zu er- forschen und kennen zu lernen; der ganze Zweck der Schöpfung besteht darin, dass die Seele, das innerste Wesen des Ganzen, sich selbst erfährt und kennen lernt. Ohne die- 126 127, ses Erfahren und Kennenlernen ist sie sich selbst ein Ge- Öffne dein Herz, so weit du kannst, öffne es allem, was dir heimnis; potenziell allwissend, alles seiend, alle Möglich- begegnet, und du wächst in Freude, Liebe und Ekstase. Lan- keiten enthaltend, doch ohne Spiegel, in dem ihre Schönheit geweile, Depression, Verbitterung und Verärgerung wei- reflektiert und für sie sichtbar werden könnte. chen der Freude des erfüllten Daseins. Das ganze Leben des Menschen, die Verkörperung selbst Nichts tut mehr Not als Bewusstheit. Es bedarf nicht der dient diesem Zweck, und alles, was der Mensch unter- Anstrengung, um die Schätze zutage zu fördern, die deine nimmt, um sich selber kennen zu lernen und den Geheim- Seele und dein Schicksal für dich bereithalten, es bedarf nissen seines inneren Wesens auf den Grund zu kommen, er- nicht der Arbeit, nicht der Mühe, nicht des Erfindungs- füllt die Sehnsucht der Seele danach, sich selber zu erfahren. reichtums deiner Fantasie und nicht der Bildung deines Ver- Der Mensch, der ohne Selbst-Bewusstheit in diesem Sinne stands; es bedarf nur der Bewusstheit. Denn alles, was du lebt, dient zwar der Seele auch, indem er ihre Sehnsucht brauchst, und alles, was du werden kannst, ist schon vor- nach Entfaltung dieser oder jener Eigenschaft in die sicht- handen in dir. Lenke nur deine Bewusstheit auf das, was ist, bare und tastbare Welt hinein durch sein Leben erfüllt; je- und das, was werden will, kann werden. doch fehlt das Bindeglied der Bewusstheit, jener Strohhalm, aus dem die Seele den Nektar der Erfüllung trinken kann. Zwar atmet sie die Essenz jeglicher Lebenserfahrung ein wie einen Duft, doch fehlt ihr die Erfüllung durch bewuss- tes Erleben. So dient der Mensch, der sich der Zustände seines Kör- pers, seiner Psyche, seines Herzens bewusst ist, den Bestre- bungen der Seele. Sein ständiges Bemühen, Unwahres, Ver- fälschtes, Verdrehtes Schicht um Schicht abzutragen, um zur schlichten Wahrheit seines Herzens durchzudringen, ebnet den Weg, auf dem die Seele Einzug halten kann in sein Denken, Fühlen und Erleben. Erlebe, was du erlebst, erlebe es ganz und von innen - nicht mit einem Fuß in der Scheinrealität der Welt deiner Gedanken und Hoffnungen -, erlebe es als Zuschauer, je- doch als Zuschauer, der nicht nur mit den Augen zuschaut, sondern mit seinem ganzen Wesen. So lebst du Fülle und findest Erfüllung. Fühle, was du fühlst, fühle es ganz und rückhaltlos, ohne abzuwehren und auszuweichen, und du findest Glück noch mitten im tiefsten Unglück: das Glück, ganz zu leben, erfüllt bis an den Rand.,

TEIL II Die Technik

der körperzentrierten

Herzensarbeit

Der Schlüssel liegt darin, einfach bereit zu bleiben, unsere Aufmerksamkeit voll auf das zu richten, was gerade geschieht. Angst, Wut, Frustration und Hilflosigkeit bieten völlig geeignete Räume, von denen aus die Bewegung zu gesteigerter Energie eingeleitet werden kann. Und in der Tat kann jeder Augenblick, ganz gleich, wie er erscheint, zum Tor zu größerer Leben- digkeit werden. Alles hängt von unserer Achtsamkeit ab. Richard Moss, 1. KAPITEL

Vorbereitende, begleitende und

ergänzende Übungen Bevor ich die Technik der körperzentrierten Herzensarbeit schildere und anhand von Beispielen erkläre, möchte ich einige Übungen vorstellen, die zur Vorbereitung nützlich sind, aber auch nach Erlernen und Anwenden der Methode der körperzentrierten Herzensarbeit oder unabhängig von ihr praktiziert werden können. Atembeobachtung Setzen Sie sich jeden Tag für eine vorher festgesetzte Zeit- spanne hin und tun Sie nichts weiter, als Ihren Atem wahr- zunehmen. Nehmen Sie jeden einzelnen Atemzug wahr, jedes Ausatmen und jedes Einatmen. Zählen Sie die Atem- züge nicht, nehmen Sie sie nur wahr. Heften Sie Ihre Auf- merksamkeit an den Atem. Falls Ihnen das anstrengend er- scheint, denken Sie sich das nicht als Disziplinübung oder als Arbeit, sondern als Erholung vom Tun und vom Denken. Ihr Bewusstsein darf sich endlich einmal ausruhen; es ruht auf dem, was immer da ist: dem Atem. Sie können sich darauf konzentrieren, Ihren Atem in einer bestimmten Körperregion wahrzunehmen, beispielsweise im Bauch. Nehmen Sie wahr, wie sich beim Einatmen die Bauchdecke hebt und wie sie sich beim Ausatmen senkt. Üben Sie das täglich. Falls Sie an die tägliche Praxis von Meditation, Kontemplation oder Gebet gewöhnt sind, leiten Sie diese jeweils mit einigen Minuten Atembeobachtung ein. Sie können sich auch zur Gewohnheit machen (wie Thich Nhat Hanh es lehrt und praktiziert), bestimmte akustische, Signale zu nutzen, um einige Atemzüge lang bewusst zu Auch gibt es kraftvolle Gebete, die von großen Meistern atmen (zum Beispiel das Erklingen von Glocken oder das oder Heiligen formuliert wurden und die das Herz berüh- Läuten des Telefons). ren und öffnen können. Techniken, die helfen, das Herz zu öffnenMITDEM HERZEN ZUHÖREN Sein Herz zu öffnen ist eine Frage der Bereitschaft. Man Jemandem sein Herz zu öffnen bedeutet, bereit zu sein, zu kann es nicht eigentlich tun; es geschieht, und zwar sobald verstehen, was diesen Menschen bewegt, indem man fühlt, man dazu bereit ist. Es gibt jedoch Möglichkeiten, dies an- was dieser Mensch fühlt. Hierzu verhilft einerseits natürlich zuregen. Drei davon stelle ich hier vor: der aufrichtige Wunsch, zum anderen eine simple Technik. Üben Sie, mit dem Herzen zuzuhören. Nehmen Sie das als Metapher, die Sie unmittelbar verstehen werden, ohne dass SICH JEMANDEN VERGEGENWÄRTIGEN, man es erklären müsste, aber nehmen Sie es auch als Tech- BEI DEM EINEM DAS HERZ AUFGEHT nik: Konzentrieren Sie sich auf Ihr Herzzentrum, während Bestimmt kennen Sie Menschen (oder auch andere Lebewe- Sie zuhören, und stellen Sie sich vor, Ihre Ohren säßen statt sen), die Ihr Herz besonders berühren: »Das Herz geht am Kopf am Herzen, sodass Sie die Schallwellen der Stim- einem auf«, wenn man an sie denkt. Vergegenwärtigen Sie me Ihres Gegenübers primär mit dem Herzen und nicht mit sich ein solches Wesen. Fühlen Sie Ihr Herz (energetisches dem Kopf empfangen. Das ist vielleicht nur eine schöne Zentrum in der Mitte der Brust), während Sie sich dieses Vorstellung, aber erstaunlicherweise hilft es enorm. Sie wer- Wesen vorstellen. Nehmen Sie wahr, wie die Gegenwart den feststellen, dass Sie, wenn Sie auf diese Weise lauschen, dieses Wesens auf Ihr Herz wirkt. andere Dinge hören, als wenn Sie mit dem Kopf lauschen. Sie werden eher das hören, was Ihr Gegenüber eigentlich sagen möchte, das, was ihn im Herzen bewegt, und weniger BETEN das, was er ausdrückt. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Herz in einer gegebe- Hierzu gehört natürlich als Ergänzung die Übung »Aus nen Situation einem bestimmten Menschen gegenüber oder dem Herzen heraus sprechen«. Das heißt, im Herzen prä- überhaupt verschlossen ist, und sich danach sehnen, es öff- sent zu sein, während man spricht, und das, was man auf nen zu können, beten Sie einfach darum, dass das geschieht. dem Herzen hat, ehrlich und einfach auszudrücken - und Durch dieses Gebet erklären und aktivieren Sie Ihre Bereit- zwar in einer Form, die der Wahrheit entspricht. »Du hast schaft, und das ist alles, was nötig ist, damit das Herz sich mich verletzt mit dem, was du gesagt hast«, ist nicht die wieder öffnen kann. Wahrheit, sondern »Ich fühle mich von dem, was du gesagt Sehr stark wirkt es auch auf das Herz, für andere zu beten. hast, verletzt«. Man drückt einfach aus, was man fühlt, an- Denken Sie an einen Menschen, der Hilfe braucht, und statt den anderen zu beurteilen oder anzuschuldigen. beten Sie für ihn; beten Sie für die Menschen, die Sie gern Beides zusammen ergibt die Technik des »Herzensge- haben, und für die Menschen, die Sie nicht gern haben. sprächs«. 134 135, DASHERZENSGESPRÄCH jeder, der ernsthaft diesen Ort betritt, hier in seinem Sosein angenommen, respektiert und aufgehoben ist und dass sein Dies ist eine überaus wichtige Übung. Hierzu gehören zwei Geheimnis geschützt bleibt. (oder mehrere), die bereit sind, dies miteinander zu üben. A erzählt also, wobei er übt, immer wieder in sein Herz Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Personen handelt, hineinzuspüren und das auszusprechen, was ihn tatsäch- die miteinander in ein Problem oder einen Streitfall ver- lich bewegt, und in der Gegenwart zu bleiben (»Ich fühle ... wickelt sind, oder um Menschen, die keine Probleme mit- ich fürchte ... ich bin ... es ist viel Angst da ... Ich wünsche einander haben, aber einfach üben möchten. mir ... da ist Sehnsucht nach ...«). Wenn A allzu sehr abglei- Man setzt sich einander gegenüber, wobei man einen Ab- tet von der einfachen und direkten Wahrheit seines Herzens stand wählt, der so groß ist, dass man einander nicht be- und stattdessen anfängt, zu überlegen, zu spekulieren, zu engt, und so gering, dass man die Atmosphäre des Gegen- analysieren, zu vergleichen etc. (also »in den Kopf rutscht«), übers noch fühlen kann. Man legt eine Sprechzeit pro Person darf - und soll - B »Stopp« sagen. Dieses »Stopp« bedeutet fest. Jeder darf beispielsweise 10 oder 15 Minuten lang spre- für A, einen Augenblick innezuhalten, sich erneut im Her- chen. Man einigt sich, wer anfängt. Beide sammeln sich zen zu sammeln und zu versuchen, direkt auszudrücken, einen Augenblick und zentrieren sich im Herzen. Wenn was er auf dem Herzen hat, anstatt sich in Überlegungen zu Partner A bereit ist, beginnt er zu sprechen. Er erzählt, was ergehen. Das »Stopp« soll auf keinen Fall diskutiert werden; er auf dem Herzen hat, was ihm Sorgen oder Probleme be- wenn A meint, B habe keinen Grund gehabt, »Stopp« zu reitet oder ihn besonders beschäftigt. Partner B hört nur zu, sagen, soll er das »Stopp« dennoch als Anregung annehmen und zwar mit dem Herzen, wie weiter oben geschildert. Ein zu prüfen, ob er noch im Herzen zentriert ist. Nach Ablauf Zwiegespräch ist während der Übung nicht erlaubt, da es der Redezeit bleiben die Übungspartner noch einen Augen- darum geht, dass B alles, was A bewegt, mit offenem Her- blick still sitzen, bedanken sich beieinander (am besten zen aufnimmt, anstatt es durch eigene Argumente oder An- durch Verneigung) und tauschen die Rollen. sichten infrage zu stellen oder abzuwehren. Vor allem geht Aus den bereits geschilderten Gründen soll das, was wäh- es bei der Übung um den Part des Zuhörens. Nur wenn wir rend der Übung ausgesprochen wurde, später auf keinen mit dem Herzen zuhören, ohne das Gehörte zu kommentie- Fall diskutiert werden. Erlaubt und in manchen Fällen hilf- ren, lernen wir etwas über das, was im Innern unseres Part- reich hingegen ist Feedback. Die Person, die zugehört hat, ners vor sich geht, lernen wir die Wahrheit aus einer ande- kann der Person, die erzählt hat, sagen: »Als du von ... ge- ren Perspektive als unserer eigenen kennen und erweitern sprochen hast, habe ich Herzklopfen bekommen, und als damit uns selbst. Ein Zwiegespräch über das, was während du ... sagtest, ist es mir im Hals ganz eng geworden.« Das der Übung geäußert wurde, ist auch nachher nicht erlaubt, ist Feedback. Hingegen kann es sich störend auswirken, um den Effekt nicht dadurch wieder zunichte zu machen, wenn die Person, die zugehört hat, derjenigen, die gespro- dass man die Sache zerredet und auf diese Weise den heili- chen hat, mitteilt, welche inneren Bilder in ihrem Geist auf- gen Rahmen, den das Herzensgespräch darstellt, zerstört. getaucht sind. Einmal abgesehen davon, dass die Beschäfti- In ein Herzensgespräch einzutreten, ist so ähnlich, wie in gung mit inneren Bildern, die auftauchen, während man eine Kirche oder einen Tempel einzutreten: Man weiß, dass einem anderen Menschen zuhört, davon zeugt, dass man 136 137, nicht oder nicht ganz mit dem Herzen zugehört hat, können Selbstverständlich muss man, wenn man dem Sinn der die inneren Bilder eines anderen unseren direkten Zugang Übung nicht direkt entgegenwirken will, auch von Analy- zu unserer eigenen inneren Wahrheit stören. Seminarteil- sen und Bewertungen des Ausgetauschten oder gar Rat- nehmer berichteten mir manchmal nach Partnerübungen, schlägen Abstand nehmen. Wenn wir jemandem mit offe- dass sie verstört waren und etwas von der inneren Klarheit, nem Herzen zuhören, so bedeutet das auch, dass wir ihn in die das Herzensgespräch ihnen gebracht hatte, wieder ein- seiner Eigenart, Eigenständigkeit und Ganzheit achten und gebüßt hatten, weil ihr Partner im Feedbackteil der Übung lernen, wie es ist, dieser andere zu sein. Wir lernen auch sie mit Bildern und Eindrücken überschüttete, die beim davon, wie dieser andere Mensch seine Intelligenz und Zuhören in seinem eigenen Geist aufgetaucht waren und Kreativität anwendet, um mit seinen Problemen umzuge- die er in durchaus guter Absicht mitteilte, da er sie für wich- hen und sein Leben zu gestalten. Beide Hinweise - Vorsicht tige Informationen hielt. Vielleicht waren es wichtige Infor- beim Mitteilen innerer Bilder und Vorsicht beim Diskutie- mationen, aber dann waren sie für ihn selber bestimmt (das ren der Inhalte - gelten übrigens auch für die körperzen- ist nur dann nicht der Fall, wenn unser Gegenüber uns aus- trierte Herzensarbeit, wenn sie mit einem Partner durchge- drücklich um Rat oder Unterstützung gebeten hat und wir führt wird. daraufhin innere Bilder gesehen haben). Im Rahmen des Mit dem Herzen zuhören ist ein aktives Zuhören, das auf Herzensgesprächs ist es nicht sinnvoll, sich mit inneren Bil- die Person, der man zuhört, starke Wirkung hat, wenn es dern zu beschäftigen. Es weist auch darauf hin, dass man aufrichtig ist. Martin Buber, der weise Philosoph des 20. nicht wirklich mit dem Herzen zugehört hat - oder jeden- Jahrhunderts, war berühmt für seine Fähigkeit, aktiv zu- falls nicht ganz. In dieser Übung ist der Part des Zuhörers zuhören. Buber pflegte seine Zeit für Gespräche sehr knapp der wichtigere; hauptsächlich geht es hier darum, sein In- zu halten. Vladimir Lindenberg, ein berühmter Arzt, der teresse und sein Mitgefühl für andere zu schärfen und einst zu einem Gespräch bei ihm eingeladen war, berichte- genau und mit ganzem Herzen zuzuhören. Der Erzählende te, dass er die 15 Minuten, die Buber ihm freigehalten hatte, hilft dem Zuhörenden zu lernen, mit dem Herzen zuzuhö- nicht ganz in Anspruch nehmen konnte. Er musste das Ge- ren. Wenn Bilder beim Zuhören in uns auftauchen, lassen spräch früher abbrechen, weil, wie er sagte, Buber so inten- wir sie unseren Geist passieren, ohne sie wichtig zu neh- siv zuhörte, dass Lindenberg es nicht aushielt. men. Es ist etwas anderes, wenn die Übung darin besteht, Man öffnet sein Herz mit der unbedingten Bereitschaft, einander mitzuteilen, welche inneren Bilder man zu einem allem, was der andere erzählt, Achtung, Interesse und Mit- bestimmten Thema bekommt. Aber darum geht es hier gefühl entgegenzubringen und allem, was da kommen nicht. Hier geht es, ebenso wie in der Meditation, darum, mag, Raum zu gewähren. Das Interesse des Zuhörers ist sich der Wahrheit zu öffnen und in seinem Üben so klar und nicht das übliche persönliche Interesse - auch nicht, wenn nüchtern wie möglich zu bleiben. Swami Hariharananda es sich bei den Übungspartnern um Menschen handelt, die Giri, der indische Nachfolger von Yogananda, sagte, als je- in einer engen persönlichen Beziehung zueinander stehen; mand zu ihm kam und begeistert von den Visionen von es ist aufrichtiges Interesse an dem, was den anderen be- Licht- und Engelwelten erzählte, die er während der Me- wegt, das aber frei ist von persönlichen Aspekten (zum Bei- ditation hatte: »Vergiss es. Meditiere weiter.« spiel das Gehörte einordnen zu wollen in das, was man von 138 139, der anderen Person bereits weiß - ihre »persönliche Ge- Auf Gefühle achten schichte« -, oder es mit eigenen Erfahrungen zu vergleichen Üben Sie, Ihren Emotionen Aufmerksamkeit zu schenken. oder es überhaupt in seinen persönlichen Erfahrungsschatz Achten Sie, vor allem während Sie mit anderen Menschen einzugliedern). Es ist ein unpersönliches Interesse, von Res- reden oder interagieren, darauf, wie Sie sich fühlen. Wenn pekt getragen und ohne jedes Bedürfnis, sich einmischen zu Sie über ein Problem nachdenken, achten Sie auf die Emo- wollen. tionen, die Sie dabei bewegen. Lernen Sie, Ihre Gefühle be- Diese Art des Zuhörens kann Wunder wirken bei der Per- wusst wahrzunehmen (anstatt sich mit ihnen zu identifizie- son, der wir auf diese Weise zuhören. Ihr wird es im Verlauf ren oder sie zu verdrängen). Hören Sie sich selber mit dem des Gesprächs, wenn wir ernsthaft mit dem Herzen zuhö- Herzen zu, während Sie mit einem anderen Menschen ren, immer leichter fallen, mit ihrem eigenen Herzen in Füh- reden. Welche Gefühle verbergen sich hinter Ihren Worten? lung zu kommen und herauszufinden, was eigentlich der Kern ihres Problems ist. Im Allgemeinen findet sie bei dem von aktivem Zuhören unterstützten Sprechen von selbst zu ihren eigenen Lösungen. Die Körperwahrnehmung trainieren Widmen Sie täglich einige Minuten - als gesonderte Sitzung - der Körperwahrnehmung. Lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit durch Ihren Körper wandern. Dabei geht es nicht darum zu benennen, auf welche Empfindungen, Verspannungen, Schmerzen, Symptome Sie dabei stoßen, sondern diese zu spüren und bewusst zu erleben. Schenken Sie Ihrem Körper die Zuwendung ganzer Aufmerksamkeit und die heilende und belebende Wirkung Ihrer Präsenz (die wenigsten von uns sind je in ihrem Körper völlig präsent, da wir meist in Gedanken sind - bei anderen Dingen und Menschen) und erhöhen Sie Ihre Bewusstheit auf diese Weise. Nehmen Sie sich auch mitten im täglichen Leben immer mal wieder für einen Augenblick Zeit, um ganz bewusst und aufmerksam in Ihrem Körper anwesend zu sein. Üben Sie das auch in Situationen, in denen Sie mit anderen Men- schen in Interaktion stehen. Wie fühlen Sie sich dabei in Ihrem Körper? Achten Sie darauf, was in Ihrem Körper ge- schieht, während Sie mit anderen Menschen sprechen. 140 141, 2. KAPITEL 3. KAPITEL

Anwendungsmöglichkeiten Die Technik

der körperzentrierten der körperzentrierten

Herzensarbeit Herzensarbeit

Ausführlich gehe ich auf die Anwendungsmöglichkeiten Problemorientierte Anwendung der körperzentrierten Herzensarbeit am Ende des Technik- teils ein. Einige Beispiele seien jedoch vorweg genannt, Körperzentrierte Herzensarbeit zur Bewältigung eines be- damit die nachfolgenden technischen Erläuterungen besser stimmten Problems lässt sich allein, zu dritt oder zu zweit verständlich sind. Körperzentrierte Herzensarbeit kann ge- durchführen. Ich empfehle, zunächst allein zu üben; als zielt problemorientiert eingesetzt werden Nächstes - wenn Sie zwei Freunde oder Bekannte haben, die bereit sind, mit Ihnen zu üben, zu dritt; und dann erst, - bei, beziehungsweise nach allen Situationen und Ereig- sozusagen als fortgeschrittenste Stufe, zu zweit. Der Grund nissen, die in Ihnen eine emotionale Reaktion hervorgeru- für diese Reihenfolge: Wenn Sie mit einem Partner üben, fen haben oder in denen Sie in ein altbekanntes Verhal- müssen Sie in der Lage sein, Ihren Partner korrekt anzulei- tensmuster gerutscht sind; ten. Das ist eine sehr delikate und schwierige Angelegen- - in allen Lebenssituationen, die Sie als problematisch oder heit, die Erfahrung und Einfühlungsvermögen erfordert. schwierig empfinden; Erst wenn Sie die Übung etliche Male mit Erfolg allein - bei allen Verstimmungen, Unstimmigkeiten und Konflik- durchgeführt haben, werden Sie in der Lage sein, einen an- ten; deren Menschen durch die Übung zu führen. Deshalb emp- - bei Entscheidungsschwierigkeiten; fehle ich dringend, zuerst allein zu üben, und zwar oft, - in Krisensituationen; bevor Sie, wenn überhaupt, mit einem Partner üben. Die - bei körperlichen Störungen und Symptomen; Partnerübung wiederum sollte anfangs, wenn irgend mög- - zur täglichen Rekapitulation von Ereignissen, Begegnun- lich, zu dritt durchgeführt werden. Der Anleitende kann in gen und Situationen; schwierige Situationen kommen, wenn er nicht über genü- - als Übung mitten im täglichen Leben; gend Erfahrung verfügt, und hier kann eine dritte Person - als Weg, das heißt als ständige Disziplin. als »Wächter« sehr hilfreich sein. Darauf gehe ich an ent- sprechender Stelle näher ein. Erst wenn Sie genügend Er- Auf die drei letztgenannten Punkte gehe ich später geson- fahrung mit dem Üben allein und zu dritt haben, sollten Sie dert ein. sich an die Zweierübung heranwagen. Schließlich werden Sie wahrscheinlich abwechselnd allein 142 143, und zu zweit üben. Beides hat Vorteile: Wenn man allein unwichtiger halten als die anderen Probleme. Man kann übt, kann man im Allgemeinen tiefer in das Thema einstei- immer nur mit dem arbeiten, was im Vordergrund steht; gen und sich mehr Zeit nehmen, ohne befürchten zu müs- und dass es im Vordergrund steht, ist kein Zufall, wie man sen, die Geduld eines Gegenübers zu strapazieren. Das Er- feststellen wird, wenn man etwas, was man für eine Klei- leben ist tiefer und intimer. Andererseits kommt es vor, dass nigkeit hielt, zum Anlass für die Übung nimmt und dann man die Unterstützung eines Partners braucht, um über- feststellt, dass sich etwas Großes dahinter verbirgt. haupt bestimmte Themen zu bearbeiten; manches taucht vielleicht nur auf, wenn ein anderer Mensch da ist, der uns mit Geduld, Liebe, Respekt und Beharrlichkeit zwingt, Den Einstieg finden »am Ball zu bleiben«, wo wir allein vielleicht längst auf- Beschreiben Sie sich selbst Ihr Problem in möglichst kurz gegeben hätten. Allerdings rate ich ausdrücklich davon zusammengefasster Form. Lassen Sie dann in Ihrem Geist ab, ausschließlich mit einem Partner zu üben. Es ist sehr eine Situation auftauchen, in der das Problem sich manifes- verlockend, jedes Mal, wenn man ein Problem hat, seinen tiert hat. Emotionale Probleme manifestieren sich immer in Übungspartner anzurufen und eine Sitzung zu vereinbaren; gegebenen Situationen. Wenn Ihr Problem darin besteht, aber es macht abhängig. Der Zweck dieser Technik ist es ja dass Sie nicht wissen, ob das Universum aus Teilchen oder gerade, die Intimität mit uns selber, mit unserem innersten aus Wellen zusammengesetzt ist oder ob Rot oder Schwarz Wesen und unserer innersten Wahrheit zu finden und zu in der Politik Recht hat, dann handelt es sich dabei nicht um vertiefen; deshalb empfehle ich, sich regelmäßig - oder zu- ein Problem, das Sie auf dem Herzen haben, sondern um mindest immer dann, wenn ein Problem auftaucht - allein eines, das in Ihrem Kopf existiert. Nehmen Sie für die hinzusetzen und körperzentrierte Herzensarbeit zu üben. Übung nur etwas, das Sie auf dem Herzen haben. Wenn Sie Wenn Sie einen Partner haben, mit dem Sie gern üben, kön- sich ständig über ein bestimmtes Verhalten Ihres Partners nen Sie vielleicht, unabhängig von Ihrer Soloübung, einen ärgern; wenn Sie nicht wissen, wie Sie damit umgehen sol- regelmäßigen gemeinsamen Termin vereinbaren. len, dass Ihr Chef Sie abkanzelt, Ihr Kollege zudringlich wird oder Ihre Freundin Sie immer warten lässt; wenn Sie unglücklich sind, weil Ihr Mann, Ihre Frau, Ihre Kinder Sie ALLEIN ÜBEN verlassen; wenn Sie Angst haben, Ihre Miete nicht bezahlen Wir gehen also davon aus, dass Sie sich deshalb zum Üben zu können; wenn Ihre ewig gleiche Reaktionsweise Ihnen hinsetzen, weil Sie ein Problem haben.* Falls Ihnen mehrere auf die Nerven geht; wenn Ihnen überhaupt etwas auf die Probleme zu schaffen machen, so wählen Sie bitte dasjenige Nerven geht, Sie irritiert, Sie wütend oder traurig macht; aus, das Ihnen am meisten unter den Nägeln brennt - egal, wenn Sie leiden, weil andere unglücklich sind; wenn Sie ob Sie es bei vernünftiger Erwägung für wichtiger oder für nicht in der Lage sind, die Nachrichten aus den Medien zu verkraften; wenn Sie nicht verstehen, was in einer bestimm- ten Beziehung vor sich geht, die in Ihrem Leben viel Platz * Ich empfehle übrigens, wenn möglich im Sitzen zu üben und nicht im einnimmt; wenn Sie sich vergeblich nach einem Partner, Liegen. Die Übung braucht konzentrierte Wachheit, die Ihnen im Lie- gen leicht abhanden kommen könnte. einem Freund, einem Job, einem Urlaub, einer neuen Woh- 144 145, nung oder nach mehr Geld sehnen; wenn Menschen schroff bei (und von nun an während der gesamten Übung) Ihres und ablehnend auf Sie reagieren; wenn Sie merken, dass Ihr Atems bewusst. Lachen verkrampft ist; wenn Sie unfähig sind, sich zu ent- Konzentrieren Sie sowohl Ihre Aufmerksamkeit als auch spannen, zu genießen; wenn Sie leiden, weil Ihr Partner bru- Ihren Atem in der betreffenden Stelle Ihres Körpers, um tal oder rücksichtslos ist, weil Ihre Kinder sich gleichgültig Ihren Zustand gründlich von innen zu erleben und zu wür- verhalten oder Ihre Eltern Ihnen nie zuhören - dann eignet digen. Trachten Sie auf keinen Fall danach, ihn zu verän- sich Ihre Situation zum Üben, so wie jedes wirkliche Lebens- dern, zu verbessern oder zu entspannen! Das mag für einen problem, sei es winzig oder übergroß. Augenblick funktionieren, aber im nächsten Moment oder Vergegenwärtigen Sie sich eine Situation, in der Ihr Problem beim nächsten entsprechenden Gedanken oder Vorfall sich manifestiert hat. Sehen Sie die Situation möglichst taucht dieselbe Verspannung, derselbe Schmerz wieder auf. deutlich und konkret vor sich. Wenn Sie kein optisches Er- Hier geht es darum, das, was ist, kennen zu lernen, zu wür- innerungsbild bekommen, dann lassen Sie irgendeinen Ein- digen und anzunehmen. Heilung und Veränderung ge- druck in Ihrem Geist auftauchen, der die Erinnerung in schieht genau dadurch, und zwar ganz von selbst. Ihnen lebendig macht. Stoppen Sie den Eririnerungsfilm an Sie bleiben also in der betreffenden Körperregion anwe- dem kritischen Punkt - dem Moment, als die Sache für Sie send, atmen bewusst und nehmen bewusst wahr, was dort problematisch wurde. geschieht und wie es sich von innen anfühlt. Sie erleben die Realität Ihres Problems unmittelbar als körperlichen Zu- stand. Lernen Sie Ihr Problem als Körperzustand kennen Betrifft die Körperreaktion mehrere Regionen des Kör- Lenken Sie Ihr Bewusstsein in Ihren Körper und nehmen Sie pers, so können Sie, je nach Eingebung, wahr, wie er auf das Problem reagiert. Nehmen Sie sich Zeit - entweder die »Verspannungsgestalt« als Ganzes wahr- dafür. Wandern Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit durch den nehmen Körper. Wo zieht sich etwas zusammen, verkrampft sich, - oder die verschiedenen Regionen nacheinander erforschen. spannt sich an, wird hart, tut weh? Wo wird etwas schlaff, schwach, schwer, zieht nach unten? Wo drückt etwas, wo Beispiel: Während Sie sich Ihr Problem vergegenwärtigen, spüren Sie Last oder Bedrückung? Wie ist der Gesamtzu- wird Ihr Rücken hart, Sie runzeln die Stirn, die Lippen pres- stand des Körpers, wenn Sie an Ihr Problem denken? sen sich zusammen und die Fäuste ballen sich. Nachdem Zieht eine bestimmte Körperregion, eine bestimmte Ver- Sie das festgestellt haben, können Sie versuchen, Ihr Be- spannung oder ein bestimmter Schmerz nun Ihre Aufmerk- wusstsein in Rücken, Stirn, Mund und Fäusten gleichzeitig samkeit auf sich, dann gehen Sie mit Ihrem Bewusstsein in zu konzentrieren, und mit Ihrer Aufmerksamkeit in diese diese Körperregion, diese Verspannung oder diesen Schmerz Gesamtverspannung hineingehen (während Sie bewusst hinein. Lernen Sie sie von innen kennen. Denken Sie nicht, atmen). Halten Sie diesen Zustand aus; nehmen Sie ihn dass das schwierig sei; es ist ja ein Teil Ihrer selbst, den es wahr, wie er ist, mit all Ihrer Aufmerksamkeit; würdigen Sie kennen zu lernen gilt, und in jeden Teil Ihrer selbst können ihn. Und atmen Sie dabei bewusst. Sie mit Ihrem Bewusstsein hineingehen. Seien Sie sich da- Möglicherweise haben Sie aber das Gefühl, dass die 146 147, Hauptverspannung oder der Schmerz, der im Vordergrund fühlen, sondern es zu fühlen. Dabei kann der Atem Ihnen steht, sich im Rücken befindet; in diesem Fall gehen Sie mit helfen. Ihrer Aufmerksamkeit in Ihren Rücken hinein. Erleben Sie Überlegen Sie nicht, wie Sie sich fühlen könnten; nehmen diesen verspannten Rücken von innen, während Sie sich Sie einfach wahr, wie Sie sich fühlen, wenn Sie sich in der Ihres Atems bewusst sind. betreffenden Zone Ihres Körpers befinden. Es ist sehr ein- Lassen Sie sich von Ihrer Beobachtung leiten. Vielleicht fach. Manchmal hilft es, sich die Frage »Wie fühle ich mich tritt als Erstes Ihr Rücken in den Vordergrund Ihrer Wahr- eigentlich hier drinnen?« spontan, ohne nachzudenken, laut nehmung, gleich anschließend aber die Fäuste. Folgen Sie zu beantworten. »Hilflos.« - »Eingeengt.« - »Einsam.« - dem, was Sie wahrnehmen; konzentrieren Sie Ihre Wahr- »Traurig, dunkel.« - »Trübe.« - »Wie tot, tot gestellt.« - nehmung nun in den Fäusten. »Wütend«. Manchmal tauchen auch Bilder auf: »Wie ein Seien Sie dort, wo das Problem sich in Ihrem Körper ma- Kind, das in der Ecke steht, mit dem Gesicht zur Wand, die nifestiert, vollkommen präsent und atmen Sie bewusst. Arme verschränkt.« Fragen Sie sich dann: »Und wie fühlt sich dieses Kind?« In diesem Schritt geht es darum, Nun haben Sie das Gefühl aufgespürt, das sich in der - festzustellen, wie Ihr Körper auf das Problem reagiert; Körperregion, die auf das Problem reagiert hat, versteckt - mit Bewusstsein und Atem in die betroffenen Zonen hatte. Es ist das Gefühl (oder eines der Gefühle, wenn noch hineinzugehen; weitere zutage treten), um das es bei Ihrem Problem geht. - den Zustand dieser Zonen von innen kennen zu lernen; Dieses Gefühl gilt es nun kennen zu lernen und zu würdi- - mit anderen Worten, Ihr Problem als Körperzustand zu gen, indem man es ganz auftauchen lässt und es bewusst er- erleben. lebt. Schenken Sie diesem Gefühl all Ihre Aufmerksamkeit und atmen Sie bewusst. Erleben Sie, wie es ist, sich so zu fühlen. Die Emotion aufspüren und kennen lernen Versuchen Sie auf keinen Fall, es zu verändern, wegzutrö- Wenn Sie den Zustand Ihres Körpers in der betroffenen Re- sten oder sonst wie zu beeinflussen; das würde nur dazu gion gründlich kennen gelernt, erlebt und gewürdigt haben führen, dass es - weil es wieder nicht angenommen wird - - bewusst atmend -, kommt der nächste Schritt. Fragen Sie erneut untertaucht. Lassen Sie es da sein, so wie es ist. Wür- sich: Wie fühle ich mich im Innern dieses verspannten digen Sie es. Es hat einen Grund und ein Recht, da zu sein. Rückens, dieser geballten Faust, dieser zusammengebisse- Es ist Ihr eigener Gemütszustand. Er verdient Beachtung. nen Zähne? Untersuchen Sie diese Frage nicht mit dem Ver- Auf dieser Stufe ist es wichtig, sich immer wieder an stand, sondern stellen Sie sich einfach die Frage, während Wahrnehmen und Atmen zu erinnern. Andernfalls ge- Sie weiterhin mit Bewusstsein und Atem in der betreffen- schieht es leicht, dass man die Bewusstheit verliert und sich, den Körperregion konzentriert bleiben. Wenn Ihnen alles wie im Allgemeinen üblich, von seinen Gefühlen und den vage, diffus, schwer fassbar erscheint, können Sie an dieser damit verbundenen Gedanken davontragen lässt. Viele Stelle Ihren Atem intensivieren. Atmen Sie etwas tiefer und Menschen, vor allem Frauen, brechen beim Auftauchen heftiger. Es ist nicht so wichtig, zu benennen, was Sie ihrer Gefühle in Tränen aus und geraten in ein nicht enden 148 149, wollendes Schluchzen. Das bringt uns nicht weiter. Es ist so erinnern Sie sich einfach: wahrnehmen und atmen. Ler- zwar gut, wenn Tränen kommen: Das zeigt an, dass etwas in nen Sie das Gefühl kennen - was auch immer es sei. Erleben Bewegung gerät, dass ein Gefühl, das verborgen war, end- Sie es von innen. Atmen Sie und nehmen Sie es wahr. Wenn lich auftauchen darf; aber bitte bleiben Sie beim bewussten Sie es genügend lang erforscht, erlebt und gewürdigt haben, Wahrnehmen und Atmen. Auch wenn Sie weinen müssen sind Sie bereit für den nächsten Schritt. (was auf keinen Fall unterdrückt werden darf!), achten Sie darauf, dass der Atem weiter fließen kann (bei heftigem Weinen kann der Versuch, trotzdem bewusst zu atmen, in Die Emotion ins Herz schließen einen stoßweisen Atem, ähnlich wie beim Rebirthing, aus- Nun kommen wir - nach Körper und Emotion - zur dritten arten, was ganz in Ordnung ist) - und, vor allem, identifi- Stufe, zum Herzen. Vielleicht hat es sich schon ganz von zieren Sie sich nicht mit Ihren Gefühlen, sondern nehmen selbst geöffnet, um das zuvor verstoßene Gefühl in sich auf- Sie sie bewusst wahr. zunehmen. Das erkennen Sie daran, dass Sie von Liebe, Mit- Oft geschieht es an dieser Stelle, dass man sich mit dem gefühl und tiefem Verstehen erfüllt sind. Wahrscheinlich Teil seines emotionalen Wesens verwechselt, den man das sind auch Tränen gekommen, keine Tränen, die verzweifel- innere Kind nennt. Nehmen wir an, das Gefühl, das bei der tes Schluchzen einleiten, sondern Tränen der Liebe und der Körperwahrnehmung aufgetaucht ist, ist Hilflosigkeit. Erleichterung. Plötzlich ist man nur noch klein und hilflos und schluchzt Wir gehen aber hier davon aus, dass es noch nicht von selbst und kann sich nicht mehr helfen. Sobald Sie etwas Derarti- geschehen ist. Sie sitzen da mit Ihrer körperlichen und emo- ges bemerken, wecken Sie sich sofort wieder auf und erin- tionalen Not und sollen Ihr Herz dafür öffnen. Wie geht nern Sie sich: wahrnehmen und atmen. Das reicht schon, das? um die Bewusstheit wieder einzuschalten. Manchmal bewirkt es schon der Gedanke »Kann ich mein Das innere Kind braucht jetzt Ihre Zuwendung. Es ist ihm Herz aufmachen für diese Not?«. nicht damit gedient, dass Sie, der Erwachsene, hier Ihr Er- Wenn nicht, gibt es verschiedene Schlüsselworte bzw. wachsenenbewusstsein verlieren, um mit der Hilflosigkeit -gedanken, die helfen können. des Kindes davonzuschwimmen - sondern es braucht jetzt Ihre bewusste Aufmerksamkeit und Zuwendung. Nehmen Zum Beispiel: Sie also die Emotion mit aller Aufmerksamkeit wahr und - Erbarmen. Fragen Sie sich (und diese Frage dient, wenn sie spüren Sie dabei Ihren Atem. das richtige Stichwort enthält, als Auslöser): »Kann ich Bitte enthalten Sie sich auch des Wertens. Es gibt Emotio- mit diesem Gefühl (oder mit dem Teil meiner selbst, der nen, die ganz tief in uns verborgen sind und nie an die Ober- sich so fühlt) Erbarmen haben?« fläche dürfen, weil wir sie für schlecht halten, weil wir den- - Mitgefühl. Können Sie mit sich selbst mitfühlen - Ihrem ken, dass es sie nicht geben darf. Das heißt mit anderen Zustand Mitgefühl entgegenbringen? Worten, ein Teil von uns leidet Not und wird nie bemerkt, - Verständnis. Können Sie sich dafür verstehen, dass Sie so nie erlöst! Wenn also eine Emotion in Ihnen auftaucht, die fühlen, wie Sie fühlen? (Hier ist nicht das Verstehen auf- Sie erschreckt (vielleicht Hass, Gier, Eifersucht, Wut, Neid), grund von Logik oder infolge von Rechtfertigung ge- 150 151, meint, sondern das unmittelbare und unbedingte Verste- aufgenommen wird. Was hindert Sie, diesem Gefühl Ihr hen des Herzens.) Herz zu öffnen? Es kann Angst sein oder aber Ablehnung. - Respekt. Können Sie diesem Gefühl, dieser Not - dem Teil - Angst. Oft haben wir Angst, ein Gefühl anzunehmen, weil von Ihnen, der diese Not leidet -, Achtung entgegenbrin- wir befürchten, dass wir zusammen mit diesem Gefühl gen? Achtung einfach deshalb, weil er existiert, oder Ach- eine befürchtete Tatsache als gegeben akzeptieren müs- tung dafür, dass er dieses Leid ertragen hat? Oder ihn ein- sen. Beispiel: Das Gefühl, das Sie in Ihrer Körperverspan- fach anerkennen? nung entdeckt haben, ist die Angst, (von einer bestimm- - Liebe. Da ist ein Teil von Ihnen, der leidet (Ihr inneres ten Person oder überhaupt) nicht geliebt zu werden. Sie Kind?), und dieser Teil braucht Liebe, einfach deshalb, fühlen die Angst, sind aber nicht bereit, sie an- und in Ihr weil er existiert - bedingungslose Liebe. (Aber Vorsicht: Herz aufzunehmen, weil Sie denken, dass Sie dann auch Das Wort »Liebe« kann zu Missverständnissen verleiten; das Ungeliebtsein als Tatsache annehmen müssen. Hier gemeint ist Liebe im Sinne von Annehmen. Es darf keinen muss man sich daran erinneren, dass es nicht um das Un- beschönigenden, glättenden, tröstenden Beigeschmack geliebtsein als Tatsache geht, sondern um die Angst davor haben, sonst führt es wieder zur Verdrängung.) als Gefühl. Es geht darum, dieses Gefühl der Angst aus - Umarmen. Manchmal hilft die Vorstellung, sich selbst mit- der Verbannung zu erlösen. Tatsächlich muss man, um die samt dem betreffenden Gefühl (beziehungsweise das in- Angst ins Herz holen zu können, sich mit dem konfron- nere Kind, wenn es ein kindliches Gefühl ist) in die Arme tieren, wovor man Angst hat. Nicht aber, um das, was zu nehmen oder bildlich ins Herz zu holen. man fürchtet, als Tatsache zu akzeptieren. Die einzige Wenn dieser Schritt vollzogen ist, wenn das Herz sich reale Tatsache, um die es bei dieser Übung geht, ist die, geöffnet und es das betreffende Gefühl in sich aufgenom- dass man Angst hat. Wenn diese Gedanken Ihnen nicht men hat, merkt man das deutlich. Liebe stellt sich ein, helfen, dem Gefühl der Angst zu erlauben, sich zu zeigen, Frieden, Erleichterung, ein tiefes Gefühl von Verbunden- dann müssen Sie sich zuerst Ihrer Angst vor der Angst heit mit sich selbst, Mitgefühl sich selbst gegenüber, Ver- widmen und diese zulassen und kennen lernen. stehen. - Ablehnung. Oft ist es uns deshalb unmöglich, ein Gefühl Wenn Ihnen nicht ganz klar ist, ob es Ihnen gelungen ins Herz zu schließen, weil wir es ablehnen. Hass, Wut, ist oder nicht, das betreffende Gefühl ins Herz zu schlie- Eifersucht, Neid sind Gefühle, die von vielen Menschen ßen, so mobilisieren Sie noch einmal alle Liebe, die Ihnen so sehr abgelehnt werden, dass es für sie sehr schwer ist, zur Verfügung steht, alles Mitgefühl, das Sie aufbringen sie ins Herz zu schließen. Manche haben die gleiche können, und richten Sie sie auf sich selber - auf Ihren Schwierigkeit mit Gefühlen, die sie für den Ausdruck von Schmerz, Ihre Wut, Ihre Verspannung, Ihr Schuldgefühl Schwäche halten, wie Angst, Ohnmacht oder Hilflosig- oder was auch immer Sie im Zuge der Übung entdeckt keit. haben. Wenn Sie den Eindruck haben, dass das Gefühl, um das es Wie bringt man es fertig, ein Gefühl anzunehmen, das man geht, sozusagen vor der Tür des Herzens steht und nicht ablehnt? Indem man zuerst die Ablehnung würdigt und an- hinein kann, dann fragen Sie sich bitte, warum es nicht nimmt. Sobald Sie merken, dass Sie Ihr Herz einem Gefühl 152 153, nicht öffnen können, weil Sie es ablehnen, erforschen Sie dernfalls besteht die Gefahr, dass Sie, anstatt das, was in denjenigen Teil von Ihnen, der dieses Gefühl ablehnt. Kön- Ihrem physischen und psychischen Körper vorhanden ist, nen Sie ihn im Körper lokalisieren? Identifizieren Sie sich kennen zu lernen, nach oben ausweichen und sich auf diese für einen Augenblick ganz mit dem Ich, das jenes Gefühl ab- Weise - die sehr angenehm sein kann - um die Arbeit he- lehnt. Es kann hilfreich sein, es zu Wort kommen zu lassen, rumdrücken. Damit ist nichts gewonnen. Sie erleben dann damit es seine Gefühle ausdrücken kann. Wie fühlt sich Ihr vielleicht einige fried- und lichtvolle Momente, aber Ihr Körper dabei? Wo spannt er sich an? Gehen Sie mit Ihrem Schmerz, Ihre Wut, Ihre Not bleiben unerlöst im Dunkeln Bewusstsein ganz in die Verspannung oder das betreffende zurück. Symptom oder die betreffende Körperhaltung hinein und Dagegen öffnen sich in genau dem Moment, da die Türen nehmen Sie, während Sie sich Ihres Atems bewusst sind, Ihres Herzens sich öffnen, um ein zuvor verstoßenes Gefühl wahr, wie Sie sich darin fühlen. Es ist ein Teil von Ihnen, der einzulassen, auch die Türen zum Himmel (zu den höheren sich so fühlt, der sich vielleicht immer schon so gefühlt hat. Bewusstseinsebenen). Sobald Sie das, was im Versteck Ihres Können Sie ihm Verständnis entgegenbringen, Achtung, Körpers und in der Dunkelzone Ihrer Psyche verborgen Mitgefühl? Auf diese Weise schließen Sie ihn sozusagen in war, ins Licht des Bewusstseins und des Herzens geholt die Arme des Herzens. Ist der »Ablehner« gewürdigt, ver- haben, öffnet sich automatisch der Kanal nach oben, zu standen und in Liebe und Mitgefühl angenommen, so kön- den höheren Ebenen Ihres Wesens. Es ist, als gäbe es jedes nen Sie sich von neuem demjenigen Teil Ihrer selbst zuwen- Mal, wenn ein verlorener Sohn - ein verstoßener Teil Ihrer den, der Opfer dieser Ablehnung war - dem Teil, der hasst, selbst - aus der Verbannung heimgekehrt ist, eine Feier im der wütend ist, Angst hat oder was auch immer. Schenken Himmel. Sie ihm noch einmal Ihre ganze Aufmerksamkeit, Ihre Wenn dies geschieht, muss ich Sie bestimmt nicht darauf ganze Zuwendung, Ihr Mitgefühl, Ihr Erbarmen, Ihr Ver- hinweisen, dass es gut ist, still sitzen zu bleiben, um des ständnis und öffnen Sie ihm auf diese Weise Ihr Herz. Sie Friedens, der Liebe und der Inspiration teilhaftig zu wer- werden feststellen, dass das jetzt viel leichter geht. Die ab- den, die sich dann auf Sie herabsenken - im Allgemeinen lehnende Instanz und das von ihr abgelehnte Gefühl kön- werden Sie gar nicht anders können, als ganz still zu wer- nen ebenso problemlos im Herzen nebeneinander existieren den und im Segen der Berührung der höheren Sphären zu wie Schaf und Wolf im Paradies. baden. Dies ist ein heiliger, intimer Moment, in dem die wunderbarsten Dinge geschehen. Plötzlich versteht man Zusammenhänge oder man ist von Liebe überwältigt oder Für Notfälle: »SOS-Ruf nach oben« verklärt. Wenn Sie es trotz aller Bemühungen nicht fertig bringen, Solche Momente sind großartig und heilsam. Dennoch tut einem bestimmten Gefühl Ihr Herz zu öffnen, so können Sie man nicht gut daran zu versuchen, sie festzuhalten oder zu Hilfe von den höheren Ebenen Ihres Wesens herbeiholen. reproduzieren. Es wäre ein Missbrauch der Übung, wollte Ich bitte Sie aber ausdrücklich darum, das erst dann zu tun, man diese in der Absicht praktizieren, wunderbare Mo- wenn Sie sich ernsthaft und gründlich bemüht und alle ge- mente zu erleben. Ihr einziger Zweck besteht darin, das, schilderten Schritte tatsächlich unternommen haben. An- was in unserem Innern ist, vollständig wahr- und anzuneh-, men. Im Übrigen geht natürlich das Leben weiter, es wird Das Öffnen des Herzens ist nicht etwas, das man tun uns weiter fordern, weiter drängen, weiter treiben, und an- kann, sondern etwas, das geschieht. Der Schlüssel dazu ist dere und andersartige große Momente werden kommen. Bereitschaft. Solche großen inneren Ereignisse müssen sich keineswegs Sobald Sie bereit sind, etwas anzunehmen, öffnen sich die automatisch jedes Mal einstellen, wenn man die drei Stufen Türen Ihres Herzens, und zwar so weit, wie Ihre Bereit- der körperzentrierten Herzensarbeit erfolgreich bewältigt schaft reicht. hat. Es kann auch ganz unspektakulär verlaufen. Ob sich Mit dem Gebet - dem SOS-Ruf nach oben - drücken Sie glanzvolle Momente einstellen oder nicht, sollte nebensäch- Ihre Bereitschaft aus. Wenn sie nicht echt ist, spüren Sie das; lich bleiben - sozusagen ein Abfallprodukt. In dieser Übung dann können Sie noch tiefer in sich gehen und erforschen, geht es um Liebe, um Liebe zu uns selber, vor allem zu dem, warum Sie nicht bereit sind, Ihr Herz zu öffnen, und sich auf was in uns leidet. Dabei ist es wie mit der Liebe zu einem die beschriebene Weise dem Hindernis zuwenden. anderen Menschen: Lieben wir einen Menschen um der glanzvollen Augenblicke willen, die uns das Zusammen- Nachsorge sein mit ihm beschert, oder um seiner selbst willen? Die erste Liebe geht am Geliebten vorbei, nur die zweite gilt Die Nachsorge beinhaltet zwei Schritte. Der erste gehört wirklich ihm. streng genommen zum vorigen Punkt, der zweite betrifft Zurück zum SOS-Ruf. Wenn Sie sich ernsthaft und gründ- die Tage oder Wochen nach der Sitzung. lich um alle drei Stufen bemüht haben und trotzdem die Türen Ihres Herzens verschlossen bleiben, dann besteht die 1. Fragen Sie das Gefühl oder den Gefühlskomplex beziehungs- Möglichkeit, Hilfe von oben herbeizuholen. Tun Sie das weise den Teil Ihrer selbst, der es erleidet, was er im täglichen ganz kindlich. Stellen Sie sich einfach vor, dass Sie sich nach Leben von Ihnen braucht. Prüfen Sie, ob Sie ihm das geben kön- oben hin öffnen (imaginieren Sie eine Öffnung im so ge- nen, und ermitteln Sie, wie genau das aussieht. nannten Scheitelchakra, dem Energiezentrum am obersten Punkt des Kopfes, durch die Licht von den höheren Ebenen Beispiel: Sie haben auf dem Grunde des betrachteten Pro- Ihres Wesens einströmt) und dass Sie Kontakt aufnehmen blems den Schmerz des Abgewiesenseins entdeckt. Sie fra- mit den höheren Ebenen Ihres Wesens. Bitten Sie darum, gen diesen Schmerz - beziehungsweise den Teil Ihrer selbst, dass Ihnen geholfen wird, sich des betreffenden Gefühls zu der ihn erleidet -, was er in Zukunft von Ihnen braucht, um erbarmen. Entweder geschieht es daraufhin sofort oder Sie sich besser versorgt und aufgehoben zu fühlen. Das Erste wissen plötzlich, was Sie zu tun haben, um den Weg ins und Wichtigste, das jedes frisch »ausgegrabene« negative Herz zu finden; oder Sie beenden die Sitzung und nehmen Gefühl braucht, ist, wahrgenommen zu werden. Es werden das Gebet einfach mit im Vertrauen darauf, dass Ihr höheres also wahrscheinlich Gedanken auftauchen wie »Du sollst Selbst das, was Sie allein nicht geschafft haben, in Ihnen zu- mich wahrnehmen«, »Ich will gefühlt, bemerkt, gesehen wege bringt. Achten Sie auf Ihre innere Stimme: Sie sagt werden« etc. Ihnen, ob es an der Zeit ist, abzubrechen oder geduldig sit- Stellen Sie sich dann Situationen vor, wie sie in Ihrem zen zu bleiben. Leben vorkommen, und malen Sie sich aus, wie es ist, das 156 157, betreffende Gefühl mitten in der Situation wahrzunehmen. das Gefühl anhand dieser Formulierung wieder zu erken- Nehmen Sie es sich vor oder versprechen Sie es sich. Neben nen, als wenn auf dem Merkzettel nur »Resignation« steht. diesem einfachen Wahrnehmen kann es aber auch vorkom- Jedoch sollte die Formulierung kurz und prägnant sein, auf men, dass das Gefühl beziehungsweise der Teil, der es er- keinen Fall mehr umfassen als pro Gefühl /Gefühlskomplex leidet, noch andere Dinge von Ihnen verlangt. Vielleicht einen knappen Satz. So könnte auf einem Zettel als Ergebnis taucht der Gedanke auf, dass er wünscht, dass Sie ihn schüt- einer längeren Sitzung stehen: zen. Dann sollten Sie zurücktragen, wie dieser Schutz denn aussehen soll. »Es hat alles sowieso keinen Zweck« Bleiben Sie so lange in diesem inneren Dialog, bis ganz »Mörderische Wut« klar ist, was Sie für das betreffende Gefühl tun können, wie »Angst vor der mörderischen Wut« das konkret aussieht und ob Sie es sich vornehmen oder Dieser Merkzettel erinnert Sie daran, dass diese drei Gefüh- versprechen können. Wenn Letzteres nicht zutrifft, bleiben le oder Gefühlskomplexe in den nächsten Tagen und Wo- Sie weiter im Dialog, bis Sie etwas finden, das Sie problem- chen Ihre Aufmerksamkeit und Fürsorge brauchen. Lesen los versprechen können. Sie den Zettel jeden Morgen und jeden Abend und nehmen Sie sich vor, auf das Auftauchen dieser Gefühle zu achten. 2. In den Tagen, vielleicht Wochen nach der Sitzung (je nach Fall Notieren Sie sich daneben, auf welche Weise Sie fortan für variiert die Zeitspanne) ist es wichtig, das Gefühl oder den Ge- diese Gefühle sorgen wollten (Ihr Versprechen aus der Sit- fühlskomplex, der in der Sitzung entdeckt wurde, im Auge zu be- zung). halten wie ein Kind, das man überallhin mitnimmt und um das Je nachdem, wie alt diese Gefühle waren und wie tief sie man sich kümmert. Die wichtigste Nachsorge besteht darin, diese gesessen haben, und je nachdem, wie gründlich wir sie er- Gefühle nun ganz bewusst existieren zu lassen (anstatt sie, wie lebt und wie vollständig wir sie in unser Herz aufgenom- bisher, zu unterdrücken oder zu überspielen) und ihnen, wenn sie men haben, gibt es verschiedene Möglichkeiten, ihr erneu- durch Begegnungen oder Ereignisse erneut ausgelöst werden, in tes Auftauchen betreffend: Kurzform dieselbe Art der Aufmerksamkeit zu schenken, wie Sie es ausführlich während der Übung getan haben. Und zweitens ist - Ein zwar vorkommender, aber seltener Fall: Sie sind nach es natürlich wichtig, diesen Gefühlen das zu geben, was man der Sitzung vollständig verschwunden und existieren ihnen am Ende der Sitzung versprochen hat. entweder überhaupt nicht mehr oder tauchen ins Positive transformiert auf; wo einst »mörderische Wut« die übli- Am besten notiert man sich die Gefühle, um die es in der Sit- che Reaktion war, taucht jetzt beispielsweise Verständnis zung ging, jeweils in ein oder zwei prägnanten Stichworten und Mitgefühl auf oder anstelle von Angst Vertrauen oder oder einem ganzen Satz - jedenfalls in einer Formulierung, Gelassenheit. die einem hilft, sich das Gefühl zu vergegenwärtigen. »Es - Etwas häufiger beobachtet: Sie tauchen nach der Sitzung hat alles sowieso keinen Zweck«, kann zum Beispiel eine zwar noch auf, aber eher als Erinnerung, als Echo einst Beschreibung eines Gefühls von Resignation sein, die genau real existierender Gefühle; sie haben keine Substanz, das trifft, was man fühlt; es fällt unter Umständen leichter, keine Realität, keine Macht mehr. 158 159, Der häufigste Fall: Die betreffenden Gefühle tauchen wie- Nur dann, wenn man merkt, dass zugleich mit diesem be- der auf, werden uns nun aber sogleich bewusst und kön- reits bekannten und »versorgten« Gefühl noch ein neues, nen mit Leichtigkeit wahr- und angenommen werden, so- bisher unbemerktes auftaucht, bedarf es eventuell einer dass sie nach und nach an Substanz, an Realität und an neuerlichen ausführlichen Sitzung, um auch diese Emo- Macht über uns verlieren, bis man schließlich mit Staunen tion auf allen Ebenen kennen zu lernen und ins Herz heim- entdeckt, dass sie sich verwandelt haben wie im ersten zuholen. Punkt dieser Aufzählung beschrieben. Eines Tages schau- en wir zurück und stellen fest, dass der Gefühlskomplex, Wann man eine Sitzung beenden muss der uns einst so viele Probleme bereitet hatte, verschwun- den ist und mit ihm die entsprechenden Probleme. Im Allgemeinen ergibt es sich von selbst, wann eine Sitzung Um diese Entwicklung zu fördern, müssen wir nach einer zu enden hat. Man hat sich meist zu Beginn auf eine be- Sitzung körperzentrierter Herzensarbeit, in der ein be- stimmte Zeit eingestellt (eine halbe Stunde, eine Dreiviertel- stimmtes Gefühl aufgetaucht und ins Herz geschlossen stunde oder eine Stunde), und das bewirkt, dass ungefähr worden ist, uns um dieses Gefühl eine Zeit lang bewusst nach dieser Zeitspanne ein Prozess abgeschlossen ist. Oder kümmern, anstatt es einfach nach der Sitzung aus dem man sitzt einfach so lange, bis der gesamte Prozess abgelau- Bewusstsein zu entlassen und der nächsten Sitzung mit fen ist. Bei sehr gravierenden, grundlegenden, alten Proble- dem nächsten Problem entgegenzueilen. men kann das auch einmal zwei Stunden dauern. Das ist Es ist wie mit einer Wunde: Eine Wunde ist gereinigt, mit aber die Ausnahme. Salbe oder Puder versorgt und verbunden worden (das Es gibt Fälle, in denen man eine Sitzung an einem viel war die Arbeit der Sitzung); nun muss man sich ab und zu früheren Punkt beenden muss, als man eigentlich anvisiert um sie kümmern - neue Salbe auftragen, den Verband hatte. Nehmen wir beispielsweise an, jemand möchte den wechseln, den Verband schließlich abnehmen -, so lange, Unstimmigkeiten in seinem Verhältnis zu seinem Vater auf bis die Wunde so weit verheilt ist, dass man sie getrost aus den Grund gehen. Nehmen wir an, er ist wütend auf seinen den Augen lassen darf. Vater und fühlt sich als Opfer. Sobald in dieser Zeit der Nachsorge das betreffende Ge- Er geht also in die Sitzung mit der Erwartung, seine Wut fühl, durch irgendetwas ausgelöst, in Ihnen auftaucht, kennen zu lernen und ins Herz holen zu können. Stattdes- können Sie die Übung der körperzentrierten Herzens- sen taucht als Erstes beispielsweise die Angst auf, die er vor arbeit in verkürzter Form wiederholen: Ihren Atem spü- seiner Wut hat (oder ein Schuldgefühl wegen dieser Wut). ren, fühlen, was sich in Ihrem Körper tut, bewusst erle- So gilt es also, sich zuerst um die Angst zu kümmern (oder ben, wie Sie sich fühlen, und diesem Gefühl Ihr Herz um das Schuldgefühl). öffnen. Erinnern Sie sich: Wenn es sich um Nachsorge Der Betreffende lernt zuerst seine Angst als körperliche handelt, reicht für diesen Ablauf ein einziger Augenblick und emotionale Realität kennen und schließt sie ins Herz. im Stillen. Niemand muss es bemerken, man muss sich Dabei wird ihm bewusst, dass diese Angst in seinem bishe- nicht unbedingt zurückziehen, um sich dem betreffenden rigen Leben einen so wichtigen Platz eingenommen hat und Gefühl zu widmen. dass das Annehmen dieser Angst ein so wichtiger Schritt ist,, dass es unklug wäre, sogleich einen Schritt weiter gehen zu wollen. Das hieße gleichsam, der liebenden Annahme der Die Schritte der Übung kurz zusammengefasst: Angst Hohn zu sprechen, wollte man sich gleich über sie hinwegsetzen und das tun, was sie ja um jeden Preis ver- 1. Einstieg: Sich (oder einem imaginären Gegenüber) das hindern wollte: nämlich die Wut zulassen. Problem (eventuell laut) schildern. Sich die oder eine In diesem Fall ist es notwendig, die Sitzung nach diesem Situation vergegenwärtigen, in der das Problem sich ersten Schritt (dem Aufspüren und Annehmen der Angst) manifestiert hat (oder die Person, mit der man das abzubrechen und sich vorzunehmen, das entdeckte Gefühl Problem hat). - hier die Angst beziehungsweise das Schuldgefühl - erst 2. Körperwahrnehmung: Die Aufmerksamkeit in den Kör- einmal eine Zeit lang im Herzen und im Bewusstsein zu per lenken, während die Erinnerung an die Situation, halten. die Person oder das Problem präsent ist. Wo und wie Das bedeutet nicht, es zu hätscheln und zu nähren, son- reagiert der Körper? Bewusstsein und Atem in den dern ihm zu erlauben zu existieren und es, wenn es auf- reagierenden Körperzonen konzentrieren und ihren taucht, bewusst wahr- und anzunehmen. Erst wenn das Zustand von innen kennen lernen und würdigen, eine ausreichende Zeit lang geschehen ist, ist man wirklich indem man ihn aushält und bewusst erlebt. bereit und in der Lage, den nächsten Schritt zu gehen und 3. Emotion: Sich fragen: »Wie fühle ich mich, wenn ich sich der Wut zuzuwenden. hier drinnen (das heißt in dem entsprechenden Kör- Im Allgemeinen fühlt man ohne jeden Zweifel, wann die perbereich) anwesend bin und atme? Wie geht es Zeit dazu gekommen ist. Das kann noch am selben Tag sein mir hier?« Dem Gefühl erlauben aufzusteigen. Wenn oder auch erst 14 Tage später. nötig, den Atem einsetzen, um der Emotion Leben Manchmal sind es winzige Schritte, nach denen man in- einzuhauchen (sanft und tief oder bei Bedarf heftiger nehalten und die Sitzung beenden muss. Jemand setzt sich atmen). Das Gefühl bewusst erleben und dabei den vielleicht hin mit einem komplexen Lebensproblem, ja, sein Atem spüren. Dem Gefühl vollkommene Zuwen- ganzes Leben scheint ein einziges Problem zu sein; er dung und Beachtung schenken. nimmt sich vor, in einer Sitzung das gesamte Problem zu 4. Herz: Dem Gefühl - beziehungsweise dem Teil, der es lösen, alles zu verstehen und alles zu ändern - und tut dann erleidet - sein Herz öffnen. Hilfreiche Stichworte: Er- nur einen winzigen ersten Schritt. barmen, Mitgefühl, Achtung, Anerkennung, Verständ- Vielleicht besteht dieser nur darin, dass er seine eigene nis, Liebe, sich in die Arme nehmen. Angst vor Problemlösung und Veränderung entdeckt und 5. Widerstände: Falls Widerstand dagegen auftaucht, ins Herz holt. etwa Angst, dem Gefühl sein Herz zu öffnen, oder Vielleicht ist er anfangs ein wenig enttäuscht, weil er nur Ablehnung des Gefühls, sich dem Widerstand zu- diesen einen kleinen Schritt getan hat, aber zugleich wird er wenden. Sich mit der inneren Partei identifizieren, wissen, dass es so richtig ist und gar nicht anders geht. die Angst hat vor dem Gefühl (oder es ablehnt). Ihren Denn dieser scheinbar winzige Schritt war genau das, was körperlichen Zustand kennen lernen und würdigen. jetzt anstand, und er hat ihn getan. 162 163, de Form verstanden werden soll. Zu Beginn der gemeinsa- Ihren emotionalen Zustand kennen lernen und wür- men Sitzung einigt man sich, wer als Erster an der Reihe ist. digen. Sie verstehen und ins Herz holen. Danach sich Das sollte nach Möglichkeit die Person sein, die das drän- wieder dem ursprünglichen Gefühl zuwenden und gendste Problem hat. Sie darf sich aussuchen, von wem sie es ebenfalls ins Herz schließen. geführt werden möchte. 6. Hilfe holen: Falls trotz aller Bemühungen das Herz Als Nächstes sollte eine Zeit festgesetzt werden. Pro Person verschlossen bleibt, Hilfe von oben herbeiholen. wird mindestens eine halbe Stunde benötigt, höchstens eine 7. Sich fragen: »Was braucht dieses Gefühl in Zukunft Stunde. Ich empfehle, mit 30 oder 40 Minuten pro Person zu von mir?« beginnen. Es ist weder notwendig noch ratsam, sich genau 8. Abschluss: Noch eine Weile still sitzen bleiben, im an diese Zeitvorgabe zu halten, aber es ist hilfreich, sich auf Herzen gesammelt. diesen Zeitrahmen vor Beginn jeder Sitzung einzustellen; 9. Nachsorge: Notieren, welche Gefühle in der Sitzung man kann auch einen Wecker mit sehr leisem Signal auf 25 aufgetaucht sind und welches Versprechen man ge- beziehungsweise 35 Minuten stellen und beim Ertönen des geben hat. Zur Erinnerung täglich, so lange wie nötig, Signals dem Übenden mitteilen, dass er noch rund fünf Mi- den Zettel lesen, um nicht zu vergessen, sich im All- nuten zur Verfügung hat. Niemals allerdings sollte man eine tagsleben um die betreffenden Gefühle zu kümmern. Sitzung abrupt abbrechen, nur weil die Zeit abgelaufen ist. Übender und Anleitender sollten einander zugewandt sit- zen; der Wächter muss ausprobieren, von wo aus er das Ge- schehen am besten überwachen und, falls nötig, mit dem ÜBEN MIT PARTNERN: DIE TECHNIK Anleitenden Kontakt aufnehmen kann. Die Übung der körperzentrierten Herzensarbeit bleibt in ihrem Ablauf gleich, egal, ob man allein oder mit Partnern Die Funktion des Wächters übt. Trotzdem beschreibe ich die Schritte hier in modifizier- ter Form noch einmal. Die Aufgabe des Wächters liegt vor allem darin, gesammelt zu bleiben und durch innere Ruhe und Sammlung dazu bei- Normalerweise übt man zu zweit, mit einem Übungspart- zutragen, dass der Prozess harmonisch und geordnet ver- ner. Jedoch empfehle ich, wie am Anfang dieses Kapitels er- läuft. Er kann die übende Person unterstützen, indem er läutert, zunächst zu dritt zu beginnen. Die Rollenverteilung: einen Lichtstrahl visualisiert, der von oben, von den höhe- - der Übende ren Ebenen seines Wesens, durchs Scheitelzentrum ins Herz - der Anleitende fällt und dann wie ein Scheinwerfer aus dem Herzen hinaus - der Wächter und auf das Herz des Übenden gerichtet wird. Man muss nicht ununterbrochen an diese Einstellung denken, sondern In der Schilderung der Technik bleibe ich ebenso wie im sie lediglich zu Anfang vornehmen, vielleicht von Zeit zu übrigen Buch fast immer bei der männlichen Form (»der Zeit erneuern und im Übrigen einfach im Herzen gesam- Übende«), die als neutrale, beide Geschlechter implizieren- melt bleiben. 164 165, Der Wächter mischt sich niemals von sich aus ein, hält hängigkeit begibt; zweitens, damit der Anleitende lernt, sich aber bereit einzuspringen, wenn der Anleitende nicht sein Herz dem zu öffnen, was der Übende erlebt - wofür er- weiterweiß oder der Übende mit der Führung durch den forderlich ist, das eigene Ich, die eigenen Gedanken, Ideen Anleitenden nicht zurechtkommt. In beiden Fällen kann er und Urteile zurückzustellen, sich sozusagen leer zu machen die weitere Führung entweder übernehmen oder eine Anre- und offen und empfänglich zu bleiben. Wenn man so vor- gung geben, die dem Anleitenden weiterhilft. Auf keinen geht, wird man den Übenden in erster Linie dadurch unter- Fall jedoch sollten beide, Anleitender und Wächter, gemein- stützen, dass man mit offenem Herzen zuhört, und erst sam oder abwechselnd den Übenden führen, da dies große dann eingreifen, wenn klar ist, dass der Übende eine aktive Verwirrung anrichten kann. Intervention benötigt. Der Wächter ist also lediglich zum Überwachen da, nur in Der Übende verfährt also idealerweise genauso wie beim Notfällen zum aktiven Eingreifen; und er hat eine dritte Üben ohne Partner, nur dass er ausspricht, was in ihm vor- Funktion: darauf zu achten, dass der Übende bewusst geht. Ich muss allerdings hinzufügen, dass die meisten atmet. Das ist zwar eigentlich die Aufgabe des Anleitenden, Menschen, sobald sie mit einem Partner üben, die Führung in der Praxis hat sich jedoch oft gezeigt, dass der Anleiten- gern vollständig an den Anleitenden abgeben. Das kann in de so sehr auf die Inhalte konzentriert ist, die den Übenden Ordnung sein, wenn man trotzdem die Verantwortung für beschäftigen, dass er, ebenso wie meist der Übende selbst, sich selbst übernimmt und sich nicht wie von einem Hyp- das Überwachen der Atmung vergisst. Deshalb darf und notiseur vollständig führen lässt, sondern sich seiner eige- soll der Wächter, sooft es nötig ist, den Übenden daran er- nen Absicht - seine innere Wahrheit kennen zu lernen und innern, sich des Atems bewusst zu sein, indem er leise sagt: ihr sein Herz zu öffnen - bewusst bleibt und auf Hinweise »Atmen!« (Natürlich atmet der Mensch automatisch, aber der eigenen inneren Führung achtet. eines der wichtigsten Elemente der körperzentrierten Her- zensarbeit besteht nun einmal darin, sich des Atmens be- wusst zu sein.) Der Anleitende Der Anleitende hat in erster Linie die Aufgabe, mit dem Herzen dabei zu sein, das heißt mit ungeteilter Aufmerk- Der Übende samkeit und echtem, aber unpersönlichem Interesse zu- Der Übende geht genauso vor, wie wenn er allein übt, nur zuhören und ganz für den Übenden da zu sein. Er sammelt mit dem Unterschied, dass er sich dabei vom Anleitenden sich im Herzen und ruft sich immer wieder auf die Ebene unterstützen lässt. Der aktive Führer ist im Idealfall er des Herzens zurück, wenn er bemerkt, dass er sich davon selbst, nicht der Anleitende. Der Anleitende unterstützt ihn entfernt. Dieses Abgleiten kann in zwei Richtungen gesche- nur dort, wo er selbst nicht weiterweiß, übernimmt aber hen: nicht vollständig die Führung. Das ist aus zwei Gründen wichtig: erstens, damit der Übende ebenso wie beim Üben - in den Kopf: Man ist »im Kopf« anstatt »im Herzen«, wenn ohne Partner die Verantwortung für sich selber übernimmt man das, was der Übende sagt, analysiert, bewertet, beur- (was ja ein Hauptzweck der Übung ist) und sich nicht in Ab- teilt, vergleicht oder einordnet. Sobald man das merkt, 166 167, sollte man die Gedanken ohne großes Aufheben einfach - von der 'Wahrnehmung unseres Herzens. Ein offenes Herz fallen lassen, sich mit einem Seufzer entspannen und sich besitzt die Fähigkeit, zu fühlen, was der andere fühlt, und wieder im Herzen zentrieren. das ist die beste Voraussetzung für eine gute Anleitung - in die eigenen Emotionen: Wenn man auf das, was der Üben- des Partners. de erzählt, auf persönliche Weise reagiert, ist man sozusa- - von Sinneswahrnehmungen. Manchmal nehmen wir Emo- gen eine Etage tiefer gefallen, in den Bereich der eigenen tionen unseres Gegenübers durch Stimme oder Tonfall Emotionen. Man merkt das daran, dass man sich als Re- wahr, und das kann uns helfen zu verstehen, was im Part- aktion auf etwas, das der Übende gesagt hat, entweder ner vor sich geht. Ein anderes Mal erhalten wir Hinweise ärgert oder wütend oder traurig wird oder in bedauern- durch das, was wir sehen; zum Beispiel nehmen wir wahr, des Mitleid verfällt. dass der Übende die Fäuste ballt oder den Mund zu- Auf der Ebene des Herzens gibt es kein bedauerndes Mit- sammenpresst, die Stirn runzelt oder seine Mundwinkel leid; das Herz fühlt mit, das heißt, es fühlt einfach, was herunterzieht. Manche Menschen nehmen ihr Gegenüber der andere fühlt - nichts weiter. Bedauerndes Mitleid ist energetisch wahr, manche fühlen im eigenen Körper das, nicht Mitfühlen, sondern ein dem Erleben des Gegen- was im Partner vorgeht, und manche bekommen Hin- übers hinzugesetztes persönliches Gefühl, sozusagen ein weise ihrer Intuition durch ihre optischen Wahrnehmun- eigener emotionaler Kommentar. Auf der Ebene des Her- gen. Deshalb ist es wichtig, wach und offen zu beobach- zens gibt es auch kein persönliches Reagieren - nichts von ten, jedoch nicht ohne zugleich im Herzen zentriert zu dem, was ein anderer erzählt, kann einen verletzen, an- bleiben. Denn Respekt vor dem Partner, Verbundenheit greifen, herunterziehen oder in irgendeiner Weise stören und Mitfühlen - Qualitäten des Herzens - sind die wich- oder beeinträchtigen. Wenn man im Herzen zentriert und tigste Unterstützung, die wir unserem Partner geben kön- das Herz offen ist, fühlt man einfach, was das Gegenüber nen. fühlt - nichts weiter. - von der Intuition. Manchmal blitzen Hinweise in Form von Gedanken auf. Plötzlich wissen wir, dass sich etwas Wich- Sobald man also bemerkt, dass man entweder von bedau- tiges im Solarplexus unseres Gegenübers abspielt; oder erndem Mitleid erfüllt ist oder von sonstigen persönlichen die innere Stimme sagt: »Mach ihn auf den Rücken auf- Emotionen, sollte man diese kurz bewusst fühlen, ihnen merksam« oder dergleichen. Wenn man noch nicht wagt, sein Herz öffnen oder wenigstens einen Gedanken von Ver- diesen Hinweisen hundertprozentig zu vertrauen, kann ständnis oder Erbarmen gönnen und dann wieder für sein man sie in Form von Vorschlägen oder Fragen an den Gegenüber da sein. Partner herantragen. »In mir taucht der Gedanke auf, du Der Anleitende hört also in erster Linie zu, und zwar mit solltest mal im Solarplexus nachschauen - ich weiß nicht, den Ohren des Herzens und mit wachen Sinnen. Der Kopf ob es wirklich eine Eingebung ist; möchtest du das mal sollte leer und der übliche innere Dialog abgeschaltet sein, prüfen?« damit Herz und Sinne wach sind und man offen ist für Eingebungen. Als Anleitender lassen wir uns von dreierlei Als Anleitender hören wir also dem Übenden zu, wie er sich leiten: selber führt, und unterstützen ihn darin, indem wir durch 168 169, unsere innere Haltung signalisieren: »Ich bin ganz für dich auf die Nerven. Sie mischt sich andauernd in die Erziehung un- da. Was immer du jetzt fühlst, ich achte es. In meinem Her- serer Kinder ein und weiß alles besser. Manchmal möchte ich zen ist Raum für alles. « sie am liebsten anschreien, sie soll sich raushalten, aber ich Damit dies mit Echtheit und Respekt geschieht, können bringe es nicht fertig. Sie meint es doch gut. wir uns am Anfang und am Ende der Sitzung vor dem ANLEITENDER: Danke. Ich glaube, das reicht schon. Und das ande- Übenden verneigen und uns dabei sein wahres Selbst ver- re Thema? gegenwärtigen - das Wesen, das hinter der Maske der Per- ÜBENDER: Vielleicht ist es lächerlich. Es ist eigentlich nur eine son verborgen ist und im allertiefsten Innern eins ist mit Kleinigkeit. Wenn ich morgens aufwache, ist mir neuerdings dem allertiefsten Innern unseres eigenen Wesens. Wir ver- immer so trüb ums Gemüt. Aber ich glaube, das ist gar kein neigen uns, religiös ausgedrückt, vor der göttlichen Gegen- Problem, denn wenn ich dann aufstehe, ist es gleich besser. wart in unserem Gegenüber. Was meint ihr? Anstatt uns selbst als Führer in den Vordergrund zu spie- WÄCHTER: Mir ist jetzt auch ganz trüb geworden. len, sagen wir im Stillen dem Gott im Innern unseres Ge- ANLEITENDER: Mir ist komischerweise übel geworden, während genübers, dass wir ihm jetzt in der Weise dienen möchten, du das erzählt hast. Trotzdem muss ich sagen, dass der Ärger wie er in der Person des Übenden es wünscht und braucht. mit deiner Schwiegermutter mich noch stärker berührt hat. Das ist die beste Vorbereitung auf die Übung. Allen, die Kann es sein, dass dieses Thema mehr im Vordergrund steht? mit einem Partner üben möchten, aber Angst haben, die ÜBENDER: Ich glaube ja. Es beschäftigt mich eigentlich andauernd. Führung zu übernehmen, kann ich versichern: Wenn man Ich glaube, das ist das Problem, mit dem ich heute arbeiten sich auf diese Weise vorbereitet und diese ehrfürchtige und will. Am besten erzähle ich noch ein bisschen davon, um hin- wache Einstellung während der Sitzung beibehält, wird einzukommen ... alles so gut laufen, wie es nur irgend laufen kann. (ANLEITENDER und WÄCHTER sammeln sich noch einmal im Herzen.) Zur Verdeutlichung der Technik gebe ich einen fiktiven Sitzungsablauf wieder (abgeleitet aus Sitzungen, die tat- Den Einstieg finden sächlich stattgefunden haben, und stark vereinfacht). ÜBENDER: Wie soll ich anfangen ...? ANLEITENDER: Am besten, du erzählst von einem konkreten Vor- Wahl des Themas fall. Etwas, was sich kürzlich ereignet hat Oder einen Vorfall, ÜBENDER: Ich habe zwei Probleme, mit denen ich mich zurzeit der dir besonders deutlich in Erinnerung geblieben ist. herumschlage. Ich weiß nicht, welches ich heute nehmen soll. ÜBENDER: Okay. Gestern kam Katy von der Schule nach Hause, Bitte helft mir beim Auswählen. warf alle Sachen von sich - Mantel.Tasche, Schuhe -, wie es ANLEITENDER: Bitte schildere beide Probleme kurz mit zwei bis so ihre Art ist, und fläzte sich aufs Sofa. Ich habe Verständnis drei Sätzen. Ich werde versuchen, mit dem Herzen zuzuhören für dieses Benehmen und erlaube es ihr, aber meine Schwie- und dir Feedback zu geben. germutter fing gleich an zu schimpfen. Nicht mit Katy, das tut WÄCHTER: Ich auch, wenn du willst sie nie, sondern sie schimpft immer in Gegenwart der Kinder ÜBENDER: Das erste Problem: Meine Schwiegermutter geht mir mit mir ... 170 171, Körperwahrmehmung ANLEITENDER: Bemüh dich nicht eine Bezeichnung für dein Gefühl zu finden. Sei einfach dort und fühle die Anspannung. Du ballst ANLEITENDER: Ich glaube, hier können wir schon einsteigen. Bitte auch die Fäuste ... Fühlst du das? halte diese Szene in deinem Bewusstsein lebendig und geh ÜBENDER: O ja. jetzt in den Körper. Schau mal, wie dein Körper darauf reagiert. ANLEITENDER: Wenn du mit deinem Bewusstsein gleichzeitig im ÜBENDER: Mein Kiefer verspannt sich. Ich beiße die Zähne zusam- Kiefer und in den Fäusten bist - bist du das jetzt? -, wie fühlst men. Ich runzle die Stirn. Die Arme sind angespannt Die Fäuste du dich da drinnen? sind geballt Eigentlich ist mein ganzer Körper angespannt... ÜBENDER: Grässlich. WÄCHTER: Atmen! (Stimmung und Stimme schlagen plötzlich um ins Weinerliche. ÜBENDER: Danke. Ich bleibe einfach dabei und versuche in diese Der Körper sackt zusammen, die Spannung lässt nach.) ganze Verspannung hineinzugehen. ANLEITENDER: Was ist jetzt passiert? Ist die Anspannung ver- Was jetzt? Es ist einfach alles sehr verspannt, ich nehme das schwunden? wahr und atme, aber es tut sich nichts. ÜBENDER (mit jämmerlicher Stimme): Ich weiß nicht. Jetzt bin ich ANLEITENDER: Bitte schenke dieser Anspannung deine ganze Auf- ganz schwach. merksamkeit Im Augenblick geht es nur darum, sie kennen zu ANLEITENDER: Bitte bleib dabei, wahrzunehmen und zu atmen. lernen und von innen zu erleben. Rutsche nicht ganz in die Gefühle hinein. ÜBENDER: Danke. Jetzt konzentriert es sich im Kiefer. Ich geh mal ÜBENDER: Danke. Ja, ich fühle mich auf einmal ganz schwach und in den verspannten Kiefer hinein ... Jetzt bin ich im Innern. traurig. Irgendwie hilflos. Ich glaube, ich sollte einfach eine Was jetzt? Weile bei diesem Gefühl bleiben und dafür da sein. Ja, es ist ANLEITENDER: Bitte konzentriere deinen Atem und dein Bewusst- Hilflosigkeit da, irgendwie auch Ohnmacht. sein im Innern des verspannten Kiefers und sei einfach dort ANLEITENDER: Nimmst du das auch im Körper wahr? Wie? anwesend. Nichts weiter. Lerne ihn von innen kennen. ÜBENDER: Alles hängt irgendwie. Die Kraft ist raus. Der Kopf ÜBENDER: ES ist ganz hart da drinnen. Es tut weh. hängt. Die Arme hängen. ANLEITENDER: Bitte nimm Härte und Schmerz wahr und spüre ANLEITENDER: Atmen und wahrnehmen. deinen Atem ... Bist du noch im Kiefer? ÜBENDER: Ja. Herz Emotion ANLEITENDER: Kannst du dich dafür verstehen, dass du dich hilflos ANLEITENDER: Wie fühlst du dich im Innern deines verspannten und ohnmächtig fühlst? Kiefers? ÜBENDER: Ja. (Atmet auf.) Ja, das kann ich verstehen. Irgendwie er- ÜBENDER: Ich weiß nicht... Er ist einfach hart und angespannt innert mich das an meine Kindheit... an Situationen mit mei- ANLEITENDER: DU kannst etwas kräftiger atmen und mit dem nem Vater ... Ich sehe mich klein und ohnmächtig, mit hängen- Atem den Gefühlen, die in deinem verspannten Kiefer stecken, den Armen und hängendem Kopf ... Und mit dem Gefühl, Leben einhauchen, damit du sie fühlen kannst einen Tadel bekommen zu haben, den ich nicht verdient habe, ÜBENDER (atmet heftiger): Ich weiß nicht Er ist einfach verspannt. gegen den ich aber nichts machen kann ... (Weint) 172 173, ANLEITENDER: Bitte schenke diesem Gefühl jetzt deine ganze Auf- tet): Kann es sein, dass auch im Bauch etwas ist? Möchtest du merksamkeit Wende dich ihm ganz zu. Lass es einfach da sein mal nachschauen? und sei dafür da. ÜBENDER: O ja. Der Bauch ist total verspannt... Ich gehe jetzt in ÜBENDER (atmet auf): Ich glaube, jetzt habe ich es schon ins Herz den Bauch hinein ... geholt Es ist einfach passiert. Ich kann es jetzt im Herzen ANLEITENDER (nachdem er eine Weile gewartet hat): Wie ist das fühlen - es ist da, aber irgendwie ist es jetzt auch geschützt da drinnen? und geborgen. Es ist gut. (Atmet tief und friedvoll.) ... Ich glau- ÜBENDER: Dunkel. Hart. Irgendwie giftig. be, ich muss mich mehr um dieses Gefühl kümmern. ANLEITENDER: Giftig? ÜBENDER: Ja. Ich kann es nicht anders ausdrücken. Es fühlt sich vergiftet an. Nachsorge ANLEITENDER: Bitte bleib dort und nimm diesen Zustand einfach ANLEITENDER: Wie soll dieses »Kümmern« aussehen? wahr. ÜBENDER: Ich glaube, ich muss das Gefühl vor allem bemerken, WÄCHTER: Und atmen! wenn es auftaucht. Und ihm einen Augenblick Aufmerksamkeit ÜBENDER: Oje, da wird mir übel. schenken. Ich glaube, damit ist es zufrieden. ANLEITENDER: Einfach im Bauch anwesend bleiben und deinen ANLEITENDER: Kannst du dir das jetzt versprechen? Atem wahrnehmen. Es kann nichts passieren. ÜBENDER: Ja. Ich verspreche es. Ich glaube, es ist jetzt gut. Wir ÜBENDER: Okay. (Atmet tief.) Mir ist übel. Ich fühle mich giftig. können aufhören. Irgendwie auch psychisch giftig und übel. Was das nur ist ... (Prüfen, ob alle Gefühle angenommen sind, die zum Problem Ich nehme übel ... Ich bin vielleicht wütend ... gehören - falls Eingebung oder Wahrnehmung das gebieten.) ANLEITENDER: DU musst das jetzt nicht interpretieren. Bitte bleib ANLEITENDER: Ich habe nicht das Gefühl, dass es abgeschlossen beim Wahrnehmen und Atmen. Lerne es erst einmal kennen, ist Bitte denk noch einmal an die Szene, von der wir ausgegan- so wie es ist, und sei dafür da. gen sind. Ist sie dir jetzt gegenwärtig? ÜBENDER: Ja. Emotion ANLEITENDER: Wie fühlst du dich jetzt, wenn du daran denkst? ÜBENDER: Gut ... friedlicher ... Aber meine Fäuste sind geballt ÜBENDER: Ja, das ist gut. Ich kann es einfach da sein lassen und und mein Kiefer verspannt sich wieder. Ich glaube, das muss dafür da sein. Ich merke jetzt ich bin ganz schön vergiftet, ich ich mir noch einmal anschauen. Habe ich noch Zeit? ahne da so etwas wie Hass und Wut, aber ich fühle es nicht... ANLEITENDER: DU hast noch zehn Minuten. Das ist viel.

Herz

Körperwahrnehmung ANLEITENDER: Vielleicht kannst du dich erst um das Gefühl des ÜBENDER: Okay. Dann gehe ich jetzt noch einmal in den Kiefer Vergiftetseins kümmern? Kannst du es ins Herz holen? hinein? Oder in die Fäuste? ÜBENDER: Im Augenblick weiß ich nicht wie das geht... ANLEITENDER (schaut ratlos zum Wächter, der auf den Bauch deu- ANLEITENDER: Ich glaube, durch Erbarmen. 174 175, ÜBENDER: ja, das geht, ja, ich habe Erbarmen mit diesem Gefühl. Herz (Atmet auf.) jetzt ist es besser. Danke. ÜBENDER (atmet tief durch): Ich glaube ja ... Ich glaube, ich kann es verstehen. Ja, ich kann mich verstehen für diese Wut. Die Noch den übrigen Gefühlen schauen Frau treibt mich wirklich in den Wahnsinn ... ANLEITENDER: Ich weiß nicht, ob es gut ist, das Gefühl zu rechtfer- ANLEITENDER: Was ist jetzt mit Hass und Wut? Sind die noch da? tigen ... Ich glaube, es braucht einfach ein offenes Herz ... ein- ÜBENDER: Ganz vage ... fach deshalb, weil es da ist.(Widerstand taucht auf) Körperwahrnehmung ÜBENDER: Das ist schwer. Die Wut ist so mörderisch. Eigentlich möchte ich nicht auf irgendjemanden so wütend sein. ANLEITENDER: WO denn? ANLEITENDER: Aber du bist es. Da ist ein Ich in dir, das ungeheuer ÜBENDER: Ich glaube, im Bauch. Tief drinnen im Bauch. Ich versu- wütend ist. Kannst du dieses Ich in dein Herz holen? Sozusa- che, dort hineinzugehen, wo das sitzt ... Es ist ganz dunkel da gen nach Hause holen aus der Verbannung? drinnen. Ich fühle nichts, aber ich weiß, dass dort Wut sitzt. Das ÜBENDER: Ich glaube nicht. Ich will das nicht Wort, das mir in den Sinn kommt, ist »mörderische Wut«. Aber ich fühle sie nicht Den Widerstand ins Herz schließen - Kurzform ANLEITENDER: Kannst du dich dafür verstehen, dass du das nicht Emotion willst? ANLEITENDER: Das macht nichts. Bleib einfach dort im Bauch, wo ÜBENDER: O ja. die Wut sitzt, und lass deine Aufmerksamkeit darauf ruhen. ANLEITENDER: Kannst du dein Herz dafür aufmachen, dass du Und nimm deinen Atem wahr ... Und jetzt atme bitte etwas diese Wut nicht haben willst? heftiger und hauche den Gefühlen, die sich dort versteckt ÜBENDER: Ja. Das geht. haben, mit deinem Atem Leben ein, damit du sie fühlen kannst. Sag ihnen, du bist jetzt bereit, sie zu fühlen und anzunehmen. Zum ursprünglichen Gefühl zurückkehren und es annehmen ÜBENDER: Ich könnte sie umbringen! (Schlägt mit den geballten ANLEITENDER: Dann schau noch einmal nach deiner Wut. Ist sie Fäusten auf die Knie.) noch präsent? Probiere aus, ob du jetzt dein Herz für sie öff- ANLEITENDER: Atmen und dieses Gefühl wahrnehmen. Lass es nen kannst Vielleicht geht es durch den Gedanken an Liebe. ganz zu und nimm es wahr. Dieser Teil von dir, der wütend ist leidet Not, und er braucht ÜBENDER (atmet jetzt stoßweise und zittert vor Wut, die Fäuste deine Liebe. schlagen auf die Knie): Sie macht mich verrückt! ÜBENDER: Ja, das kann ich verstehen. (Tiefes Aufatmen und Trä- ANLEITENDER (etwas lauter): Bitte rutsche nicht ganz in das Ge- nen.) Ja. Ich glaube, jetzt ist es im Herzen ... jedenfalls zum Teil. fühl hinein, sondern nimm es bewusst wahr. Nimm es wahr und ANLEITENDER: Bitte nimm dir Zeit Bleib so lange dabei, bis die schenke ihm deine ganze Aufmerksamkeit. Und deinen Atem. ganze Wut Platz hat in deinem Herzen und dort angenommen, Und dann schau, ob du dein Herz dafür aufmachen kannst. verstanden und aufgehoben ist 176 177, Zur Ausgangssituation zurückschauen und prüfen, ob man den zu führen. Um den Einstieg in die Übung zu finden, soll sich anderen Beteiligten sein Herz öffnen kann der Übende dann eine konkrete Situation vergegenwärti- gen, in der das Problem sich aktualisiert hat: entweder das ÜBENDER (nach einer langen Weile, unter Tränen): Jetzt ist es gut jüngste Ereignis der betreffenden Art oder aber einen Vor- Es ist unglaublich friedlich jetzt, und ein Gefühl von Licht ist da. fall, der ihm besonders deutlich im Gedächtnis geblieben Habe ich noch Zeit? Ich möchte schauen, ob ich auch für ist. Wenn er nicht selber daran denkt, ist es Aufgabe des meine Schwiegermutter mein Herz öffnen kann ... Anleitenden, ihn daran zu erinnern. Das heißt, nach der ANLEITENDER: Aber vorsichtig. Bleib ganz fest im Herzen veran- kurzen allgemeinen Schilderung des Problems sagt der An- kert, achte darauf, deine Wut weiter im Herzen zu behalten leitende: »Bitte vergegenwärtige dir ganz konkret jetzt die und bei dir zu bleiben. Denkst du jetzt an sie? oder eine Situation, in der dieses Problem aufgetaucht ist. ÜBENDER: Ja. Wenn die Erinnerung oder ein deutlicher Eindruck der be- ANLEITENDER: Und wie geht es dir, wenn du an sie denkst? treffenden Situation in deinem Geist gegenwärtig ist, sag ÜBENDER: Ich ahne etwas ... mein Herz versteht irgendwie, wie es bitte Bescheid.« ihr geht und warum sie sich so verhält ... Aber ich darf noch Sobald der Übende meldet, dass die Situation ihm gegen- nicht zu lange an sie denken, sonst falle ich wieder heraus. wärtig ist, ist der »Einstieg« in die Übung geschafft. Nachsorge 2. Körperwahrnehmung An dieser Stelle beginnt die Wahrnehmung des mit dem ANLEITENDER: Gut. Ich glaube, du musst dich erst noch mehr um Problem einhergehenden Körperzustands. Der Übende be- dich selber kümmern, um deine Hilflosigkeit, deine Ohnmacht gibt sich, sobald die Erinnerung an die konkrete Situation und deine Wut, und erst, wenn das alles ganz fest und sicher in präsent ist, mit seinem Bewusstsein in seinen Körper. Wenn deinem Herzen aufgehoben ist, glaube ich, solltest du dich ihr er selbst an dieser Stelle nicht daran denkt, erinnert ihn der zuwenden. Anleitende daran, indem er beispielsweise sagt: »Ich denke, ÜBENDER: Ich danke dir. Ich danke euch. (Alle drei verneigen sich.) du solltest jetzt in den Körper gehen und feststellen, wie dein Körper reagiert, wenn du an diese Situation denkst. Erläuterungen zu den einzelnen Etappen Bitte lass dein Bewusstsein durch den Körper wandern und schau, ob dir irgendwo etwas Besonderes auffällt.« 1. Das Problem schildern und den Einstieg finden Der Übende schildert dann seine Beobachtungen. Meist Der Übende sollte das Problem erst kurz in allgemeiner ist es eine bestimmte Körperregion, die sofort die Aufmerk- Form umreißen, möglichst in ein bis zwei Sätzen (in unse- samkeit auf sich zieht; dann ist der Fall klar: Hier liegt so- rem Beispiel: »Das Verhalten meiner Schwiegermutter zusagen der Hase im Pfeffer, und hierhin muss der Übende macht mich wütend, vor allem wenn sie meine Erziehungs- jetzt sein Bewusstsein lenken. methoden vor den Kindern kritisiert«). Diesen Punkt sehr Oft sind es mehrere Körperregionen, die mit Verspan- knapp zu halten, ist wichtig, damit nicht kostbare Übungs- nung, Schmerz oder sonstigen Symptomen reagieren; dann zeit dafür verschwendet wird, die übliche Art von Gespräch sollte der Übende zunächst versuchen, sich in die Gesamt- 178 179, heit der betroffenen Körperteile einzufühlen und sich die und andere, in denen der Übende kontinuierlich Führung »Verspannungsgestalt« insgesamt zu vergegenwärtigen. benötigt. Diese Frage lässt sich vorab nicht entscheiden, und es ist unnötig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, da es Wenn dies nicht möglich ist, konzentriert sich der Übende sich während der Sitzung von selbst ergibt. auf das Symptom, das die meiste Aufmerksamkeit auf sich Zurück zur Körperwahrnehmung; das Prinzip dieser zieht. Wenn er nicht weiß, wohin er seine Aufmerksamkeit Phase ist: Dort, wo der Körper in auffälliger Weise auf das lenken soll, gibt es mehrere Möglichkeiten: Problem reagiert, konzentriert der Übende, mit oder ohne Anleitung durch den Partner, seine Aufmerksamkeit. Man - Er oder sie bittet die anleitende Person um Rat. Diese geht buchstäblich mit dem Bewusstsein in die betroffene lauscht auf ihre innere Stimme und achtet auf sinnliche Körperzone hinein, um ihren Zustand von innen kennen zu und außersinnliche Wahrnehmungen. Sie sagt beispiels- lernen. weise: »Ich habe den Eindruck, du solltest dich mal dei- Dabei gibt es übrigens nichts zu befürchten; das ist so- ner Stirn zuwenden. Sie erscheint mir am stärksten ver- wohl für den Übenden als auch für seine Partner wichtig zu spannt.« wissen. Ich habe erlebt, dass sich bei Menschen der Hals in - Er bittet Anleitenden und Wächter um Rat oder Feedback. einer Weise zusammenzog, die ihnen beängstigend erschien Vielleicht kann einer der beiden durch Sinneswahrneh- - »Wenn das so weitergeht, kriege ich keine Luft mehr« -, mung, Intuition oder eigene Körperempfindungen wahr- oder bei Menschen, die unter physischen Herzbeschwerden nehmen, wo das Problem des Übenden sich in seinem litten, diese plötzlich akut wurden; oder dass Übelkeit auf- Körper manifestiert. tauchte oder sonstige beängstigende Zustände. Nie ist in all - Er erneuert die Erinnerung an die Ausgangssituation (die den Jahren, seit ich diese Technik anwende und lehre, dabei Situation, in der sein Problem sich manifestiert hat), atmet Schaden aufgetreten. Niemand hat sich übergeben, nie- bewusst und lässt einfach seine Aufmerksamkeit auf sei- mand hat Erstickungsanfälle, Krämpfe oder Herzanfälle be- nem Körper ruhen. kommen. Es geht ja nicht darum, körperliche Symptome zu produzieren oder zu provozieren, sondern dem, was ohne- Inwieweit jemand bei dieser Übung aktive Anleitung durch hin im Körper vorhanden ist - sei es Verspannung, sei es den Partner benötigt, ist von Mensch zu Mensch und von Schmerz, sei es sonst ein anormaler Zustand - endlich ein- Fall zu Fall verschieden. Wenn der Anleitende sich gut ein- mal Aufmerksamkeit und Zuwendung zu schenken. Diese gestimmt hat und mit dem Herzen dabei ist, wird er ohne Aufmerksamkeit und Zuwendung wirkt erlösend, heilend jeden Zweifel wahrnehmen, wann es gilt, dem Übenden - und befreiend und nicht etwa verschlimmernd auf das der vielleicht in langes Schweigen versunken ist - eine Frage Symptom. zu stellen, die den Prozess wieder fortsetzt, oder zu schwei- Das ist meine persönliche Erfahrung. Natürlich darf man gen und abzuwarten. In dem eben geschilderten mehr oder sie nicht hundertprozentig verallgemeinern. Die anleitende weniger fiktiven Beispiel ist der Anleitende relativ aktiv; es Person muss auf ihre innere Stimme hören, und wenn ihr gibt Fälle, in denen der Übende sich von Anfang bis Ende Gefühl ihr sagt, dass es besser ist, einzugreifen oder zu un- selber führt und der Anleitende im Wesentlichen nur zuhört, terbrechen, muss sie diesem Hinweis natürlich folgen. Ich 180 181, habe jedoch einen solchen Fall noch nicht erlebt. Bisher war dass es kompliziert wird an diesem Punkt. Manchmal meint es jedem Teilnehmer meiner Seminare und jedem Übungs- man, in eine bestimmte Körperzone nicht hineinzukommen partner, mit dem ich je gearbeitet habe, möglich, durch das mit seinem Bewusstsein, oder man weiß nicht, wie das geht. betreffende Thema einschließlich aller auftretenden Körper- Dazu sagt man (sich) am besten: »Tu's einfach. Diese Zellen und Gemütszustände hindurchzugehen, ohne dass eine sind ein Teil von dir.« reale Gefahr auftauchte. Bitte erinnern Sie sich vor allem Der Übende befindet sich also nun mit seinem Bewusst- immer an dies: Der rote Faden ist der Atem. Wenn Sie je- sein innerhalb der verspannten oder sonst wie auffällig rea- manden anleiten, erinnern Sie die übende Person immer gierenden Körperregion. Er nimmt seinen Atem bewusst wieder daran, ihren Atem wahrzunehmen. Der Atem - das wahr und tut nichts weiter, als an der betreffenden Stelle an- bewusste Aufrechterhalten und Fördern des Atemflusses - wesend zu sein und ihren Zustand von innen zu erleben. sorgt dafür, dass der notwendige und heilende Prozess sei- Für eine ganze Weile lässt er, während er bewusst atmet nen Lauf nimmt, dass Gefühle, die im Körper verborgen (möglicherweise muss er daran erinnert werden!), seine waren, an die Oberfläche kommen, dass alle Wesensschich- Aufmerksamkeit dort ruhen. ten zusammengehalten werden und dass Transformation Er kann auf Befragen (»Wie ist es dort?«) oder von selbst geschieht. Atembewusstheit sorgt dafür, dass der Mensch berichten, was er wahrnimmt. Möglicherweise muss er gegenwärtig bleibt. durch Fragen dabei unterstützt werden (»Eher dunkel oder Sobald es Ihnen gelungen ist, sich selbst durch mehrere hell, kalt oder warm, hart oder weich, schwach, stark, ver- Themen auf diese Weise mit Körper, Atem, Emotion und krampft?«). Diese Fragen dienen jedoch nur dazu, dem Herz hindurchzuarbeiten, wissen Sie, dass es nichts gibt, Übenden dabei zu helfen wahrzunehmen - nicht, von der wovor man sich fürchten müsste, und dass man sich getrost Wahrnehmung abzulenken und ins Feld der Überlegungen trauen kann, alles, was da ist in Körper und Psyche, auftau- und Analysen abzugleiten. Falls dies geschieht, muss der chen zu lassen und zu erleben. Dann haben Sie die notwen- Übende an Wahrnehmen und Atmen erinnert werden. dige Ruhe und Beharrlichkeit, um einen Menschen anzulei- Manchmal kann es auch hilfreich sein, den Übenden darauf ten und allem gegenüber, was dieser Mensch während der hinzuweisen, dass die Fragen nur dazu dienen, seine Auf- Übung erlebt und äußert, offen und furchtlos zu bleiben. merksamkeit auf etwas zu lenken, und nicht primär dazu, Die übende Person geht also mit oder ohne Anleitung in den Anleitenden zu informieren (bei Menschen, die sehr die Körperzone hinein, die auf das Problem in auffälliger brav und folgsam sind, kann es sonst passieren, dass sie jede Weise reagiert, um diesen Zustand von innen kennen zu ler- Frage sogleich beantworten und ihre Energie in die Beant- nen. Merken Sie sich dieses Schlüsselwort: »von innen ken- wortung der Frage investieren anstatt auf die Wahrneh- nen lernen«. Es kann helfen, Ihr Bewusstsein als Übender in mung ihrer Empfindungen). dieser Phase der Übung dorthin zu bringen, wo es sich nun Oft verändert sich der Zustand einer Körperregion, so- konzentrieren soll; wenn Sie einen Partner anleiten, können bald man die Aufmerksamkeit dort konzentriert. Zuwen- Sie diesen Ausdruck immer dann anwenden, wenn es dung bessert den Zustand im Allgemeinen. Wenn sich ein darum geht, die Aufmerksamkeit des Übenden in eine be- ursprünglich schmerzhafter oder verkrampfter Zustand stimmte Körperregion hineinzuleiten. Lassen Sie nicht zu, allerdings verdächtig schnell bessert, sobald der Übende 182 183, seine Aufmerksamkeit dorthin lenkt (möglicherweise sagt perlichen Zustands nicht um eine zu schnelle »Reparatur« der Übende eifrig: »Es ist schon viel besser!«), ist es ratsam, oder »Verbesserung« handelt, kann der Übende der Verände- den »schlechten« Zustand zurückzuholen, bevor er gänz- rung einfach folgen, während er von Zeit zu Zeit berichtet, lich verdrängt ist. Denn manche Menschen bemühen sich, was geschieht. Während dieser Phase kann es wichtig sein, oft ohne es zu merken, Zustände, die sie für schlecht, un- ihn daran zu erinnern, beim Wahrnehmen der betreffenden gesund oder unwürdig halten, schnell in gute, gesunde, Körperregion und beim bewussten Atmen zu bleiben. akzeptable Zustände zu verwandeln - und alles, was dabei Bei dem, was während dieser Phase geschieht, müssen geschieht, ist erneute Verdrängung. Etwas, das in ihnen Übender und Anleitender sich von ihrer Intuition leiten las- existiert hat, manchmal schon zeit ihres Lebens, und für sen; es lässt sich nicht schematisiert beschreiben, weil jeder einen Augenblick ans Tageslicht gekommen war, wird Fall anders abläuft. Ich werde später noch etliche konkrete gleich wieder abgelehnt und eiligst »umgewandelt« - es Fälle als unterschiedliche Beispiele für den Ablauf einer sol- taucht also wieder ins Unbewusste ab, wo es aus dem Un- chen Partnerübung wiedergeben. tergrund heraus weiterhin das Denken und Handeln des Sobald Übender und/oder Anleitender den Eindruck Betreffenden beherrscht, meist ohne dass dieser es merkt. haben, dass der betreffende Körperzustand vollständig Es geht darum, den mit dem Problem einhergehenden wahrgenommen und gewürdigt wurde (manchmal auch, Körperzustand, so unangenehm er auch sein mag, zu halten sobald man spürt, dass die Konzentration auf den Körper- und auszuhalten, während man bewusst atmet. Die Absicht zustand nachlässt), kann die nächste Stufe beginnen. dabei - und es ist gut, sich beziehungsweise den Übenden oft daran zu erinnern - muss sein: diesen Zustand kennen 3. Die Emotion wahrnehmen zu lernen und zu würdigen, indem man ihn bewusst und Hier geht es darum, das Gefühl kennen zu lernen, das in aufmerksam von innen erlebt. Es ist das, was man Liebe dem betreffenden Körperzustand enthalten ist. Die Frage nennt - bedingungslose Liebe. Alles, was ist, braucht Liebe, ist: Wie fühle ich mich, während ich mich in dieser (ver- bedingungslose Liebe, einfach deshalb, weil es da ist. Nur spannten oder anderweitig betroffenen) Körperregion be- bedingungslose Liebe hat die Macht, zu heilen und zu erlö- finde? Wie fühle ich mich, wenn der Anleitende fragt: »Wie sen. Das ist die Erfahrung, die ich aus dieser Arbeit gewon- fühlst du dich dort drinnen?« nen habe. Ich formuliere sie deshalb so oft und in immer Fragen Sie nicht: »Was fühlst du?« Diese Frage kann neuen Worten, weil die eine oder andere dieser Formulie- blockierend wirken, da manche Menschen der Überzeu- rungen Ihnen einfallen wird, wenn Sie die Übung machen gung sind, dass sie ihre Gefühle nicht wahrnehmen können. oder wenn Sie jemanden anleiten, und Ihnen vielleicht im Fragt man: »Was fühlst du?« oder »Welches Gefühl ist entscheidenden Moment weiterhelfen kann. Auch ich dort?«, so fühlen sie sich unter Leistungsdruck gesetzt und benötige solche »Eselsbrücken«, wenn ich mich mit einem schalten ihren Verstand ein, um diese Frage beantworten zu Problem hinsetze. Es gibt Augenblicke, in denen ich mich können. Die Frage »Wie fühlst du dich im Innern dieser absichtlich an diese Zusammenhänge und Formulierungen Körperzone?« ist - das hat die Erfahrung gezeigt - meist erinnern muss, um weiterzukommen. ohne Problem spontan zu beantworten. Man kann sie er- Wenn es sich bei der beobachteten Veränderung des kör- gänzen durch: »Wie ist es dort drinnen?«, »Wie geht es dir 184 185, da?«, oder je nach Eingebung variieren, zum Beispiel: »Wie durchhelfen. Die eben erwähnten Fälle sind übrigens selte- fühlt man sich denn in so einem Knoten?« Erfahrungs- ne Ausnahmen. In 99 Prozent aller Fälle verlaufen die Sit- gemäß fällt es dem Übenden leichter, diese Frage zu beant- zungen reibungslos und unspektakulär. worten, wenn sie mit echtem Interesse gestellt wird. Auch Hier, ebenso wie in der Körperwahrnehmungsphase, geht hier ist es also wichtig, dass die Person, die ihn anleitet, mit es darum, das, was ist, wahrzunehmen, indem man es be- dem Herzen dabei ist. wusst und bewusst atmend erlebt. Es geht nicht darum, sich In dieser Phase ist der Atem besonders wichtig. Der An- von Gefühlen davontragen zu lassen, zu schluchzen, zu leitende kann, wie im obigen Beispiel, den Übenden auffor- schimpfen, zu schreien, etwas auszuagieren oder seine Be- dern, mit seinem Atem den Gefühlen, die im betreffenden wusstheit zu verlieren. Sobald dies geschieht, greift der An- Körperbereich festsitzen, Leben einzuhauchen, damit sie leitende (oder, weil dieser vielleicht vom Geschehen gefan- fühlbar werden. Ergänzend helfen Formulierungen wie gen ist, der Wächter) ein und erinnert den Übenden an »Atme kräftiger und benutze den Atem, um deine Gefühle Wahrnehmen und Atmen. »Bitte bleib beim Wahrnehmen! lebendig zu machen«, »Ja, lass das ruhig ganz auftauchen«, Nimm wahr, was du fühlst, nimm es bewusst wahr und »Lass das ganz zu«. Sehr hilfreich ist für viele Menschen an denk an deinen Atem. Lass dich nicht davontragen.« Oder: dieser Stelle auch die Formulierung »Lass es einfach da sein »Identifiziere dich nicht mit diesen Gefühlen (mit deinem und sei dafür da«. Und, immer wieder: »Atmen!« inneren Kind), sondern sei für sie da. Nimm sie bewusst Auch auf dieser Stufe gibt es übrigens nichts zu befürch- wahr und schenke ihnen deine teilnehmende und mit- ten. Wir haben bei Seminaren Prozesse erlebt, die furcht- fühlende Aufmerksamkeit. Und fühle deinen Atem!« Oder: erregend erscheinen würden, wenn man nicht wüsste, dass »Bitte verliere dich nicht im Ausdrücken deiner Gefühle, es nichts zu befürchten gibt. Ein Teilnehmer beschrieb, wäh- sondern bleib beim Wahrnehmen.« Mit diesen oder ähnli- rend er in seinen Hals hineinspürte, grässliche Monster- chen Formulierungen kann man dem Übenden helfen, zur gestalten mit schwarzen Flügeln, die daraus auftauchten; Bewusstheit zurückzufinden, wenn er sich in Gefühlen oder am Schluss fand er heraus, dass es sein inneres Kind war, Gefühlsausbrüchen verliert. das diese Monstervisionen erzeugt hatte, um auf sich auf- Es geht darum, ein Gefühl bewusst zu erleben - nicht merksam zu machen. Eine Teilnehmerin zeigte die Tendenz, darum, es auszudrücken. Dennoch kann es manchmal hel- nach oben aus ihrem Körper auszusteigen, und wurde er- fen, ein Gefühl auszudrücken; dann nämlich, wenn der schreckend bleich und schwach. Andere schluchzen herz- Übende nicht fühlt, was er fühlt. Er oder der Anleitende erweichend und verwandeln sich in verzweifelte kleine weiß oder ahnt, dass ein Gefühl vorhanden ist, aber es wird Kinder. Was auch immer während dieser Emotionswahr- nicht gefühlt. Beispiel: Der Übende hat einen »Druck auf nehmungsphase geschieht: Wichtig ist, dass der Anleitende der Brust« wahrgenommen und als körperliches Phänomen den Übenden fortwährend und, wenn nötig, laut und mit kennen gelernt; befragt, wie er sich fühlt, wenn er sein Be- Nachdruck und zwingender Beharrlichkeit daran erinnert, wusstsein in der Brust konzentriert, im Innern der Zone, die beim Wahrnehmen und Atmen zu bleiben. Wahrnehmen von dem Druck betroffen ist, sagt er: »Traurig. Ich weiß, und Atmen sind die Schlüsselworte, die jedem, was auch dass dort Trauer ist, aber es ist nur ein Gedanke. Ich fühle es immer sein Problem sein mag, heil durch diese Phase hin- nicht.« 186 187, In Fällen dieser Art kann es hilfreich sein, den Übenden Das Ausdrücken von Gefühlen ist also für diese Übung nur aufzufordern, das Gefühl auszudrücken, und zwar in Ich- insoweit notwendig und nützlich, wie es hilft, eine Emotion form. Der oder die Übende muss angeleitet werden (oder fühlbar zu machen. Hier geht es um das Erleben, Kennen- sich selbst anleiten), Formulierungen auszuprobieren, die lernen, Würdigen und Annehmen vorhandener Gefühle, das Gefühl möglichst treffend ausdrücken. »Ich bin so trau- nicht um das Ausdrücken. »Es ist ausreichend, die Wut zu rig!« - »Ich bin stocksauer.« - »Ich habe eine Sauwut.« - »Ich fühlen«, sagt die Zen-Lehrerin Joko Beck. In der Praxis habe könnte sie erschlagen.« Und so fort. Sobald die treffende ich festgestellt: Dadurch, dass wir ein Gefühl ausdrücken, Formulierung ausgesprochen ist, stellt sich das Gefühl ein versuchen wir meistens, es loszuwerden. Aus irgendeinem und wird deutlich wahrnehmbar für den Zuhörer wie, in Grund ertragen wir es nicht, es zu fühlen. Entweder weil es den allermeisten Fällen, für den Übenden selbst. Dann soll- furchterregend ist - wie Wut oder Angst -, weil es unange- te sofort das Ausdrücken der Gefühle beendet und zur nehm ist - wie etwa Trauer, Schmerz, Eifersucht - oder weil Wahrnehmung zurückgekehrt werden. es zu schön ist - wie Freude, Begeisterung, Verliebtheit, Zärtlichkeit, Lust und andere Emotionen, die mit Liebe ein- Ausdrücken der Gefühle im Rahmen der körperzentrierten hergehen können. Wir meinen unbewusst, dass wir platzen, Herzensarbeit, anhand eines (fiktiven) Beispiels: dass es uns umbringt, dass es uns schädigt, kurz, dass wir ÜBENDER: Meine Zähne sind fest zusammengebissen. Irgendwie es nicht aushalten können, diese Gefühle in ihrem vollen weiß ich, dass da Wut sitzt. Aber ich fühle sie nicht. Ausmaß zu fühlen und bei uns zu behalten. Genau darum ANLEITENDER: Bitte bleib im Kiefer und in den Zähnen, atme be- geht es aber bei der körperzentrierten Herzensarbeit. Da- wusst und schau, wie du dich dort fühlst. durch, dass wir ein Gefühl vollständig erleben, ohne zu ver- ÜBENDER: Ich fühle nur das Zusammenbeißen. Ich fühle keine suchen, es loszuwerden, indem wir es in Worte oder Hand- Emotion. Aber ich weiß, es ist Wut. lungen hineinkanalisieren, vervollständigen wir nicht nur ANLEITENDER: Probier mal zu sagen »Ich bin wütend«. unsere Bewusstheit und unser Einssein mit uns selbst, son- ÜBENDER (ohne Überzeugung): Ich bin wütend. Hm. dern daraus erwächst uns auch Kraft. Die volle Energie der ANLEITENDER: Leg ruhig mehr Ausdruck hinein, wie ein Schauspie- Emotion bleibt bei uns und kommt unserem Herzen zugute, ler. Du kannst auch verschiedene Formulierungen ausprobie- sobald wir nämlich den nächsten Schritt dieser Übung tun ren. Bis du eine gefunden hast, die trifft. und dem betreffenden Gefühl unser Herz öffnen. ÜBENDER: Ich bin wütend. (Ohne Ausdruck.) Ich bin stocksauer. Diesen Schritt sollte man allerdings nicht zu früh unter- (Nicht überzeugend.) Ich bin böse. Ich bin so wütend! Jetzt nehmen - es sei denn, er geschieht von selbst. Damit die hört man deutlich die Emotion.) Übung vollständig ist, muss ein Gefühl, bevor man es ins ANLEITENDER: Stopp. Kannst du das auch fühlen? Herz holt, sowohl auf der körperlichen als auch auf der ÜBENDER: O ja! Ich bin so wütend! psychischen Ebene - erst ausführlich wahrgenommen und ANLEITENDER: Dann bleib bitte bei dieser Wut, atme bewusst, lass gewürdigt worden sein - so, wie es ist, ohne jeden Versuch, die Wut da sein, erlaube ihr, ganz aufzutauchen. Sie darf sich es zu heilen, zu lindern, zu trösten oder umzuwandeln. Tat- auch ausbreiten über dich, sodass du sie von innen kennen ler- sache ist, dass das Gefühl, das wir im Körper entdeckt nen kannst. Nimm sie wahr und atme bewusst haben, verdrängt ist und unter der Verdrängung leidet; 188 189, manchmal schon unser ganzes Leben lang. Erst müssen wir Der Übende sitzt also da mit seiner Emotion und fragt sich diesen Zustand so, wie er ist, würdigen, bevor wir tatsäch- oder wird vom Anleitenden gefragt, wie er dieses Gefühl ins lich in der Lage sind, ihn mit der Liebe unseres Herzens zu Herz schließen kann. (»Jetzt schau bitte, wie du dein Herz umschließen. Was wir nicht kennen, können wir nicht wür- für dieses Gefühl öffnen kannst«). Natürlich prüft er erst sel- digen, und was wir nicht würdigen, können wir nicht an- ber, auf welchem Weg dies geschehen kann. Mit einem Ge- nehmen. Das heißt am Beispiel der Wut: Nicht nur die Wut danken von Erbarmen vielleicht? Mit Verständnis? Wenn er als solche muss kennen gelernt und gewürdigt werden, son- nicht weiterweiß, bittet er um Hilfe. »Ich weiß nicht, wie ich dern auch die Wut im Zustand der Verbannung, einschließ- es ins Herz holen kann. Bitte gib mir einen Tipp.« lich der Not des Verbanntseins. Wenn diese Not unserem Hier muss der Anleitende auf sein Herz und seine Einge- Bewusstsein dämmert, stellt sich meist ganz von selbst jenes bungen hören. Wenn man bis zu diesem Punkt mit dem Her- Verstehen und Erbarmen ein, mit dem die Türen des Her- zen dabei war, weiß man im Allgemeinen, was das betref- zens sich öffnen. fende Gefühl am dringendsten braucht, und kann es ohne zu Wenn wir versuchen, unsere Gefühle ins Herz zu schlie- zögern aussprechen. Zum Beispiel: »Erbarmen. Ich glaube, ßen, bevor wir sie körperlich und emotional gewürdigt es braucht Erbarmen.« Oder: »Ich glaube, es geht durch Ver- haben, laufen wir Gefahr, uns zu betrügen. Anstatt Frieden, stehen. Kannst du dich selber dafür verstehen, dass du so Freude und Liebe haben wir »Friede, Freude, Eierkuchen«: fühlst?« Oder: »Mitgefühl.« Oder: »Stell dir vor, dich selbst eine Scheintransformation. mitsamt diesem Gefühl in die Arme zu schließen.« Oder: »Es Also müssen wir erst eine gebührende Weile, bewusst at- braucht Liebe. Gib ihm einfach Liebe.« Oder: »Achtung. Ich mend, das verstoßene Gefühl kennen lernen; es aushalten, glaube, du musst dem Teil deiner selbst, der diese Not leidet, es ganz bewusst erleben, wobei man ihm erlauben kann, Achtung entgegenbringen.« Wenn man selber mitfühlt, sich ganz auszubreiten (der Anleitende kann wie im obigen kann man das, was man fühlt, manchmal spontan auf eine Kurzbeispiel sagen: »Du darfst diesem Gefühl ruhig erlau- Weise ausdrücken, die das Herz des anderen berührt. ben, sich ganz auszubreiten, damit du es von innen kennen Manchmal wird an dieser Stelle die Weisheit oder Erfah- lernst«). Der Schlüsselsatz lautet: »Es da sein lassen und für rung des Anleitenden gebraucht. Einem Übenden über es da sein.« diese Schwelle hinwegzuhelfen, ist nicht möglich, wenn Wenn der Übende seine Emotion gründlich kennen ge- man sie nicht selbst bereits einige Male überschritten hat. lernt und gewürdigt hat, kann er darangehen, ihr den Weg Nur wer aus Erfahrung weiß, was es bedeutet, bewusst und in sein Herz zu bahnen (wenn das, wie gesagt, nicht bereits absichtlich einem Gefühl sein Herz zu öffnen, wird hier die von selbst geschehen ist). richtigen Worte finden, die dem Übenden helfen, diesen Schritt zu tun. Einige Beispiele werden Sie in den später ge- 4. Der Emotion sein Herz öffnen schilderten Fallgeschichten finden; aber es nützt wenig, sol- Bei diesem Schritt benötigen die meisten Menschen aktive che Formulierungen zu benutzen, wenn sie nicht von Her- Hilfe durch den Anleitenden. Selbst erfahrene Alleinübende zen kommen. vergessen, wenn sie sich unter die Führung eines Partners be- Ein sehr wichtiger Punkt bei dieser Stufe ist, dass der An- geben, an dieser Stelle, was es bedeutet, »sein Herz zu öffnen«. leitende nur helfen kann, wenn er mit offenem Herzen dabei, ist. Falls er mit persönlichen Emotionen beteiligt ist, die sein 5. Die Nachsorge vorbereiten Herz verschließen, beispielsweise, wenn er Angst hat vor Der Übende fragt sich selber oder der Anleitende fragt ihn: einer Emotion des Übenden oder wenn er Ablehnung emp- »Was braucht dieses Gefühl im täglichen Leben von dir?« findet, muss er für einen kleinen Augenblick diese seine Beziehungsweise: »Was braucht der Teil von dir, der unter eigene Emotion wahrnehmen und sie mit Verständnis und diesem Gefühl leidet?« Hier hat der Anleitende die Auf- Erbarmen ins Herz schließen, um sich dann wieder auf der gabe zu prüfen, ob die Antwort wirklich aus dem Herzen Ebene des Herzens zu sammeln und offen für den Übenden kommt (indem er mit dem Herzen zuhört). Eine Her- da zu sein. Falls das nicht ohne weiteres geht, muss er im zensantwort wird immer darauf abzielen, das Gefühl, um Interesse des Übenden um Hilfe von oben bitten. das es geht, mit der Liebe und Aufmerksamkeit zu versor- Denn: Die wichtigste Unterstützung, die man einem gen, die es braucht, um sich angenommen zu fühlen; Übenden geben kann, ist ein offenes Herz. Oft reicht das al- manchmal wird es auch darum gehen, das Verhalten zu än- lein bereits aus, um seinem Gegenüber zu helfen, sich seiner dern, um den Teil des Menschen, der unter dem Gefühl lei- Gefühle bewusst zu werden und sich ihrer zu erbarmen. det, besser zu schützen (zum Beispiel: die Wahrheit sagen Alle Menschen gehen mit der Erwartung an die Arbeit, oder öfter allein sein). Taucht aber als Antwort auf die ihre negativen Gefühle loszuwerden. Sie wissen oder glau- Frage »Was braucht das Gefühl von dir?« ein Satz auf, der ben, weil sie es gehört haben, dass Wut, Hass, Angst, Trau- Aggression gegen andere ausdrückt - zum Beispiel: »Dass er, Neid, Eifersucht, Schmerz sich auflösen, wenn man sie ich XY endlich mal sage, wie sehr er mir auf die Nerven ins Herz holt. Das Dumme ist nur: Wenn wir sie wirklich ins geht« -, dann ist das ein Zeichen dafür, dass das betreffen- Herz holen wollen, bedeutet das, sie anzunehmen. Tun wir de Gefühl nicht bewusst gewürdigt und ins Herz geschlos- das mit der Erwartung, dass sie aufgelöst werden, so ist das sen wurde, sondern dass der Betreffende noch mit ihm ein Scheinmanöver, und das Herz öffnet sich nicht. Denn identifiziert ist. Hier kann man - je nachdem, wie viel Zeit der Wunsch, dass das betreffende Gefühl sich auflösen noch zur Verfügung steht - entweder die Übung von vorn und verschwinden möge, ist Ausdruck unserer Ablehnung. beginnen, indem man den Übenden darauf hinweist und Solange wir das Gefühl ablehnen - das liegt auf der Hand -, ihn bittet, dem Gehalt dessen, was er vorgebracht hat, auf können wir es nicht annehmen. der körperlichen Ebene nachzuspüren; oder man kann Das heißt: Auf der Schwelle zum Herzen kann es einen Au- sagen: »Ich glaube nicht, dass das die Stimme deines Her- genblick Zögern geben. Kann ich es wagen, dieses Furchtba- zens ist. Ich glaube, dein Gefühl braucht vor allem, dass du re, Grässliche, Unerträgliche wirklich anzunehmen? Eben ihm Beachtung schenkst, wenn es auftauchst, anstatt es zu nicht, indem ich mir wünsche, dass es sich auflösen möge, verdrängen ... Bitte frag noch einmal, was dieses Gefühl sondern indem ich ihm erlaube zu existieren und ihm einen von dir braucht, um sich angenommen und versorgt zu Platz in meinem Herzen gebe? Kann ich es annehmen? fühlen.« Es ist tatsächlich so, dass es sich verwandelt, sobald es im Danach muss der Übende angeleitet werden - wenn er es Herzen aufgenommen worden ist; aber die Absicht, es zu nicht selber tut - zu prüfen, ob er eine genaue Vorstellung verwandeln, vereitelt das. Das ist das Paradoxe, das uns davon hat, wie er die erhaltene Antwort in die Tat umsetzen zwingt, uns wirklich zu öffnen. kann, und ob er sich selber versprechen kann, das zu tun. 192 193, 6. Im Herzen verweilen zunehmen. Andere flüchten gern in höhere Sphären, um Nachdem die vierte Stufe - dem Gefühl sein Herz öffnen - unangenehmen Gefühlen zu entgehen. Das ist nur allzu bewältigt ist, wird der Übende im Allgemeinen das Bedürf- verständlich; niemand erlebt gern Hass oder Wut, Angst nis haben, beziehungsweise sollte dazu angeregt werden, oder Schmerz. Doch leider lösen diese Gefühle sich nicht in noch eine Weile im Herzen gesammelt zu bleiben. Dies ist Wohlgefallen auf, wenn man ihnen entflieht; sie bleiben in ein kostbarer Augenblick, dem der Anleitende Raum ge- vollem Umfang bestehen. währen sollte, ohne sich einzumischen. Es kann vorkom- Daraus entsteht Leid. Ein Teil Ihres Wesens - und damit men, dass der Übende diesen Augenblick nur nutzt, um bei ein Teil des Universums, ein Teil allen Lebens - leidet im sich zu sein und das neu entdeckte Gefühl von Einssein, Verborgenen, und niemand ist da, sich seiner zu erbarmen. Liebe oder Frieden zu genießen. Ebenso kann es geschehen, Und der Schatz, der sich in den Untiefen der schmerzhaften dass der Übende in diesem Augenblick Eingebungen, Ein- Emotionen verbirgt, bleibt uns vorenthalten, wenn wir nicht sichten oder andere Segnungen erhält. Er mag sich darüber in diese Tiefen tauchen. äußern oder nicht - wichtig ist, diesen Moment der Stille Dadurch, dass wir in die Tiefe hinabtauchen, dass wir uns und des In-sich-Ruhens nicht zu früh abzubrechen. Manche mitten in unseren Schmerz - denn letztlich handelt es sich Übenden sind zu brav und zu beflissen, um die Geduld immer um Schmerz - hineintauchen und unser Herz so ihrer Helfer am Schluss einer Sitzung noch weiter zu stra- groß machen, dass es all diesen Schmerz umfangen kann, pazieren, und beeilen sich, aus der Verinnerlichung heraus- kommen wir ganz von selbst in Kontakt mit höheren zukommen und die Übung abzuschließen. Hier sollte der Sphären. Nun verwandelt sich unsere innere Hölle in einen Anleitende oder, wenn nötig, auch der Wächter den Üben- Himmel, denn sie wird von Liebe durchdrungen und erlöst. den einladen, noch einen Augenblick bei sich zu bleiben, die Entfliehen wir jedoch der Hölle, um im Himmel Schutz zu Augen geschlossen zu halten und im Herzen zentriert zu finden, dann mag unser Eintauchen in himmlische Sphären bleiben. vielleicht durchaus real sein und uns für einen Augenblick Frieden und Licht schenken; die Hölle aber besteht weiter, 7. Hilfe herbeiholen vom Himmel getrennt. Darauf, was dieser Punkt bedeutet, bin ich zu Anfang dieses Hilfe holen sollte man also nur, wenn alles getan wurde, Kapitels bereits eingegangen. Der Anleitende kann dem was man selbst tun kann. Dann kann der Anleitende sagen: Übenden vorschlagen, Hilfe von den höheren Ebenen her- »Du kannst Hilfe von oben herbeiholen. Stell dir einfach beizuholen, wenn beide den Eindruck gewonnen haben, vor, dich nach oben zu öffnen und Kontakt aufzunehmen dass es dem Übenden unmöglich ist, sein Herz zu öffnen mit den höheren Ebenen deines Wesens oder mit den Wel- und sich seiner Emotion(en) zu erbarmen. Keinesfalls, wie ten der Engel.« schon gesagt, sollte dies geschehen, bevor alles unternom- Wenn dies im richtigen Augenblick geschieht - also nicht men wurde, um diesen Schritt allein zu tun. Manche Men- zu früh -, kommt sofort Hilfe. Plötzlich ist Liebe da, manch- schen versuchen, mithilfe der höheren Ebenen um den ent- mal haben alle Anwesenden einen Eindruck von Licht oder scheidenden Schritt herumzukommen: nämlich sich selbst - Frieden, und das Herz des Übenden öffnet sich oder er weiß den Teil ihrer selbst, der jenes unliebsame Gefühl hegt - an- plötzlich, was er zu tun hat. 194 195, 8. Nachsorge 6. »Wie ist es dort? Hell, dunkel, hart, weich, kalt, warm, Wie bereits erläutert, sollte jeder Sitzung eine Zeit der Nach- eng, weit.?« sorge folgen. In einem Gespräch nach der Sitzung könnte 7. »Bitte lass deine Wahrnehmung dort ruhen und der Anleitende den Übenden an die Nachsorge erinnern. atme bewusst.« »Bitte präge dir dieses Gefühl gut ein und nimm dir vor, dich in den nächsten Tagen und Wochen darum zu küm- Emotion mern, wann immer es auftaucht. Hast du dir gemerkt, was 8. »Wie fühlst du dich dort drinnen?« du dir versprochen hast?« 9. »Bitte erlaube diesem Gefühl, ganz aufzusteigen. Es Die einzelnen Schritte der Anleitung kurz zusammen- darf sich auch ausbreiten über dich, sodass du es so- gefasst: zusagen von innen kennen lernst. Du kannst deinen Atem benutzen, um dem Gefühl Leben einzuhau- chen. Lass es da sein und sei für es da.« Vorbereitung 1. Gemeinsame Einstellung auf die Zeit. Einstimmung. Herz Sammlung im Herzen. Verneigen. 10. »Nun schau bitte, wie du diesem Gefühl dein Herz öffnen kannst.« Einstieg 11. Wenn der Übende hierzu um Tipps bittet: »Ich glau- 2. »Bitte erzähl ein wenig von deinem Problem, mög- be, dieses Gefühl braucht vor allem Erbarmen. lichst in der Gegenwart und in der Ichform. Versu- Kannst du Erbarmen haben mit ihm? Oder mit che den Kern des Problems zu umreißen.« dem Teil von dir, der dieses Gefühl erleidet?« Oder: 3. »Bitte erinnere dich an eine konkrete Situation, in »Kannst du dich dafür verstehen, dass du so fühlst? der dieses Problem sich manifestiert hat. Lass die Er- Kannst du über dieses Verstehen dein Herz öffnen?« innerung in dir lebendig werden. Wenn sie präsent Oder: »Kannst du diesem Gefühl Mitgefühl entge- ist, sag bitte Bescheid.« genbringen?« Oder: »Ich glaube, es braucht einfach Liebe.« Oder: »Kannst du diesem Gefühl deine Ach- Körperwahrnehmung tung schenken? Dem Teil von dir, der es erleidet, 4. »Bitte geh jetzt, während du die Erinnerung an die Achtung erweisen?« Oder: »Stell dir vor, dich mit- Situation wach hältst, mit deinem Bewusstsein in samt diesem Gefühl in die Arme zu nehmen.« deinen Körper hinein und schau, wo und wie er rea- giert. Bitte berichte.« Widerstände 5. »Zieh jetzt deine Aufmerksamkeit und deinen Atem 12. Wenn der Übende aus Angst oder Ablehnung her- in diese Körperzone hinein und lerne sie von innen aus nicht in der Lage ist, das Gefühl ins Herz zu kennen.« holen: »Dann bitte wende dich dieser Angst (oder 196 197, SCHWIERIGKEITEN, DIE AUFTAUCHEN KÖNNEN, Ablehnung) einmal zu. Lass sie zu und nimm sie UND MÖGLICHKEITEN DER ABHILFE wahr. Identifiziere dich mit dem Teil von dir, der Angst vor dem Gefühl hat oder der es ablehnt. Wie fühlt sich dein Körper? Wo und wie reagiert er? 1. Man findet den Einstieg nicht Bitte gehe mit deinem Bewusstsein in diesen Kör- Der Übende erzählt in immer neuen Varianten von seinem perteil (oder diese gesamte Verspannungsgestalt) Problem und findet keinen Einstieg in die eigentliche hinein, atme bewusst und nimm seinen Zustand Übung. Hier müssen Anleitender und eventuell auch Wäch- von innen wahr. Wie fühlst du dich dort drinnen? ter sich bemühen, mit dem Herzen zuzuhören, um wahrzu- Kannst du dein Herz öffnen für dieses Gefühl? nehmen, was die übende Person fühlt, während sie erzählt. Dann können wir uns jetzt wieder dem ursprüng- Allein die Tatsache, dass dem Übenden jemand mit dem lichen Gefühl zuwenden? Bitte schau, ob du es jetzt Herzen zuhört, kann ihm helfen, in Kontakt zu kommen mit ins Herz holen kannst, ohne die Angst (oder die Ab- seinen Gefühlen, mit dem Kern seines Problems. lehnung) daraus wieder zu verstoßen. Es geht ganz Eine abstrakte oder verallgemeinernde oder zu weit aus- leicht. Sie können einfach nebeneinander existie- holende Schilderung eines Problems darf und soll früh- ren.« zeitig unterbrochen werden. »Bitte versuche den Kern des Problems mit einem oder zwei Sätzen zu umreißen.« Und Falls SOS nach oben nötig ist wenn das geschehen ist: »Bitte erinnere dich jetzt an einen 13. Wenn der Übende den Eindruck hat, trotz aller Ver- konkreten Vorfall. Wenn du willst, kannst du ihn kurz schil- suche sein Herz nicht dem betreffenden Gefühl öff- dern, aber es reicht auch, wenn du dir die Erinnerung ver- nen zu können: »Dann hole bitte Hilfe von oben her- gegenwärtigst und mir dann Bescheid sagst, wenn sie prä- bei. Stell dir einfach vor, dich nach oben hin (am sent ist.« Scheitelchakra) zu öffnen und Kontakt mit den Gehen Sie möglichst immer von einer konkreten Situation höheren Ebenen aufzunehmen. Bitte darum, dass aus: Wo sonst sollte das Problem in Erscheinung treten als in du dein Herz öffnen kannst.« einer konkreten Situation? Wenn es sich nicht um eine be- stimmte Situation handelt, die das Problem ausgelöst hat, Abschluss leiten Sie den Übenden an, sich den Zeitpunkt, den Augen- 14. »Bitte bleib noch eine Weile ruhig sitzen. Nimm dir blick oder den Vorfall zu vergegenwärtigen, in dem das Pro- Zeit. Bleib bei dir.« blem sich zuletzt manifestiert hat oder der besonders deut- 15. »Lass uns kurz rekapitulieren, um welche(s) Ge- lich in Erinnerung geblieben ist. fühle) du dich in den nächsten Tagen und Wochen Der Anleitende - wenn nötig, auch der Wächter - kann kümmern musst: ... Notiere dir am besten Stich- aber auch die Möglichkeit wahrnehmen, in einem gegebe- worte dazu.« nen Augenblick die Erzählung zu unterbrechen und zu 16. Dank und Verneigung. sagen: »Ich glaube, hier können wir schon einsteigen« - dann nämlich, wenn er an einem Punkt der Erzählung des 198 199, Übenden fühlt, dass dieser den Kern des Problems berührt ist nun aufgefordert worden - oder hat sich selber aufgefor- hat. Man spürt es irgendwie, wenn die Schilderung ein dert -, in den Körper hineinzuspüren, um festzustellen, wie wirkliches Problem berührt; es ist, als ob ein Nerv getroffen er auf das Problem reagiert. Er oder sie oder als ob es plötzlich brenzlig würde. Oft ist es sogar not- - bleibt jedoch »im Kopf«, ist also nicht bereit oder in der wendig, an dieser Stelle zu unterbrechen und in die Übung Lage, von den Gedanken zu lassen, die um sein Problem einzusteigen, denn viele Menschen haben die Tendenz, über kreisen, um seinen Körper wahrzunehmen; die brenzlige Stelle schnell hinwegzugehen, indem sie zu - bemüht sich, irgendetwas in seinem Körper wahrzuneh- weitschweifigen Überlegungen, Rechtfertigungen, Analy- men, spürt aber nichts. sen, Korrekturen des Gesagten etc. übergehen. Es kann gelegentlich vorkommen, dass die Übenden des- Hier hat der Anleitende verschiedene Möglichkeiten: halb keinen Einstieg finden, weil sie das falsche Thema ge- wählt haben. Möglicherweise wurde ein Thema gewählt, a) Er kann seine eigene sinnliche oder außersinnliche Wahr- das kein wirkliches Problem für den Übenden darstellt, be- nehmung nutzen, um den Übenden zu den reagierenden ziehungsweise eines, das von einem anderen, dringenderen Körperregionen zu führen. Der Anleitende wird entwe- Thema, das mehr im Vordergrund des Bewusstseins steht, der in seinem eigenen Körper spüren oder am Körper sei- verdeckt wird. Bei der Auswahl der Themen ist nicht darauf nes Gegenübers wahrnehmen, wo sich etwas tut; man- zu achten, welches einem bedeutender vorkommt, sondern ches ist leicht von außen zu erkennen, beispielsweise welches einem mehr unter den Nägeln brennt. Es gibt Klei- wenn die Stirn sich runzelt, der Mund sich verzieht, die nigkeiten, die wir als lächerlich bewerten, die uns aber so Lippen zusammengepresst werden; wenn die Haltung sehr auf die Nerven gehen oder uns so stark ängstigen kön- sich verändert; wenn die Fäuste sich ballen oder die nen - dummerweise, wie wir meinen -, dass größere, be- Hände oder Füße sich nervös bewegen. Mancher be- deutendere Probleme durch sie in den Hintergrund gerückt kommt auch außersinnliche Wahrnehmungen durch die werden. Wenn man diese Kleinigkeiten tatsächlich zum Sinneswahrnehmungen hindurch. Beispielsweise wird Thema der Übung macht, entdeckt man im Allgemeinen durch ein Spiel von Licht und Schatten ein krasser Unter- hinter ihnen ein riesengroßes Problem, oft auch einen Zu- schied der Farbe von Gesicht und Hals wahrgenommen, sammenhang mit denjenigen seiner Probleme, die man für und plötzlich erkennt man darin einen Hinweis; oder in bedeutender und tiefgreifender hielt, aber nicht für die einer markanten Falte der Kleidung; oder einer scharfen Übung ausgewählt hat, weil die »Kleinigkeit« aktueller war. Trennlinie in der Taille, hervorgerufen durch Gürtel oder Gummizug ... Wenn so etwas geschieht, geschieht es 2. Der Übende spürt nichts in seinem Körper spontan und geht mit intuitivem Wissen oder Erkennen Manche Menschen meinen oder behaupten, nichts zu einher. Man darf allerdings auf keinen Fall nach solchen spüren, ihren Körper nicht wahrzunehmen. Dies bezieht Hinweisen suchen und sie sich irgendwie zurechtinter- sich auf die erste Stufe der Übung, nach dem »Einstieg«: die pretieren. Das kann zu unsinnigen Irrwegen führen. Körperwahrnehmung. Der Betreffende hat sein Problem ge- Wenn der Anleitende einen solchen Hinweis bekommen schildert, sich an einen entsprechenden Vorfall erinnert und hat, sei es durch innere oder durch äußere Wahrnehmung, 200 201, so kann er ihn in respektvoller und vorsichtiger Form keit in den Hals. Zieh dein Bewusstsein und deinen Atem in formulieren (niemals aber dem anderen als Wahrheit auf- den Hals hinein und sag mir, wie es dort ist.« zwingen): »Bitte schau einmal in deinen Nacken; ich habe den Eindruck, dass dort etwas ist.« 3. Der Übende fühlt keine Emotion b) Der Anleitende kann den Übenden beruhigen, ihm versi- Der Übende ist zwar in der Lage, beispielsweise seine Angst chern, dass alles in Ordnung ist, und ihn anleiten, einfach als Anspannung der Körperperipherie, Zusammenziehen des Problems bewusst zu bleiben und seinen Atem im des Bauches oder Engwerden des Halses zu spüren, er weiß Körper zu spüren. »Ich spüre aber nichts ...« - »Das vielleicht sogar, dass diese Anspannung Angst ist, aber er macht nichts. Lass dir Zeit. Bleib einfach im Körper an- kann die Angst als Emotion nicht fühlen. In diesem Fall wesend und spüre deinen Atem, während du die Pro- kann Ausdrücken helfen. Der Übende kann aufgefordert blemsituation im Hinterkopf behältst. Weiter nichts.« werden, Ichsätze zu bilden, die Angst ausdrücken. »Ich c) Falls der Übende zwar wahrnimmt, wo das Problem sich habe Angst.« - »Ich habe solche Angst.« - »Ich habe furcht- in seinem Körper manifestiert, aber meint, er sei nicht in bare Angst.« - »Ich habe Angst vor ...« - Ach habe Angst der Lage, sich mit seinem Bewusstsein dorthin zu bege- zu ...« - »Ich fürchte mich.« Sobald die richtige Formulie- ben, kann man dreierlei tun: rung gefunden ist, taucht Emotion auf. Nun fordert man den Betreffenden auf, die Emotion be- - Der Übende kann die Hände auf die betreffende Stel- wusst wahrzunehmen (sie zuzulassen, da sein zu lassen le(n) legen. und für sie da zu sein oder ihr vollkommene Zuwendung - Oder er kann sich einfach vorstellen, sich in die Stelle zu schenken), während er weiterhin im Körper anwesend hineinzubegeben, so wie man ein Zimmer betritt. ist und bewusst atmet. - Der Anleitende kann anmerken, dass das Bewusstsein Manchmal kommt es vor, dass jemand einer Emotion in des Übenden sich ohnehin bereits in der betreffenden treffender Weise Ausdruck verleiht und diese Emotion Stelle befindet, dass er sich nur selbst darauf aufmerk- dabei zwar für die Übungspartner deutlich wahrnehmbar sam machen muss. ist, aber für ihn selbst nicht. Hier kann es helfen, den Üben- den zu bitten, ein wenig mehr zu erzählen. Anstatt nur zu Im Allgemeinen wird der Übende dann nach einer Weile be- sagen: »Ich habe Angst«, wird er gebeten zu erzählen, ginnen, seinen Körperzustand wahrzunehmen. wovor er Angst hat und warum. Meist taucht an dieser Stel- Falls keinerlei Anhaltspunkt zu ermitteln ist, wo das Pro- le die Emotion deutlich auf und wird auch vom Betreffen- blem sich im Körper manifestiert, kann der Anleitende den den selber wahrgenommen. Übenden fragen: »Schau einmal, wo du im Körper bist, Wenn der Übende hartnäckig versichert, nichts zu fühlen, während du an das Problem/die Situation denkst.« Dann kann der Anleitende seine Aufmerksamkeit zurück auf den haben Sie einen Ansatzpunkt. Fast jeder kann diese Frage Körper lenken und ihn bitten, einfach die betreffende Kör- ohne Umschweife beantworten. Der Übende wird vielleicht perspannung wahrzunehmen und dabei bewusst zu atmen. sagen: »Im Hals.« Dann kann der Anleitende vorschlagen: Man kann auch vom Körper aus den Weg direkt ins Herz »Dann geh doch bitte mal mit deiner ganzen Aufmerksam- finden, beispielsweise indem man sagt: »Kannst du die An- 202 203, Spannung in deinem Bauch fühlen? Kannst du dem Teil von Übende will diesem Hass sein Herz öffnen, ist aber nicht dir, der unter dieser Anspannung leidet, dein Herz öffnen/ dazu in der Lage, weil zugleich in ihm Ablehnung gegen- Erbarmen schenken, Mitgefühl, Liebe?« über diesem Hass auftaucht, muss er sich erst der Ableh- Eine weitere Möglichkeit ist die Aufforderung, kräftiger nung zuwenden. Die Technik ist, sich für einen Augenblick zu atmen und mit dem Atem den Gefühlen, die sich in den mit der ablehnenden oder verurteilenden Instanz zu identi- betroffenen Körperzonen verbergen, Leben einzuhauchen, fizieren und sie zu Wort kommen zu lassen (laut auszu- sodass der Betreffende sie fühlen kann. Der Übende kann drücken, was diese bewegt), während man die Körperspan- den im Körper versteckten Gefühlen auch sagen: »Ich bin nung und -haltung, die mit ihr verbunden ist, und zugleich jetzt bereit, euch kennen zu lernen und anzunehmen. Bitte (wie immer) seinen Atem bewusst erlebt. Dann muss man zeigt euch, damit ich euch fühlen kann.« das Gefühl, das darin verborgen ist, kennen lernen und ins Manchmal muss man sich zuerst um das Hindernis küm- Herz schließen. Danach kann man sich wieder dem Opfer mern. Der Übende weigert sich unbewusst, seinen Schmerz der Ablehnung - hier dem Teil seiner selbst, der hasst - zu- zu fühlen, weil er Angst hat, dass dieser Schmerz unerträg- wenden und auch ihm sein Herz öffnen. Beide Teile haben - lich ist. Wenn der Übende diese Angst äußert oder vom An- das ist wichtig zu wissen - nebeneinander im Herzen Platz; leitenden, der sie gespürt hat, auf ihr Vorhandensein hinge- das Herz ist in der Lage, unterschiedslos alles aufzunehmen wiesen wird und sie entdeckt, muss er sich zuerst um diese und zu verstehen. Es ist nicht notwendig, das eine mit dem Angst kümmern (wiederum indem er sie als Körper- und anderen zu versöhnen oder in einen sinnvollen oder har- als Gemütszustand kennen lernt und ihr sein Herz öffnet). monischen Zusammenhang zu bringen; das eine muss auch Die Angst muss da sein dürfen, verstanden, respektiert und nicht das andere ersetzen oder auslöschen; man muss auch mit Erbarmen und Mitgefühl umfangen werden. Mögli- keine Synthese suchen - man muss einfach beides kennen cherweise muss man an dieser Stelle die Sitzung beenden, lernen, würdigen und annehmen, also ins Herz schließen, damit der Übende sich zunächst einmal genügend Zeit das ist genug. So wie die Sonne, wie es schon in der Bibel nimmt, um diese Angst auch im täglichen Leben zu würdi- heißt, auf Gute und Böse scheint, so macht auch die Liebe gen und anzunehmen, bevor er sich daranmacht, den nächs- des Herzens keine Unterschiede. Sie versteht und umfängt ten Schritt - den gefürchteten Schmerz zu fühlen - zu un- alles, einfach deshalb, weil es existiert. ternehmen. In vielen Fällen reicht es jedoch aus, der Angst für einen Augenblick vollkommene Aufmerksamkeit zu 4. Übertragung schenken und sie ins Herz zu holen, um dann bereit zu sein, Wie in einer Psychotherapie, so kann auch bei der Partner- sich dem Schmerz zuzuwenden. übung der körperzentrierten Herzensarbeit das Phänomen Grundsätzlich gilt: Wann immer ein Hindernis auftaucht, der Übertragung vorkommen. Das heißt, der Übende ver- muss man sich zuerst um das Hindernis kümmern (indem wechselt den Anleitenden unbewusst mit einem oder man es als Körperzustand und als Gemütszustand kennen beiden Elternteilen oder sonstigen prägenden Autoritäten lernt und ins Herz schließt), bevor man sich dem zuwendet, seiner Kindheit und beginnt ihn in seine Problematik einzu- was durch das Hindernis verdeckt oder verhindert wurde. beziehen, beispielsweise, indem er plötzlich trotzig auf An- Wenn beispielsweise das Gefühl Hass auftaucht und der weisungen reagiert. 204 205, Aus meiner Erfahrung heraus scheint mir hier das Wich- eine neue Technik, mit deren Hilfe man eine Übertragung, tigste zu sein, dass der Anleitende sich bemüht, im Herzen in die man sich verwickeln ließ, als Hinweis auf ein eigenes zentriert zu bleiben - also eine offene, wohlwollende, un- Problem nutzen und diesem Problem auf heilende und er- persönliche und mitfühlende Haltung beizubehalten, an- lösende Weise auf den Grund gehen kann. statt sich persönlich treffen zu lassen und mit einer Gegen- reaktion zu antworten. Fühlt man sich als Anleitender 5. Der Übende meint, ein Gefühl nicht ins Herz jedoch persönlich betroffen, so sollte man dies bewusst schließen zu können, weil es ja gerade sein Herz sei, wahrnehmen und sich einen Augenblick Zeit nehmen, um das verletzt ist sich im Stillen um sein Gefühl zu kümmern und es ins Herz Hier hilft es, einfach zu sagen: »Es klingt paradox, aber du zu holen. Anschließend kann man die Aufmerksamkeit des kannst die Verletzung, unter der dein Herz leidet, ins Herz Übenden auf das in ihm neu aufgetauchte, aus der Übertra- holen. Du kannst ihr dein Herz öffnen, indem du mit dir sel- gung entstandene Gefühl lenken - hier Trotz: »Fühlst du ber mitfühlst und mit deinem Schmerz Erbarmen hast.« dich jetzt trotzig? Bitte erlaube deinem Trotz, da zu sein, Das Herz kann nicht eigentlich verletzt werden, auch und schenke ihm für einen Augenblick deine Beachtung wenn es sich manchmal so anfühlt. Das, was im Allgemei- und Achtung.« Nun ist der Trotz Gegenstand der weiteren nen verletzt wird, ist unser Ego - das, was wir für unser Ich Übung - Körper, Emotion, Herz -, denn er ist es, der jetzt im halten, unsere falsche Vorstellung von uns selbst. Jede Krän- Vordergrund steht und der Zuwendung bedarf. kung, Herabsetzung, Verhöhnung, Nichtbeachtung, »Ver- Falls Sie als Anleitender in eine Übertragung verwickelt letzung« unser selbst trifft nicht unser Herz, sondern unse- werden, nehmen Sie das bitte als Anlass für Ihre eigene re Person - das, was wir fälschlicherweise für unser Ich Übung. Setzen Sie sich nach der betreffenden Partnerübung halten. Nehmen wir einen solchen Angriff mit dem Herzen allein hin und gehen Sie der Sache auf den Grund. Verge- auf, so trifft er auf keinen Widerstand, sondern auf Mitge- genwärtigen Sie sich den Moment der Partnerübung, an fühl: Anstatt uns angegriffen zu fühlen, fühlen wir einfach, dem Sie begannen, persönlich zu reagieren (beispielsweise was der »Angreifer« fühlt; und da wir es unmittelbar mit Ärger, Abwehr, Angst, Mitleid, Sympathie), und steigen fühlen, verstehen wir es auf diese unmittelbare Art, in der Sie hier in die Übung der körperzentrierten Herzensarbeit das Herz versteht. Das ist alles. Im Herzen gibt es kein ab- ein: Nehmen Sie wahr, was in Ihrem Körper geschieht, wäh- gegrenztes Ich, das verletzbar wäre. Selbst wenn wir von rend Sie bewusst atmen, und konzentrieren Sie Ihre Wahr- einem geliebten Menschen, dem wir vertraut haben, ent- nehmung in der betroffenen Region; stellen Sie fest, wie Sie täuscht werden, kann unser Herz, wenn wir es zulassen, die sich fühlen, während Sie Ihr Bewusstsein und Ihren Atem in innere Realität dieses Menschen fühlen und verstehen. dieser Zone konzentrieren, und öffnen Sie diesem Gefühl Allerdings kann das Herz »brechen«, und zwar aus Liebe Ihr Herz. - wenn man beispielsweise gezwungen ist, jemanden zu Dies ist ein Hinweis, der besonders auch für Therapeuten verletzen, den man liebt (beispielsweise, indem man seinen nützlich ist. Natürlich lernt man als Therapeut, mit Über- Partner verfässt), oder wenn man erfährt oder erlebt, wie tragungen umzugehen; man lernt sie für die Therapie zu ein Unschuldiger gefoltert oder getötet wird, wie Men- nutzen, was sehr wertvoll sein kann. Hier aber geht es um schen unter Ausbeutung, Unterdrückung, Ungerechtigkeit,, Seuchen oder Hunger leiden oder wie Vertrauen oder Arg- sen Zustand kennen zu lernen, zu würdigen und anzu- losigkeit missbraucht wird. Eigentlich bricht nicht das Herz, nehmen. Er lädt das Gefühl, das sich dahinter verbirgt, sondern es brechen die Schalen, die es umgeben, sodass die ein, in sein Bewusstsein zu kommen, indem er ihm sagt, Liebe hervorkommen und sich ausbreiten kann. Aber man dass er bereit ist, es anzunehmen und zu respektieren. empfindet es als »gebrochenes« Herz. Dann atmet er weiter bewusst und bleibt mit seiner Auf- merksamkeit im Zustand der Nebelhaftigkeit. Früher 6. Wenn es vage oder nebulös wird oder später wird das Gefühl, das den Nebel verursacht Es kommt vor, dass der Übende während einer Sitzung hat - irgendeine Form von Angst -, zutage treten. Der plötzlich den Eindruck hat, dass alles verschwimmt, dass er Anleitende kann den Teil der Persönlichkeit des Übenden, Körperempfindungen und Gefühle nicht mehr wirklich er- der sich als »Nebel« manifestiert, auch auffordern, sich zu lebt, sondern eher ahnt, und alles in einem diffusen Nebel äußern. »Bitte geh in diesen Nebel hinein und lerne ihn verschwindet. Die Möglichkeiten: von innen kennen... Was hat dieser Nebel denn zu sagen? Was möchte er gern äußern, wenn du ihm seine Stimme - Man geht davon aus, dass es sich nur um eine vorüberge- leihst?« Auf diese Weise wird der Übende in die Lage ver- hende Trübung oder Ermüdung der Wahrnehmung han- setzt, den Teil seiner selbst, der den Nebel bildet, zu ver- delt. In diesem Fall kann man das Erleben wieder leben- stehen, sodass er ihm mit Leichtigkeit sein Herz öffnen diger machen, indem man den Atem und die Bewusstheit kann. »anfacht«. Der Übende wird aufgefordert, sich sein Aus- - Der Übende (wenn er allein übt) oder der Anleitende mo- gangsproblem wieder deutlich zu vergegenwärtigen, wäh- bilisiert »unbeugsame Absicht«. Das ist ein Begriff, den rend er zugleich tiefer und kräftiger atmet und sich wei- Carlos Castaneda bzw. sein Lehrer, der Schamane Juan terhin auf die betreffende Körperregion oder Emotion Matus, geprägt hat. Er trifft genau das, was man braucht, konzentriert. Mit dem Atem lädt er seine Empfindungen wenn man eine Sitzung mit sich selbst oder mit einem und Gefühle ein, in sein Bewusstsein zu kommen, sodass Partner über einen toten Punkt hinweg zu Ende bringen sie fühlbar werden. will. »Ich stehe nicht eher auf, bis ich dieser Sache auf den - Man kehrt zurück zur Ausgangssituation. Der Übende Grund gegangen bin.« Diese unbeugsame Absicht braucht vergegenwärtigt sich von neuem das Problem bezie- ein übergeordnetes Motiv - und zwar das Motiv, das uns hungsweise die Situation, von der er ausgegangen war, bei unserer Arbeit mit Körper, Herz und Seele überhaupt und lenkt erneut seine Aufmerksamkeit auf den Körper. leitet; der Wert, den wir am höchsten schätzen: zum Bei- - Man geht aufgrund einer Ahnung, eines Wissens oder spiel Liebe oder Wahrheit oder Freiheit. einer Eingebung (des Übenden oder Anleitenden) davon aus, dass der Nebel die Folge eines Widerstands ist. In die- Wenn also alles verschwimmt oder Nebel oder Müdigkeit an sem Fall kann man die atemverbundene Wahrnehmung einem Punkt auftaucht, an dem der Prozess noch lange nicht auf den nebelhaften Zustand selber richten. Der Übende beendet ist, mobilisiert man dieses Motiv - seine Liebe zur begibt sich ganz in das nebelhafte Gefühl hinein und wid- Wahrheit, zur Freiheit, zur Liebe oder zu welchem höchsten met ihm seine ausschließliche Aufmerksamkeit, um die- Wert auch immer - zusammen mit einer unbeugsamen Ab- 208 209, sieht. Wenn dies aus ganzem Herzen geschieht, verschwin- im Bauch ... Bis hierhin geht er (oder der Anleitende) viel- den die Hindernisse, und die Arbeit kann weitergehen. leicht noch vertrauensvoll mit, doch wenn dann das Symp- tom weiterwandert in den Kopf und, sobald man im Kopf 7. Wenn der Übende nicht aufhört zu weinen angekommen ist, in die Arme, beginnt er sich zu fragen, ob Wenn jemand beim Auftauchen der Emotion zu weinen be- das nicht ein Versteckspiel ist. »Sobald ich mich auf eine ginnt und damit nicht aufhören kann, muss er daran erin- Verspannung in einem bestimmten Körperteil konzentriere, nert werden beziehungsweise sich selbst daran erinnern, meldet sich ein anderer; was soll ich tun?« dass es um bewusstes Wahrnehmen geht und dass er sich Zunächst sollte er einmal mitwandern mit der Auf- nicht davontragen lassen soll von seinem Gefühl. Der Atem- merksamkeit. In manchen Fällen handelt es sich nicht fluss soll, wenn irgend möglich, nicht durch das Weinen un- um ein Versteckspiel, das der Übende mit sich selbst oder terbrochen, der Atem nicht durch Schluchzen »abgewürgt« mit dem Anleitenden spielt, sondern um eine Aufdeckung werden. Wenn ein Schmerz so stark ist, dass der Übende immer tieferer Schichten. Wir entdecken Verspannung oder nicht anders kann, als heftig zu weinen, so kann er sich doch Schmerz erst im Hals, und wenn wir uns darauf konzen- zugleich an Wahrnehmen und Atmen erinnern, was dazu trieren, meldet sich der Rücken, und wenn wir unsere Auf- führt, dass er, während er weint, zugleich heftig atmen wird merksamkeit im Rücken gesammelt haben, der Bauch. Hier und der Atem eine ähnliche Dynamik bekommt wie beim schließlich finden wir vielleicht den Kern des Problems. Rebirthing (stoßweiser, schneller, heftiger Atem bis hin zur Wenn man nach einer Zeit des Mitwanderns allerdings Hyperventilation). Das ist ganz in Ordnung; es ist förderli- den Eindruck gewinnt, dass das Unternehmen sinnlos ist, cher für die Übung, als einfach zu schluchzen und auf den weil das Symptom offenbar endlos weiterwandern will, Tränen davonzuschwimmen. Hiermit ist nicht viel gewon- dann sollte man zu dem ersten Körperteil zurückkehren, in nen außer ein wenig Erleichterung. Es gibt Menschen, die dem sich eine auffallende Reaktion manifestiert hat, und über ein und denselben Kummer über Jahre hinweg immer dort einfach die Aufmerksamkeit ruhen lassen (beziehungs- wieder Tränen vergießen können, ohne dass sich an dem weise den Übenden auffordern, seine Aufmerksamkeit dort Kummer etwas ändert. Wenn man stattdessen bewusste ruhen zu lassen) - ganz gleich, welcher andere Körperteil Wahrnehmung und Atembewusstsein einschaltet, wird der sich daraufhin melden mag. »Bitte geh zurück in den Hals. Kelch des Kummers bis zur Neige geleert; der Kummer Ich glaube, es ist gut, wenn du einfach dort verweilst, ganz wird vollständig vom Herzen aufgenommen und verwan- gleich, was sonst in deinem Körper geschieht, und wahr- delt sich dort, wie alles, was vollständig vom Herzen aufge- nimmst, was im Hals vor sich geht.« Wenn die Absicht und nommen wurde, in Liebe. Das heißt, anstatt endloser Wie- Aufmerksamkeit des Übenden beziehungsweise des Anlei- derholung ereignet sich Transformation. tenden unerschütterlich, ruhig und beharrlich ist und vom Herzen ausgeht - das heißt von Liebe, Achtung und Mitge- 8. Wenn die Symptome nicht aufhören zu wandern fühl bestimmt ist -, wird der Übende schließlich das Gefühl Manchmal wandern die Symptome, sobald der Übende entdecken, das sich in der betreffenden Stelle des Körpers seine Aufmerksamkeit nach dem »Einstieg« auf den Körper versteckt hatte und vor der Entdeckung in andere Körper- richtet. Erst fühlt er etwas im Hals, dann im Rücken, dann zonen geflüchtet war. 210 211, 9. Wenn man meint, nicht mit dem Bewusstsein < Wer im eigenen Innern einige Male die Erfahrung gemacht in eine betroffene Körperzone hineinzugelangen hat, wie sein Herz sich einem zuvor verstoßenen Gefühl Nach dem »Einstieg« war der erste Schritt der Übung fest- oder einem abgelehnten oder ungeliebten Teil seiner selbst zustellen, wo und wie der Körper auf das Problem reagiert. geöffnet hat, dem werden im kritischen Moment die zün- Anschließend geht es darum, in die betroffene Körperzone denden Worte einfallen. Wenn die Worte des Anleitenden mit Bewusstsein und Atem hineinzugehen. Manchmal von Herzen kommen und von Mitgefühl und Achtung ge- kommt es vor, dass jemand meint, nicht hineingelangen zu tragen sind, werden sie auch das Herz des Übenden errei- können. »Da ist ein Knoten im Solarplexus; ich kann den chen. Hilfreich ist in vielen Fällen auch der Gedanke: Alles Knoten von außen wahrnehmen - er ist hart und dunkel -, braucht Liebe, ganz einfach deshalb, weil es da ist. aber ich kann nicht hinein.« Hier reicht es, dem Übenden zu Manchmal ist der Vorgang des sich öffnenden Herzens versichern, dass der betreffende Knoten ein Teil seiner selbst nicht in auffälliger Weise feststellbar; dann mag es ausrei- ist und dass es deswegen sehr wohl möglich ist, ihn von chen, dem Gefühl genügend Zeit zu geben, in der man ihm innen kennen zu lernen. Wenn dies mit Ruhe und Sicherheit seine Präsenz und seinen Atem schenkt und mit ausschließ- seitens des Anleitenden vorgebracht wird beziehungsweise licher Aufmerksamkeit für es da ist. Der Übende kann dann der Übende sich diese Tatsache bewusst macht, gelingt es sich selber fragen oder vom Anleitenden gefragt werden: ohne weiteres, das Bewusstsein in die betroffene Körper- »Gibt es noch etwas, das fehlt, damit dieses Gefühl Einlass partie hineinzubringen. ins Herz findet?« Wenn es einmal nicht gelingen sollte - ein unwahrscheinli- 11. Wenn es im Innern des Übenden einen cher Fall -, reicht es, (sich) zu sagen: »Das macht nichts. Lass Konflikt zwischen zwei Parteien gibt einfach deine Aufmerksamkeit auf dem Knoten ruhen und nimm deinen Atem wahr.« Oder: »Das macht nichts. Stell Es kommt vor, dass der Übende zwei Gefühle oder zwei dir einfach vor, im Innern des Knotens zu sein.« Wesensteile in sich entdeckt, die einander widersprechen oder bekämpfen. Die beiden Gefühle oder Wesensteile müs- 10. Wenn man nicht weiß, wie man sein Herz öffnet sen nacheinander behandelt werden. Manchmal gibt es Auf diesen Punkt bin ich schon einige Male eingegangen. noch ein drittes Ich, das zwischen diesen beiden steht und Hier noch einmal die hilfreichen Stichworte: unter dem Konflikt leidet. Man beginnt mit derjenigen der drei Parteien, die im Vordergrund steht - die also im Augen- - Erbarmen blick stärker wahrnehmbar oder leichter zugänglich ist, - Mitgefühl mit sich selbst vergegenwärtigt sie sich, lässt sie eventuell zu Wort kom- - Verständnis men, nimmt wahr, was dabei im Körper geschieht, und geht - Achtung die drei Stufen Körper - Emotion - Herz durch, bevor man - Anerkennung sich den anderen Parteien auf die gleiche Weise zuwendet. - Liebe Wie bereits erwähnt, können alle problemlos nebeneinan- - die Vorstellung, sich selbst (gegebenenfalls das innere der im Herzen existieren. Es ist nicht nötig, weitere Schritte Kind) mitsamt dem betreffenden Gefühl zu umarmen zu ihrer Versöhnung oder Vereinbarung zu unternehmen., 12. Wenn der Übende nicht aufhört, 13. Wenn die Gefühlsregung so stark ist, dass man wütende Gedanken zu äußern nicht in der Lage ist, irgendeine Technik anzuwenden Ebenso wie manche Menschen mit ihren Tränen davon- Es kann vorkommen, dass etwas geschieht im Leben, das schwimmen und sich in Traurigkeit vergessen, kommt es einen so sehr überwältigt, schockiert oder in einen so star- auch vor, dass ein Mensch so von seiner Wut eingenommen ken Schmerz stürzt, dass man nichts weiter tun kann, als ist, dass er seine Bewusstheit darin verliert. Fordert man ihn sich der Emotion zu überlassen. Man weiß, man sollte auf, seine Wut wahrzunehmen, so sagt er zum Beispiel: »Ich atmen, wahrnehmen und sein Herz öffnen, aber man ist so nehme sie doch wahr. Ich bin verdammt sauer. Dieser XY ist verzweifelt, dass man zu nichts in der Lage ist, außer zu wirklich ein Drecksack.« Jedes Mal, wenn man den Üben- weinen. den bittet, sich seiner Wut zuzuwenden, versichert er wü- Hier muss man den Emotionsanfall einfach durchstehen, tend, das bereits getan zu haben, und zum Beweis liefert er möglicherweise mithilfe einer feinstofflichen Notfallmedi- eine neue Schimpftirade. zin (Homöopathie, Bach-Blüten, Aura Soma), und mög- Nachdem der Übende auf diese Weise seine Wut ausge- lichst gleich, nachdem das Schlimmste vorbei ist und man drückt hat, kann der Anleitende sagen: »Bitte lenke deine sich beruhigt hat, die drei Stufen der körperzentrierten Her- Aufmerksamkeit wieder in den Körper und nimm wahr, zensarbeit nachholen. Darauf zu verzichten, nur weil man wie sich das anfühlt, was du gerade gesagt hast. Und spüre sich wieder beruhigt hat, wäre schade; so läuft man nicht deinen Atem.« nur Gefahr, dass man einem Teil seiner selbst die dringend In Fällen wie diesen ist es hilfreich, einen Schritt zurück- notwendige Zuwendung und Aufmerksamkeit versagt, zugehen zur Körperwahrnehmung. »Bitte geh in deinen sondern man wird auch nicht des »Schatzes« teilhaftig, den Körper und schau, was er jetzt macht. Wenn du irgendwo man finden kann, wenn man durch alle Phasen des Wahr- eine Verspannung oder einen auffälligen Zustand wahr- nehmens und Annehmens hindurchgeht. nimmst, melde es.« Der Körperzustand muss noch einmal ausführlich erlebt 14. Beim Üben mit einem Partner: und gewürdigt werden, bevor man sich von neuem der Wenn der Anleitende von der Methode abweicht Ebene des Gemütszustands zuwendet. Wichtig ist auch, daran zu erinnern, die Bewusstheit ein- In meinen Gruppen habe ich beobachtet, dass die Anleiten- zuschalten: »Bitte identifiziere dich nicht mit deiner Wut, den gelegentlich auf andere Methoden ausweichen, die sie sondern lerne sie bewusst kennen. Um das tun zu können, gelernt haben. Beispielsweise fordern sie den Übenden musst du einen Schritt zurücktreten und mit dem Beobach- plötzlich auf, goldenes Licht zu visualisieren, etwas auf- ter in deinem Innern eins werden. Atmen und beobachten.« zulösen, loszulassen, fortzuatmen, umzuwandeln oder eine Dieses Beobachten allerdings geschieht fühlend und spü- Lösung zu suchen. rend nicht mental, sozusagen von oben herab. Wenn der Übende bemerkt, dass der Partner, der ihn an- Daran muss man ebenfalls erinnern, falls der Übende leitet, von der einfachen Methode des Wahr- und Anneh- seine Wut nicht mehr fühlen kann, sobald er versucht, sie zu mens (also der körperzentrierten Herzensarbeit) abweicht, beobachten. kann, darf und soll er die Führung und Verantwortung 214 215, selbst übernehmen. »Bitte entschuldige, aber ich möchte zur oder man nicht mehr weiß, was die ganze Übung eigentlich Körperwahrnehmung zurückkehren. Lass mich noch einen soll. Welches Ausweichmanöver auch immer das Unter- Augenblick bei dieser Verspannung verweilen und sie ein- bewusstsein sich einfallen lässt: Unbeugsame Absicht lässt fach wahrnehmen. Ich möchte sie kennen lernen.« Niemand uns einfach ruhig sitzen bleiben und mit konzentrierter wird das übel nehmen. Oft geschieht das Ausweichen auf Aufmerksamkeit am Ball bleiben. Und immer lichtet sich eine andere Methode deshalb - wie die Betreffenden mir der Nebel, verschwindet die Müdigkeit, taucht schließlich nachher erzählt haben -, weil der Anleitende nicht mehr das auf, was auftauchen soll. weiterwusste und etwas Bekanntes brauchte, an dem er sich festhalten konnte. Was das Visualisieren von Licht, das bewusste Auflösen Das höchste Motiv oder Umwandeln von Zuständen anbelangt, so kennen wir Diese »unbeugsame Absicht« - auch das erwähnte ich - meine Helfer und Übungspartner und ich - diese Metho- schon - muss gekoppelt sein mit dem allerhöchsten Motiv den aus eigener Erfahrung. Wir haben jedoch festgestellt, des Übenden. Für jeden Menschen, der sich auf den spiritu- dass die Wandlung, die durch atemverbundenes Wahrneh- ellen Weg begibt, existiert ein zentrales Motiv, eine Qualität, men und Annehmen von selber geschieht, wesentlich wirk- die er höher schätzt als alle anderen und der er mit seinem samer und tiefgreifender ist als eine Veränderung, die man Leben und Streben dienen möchte. Natürlich muss es das mithilfe kreativer Imagination willentlich vornimmt. Motiv sein, das im Herzen wirklich vorherrscht, und nicht eines, das man sich zurechtzimmert anhand dessen, was El- Auf zwei Stichworte möchte ich zum Schluss noch näher tern, Erzieher, Kirche, Gurus einem beigebracht haben. Die eingehen, weil sie so hilfreich sind. Sie sind »Universal- Übung gelingt immer, wenn ich die Haltung unbeugsamer schlüssel«, die in allen schwierigen Fällen die Türen öffnen Absicht mit diesem allerhöchsten Motiv verbinde - indem können. ich mir sage: der Wahrheit zuliebe (oder aus Liebe oder wie auch immer dieses höchste Motiv lautet) will ich dieser Sache auf den Grund gehen, will ich dieses Gefühl aus der Die unbeugsame Absicht Verbannung befreien und ins Herz holen. Dieser Ausdruck - ich erwähnte es schon - trifft genau die Haltung, die man braucht, wenn man einem inneren Phä- nomen, einem Gefühlsknoten, einem Problem, einem Ge- mütszustand, auf den Grund gehen möchte. »Nichts bringt mich von diesem Fleck weg, bis ich diesem Phänomen auf den Grund gegangen bin.« Diese unbeugsame Absicht kann einem über alle Hinder- nisse hinweghelfen: Wenn man müde wird, wenn alles ver- schwimmt und undeutlich wird, wenn man plötzlich keine Lust mehr hat, Gedanken an Kaffee und Kuchen auftauchen 216 217, 4. KAPITEL wie man sich darin fühlt; das Gleiche dann mit Möglich- keit B und eventuellen weiteren durchspielen. Auf diese

Beispiele für eine Weise erfährt man, wie man sich - jenseits dessen, was Ver-stand und Vernunft sich erdacht haben - tatsächlich mit den

problemorientierte Anwendung zur Wahl stehenden Möglichkeiten fühlt. Anschließend zen- triert man sein Bewusstsein im Herzen (wer bereits einige der körperzentrierten Herzensarbeit Male körperzentrierte Herzensarbeit praktiziert hat, wird dazu ohne weiteres in der Lage sein) und bleibt für eine Weile mit Bewusstsein und Atem im Herzen gesammelt. Krisensituationen Dann denkt man an Möglichkeit A, als wäre sie schon Rea- Man muss sich die Krise - die Umstände, Beziehungen und lität, und nimmt wahr, was im Herzen vor sich geht; das Probleme, die die Krise ausmachen - in aller Deutlichkeit Gleiche praktiziert man dann mit B und C usw. Auf diese vergegenwärtigen und dann mit der Aufmerksamkeit in Weise bekommt man einen Eindruck von der Wahl, die man den Körper gehen. treffen würde, könnte man frei nach dem Herzen entschei- In Krisenzeiten empfiehlt es sich, sich täglich oder jeden- den. falls so oft wie möglich hinzusetzen und sich mit der Drei-, Wenn der Eindruck nicht klar genug ist, kann man sein Stufentechnik der körperzentrierten Herzensarbeit um das Herz auch einfach befragen. Die Frage muss einfach, klar zu kümmern, was am jeweiligen Tag ansteht - das, was und ehrlich sein. Anschließend bleibt man einfach im Her- einen am meisten bedrückt, wovor man Angst hat, was zen gesammelt und nimmt seinen Atem wahr. Man sollte einen traurig macht etc. Wenn kein besonderes Problem an- nicht nach einer Antwort suchen oder Ausschau halten, son- steht, sollte man einfach erstens den Zustand des Körpers dern einfach still und gesammelt sitzen bleiben. Auf die eine wahrnehmen und sich ihm für eine Weile liebevoll zuwen- oder die andere Weise wird das Herz antworten - wenn den, zweitens erforschen, wie man sich im Körper fühlt, nicht während der Sitzung, dann danach. und die Aufmerksamkeit auf dem Gefühl ruhen lassen und Man kann das Entscheidungsproblem auch mit einem drittens sich selber samt seinem momentanen Zustand ins Partner angehen, indem man seinen Übungspartner bittet, Herz schließen. mit dem Herzen zuzuhören und Feedback zu geben. Man erzählt von Möglichkeit A, als sei sie bereits Realität, und der Übungspartner hört mit dem Herzen zu und schildert Entscheidungsfragen anschließend, was er während der Erzählung gefühlt, ge- Wenn man die Wahl zwischen zwei oder mehreren Mög- spürt oder sonst wie wahrgenommen hat; das Gleiche ge- lichkeiten hat und sich nicht entscheiden kann: Dann sollte schieht dann mit B und den eventuellen weiteren Möglich- man sich Möglichkeit A vorstellen, als wenn sie sich schon keiten. Der Übungspartner hüte sich aber davor, seine realisiert hätte; mit dem Bewusstsein in den Körper gehen Wahrnehmungen irgendwie zu interpretieren oder seinen und feststellen, wo und wie er reagiert; in den betreffenden persönlichen Standpunkt hineinzubringen; hier geht es da- Zonen Bewusstsein und Atem konzentrieren; feststellen, rum, dass der Übende zur Stimme seines eigenen Herzens 218 219, findet, und dies kann eine sehr leise Stimme sein, deren denkt also an Helsinki und wendet dann, angeleitet von Wahrnehmung ein Partner, der sich mit eigenen Ansichten ihrer Freundin, ihr Bewusstsein ihrem Körper zu. Was tut oder Interpretationen einmischt, vielleicht unmöglich sich in ihrem Körper, während sie an Helsinki denkt? So- macht. Feedback zu geben bedeutet hier zu sagen: »Als phie beobachtet Druck auf den Schultern und Verspannung du von A erzähltest, habe ich kalte Füße bekommen. Bei B im Rücken. Sie geht in die betroffenen Zonen mit ihrem Be- habe ich gar nichts gefühlt, habe allerdings gesehen, dass wusstsein hinein. Sie nimmt Druck und Anspannung wahr, deine Stirn gerunzelt war. Bei C tauchte in mir Freude auf. die sich verstärken, und während sie dies beobachtet und Ich weiß nicht, ob es meine eigene Freude war oder deine; bewusst atmet, taucht der Gedanke an ihren Vater auf. So- jedenfalls tauchte Freude auf, und du sprachst etwas leb- phie erkennt, dass Helsinki die Wahl ist, die sie sich zu tref- hafter.« fen verpflichtet fühlt, um den Anforderungen ihres Vaters Die Auswertung dieser Informationen überlasse man gerecht zu werden. Sie mobilisiert Mitgefühl und Verständ- dem Übenden ganz allein. Falls der Übende sich für diese nis für ihre Not - das Gefühl, unter Druck zu stehen - und Auswertung beim Partner Rat holen möchte, sollte der Part- öffnet auf diese Weise ihr Herz für sich selber. Rücken und ner nur in der Weise helfen, dass er den Übenden ermuntert, Schultern fühlen sich bald freier an. Nun fordert ihre Freun- laut zu denken, und ihm wiederum mit dem Herzen zuhört din sie auf, im Herzen zentriert zu bleiben und sich noch Der Übungspartner kann von Zeit zu Zeit wiedergeben, einmal vorzustellen, nach Helsinki zu dem Kongress zu rei- was der Übende gesagt hat, um diesem zu mehr Klarheit zu sen. Was sagt ihr Herz? Wie fühlt sich Sophie jetzt mit die- verhelfen, oder ihm gegebenenfalls wieder Feedback geben. ser Vorstellung? Sie erkennt, dass der Kongress sie in Wirk- Auf keinen Fall sollte er aber helfen, zu interpretieren oder lichkeit momentan nicht interessiert. eine Entscheidung zu treffen. Das würde dem Zweck der Sophie verbringt also einen erholsamen Urlaub am Meer. Übung widersprechen. Ein Fallbeispiel: Sophie weiß nicht, wie sie ihre Ferien ver- bringen soll. Soll sie nach Helsinki zu einem Kongress reisen, Zwischenmenschliche Konflikte der sie interessiert, oder einfach einen erholsamen Urlaub Nehmen wir an, Sie haben Streit. Sie können Ihren Partner am Meer verbringen? Eigentlich braucht sie Erholung, aber oder Gegner nicht von Ihrer Meinung überzeugen und er zu dem Kongress kommen viele wichtige Referenten, da- Sie nicht von seiner. Vielleicht ist es ein Streit über tief ge- runter einige, denen sie immer schon mal begegnen wollte. hende Themen - wie beispielsweise Emanzipation in der Sophie setzt sich mit ihrer Freundin und Trainingspartne- Ehe -, vielleicht einer von eher oberflächlicher Art - wie rin hin, um herauszufinden, welche Wahl ihr Herz treffen etwa die Frage einer Gehaltserhöhung, die zwischen Ihnen möchte. Sie erzählt von allen drei Möglichkeiten, während und Ihrem Chef ungeklärt ist und Unzufriedenheit erzeugt. ihre Freundin sich bemüht, mit dem Herzen zuzuhören. Setzen Sie sich hin und vergegenwärtigen Sie sich das Schließlich gibt die Freundin Feedback: Bei der Möglichkeit, strittige Thema und die Person, mit der Sie streiten. Den- »einfach in Urlaub zu fahren«, hat sie - wie sie meint - ken Sie eine Weile über das Thema nach und beobachten nichts gefühlt; bei Helsinki stellte sich starke Aufregung ein. Sie, was Sie denken. Vielleicht rechtfertigen Sie sich in Ge- Sie beschließen, sich Helsinki näher anzuschauen. Sophie danken, vielleicht greifen Sie den anderen aber auch an 220 221, oder setzen ihn herab. An der Stelle, wo Ihr Unmut, Ihr düng; immer enthüllt er durch die atemverbundene Kör- Ärger, Ihre Unzufriedenheit, Wut oder was auch immer der perwahrnehmung, wenn diese konsequent durchgeführt Streit in Ihnen hervorruft für Sie selbst deutlich spürbar wird, tiefere Schichten von Emotionen, die mit der Person, wird, steigen Sie in die Übung ein. Sie gehen in den Körper, welche den aktuellen Ärger ausgelöst hat, nichts zu tun schauen, wie und wo er reagiert; konzentrieren Ihr Be- haben - meist Emotionen aus früher Kindheit. wusstsein und Ihren Atem in der betroffenen Region und Es lohnt sich, den Ärger weder als lästiges Ärgernis zu be- lernen deren Zustand von innen kennen; dann fragen Sie trachten noch ihm einfach Nahrung zu geben durch ständi- sich, wie Sie sich fühlen, während Sie in dieser verspannten ges Wiederkäuen unserer empörten Gedanken, sondern ihn Körperregion anwesend sind und atmen; schließlich erle- zu nutzen als Signal, das uns auf eine tief liegende, nicht ben und würdigen Sie dieses Gefühl ganz bewusst und verheilte Wunde aufmerksam machen will. Diese Wunde holen es dann ins Herz. macht durch den Ärger auf sich aufmerksam, damit wir ihr Erst wenn alle Gefühle, die in Ihnen im Zusammenhang die heilende Zuwendung schenken können, die sie braucht. mit dem strittigen Thema vorhanden sind, vollständig er- Der Mensch, der unseren Ärger immer wieder auslöst, ist in fahren und in Ihrem Herzen angenommen, anerkannt und diesem Sinne alles andere als ein Feind; er ist ein Helfer, der aufgehoben sind, können Sie einen weiteren Schritt tun uns auf eine verborgene Wunde aufmerksam macht. Es und sich, während Sie sorgfältig darauf achten, im Herzen nützt allerdings nichts, sich diesen Zusammenhang nur gesammelt zu bleiben, innerlich Ihrem Streitgegner oder geistig klarzumachen, um dann aufgrund dieses intellektu- Partner zuwenden und schauen, ob Sie schon in der Lage ellen Verständnisses zu versuchen, dem Betreffenden dank- sind, von Herz zu Herz mit ihm Verbindung aufzunehmen. bar zu sein, anstatt sich über ihn zu ärgern. Nur wenn wir Wenn Sie dieser Versuch aus dem Herzen heraus- und in den Ärger vollständig zulassen und ebenso vollständig an- den alten Ärger hineinbringt, beenden Sie ihn augenblick- nehmen (also in unser Herz aufnehmen), werden wir wirk- lich und kehren zu Ihren eigenen Gefühlen zurück, um lich in der Lage sein, dem Auslöser des Ärgers von innen ihnen all die Zuwendung und Achtung zu geben, die sie heraus ein anderes Gefühl entgegenzubringen - Mitgefühl, brauchen, bevor Sie in der Lage sind, Ihr Herz dem ande- Dankbarkeit, Verständnis, Achtung oder Liebe. Den Wandel ren zu öffnen. zum Positiven bewirkt man nicht durch absichtliches Um- wandeln des Negativen in Positives - also Ablehnung des Negativen; durch Annahme des Negativen geschieht er von Hartnäckiger Ärger über eine bestimmte Person selbst. Vergegenwärtigen Sie sich die betreffende Person in einer Situation, die Ihren Ärger in besonders deutlicher Weise Probleme aller Art ausgelöst hat. Atmen Sie bewusst, während Sie sich die Situation vorstellen, und steigen Sie dann in die Übung ein: Um zu zeigen, wie anhand verschiedener Alltags- und Le- Körperwahrnehmung, Emotion, Herz. bensprobleme der »Einstieg« in die Übung gefunden wer- Chronischer, jahrelang auftretender Ärger braucht mögli- den kann, skizziere ich kurz zwei typische Probleme und cherweise mehr als eine Sitzung der ausführlichen Zuwen- zeige auf, wie man hier in die Übung einsteigen kann. 222 223, 1. Susannes Problem liegt darin, dass sie gern das genießt, was sie »gutes Essen«, und hier in die Übung einsteigt: Was ge- »gutes Essen« nennt - Fleisch mit fetten Saucen, Nudelgerichte, schieht in ihrem Körper, in ihrer Psyche bei dieser Vor- Kuchen -, aber zum Dickwerden neigt und Angst hat, dass ihr stellung? Vielleicht taucht Angst auf (mancher hegt unbe- Freund sie nicht mehr mag, wenn sie zu viel Speck ansetzt. wusst Angst vor dem Verhungern), vielleicht Trotz, Wut, Erbitterung. Was auch immer es ist: Sie muss es wahrneh- Hier sehe ich zwei Ansatzpunkte für einen Einstieg in die men, atmen und ins Herz holen. Übung. 2. Katja streitet oft mit ihrem Mann. Es stört sie, dass ihr Mann - Zum einen: Angst. Susanne könnte sich als Erstes um die fast nie zu Hause ist, weil sein Arbeitgeber ihn - ihrer Auffassung Angst, ihr Freund könne sie nicht mehr mögen, küm- nach deshalb, weil er zu gutmütig und zu billig ist - oft zu weit mern. Diese Angst ist ja tatsächlich vorhanden und hat entfernten Orten schickt, um dort für ihn eine Aufgabe zu erfül- ihren Anteil an dem inneren Konflikt, in dem sie steckt. len. Sie ist sicher, dass das Problem bei ihrem Mann liegt, aber sie Die Technik: Um die Angst hervorzulocken, muss Susan- bekommt ihn nicht dazu, etwas zu ändern. Er, auf der anderen ne sich vorstellen, dass ihr Freund sie nicht mehr mag, Seite, verlangt von ihr, dass sie zu Hause bleibt und nicht arbeiten weil sie zu dick geworden ist. Wahrscheinlich muss sie geht - was sie aber gern würde. Aus ihrer Sicht leidet sie unter sei- sich das anhand einer imaginären Situation möglichst nem Fehlverhalten und seiner Ungerechtigkeit. Er müsste sich än- konkret vorstellen. Dann muss sie die Wahrnehmung in dern. Nun ist sie es aber, die leidet und sich dessen bewusst ist, den Körper lenken, beobachten, wie der Körper auf diese und sie ist es, die die Veränderung wünscht. Was kann sie (allein) Vorstellung reagiert, und in die Übung einsteigen. tun? - Zum anderen: die Vorliebe für das »gute Essen«. Susanne hat diese Vorliebe in einer Weise geschildert, die sie betont Ansätze für die körperzentrierte Herzensarbeit: unverdächtig erscheinen lässt, so, als sei das etwas ganz Natürliches, worauf man ja schließlich ein Anrecht hätte. - Katja vergegenwärtigt sich eine Situation, in der sie allein Das lässt vermuten, dass sie in dieser Hinsicht nicht ganz zu Hause ist und sich darüber ärgert, dass ihr Mann mal frei ist, sondern dass es sich eher um eine Art Sucht han- wieder einen weit entfernten Job angenommen hat. Sie delt. Susanne kann das wie folgt prüfen: lässt die Erinnerung an diese Situation so deutlich werden - entweder indem sie sich eine Situation vergegenwärtigt, wie möglich und geht dann mit ihrer Aufmerksamkeit in in der der Appetit auf ein gutes Essen in ihr aufsteigt, und den Körper. Wo reagiert er? Was geschieht dort? Atmen, an dieser Stelle in die Übung einsteigt. Dann sollte sie wahrnehmen etc. wahrnehmen, was im Körper geschieht, dort die Auf- - Katja vergegenwärtigt sich einen Streit, den sie mit ihrem merksamkeit und den Atem zentrieren, aufspüren, wel- Mann zu diesem Thema hatte. Sobald die Situation in che Gefühle sich dort verbergen, und diese bewusst erle- ihrem Geist präsent ist, kann sie in die Übung einsteigen. ben, ins Herz schließen und sie fragen, wie sie sie in Zukunft besser würdigen kann. Das sind zwei Möglichkeiten, sich um die Gefühle zu küm- - oder indem sie sich vorstellt, sie verzichte fortan auf mern, die die häufige Abwesenheit des Mannes in ihr aus- 224 225, löst, und das zu entdecken, was in Wahrheit hinter ihrer gleich oder später (nachdem man eine Zeit lang der Angst Unzufriedenheit steckt. Zusätzlich kann sie bei ihrem vor der Angst erlaubt hat, da zu sein und gefühlt zu wer- Wunsch nach Veränderung ansetzen: den) erneut versuchen, sich das Allerschlimmste, was pas- sieren kann, vorzustellen. Man sage sich, dass es nicht - Katja klärt - durch Nachdenken und Vorstellung -, wel- darum geht, dieses Allerschlimmste zu beschwören und ches ihre Wünsche sind. Was soll sich verändern? Wie soll sich mit der Tatsache vertraut zu machen, dass es eintreten die häusliche Situation aussehen, damit sie zufrieden ist? wird - sondern dass man es sich nur vorstellt, um das volle Sobald sie sich das vergegenwärtigt hat, steigt sie in die Ausmaß seiner Angst kennen zu lernen. Übung ein: Körperwahrnehmung, Emotion ... Möglicher- Man sollte sich also das Schlimme, das man befürchtet, weise tauchen negative Emotionen auf. Vielleicht hat sie vorstellen und dann das Bewusstsein in den Körper lenken Angst vor einer positiven Veränderung, aus welchen und in die drei Stufen der körperzentrierten Herzensarbeit Gründen auch immer. Das wird sich bei der Übung zei- einsteigen (Körper, Emotion, Herz). Manchmal ist die Angst gen. Vielleicht taucht auch einfach Freude auf, und der leicht aufzufinden, beispielsweise wenn der Hals eng wird Wunsch und die Sehnsucht nach Veränderung sind deut- oder der Solarplexus sich zusammenzieht; manchmal aber lich spürbar und leicht ins Herz zu holen. Dann wird bemerkt man sie nicht gleich - dann achte man auf subtile Katja, wenn sie danach noch im Herzen gesammelt bleibt, Spannungen im Körper, beispielsweise ein leichtes Zusam- aus ihrem Innern heraus die Erkenntnisse erhalten, die sie mengezogensein der Körperperipherie, Anspannung der in die Lage versetzen, die gewünschte Veränderung ein- Arme (man will sich etwas vom Leib halten) oder der Vor- zuleiten. derseite des Körpers. Wie schon an anderer Stelle gesagt, - Zum Abschluss (auf keinen Fall, bevor Katja sich um ihre kann es hilfreich sein, die Angst in Worten auszudrücken, eigenen Gefühle gekümmert hat) kann Katja noch aus um ihrer als Emotion gewahr zu werden. dem Herzen heraus, sozusagen mit den Augen des Her- zens, ihren Mann anschauen und versuchen zu fühlen Schock, Trauer, Schmerz und zu verstehen, was ihn zu seinem Verhalten bewegt. Nach einem Ereignis, das Schock, Trauer oder Schmerz aus- gelöst hat, sollte man - bevor man in die körperzentrierte Angst Herzensarbeit einsteigt - einen Augenblick nur still sitzen Man kann sich das vorstellen, was man befürchtet - das Al- und ohne besondere Konzentration einfach für sich selbst lerschlimmste, was passieren kann -, und dann in die da sein. Das heißt, dass man alle Fäden der Aufmerksamkeit Übung einsteigen: Körperwahrnehmung, Emotion, Herz. sozusagen einholt. Man fühlt seinen Atem, ist ganz bei sich, Wenn man nicht in der Lage ist, sich das Befürchtete vorzu- ganz gegenwärtig im Körper, und schenkt sich selbst den stellen, weil man bereits davor Angst hat, so muss man sich Trost, den Schutz und die Wärme der eigenen Gegenwart. erst um diese Angst - die Angst vor der Angst - kümmern Wenn man dann bereit ist, mit der Übung zu beginnen, (unter »Kümmern« verstehe ich immer das vollständige vergegenwärtigt man sich das betreffende Ereignis, wäh- Wahr- und Annehmen). Anschließend kann man entweder rend man bewusst atmet (der Atem ist wie ein Seil, an dem 226 227, man sich festhalten kann, wenn man in Gefühlsabgründe zu man nicht begehren darf oder soll. Die Technik ist die glei- stürzen droht) und die Aufmerksamkeit in den Körper lenkt. che wie bei negativen Gefühlen: Vergegenwärtigen Sie sich Dann geht es weiter wie gehabt: Bewusstsein und Atem die Person, die Gegenstand Ihrer Verliebtheit oder Ihres Be- konzentrieren sich in der betroffenen Körperregion; dem gehrens ist. Gehen Sie mit der Aufmerksamkeit in Ihren darin gespeicherten Gefühl erlaubt man, aufzusteigen und Körper. Nehmen Sie Ihren Atem wahr und beobachten Sie, sich ganz auszubreiten, sodass man es von innen kennen ler- was in Ihrem Körper geschieht. Zentrieren Sie Ihre Auf- nen kann. Was auch immer geschieht, man sollte beim merksamkeit dort. Was auch immer es ist, lassen Sie es ge- bewussten Atmen und Wahrnehmen bleiben. Schließlich, schehen, erleben Sie es bewusst, aber lassen Sie sich von wenn das nicht schon von selbst geschehen ist, öffnet man nichts davontragen. Bleiben Sie beim bewussten Wahrneh- den entdeckten Emotionen sein Herz - durch Mobilisieren men und Atmen. Bleiben Sie gegenwärtig. Gleiten Sie nicht von Erbarmen, Mitgefühl, Verständnis, Achtung, Liebe oder in Fantasien ab. einfach Anerkennung oder durch die Vorstellung, sich selbst Wenn Sie Ihren Zustand auf der körperlichen und emo- mit diesen Emotionen in die Arme zu schließen. tionalen Ebene vollständig kennen gelernt, erlebt und ge- würdigt haben, öffnen Sie Ihr Herz für alle jetzt in Ihnen Verbotene oder unerwiderte Liebe vorhandenen Gefühle. Nehmen Sie Ihr Verliebtsein, Ihre Sehnsucht, Ihr Begehren, Ihr Habenwollen, nehmen Sie was Körperzentrierte Herzensarbeit - die Übung des vollstän- auch immer Sie fühlen (und egal wie Sie es bewerten) in digen, bewussten, atemverbundenen Wahr- und Anneh- Liebe, Mitgefühl und Achtung an. Wenn all dies in Ihrem mens - eignet sich nicht nur für den Umgang mit negativen Herzen aufgenommen und aufgehoben ist, bleiben Sie im Emotionen. Auch solche, die wir als positiv bewerten, wer- Herzen gesammelt und fühlen Sie Ihren Atem. den ganz anders erlebt, wenn man sie mit Atembewusstheit Erfahrungsgemäß verändert diese Übung die Beziehung körperlich und emotional vollständig erlebt und ihnen ganz des oder der Übenden zu der betreffenden Person. Die Emo- bewusst sein Herz öffnet. Freude, Zärtlichkeit, mit Liebe tion ist nun nicht mehr gerichtet - das heißt, sie drängt uns verbundene Gefühle werden nicht nur, wie wir das übli- nicht mehr zu Handlungen oder Tagträumen -, sondern sie cherweise tun, oberflächlich gestreift und in Gedanken oder verwandelt sich in einen erfüllten und lebendigen Zustand, Handlungen aus uns herauskanalisiert, sondern vollständig der in sich selbst ruht. Außerdem stellt sich, da nun das erlebt, und ihre Energie bleibt bei uns und kommt unserem Herz offen ist, mehr Mitgefühl und Verständnis für den an- Herzen zugute, was zu Erfüllung und Lebensfreude führt. deren ein, der nun nicht mehr so sehr ein Objekt der Begier- Das Herz wird genährt und weitet sich. Das Gleiche gilt für de ist, dafür mehr ein Mitmensch, den man eher liebt und Sehnsucht und Wünsche. Können Sie Ihre Wünsche fühlen, versteht als zu besitzen begehrt. anstatt nur um ihr Vorhandensein zu wissen? Und können Ebenso wie negative Gefühle, die sich schon vor langer Sie ihnen Ihr Herz öffnen? Auch wenn sie vielleicht uner- Zeit in uns festgesetzt haben, braucht auch diese Art von füllbar scheinen? Verliebtheit möglicherweise mehr als eine einzige Sitzung Körperzentrierte Herzensarbeit hilft auch, wenn man sich körperzentrierter Herzensarbeit und auch eine Zeit bewuss- in jemanden verliebt oder jemanden sexuell begehrt, den ter Nachsorge, wenn die Transformation von Dauer sein soll. 228 229, ÜBUNG ZU ZWEIT zu müssen. Geben Sie sich zu Beginn das Versprechen, nicht von den drei Stufen der Übung abzuweichen; andernfalls Die gleiche Übung kann man übrigens auch zu zweit, mit kann das Experiment eine andere Richtung nehmen als be- einem Liebes- oder Lebenspartner, durchführen. Wenn Sie absichtigt. Die Vertrautheit, Offenheit, Liebe und Ekstase, sich in jemanden verliebt haben, den Sie in dieser Weise die man bei der Übung erlebt, kann, wenn man sie doch mit nicht lieben dürfen/sollen/wollen (beispielsweise wegen dem Ausleben von Sex, Erotik und Emotion verbindet, zu ehelicher Bindung) und das Glück haben, dass die betref- einer Beziehung führen, die so intensiv ist, dass andere Part- fende Person erstens Ihre Gefühle und zweitens Ihre Offen- nerschaften, denen man sich eventuell verpflichtet fühlt, da- heit für spirituelle Übungen teilt, können Sie sich auch mit durch gefährdet werden können. Umgekehrt kann es auch ihr gemeinsam hinsetzen und die oben beschriebene Übung geschehen, dass die Übung zu tiefer Entzweiung führt, durchführen. dann nämlich, wenn einer der Partner das heilige Geheim- Auf diese Weise können Sie Liebe, Verlangen, Sehnsucht, nis dessen, was bei der Übung erlebt wurde, verletzt und es Zärtlichkeit und was auch immer Sie verbindet zulassen entweder zu persönlichen Zwecken missbraucht, indem er und annehmen, ohne all diese Gefühle in eine konventio- es etwa bei Streitereien ins Feld führt, oder es anderen Per- nelle Beziehung - mit Händchenhalten, Sex, Bindung und sonen mitteilt. Die Übung ist also nur etwas für Menschen, allem, was dazugehört - kanalisieren zu müssen. Seltsa- die einander unbedingte Freundschaft und Vertrauen ent- merweise macht meiner Erfahrung nach dieses gemeinsame gegenbringen und dem Weg des Herzens hundertprozentig Üben die Partner in einem Fall wie diesem eher unabhängig verpflichtet sind. voneinander, da sich alle Empfindungen und Emotionen Ganz sicher ist sie ebenso nützlich für Menschen, die eine am Schluss der Übung, wenn sie vollständig durchgeführt sexuelle und emotionale Beziehung miteinander haben und wird, in einen Zustand von Ganzheit und Erfülltsein ver- haben dürfen, für ganz normale Paare also. Indem man die wandeln und nicht mehr auf ein äußeres Objekt gerichtet Energie der Beziehung auf der sexuellen, erotischen und sind. emotionalen Ebene wahrnimmt, anstatt sie (nur) auszule- Es verlangt allerdings einen hohen Grad von Entschlos- ben, und sie ins Herz holt, kann eine neue Kraft entstehen, senheit. Wenn man sich gemeinsam mit einem Partner die zu gemeinsamen spirituellen Erlebnissen, Wahrneh- hinsetzt, um diese Übung zu machen, müssen beide darauf mungen und Inspirationen befähigt. eingerichtet sein, dass es sich um eine gefährliche Gratwan- Kurz zusammengefasst: Verzichten wir darauf, unsere derung handelt. Wenn beide keinen Augenblick lang von Gefühle von Liebe, Sehnsucht, Verlangen, Verliebtheit aus der Übung abweichen - also die ganze Zeit über darauf uns heraus- und in Gedanken, Tagträume, Erinnerungen konzentriert bleiben, das, was ist, bewusst wahrzunehmen und Handlungen hineinzukanalisieren, und nehmen sie und ins Herz zu schließen und auf jede Ablenkung zu ver- stattdessen einfach vollständig wahr und an, so verwandeln zichten -, kann es gelingen, sich gemeinsam höhere Ebenen sie sich in etwas, das uns Kraft gibt und uns »runder«, voll- der Inspiration und Verbundenheit zu erschließen, ohne die ständiger und damit unabhängiger macht. Wir können niedrigeren (das ist nicht wertend, sondern technisch ge- dann frei entscheiden - im Einklang mit den Bestrebungen meint) der Sexualität, der Erotik und der Emotion ausleben unseres allerinnersten Wesens, unserer Seele -, mit wem wir 230 231, uns auf welche Weise verbinden wollen. Wir werden weni- wusst atmend) vollständig wahrnehmen, erleben, würdi- ger getrieben und gezwungen von unseren Emotionen und gen und uns zu Eigen machen, indem wir es in unser Herz Begierden. aufnehmen - dann ist dieses Gefühl nicht mehr etwas, das In vielen Fällen tauchen, wenn wir die Übung wie be- wir uns von einem anderen holen müssen, sondern wir tra- schrieben im Fall von Verliebtheit durchführen, natürlich gen es in uns selber. Der andere hat es in uns zum Leben er- auch negative Emotionen auf, die nach Aufmerksamkeit weckt, und nun finden wir es in uns selber. Wir sind weni- schreien. Vielleicht zieht es Sie mit Macht zu jemandem hin, ger abhängig von der anderen Person. Was bleibt dann noch mit dem Sie eigentlich keine Beziehung eingehen wollen; von der Beziehung übrig? Wenn sie nur dem Zweck gedient wenn Sie sich dann hinsetzen und sich diesen Menschen mit hat, das betreffende Gefühl in uns wachzurufen, dann ist ihr der Technik der körperzentrierten Herzensarbeit vergegen- Zweck erfüllt, und es wird nicht viel übrig bleiben von ihr, wärtigen, werden Sie die tiefer liegenden Emotionen und außer vielleicht Dankbarkeit. Wenn jedoch tatsächlich Probleme finden, um deretwillen es Sie so stark zu jenem Liebe, Verbundenheit, Zusammengehörigkeit, auf welcher Menschen hinzieht. Erlösen Sie diese Emotionen aus ihrer Ebene auch immer, existiert, so werden sie durch die Übung Verbannung, so gewinnen Sie nach und nach Ihre Entschei- natürlich nicht ausgelöscht. Was wahr ist, bleibt wahr. dungsfreiheit zurück. In hartnäckigen Fällen muss man sich Dann wieder gibt es Fälle, wo wir uns deshalb verlieben wieder und wieder auf diese Weise mit der Anziehungs- oder von jemandem angezogen fühlen, weil dieser andere kraft, die einem zu schaffen macht, beschäftigen. uns unbewusst an unseren Vater oder unsere Mutter erin- nert und wir mit ihm Themen bearbeiten können, die mit Vater oder Mutter nicht gelöst wurden. Auch dies findet Verliebtheit allgemein man natürlich mit körperzentrierter Herzensarbeit heraus Warum fühlen wir uns zu einem bestimmten Menschen hin- und kann es auflösen. gezogen? Ich glaube, dafür gibt es viele Gründe; es kann sein, dass dieser Mensch eine bestimmte Qualität verkör- Körperliche Probleme: Chronische Verspannungen pert, die uns noch fehlt; es kann sein, dass wir seit Anbeginn der Zeit mit diesem Menschen verbunden sind, weil er ein Chronischen Verspannungen kann man zwar entgegenwir- enger Gefährte unserer Seele ist; es kann aber auch sein - ken, indem man bewusst eine andere Haltung übt. Ein ver- und das ist sehr oft bei flüchtigen »Lieben« oder Verliebt- spannter Kiefer kann gelockert werden, indem man übt, heiten der Fall -, dass wir uns deshalb zu einem Menschen den Mund weit zu öffnen, während man spricht, und den hingezogen fühlen, weil er ein bestimmtes Gefühl in uns Unterkiefer entspannt hängen zu lassen, wenn man unbe- auslöst. Dieses Gefühl macht, dass wir uns lebendiger obachtet ist, wobei man laut seufzend ausatmet. Verspann- fühlen oder kraftvoller, schwungvoller, vielleicht auch schö- te Schultern können gelockert werden, indem man übt, sie ner oder mehr geliebt. In diesen Fällen ist die Übung ganz hängen zu lassen (anstatt sie hochzuziehen), während man besonders wertvoll. Wenn wir das schöne Gefühl, das der mit dem Bauch atmet, ohne den Atem in Brust und Schul- oder die Betreffende in uns auslöst, als Geschenk wirklich tern zu heben. Und so fort. annehmen; wenn wir es (körperlich und emotional, be- Doch im Allgemeinen ist das eine Sisyphusarbeit. Kaum 232 233, schaut man nicht hin, verspannt sich der betreffende Kör- spannen konnte. Er schien sogar im Schlaf verspannt zu sein. perteil wieder. Hinter tief sitzenden chronischen Verspan- Auf meine Empfehlung hin widmete sie dieser Verspannung, nungen steckt immer eine psychische Anspannung. Diese bewusst atmend, Ihre ganze Aufmerksamkeit, und dabei lässt sich meiner Erfahrung nach nicht dauerhaft lösen, meldete sich ihr aufgrund ihrer Lebensumstände ängstlich indem man ihr entgegenwirkt, sondern indem man sie voll- verdrängtes sexuelles Verlangen. Es reichte aus, diesem Ver- ständig wahr- und annimmt: also mit körperzentrierter langen zu erlauben, zu existieren und gefühlt zu werden, um Herzensarbeit. die Verspannung zum Verschwinden zu bringen. Nachdem Hier setzt man direkt beim Körper an, indem man in die sie dieses Verlangen mit der Dreistufenmethode Körper - verspannte Zone mit Bewusstsein und Atem hineingeht, Emotion - Herz vollständig wahr- und angenommen hatte, um sie von innen kennen zu lernen, und durchläuft dann beherrschte es sie nun nicht etwa (das war es, was sie be- die weiteren Stadien - die Emotion wahrnehmen und das fürchtet und weswegen sie es unterdrückt hatte), sondern Herz öffnen. Manchmal verschwindet eine Verspannung verwandelte sich in Lebensfreude und Energie. sofort und bleibend, wenn endlich die Qual, die sich in ihr manifestiert hat, ins Bewusstsein und ins Herz aufgenom- men wird. In einigen Fällen bedarf es mehrerer Sitzungen Schmerzen und viel Nachsorge, um die Verspannung zu lockern. Für körperliche Schmerzen gilt das Gleiche wie für Ver- Wenn trotz gründlicher und erfolgreicher Übung die Ver- spannungen. Ihr Körper gehört zu Ihnen; es gibt nichts in spannung bleibt und äußere Ursachen ausgeschlossen sind Ihrem Körper, was Ihrem Bewusstsein, wenn Sie es beharr- (ergonomisch falsch gestalteter Arbeitsplatz, elektrische lich darauf konzentrieren, rätselhaft bleiben muss. Gehen oder geopathische Störfelder, Bewegungsmangel, zu viel Sie einfach mit Bewusstsein und Atem in Ihren Schmerz Autofahren in angespannter Haltung etc.), so gibt es höchst- hinein zuallererst einmal, um ihm endlich völlige Zuwen- wahrscheinlich noch ein verborgenes Elend; irgendetwas in dung und Aufmerksamkeit zu schenken! Vielleicht sind Sie Ihnen, das Not leidet und noch keine Beachtung gefunden dem bisher immer ausgewichen, weil Sie dachten, der hat. Fragen Sie sich einfach, was das sein könnte, während Schmerz sei zu unangenehm. Wagen Sie es, ihn zu erleben. Sie in der betroffenen Körperzone bewusst atmend präsent Es ist Ihr Schmerz! Er braucht Ihre Aufmerksamkeit, Ihre sind. Fragen Sie Ihr Herz. Fragen Sie Ihr inneres Selbst. Fra- Liebe! Und mehr als das: Er hat eine Botschaft für Sie. Wahr- gen Sie Ihren Körper. Wenn Sie es wirklich wissen wollen, scheinlich verbirgt sich in ihm auch noch ein verborgener werden Sie Antwort bekommen. Wichtig ist beim Fragen die Schatz - etwas Schönes, eine Segnung, ein tiefes Erleben Art der Absicht. Ihre Frage muss von aufrichtigem Wissen- oder Erkennen, eine Erleuchtung: der Schatz, den man fin- wollen getragen sein und von der Bereitschaft, dem betref- det, wenn man einen Schmerz ganz und gar durchlebt und fenden Gefühl Achtung und Mitgefühl entgegenzubringen. ihm sein Herz öffnet. Ein Fallbeispiel: Eine junge Frau litt unter starken Kreuz- Ein Fallbeispiel: Hanna litt unter starken Schmerzen in ver- schmerzen. Ihr unterer Rücken war so verspannt, dass sie ihn schiedenen Teilen ihres Körpers. Sie betrachtete diese hefti- weder beim Sitzen noch beim Liegen noch im Stehen ent- gen Schmerzanfälle als wertvolle Hinweise auf verdrängte 234 235, Leiden und wandte die Methode der körperzentrierten Her- wirkt unmittelbar heilend, und es ist eine Heilung, die nicht zensarbeit mit einer einzigartigen Konsequenz und Kon- nur für den Augenblick ein Symptom verschwinden lässt, zentration an, sobald Schmerzen auftauchten. Sie brachte es sondern tiefere Schichten des Wesens umfasst. Es ist Hei- darin zu einer beispiellosen Meisterschaft. Sie war in der lung und Verwandlung zugleich. Lage, ihr Bewusstsein mit solcher Konzentration auf einen So kann ich empfehlen, bei körperlichen Erkrankungen Schmerz oder ein Symptom zu richten, dass es ihr die ge- ebenso vorzugehen wie bei allen anderen Problemen. Die samte in der betreffenden Körperstelle eingespeicherte Ge- Absicht dabei sollte nicht sein, die Krankheit zum Ver- schichte enthüllte -jüngere Vergangenheit, Kindheit, frühe- schwinden zu bringen - das ist eine feindselige Absicht -, re Inkarnationen; sie deckte jeweils so viele Schichten von sondern sie zu verstehen, zu würdigen und den in ihr ver- Emotion auf, bis sie auf Grund stieß: auf (die immer allem borgenen Emotionen sein Herz zu öffnen: also eine liebe- zugrunde liegende!) Liebe. volle Absicht. Sicherlich muss man das nicht bei jeder Erkältung tun. Oft Erkrankungen reicht es aus, sich einer Erkrankung einfach hinzugeben, indem man Bett- und Geistesruhe (!) pflegt. Damit ist in vie- Schon in jungen Jahren habe ich herausgefunden, dass kör- len Fällen der Zweck der Krankheit schon erfüllt. Man perliche Erkrankungen immer einen Grund im Geist haben gönnt dem Körper und dem Geist Ruhe und erlaubt sich, - eine Ursache und/oder einen Zweck. Ich lernte, Krank- einmal einfach nur da zu sein. Manche Krankheiten zwin- heiten (einmal handelte es sich um sehr hohes Fieber, ein- gen einen geradezu, einfach nur da zu sein, weil sie gar mal um eine orangengroße Zyste und einmal um eine hefti- nicht anders auszuhalten sind als bei vollständiger Ruhe ge Blasenentzündung) in Minutenschnelle verschwinden des Körpers, des Gemüts und des Geistes. Diese Krankhei- zu lassen, teils dadurch, dass ich Zweck und Ursache he- ten wirken oft Wunder als Instrumente zur Heilung, da die rausfand und somit das, was das Bewusstsein in den Körper inneren Kräfte, die Heilung und Transformation bewirken verdrängt hatte, ins Bewusstsein zurückholte; teils dadurch, wollen, endlich einmal ungestört arbeiten können. Man dass ich mir mithilfe entsprechender Schriften bewusst sollte sie nicht Erkrankung nennen, sondern Erheilung. machte, dass Krankheit keine reale Existenz hat.* Daneben gibt es aber auch Erkrankungen, vor allem chro- Heute arbeite ich anders. Nicht, dass ich die geistigen Er- nische, hinter denen sich eine Not verbirgt, welche der ge- kenntnisse, die ich damals gewann, heute für ungültig halte zielten Erforschung und Zuwendung bedarf. Das Vorgehen - keineswegs. Heute geht es mir weniger darum, Krank- ist hier das gleiche wie in allen anderen Fällen. Man zieht heitssymptome verschwinden zu lassen, sondern mehr sein gesamtes Bewusstsein in den Körper und nimmt des- darum, sie zu nutzen, um das in ihnen verborgene Elend sen Zustand aufmerksam wahr - mehr noch, man erlebt oder Unwohlsein kennen zu lernen, zu fühlen und mit dem und würdigt ihn zur Gänze so, wie er ist, während man Herzen zu verstehen und anzunehmen. Dieses Verstehen bewusst atmet. Nach einer Weile fragt man sich, wie man sich fühlt, während man in diesem leidenden Körper prä- * Vergleiche die Schriften von Dr. Masaharu Taniguchi, vor allem Leben sent ist und atmet. Man erlaubt dem betreffenden Gefühl, aus dem Geiste. aufzusteigen und sich auszubreiten, erlebt es bewusst und 236 237, schenkt ihm seine ganze Aufmerksamkeit. Und schließlich Versuchen Sie es noch einmal. Wenden Sie sich Ihrem öffnet man ihm sein Herz. Magen zu. Nehmen Sie seinen Schmerz wahr. Erleben Sie Man kann diese Übung auch dann durchführen, wenn ihn mit allen Fasern. Nehmen Sie Gedanken und Emotio- man sich aufgrund der Krankheit geschwächt fühlt und das nen, die dabei auftauchen, bewusst wahr. Erbarmen Sie sich Bewusstsein vielleicht nicht so wach und konzentriert ist Ihres Schmerzes. Fühlen Sie mit sich selber mit (= Ihr Herz wie sonst. Es geht trotzdem. Entscheidend ist der aufrichti- öffnen). ge Wunsch, sich seiner Not zuzuwenden, der Krankheit auf den Grund zu gehen und den zutage geförderten Gefühlen Ein Fallbeispiel: Nach einer langen, ziemlich schweren sein Herz zu öffnen. Selbst wenn das Erlebnis und Ergebnis Krankheit entdeckte ich ziemlich große Mengen Blut im einem aufgrund der Krankheit vielleicht vage und ver- Urin. Es machte mir Angst. Nachdem ich das Phänomen schwommen vorkommt, nur angedeutet anstatt mit aller zwei oder drei Tage beobachtet hatte, hoffend, dass es von Schärfe erlebt, so tut die Übung trotzdem ihre klärende und selbst verschwinden würde, ließ ich mich von einer medi- heilende Wirkung. Etwas ist auf jeden Fall in Gang gesetzt, zinkundigen Freundin darüber informieren, welche ver- das weiterwirken kann. schiedenen Herkunftsmöglichkeiten es für dieses Blut gibt - Wenn man mit diesem Ansatz keinen Erfolg hat, kann Harnwege, Blase, Niere; ich wusste sofort, es mussten die man das Problem auch - ausnahmsweise - beim intellektu- Nieren sein. Ich legte meine Hände auf die Nieren. Sofort ellen Ende anpacken, indem man versucht, die Krankheit brach ich in Tränen aus, und es war, als sagten mir die Nie- zu interpretieren. Woran hindert mich das Symptom? Wozu ren: »Gott sei Dank, dass du endlich da bist! Wir haben zwingt es mich? Was könnte es ausdrücken? Hier kann man schon gar nicht mehr gewusst, wie wir allein mit all der Kenntnisse über psychosomatische Zusammenhänge nut- Angst fertig werden sollten!« Ich .verweilte einige Minuten zen. Sobald man fündig geworden ist, kann man in die kör- bei den Nieren und fühlte die Angst, die sich darin gestaut perzentrierte Herzensarbeit einsteigen. Nehmen wir an, Sie hatte (Angst, die durch die Furcht erregenden Symptome haben Magenschmerzen. Sie vermuten, dass Ihr Magen des- der noch nicht ganz überstandenen Krankheit und durch halb schmerzt, weil Sie zu viel Ärger hinuntergeschluckt meine Existenzsituation insgesamt ausgelöst worden war). haben. Nun vergegenwärtigen Sie sich eine Situation, in der Danach war das Symptom verschwunden - kein Blut mehr Sie sich geärgert haben, und schon haben Sie den Einstieg in im Urin. Natürlich kümmere ich mich weiterhin um die die Übung: Nehmen Sie wahr, wie Ihr Körper reagiert, kon- Nieren und um die Angst. zentrieren Sie in den betreffenden Regionen Bewusstsein und Atem, lernen Sie die Emotion kennen, die sich dort ma- nifestiert, und holen Sie sie ins Herz. Vielleicht bessert sich ÜBEN MIT DEM LlEBES-, LEBENS- ODER EHEPARTNER Ihr Magen daraufhin; dann haben Sie das Gefühl gefunden, Dies scheint ein schwieriges Kapitel zu sein. Obwohl es die das Ihrem Magen Schmerzen macht. Oder er bessert sich segensreichsten Wirkungen haben kann, wenn zwei Men- nicht: Dann haben Sie trotzdem etwas Wichtiges getan, schen, die sich in einer festen Beziehung verbunden haben, indem Sie ein anderes Gefühl aus der Verbannung heimge- miteinander üben, steht dem offenbar in vielen Fällen holt haben. großer Widerstand entgegen. Entweder möchte nur einer 238 239, von beiden gemeinsam üben, oder beide haben Angst für sich allein üben, um in ihrem Innern Klarheit zu schaf- davor, sind zu bequem oder bereits gegeneinander zu ver- fen über ihre wahren Motive und Bestrebungen. härtet, um sich miteinander hinzusetzen und ihren Proble- Manche Menschen trauen sich an das Üben mit ihrem Le- men auf den Grund zu gehen. benspartner überhaupt nicht heran; ihnen fällt es leichter, Beate und Ulrich sind seit 20 Jahren miteinander verhei- Herzensarbeit mit sich allein zu machen und auf diesem ratet. Die Unstimmigkeiten, Misshelligkeiten und Schwie- Wege ihren Teil zur Lösung der gemeinsamen Probleme bei- rigkeiten zwischen ihnen haben einen so hohen Grad zutragen, als sich mit ihrem Partner zusammenzusetzen. erreicht, dass es manchmal fast unerträglich ist, als sie, an- Leider entgeht uns etwas Wunderbares, wenn wir aus geregt durch ein Seminar, beginnen, miteinander »Herzens- Angst oder Bequemlichkeit darauf verzichten, mit unserem gespräche« zu führen und diese durch körperzentrierte Partner vielleicht nicht die vollständige körperzentrierte Her- Herzensarbeit zu vertiefen. Ihre Aussagen darüber: zensarbeit zu üben, aber wenigstens Herzensgespräche zu führen. Die wunderbare Möglichkeit nämlich, einander Ver- BEATE: Endlich hatte ich das Gefühl, den anderen wirklich zu trauen zu beweisen dadurch, dass wir unser Herz ausschüt- sehen - aus seiner eigenen Perspektive und nicht, wie sonst ten, und dieses Vertrauen zu rechtfertigen dadurch, dass wir immer, aus meiner, und zu erfahren, wie er sich fühlt das, was unser Partner uns anvertraut, mit offenem Herzen Und umgekehrt: Auch von ihm wurde ich so gesehen, wie ich anhören. Ein Gespräch, in dem jeder die Wahrheit seines Her- bin. Die Übung führte dazu, dass man den Partner viel tiefer zens ausspricht und jeder dem anderen offenen Herzens erlebt als sonst, was zuvor, bedingt durch den Familienalltag, zuhört, ohne sich einzumischen, ist etwas ganz Kostbares. nicht möglich war. Sie führte zu mehr Nähe. Sie führte auch Aber ich gebe zu, dass es unter Lebenspartnern eine sehr dazu, Verletzlichkeit zu zeigen. Das war für mich ungewohnt, delikate Angelegenheit ist Zu groß sind unter Umständen tat mir aber sehr gut Die Unterschiede zwischen Ich und Du die Wunden, die man einander schon zugefügt hat, zu groß schwinden, man kommt zu einem Erleben von Einheit. dementsprechend die Empfindlichkeit und die Angst vor ULRICH: Durch diese gemeinsamen Übungen eröffnete sich mir neuerlicher Verletzung oder, auf der anderen Seite, die Ver- die Möglichkeit das kleine Ich für Momente zu transzendieren. bitterung, der Groll, die Verschlossenheit und Verhärtung - Sie ermöglichten mir, mein Gegenüber wirklich wahrzuneh- sodass entweder die Angst oder der Unwille über die leise men, da Vorurteile und Muster außer Kraft gesetzt wurden. Stimme des Herzens (das sich immer nach Liebe, Öffnung, Man lernt sich selbst zu spüren. Das eigene Liebespotenzial Ausdehnung sehnt) siegen können. wird freigesetzt. Nun, immerhin kann man sich aber allein hinsetzen und sich wieder und wieder mit Geduld und Liebe um die eige- Ich muss hinzufügen, dass es nicht damit getan ist, einige nen Gefühle kümmern. Wenn man das konsequent tut, wei- Momente der Öffnung zu erleben. Beate und Ulrich haben chen die inneren Verhärtungen langsam auf, das Herz nach einiger Zeit begeisterten Übens wieder nachgelassen, beginnt sich zu öffnen und man taucht aus seiner egozentri- und die Kommunikation zwischen ihnen ist wieder schwie- schen Schale auf; so ist man nach und nach immer schneller riger geworden. Es bedarf der Disziplin, wenn der Erfolg in der Lage, aus seinen Verhaltensmustern, sobald man sie bleibend sein soll. Es ist auch notwendig, dass beide Partner bemerkt, hinauszuspringen in die Realität und seinen Part- 240 241, ner so wahrzunehmen, wie er sich von innen heraus erlebt, hinzusetzen, um ihnen mithilfe körperzentrierter Her- anstatt nur von außen, durch die Brille der Vorurteile. zensarbeit auf den Grund zu gehen (Situation vergegen- Auch kann man üben, dem Partner oder der Partnerin mit wärtigen, Körperreaktion wahrnehmen, atmen, Gefühl dem Herzen zuzuhören, wenn er /sie etwas erzählt oder aufspüren und ins Herz holen); sich über etwas beklagt. Man kann das ganz im Stillen üben, - seine eigenen Gefühle dem Partner gegenüber möglichst auch wenn der Partner nicht mitmacht. Solange man noch ehrlich und in Ichform auszudrücken, sofern man spürt, meint, man müsse den anderen dazu bringen, sich zu ver- dass das wichtig oder notwendig ist. ändern, ist man mit seiner Herzensarbeit noch nicht wirk- lich im Herzen angekommen. Mit konsequenter Übung fällt es nach und nach leichter, nicht nur die eigenen Gefühle zu KÖRPERZENTRIERTE HERZENSARBEIT ALS MITTEL verstehen, zu achten und ins Herz zu schließen, sondern ZUR TÄGLICHEN REKAPITULATION auch die Gefühle des anderen, und man beginnt die Von vielen geistigen Lehrern wird empfohlen, jeden Abend grundsätzliche Unschuld hinter allen Verhaltensweisen zu vor dem Einschlafen den Tag Revue passieren zu lassen. entdecken. Das ist eine hervorragende Methode zur geistig-psychi- Das verbessert in jedem Fall die Qualität der Beziehung, schen Hygiene, wenn man sie mit körperzentrierter Her- die man selber zu seinem Partner oder seiner Partnerin hat zensarbeit kombiniert. Es gehört allerdings Disziplin dazu, - ganz gleich, ob er oder sie die Übung mitmacht oder nicht; die Ereignisse des Tages vom Aufstehen bis zum gegenwär- damit verändert sich natürlich auch die Beziehung insge- tigen Moment zu rekapitulieren, ohne in Überlegungen und samt. Der Partner reagiert mit Erleichterung, wenn er fühlt, Träumereien abzuschweifen. Man lässt die Erinnerungen dass er endlich verstanden und angenommen wird. Viel- wie einen Film ablaufen und achtet dabei darauf, wie man leicht sind es erst nur Momente, in denen man »im Herzen« sich bei der jeweiligen Erinnerung fühlt und was im Körper ist und sich eine neue Qualität einstellt; je konsequenter geschieht. Dort, wo etwas Signifikantes geschieht, sollte man selber übt, desto häufiger werden diese Momente. man einen Augenblick verweilen, um den betreffenden »Üben« in diesem Sinne bedeutet, um es noch einmal zu- Körperzustand und den damit verbundenen Gemütszu- sammenzufassen, stand kennen zu lernen, und schließlich den auftauchenden Emotionen sein Herz öffnen. Wer die Technik bereits einige - in allen Gesprächen und Interaktionen mit seinem Partner Male anhand bestimmter Probleme ausführlich geübt hat, oder seiner Partnerin wenigstens einen Rest Bewusstheit kann sie zum Zweck der täglichen Rekapitulation auf diese eingeschaltet zu lassen, der einen daran erinnert, dem, Weise in Kurzform anwenden. Wenn dabei etwas auftau- was der andere sagt, mit dem Herzen zuzuhören, und chen sollte, was auf ein größeres Problem hindeutet, kann dem, was im eigenen Innern einschließlich des Körpers man trotzdem in dieser etwas oberflächlicheren Kurzform vorgeht, bewusste Aufmerksamkeit und ein offenes Herz das betreffende Ereignis mit Körper, Emotion und Herz an- zu schenken; schauen und sich vormerken, sobald man etwas mehr Zeit - sich nach allen Vorfällen, die ungelöste Konflikte, Proble- aufwenden kann, sich der Sache ausgiebig zu widmen. Ge- me, Missverständnisse oder Gefühlsaufruhr hinterlassen, rade in den Augenblicken kurz vor dem Einschlafen kann 242 243, dieses oberflächliche, aber mit ernsthafter Absicht betriebe- 5. KAPITEL ne »Anreißen« eines Themas Wunder wirken, da die ange- fangene Arbeit dann oft im Schlaf fortgesetzt wird. Auch zur schamanistischen Rekapitulation, wie sie von Fallbeispiele zur körperzentrierten Carlos Castaneda und den anderen Schülern beziehungs- Herzensarbeit weise Schülerinnen des mexikanischen Schamanen Juan Matus (Taisha Abelar und Florinda Donner-Grau) übermit- telt und mittlerweile von vielen Menschen in der ganzen Im Folgenden sind Tonbandaufzeichnungen und Tage- Welt praktiziert wird, ist die körperzentrierte Herzensarbeit buchnotizen von Sitzungen wiedergegeben, die in unter- unserer Erfahrung nach eine gute Ergänzung. Man rekapi- schiedlichen Rahmen stattgefunden haben: in der Gruppe tuliert die Ereignisse vermittels der besonderen Atemtech- (gruppengestützte Einzelarbeit), in der Zweiersituation mit nik der Schamanen (ausführlich beschrieben in Taisha Abel- einem Übungspartner, allein. ars Buch Die Zauberin), und wenn man dabei auf eine Begebenheit stößt, die mit tief sitzenden emotionalen Pro- Gruppengestützte, angeleitete Einzelarbeit blemen behaftet ist, schaltet man die drei Stufen der körper- zentrierten Herzensarbeit ein: Körperwahrnehmung, Wür- Aufzeichnung von Einzelsitzungen, die im Rahmen und digung der Emotion, Öffnen des Herzens. Anschließend mit Unterstützung einer Gruppe stattgefunden haben. Die kann man die normale Rekapitulation fortsetzen. Anleitende ist die Autorin (»S«). Der Zeitrahmen war durch die Gruppensituation stark begrenzt; dennoch kann man feststellen, dass in jeder Sitzung Entscheidendes passiert ist. HELGA I HELGA: Ich habe ein Problem mit etwas, das ich als unästhetisch empfinde. Kämpfen und Streiten kann ja auch ästhetisch sein, kann sogar Spaß machen. Aber das Problem, das ich mit mei- ner Tochter habe, ist, dass sie die Grenzen dessen, was ich noch als ästhetisch empfinde, nicht einhält. Mein Kopf sagt: »Ich habe Verständnis«. Aber irgendwo im Bauch quält mich das. S: Bitte denk an das betreffende Gespräch. HELGA: ES war ein Gespräch, in dem sie mir Dinge aus der Kind- heit vorwarf. S: Und sie wurde aggressiv dabei? HELGA: Aggressiv ist gar nicht mal schlimm. Nein, sie war gemein. S: Dann bitte denk jetzt an dieses Gespräch zurück, und wenn es präsent ist, sag Bescheid. 244 245, HELGA: In mir kam auch das Gefühl von Wehrlosigkeit auf gegen- fort, aber jetzt ist so eine triste Stimmung da. Es hängt durch. über einer sehr niedrigen Ebene. Dem möchte ich entweder Es deprimiert mich. Es ist nicht mehr konzentriert zusammen- entfliehen oder es ändern, aber es fällt mir schwer, es anzuneh- geballt, sondern der ganze Körper hängt wie eine welke Pflan- men - schwerer, als wenn einer mal richtig draufhaut, weil er ze herunter. wütend ist Das kann ich leichter akzeptieren. S: Kannst du dich dafür verstehen, dass du so fühlst? S:Ja. Bitte denk jetzt an die konkrete Situation. Ist sie jetzt prä- HELGA: Ja, das kann ich. sent? S: Dann kannst du dein Herz öffnen für dieses Gefühl? HELGA: Ja. HELGA: Ja, das geht ... Zu der Depression gehört auch ein S: Dann bitte geh in deinen Körper. Was tut sich da? Schuldgefühl. Ich habe bei ihr vieles falsch gemacht und verdor- HELGA: Ein flaues Gefühl im Unterbauch. Direkt unterm Nabel. ben. S: Sonst noch etwas? S: Wo fühlst du das in deinem Körper? HELGA: Ja, in der Kehle ein Druck. Es schnürt mir ein bisschen die HELGA: Auch über dem Herzen. Aber das ist weniger intensiv. Kehle zu. Ich möchte antworten. Ich möchte laut schreien und Es geht einher mit den Worten »Schade, dass ich die Zeit nicht sie niederbrüllen: »Hör auf mit diesen Gemeinheiten!« zurückdrehen kann, um es besser zu machen.« S: Dann bleib mal bei der Kehle und bei dem Gefühl, schreien zu S: Bitte kümmere dich um dieses Gefühl, indem du ihm deine wollen. Sei ganz da für dieses Gefühl. Lass es ganz aufsteigen, ganze Aufmerksamkeit schenkst Und dein Mitgefühl und dein nimm es wahr und spüre deinen Atem dabei. Erbarmen. HELGA: Es breitet sich in den Unterkiefer aus, unterhalb der HELGA: Ja. Es geht Es ist gut Zunge. Die Haut wird dort ganz warm ... Jetzt merke ich auch S: Wie fühlst du dich jetzt im Körper? etwas oberhalb des Herzens. Das Gefühl ist damit verbunden. HELGA: Ich kann meinen Körper jetzt überall gleichmäßig fühlen. S: Dann bitte lass deine Aufmerksamkeit auf dem ruhen, was sich Endlich präsent! Ich möchte kräftig aufseufzen. (Seufzt einige oberhalb des Herzens und in Kehle und Unterkiefer tut, und Male tief auf.) atme. S: Bitte denk jetzt noch einmal an die betreffende Szene und er- HELGA: Jetzt wird der Druck oberhalb des Herzens stärker und zähle ein wenig von dem Gespräch. die Kehle ist entlastet Es ballt sich jetzt hier zusammen. HELGA: ES ging um eine Zeit, in der ich überfordert war. Ich war S: Dann bleib hier mit deiner ganzen Aufmerksamkeit und dei- berufstätig, hatte zwei große Kinder zu versorgen und eine nem Atem. Nichte, außerdem war ich schwanger. Da habe ich manchmal HELGA: Da steigt Emotion auf. Es ist eine Wehmut Sie ist sehr die Nerven verloren. Ich habe meine Tochter auch mal geschla- stark. gen, als sie so unbändig und trotzig war. S: Bitte lass sie ganz aufsteigen und kümmere dich darum mit S: Mit welchen Worten hat deine Tochter darüber gesprochen? deiner Aufmerksamkeit HELGA: Sie hat gesagt: »Das würde ich nie, nie machen, dass ich HELGA: ES verflüchtigt sich jetzt ein bisschen. Es war ganz kurz ein Kind verhaue.« Ich habe versucht ihr zu erklären, dass ich ein richtiger Anfall und jetzt fließt es weg ... damals völlig am Ende und sie so widerborstig war ... S: Hol es zurück. S: Bitte erinnere dich an das, was dich an dem Gespräch so be- HELGA: Ja, das Gefühl verändert sich. Die geballte Wehmut ist sonders gestört hat. 246 247, HELGA: Ja, dass sie das so ausgebreitet hat, wie ich sie damals ge- HELGA: Ja. Das Besondere an diesem Ich, das im Smog sitzt, ist, hauen habe. Und dass sie das in diesem gehässigen Ton gesagt dass es so winzig ist. hat. S: Dann schließe dieses Winzige jetzt in die Arme deines Her- S: Bitte geh jetzt wieder in den Körper und schau, was dort pas- zens. siert. HELGA: Ja, da ist es schon. Es ist so klein ... wie ein armes kleines HELGA: Da ist wieder so ein Druck, nicht ein Knoten wie vorher, Tierchen. (Atmet tief auf.) sondern ein sanfter Druck, der oben auf dem Herzen lastet, Und jetzt? aber gleichmäßig. Es ist eine größere Fläche. S: Kannst du ihm deine Achtung schenken? S: Kannst du in diese Zone hineingehen? HELGA: Ich glaube, das ist schwer. Da ist Verachtung gegenüber HELGA: Ja, das ist eine Zone ... eine dunkle Zone.Wenn ich hi- diesem kleinen Ich. neingehe und im Innern spazieren gehe, ist es wie eine dunkle, S: Dann musst du erst die Verachtung würdigen und verstehen ... schwere Wolkenbank, die die Sonne nicht durchlässt Im Innern HELGA: Ja, das geht... bin ich betrübt und bekümmert, dass das Wetter so scheußlich S: Dann kannst du jetzt das kleine Ich in dein Herz nehmen? ist. HELGA: Ja. Es geht S: Bitte bleib bei dieser Körperempfindung und diesem Gefühl. S: Und nun denk bitte noch einmal an das Gespräch mit deiner Wie ist es weiter? Tochter und an ihre Gehässigkeit HELGA: Schwer. HELGA: Ja. jetzt habe ich Mitgefühl für ihre Gehässigkeit Das ist ja S: Bitte nimm auch deinen Atem wahr. Du kannst ruhig etwas auch so etwas Kleines, Schwarzes, diese Gehässigkeit. tiefer atmen. HELGA (atmet tiefer): Das ist ein Ort, an dem ich nicht wohnen HELGA» möchte. Es ist nicht mein Zuhause. Es ist jetzt nicht in mir, ich bin in ihm. Ausgangssituation ist diesmal eine Auseinandersetzung, die Helga ge- S: Es ist deins. Es gehört zu dir. Du kannst dein Herz ganz groß habt und die ein unbehagliches Gefühl kl ihr hinterlassen hat Sie ver- machen, um diesen Zustand mit deiner Liebe und deinem Mit- gegenwärtigt sich die Situation und entdeckt im Bereich von Brust und gefühl zu umfangen. Hals einen versteckten Teil ihrer selbst, der starke Gefühle in Bezug HELGA: Es ist größer als ich ... Wenn ich da drinnen sitze, kann auf ihren Vater hegt Hier beginnt die Aufzeichnung. ich nichts machen. Es muss etwas Größeres geben, das diese ganze dunkle Wolkenbank mitsamt meiner selbst umfängt Ich S: Bitte lass diesen Teil mal sprechen. Leihe ihm deine Stimme. bin mitten im dunklen Smog und habe keine Orientierung. Was würde er sagen? S: Bitte nimm diesen Zustand aufmerksam wahr und spüre dei- HELGA: »Ich kann das nicht aushalten, dass du immer schräg an nen Atem. Identifiziere dich nicht ganz damit, verschwinde mir vorbeischaust ... Ich komme nicht an dich heran. Mit nicht darin, sondern nimm es wahr und atme. Und dann mach allem, was ich säge oder tue, komme ich nicht an dich heran.« dein Herz ganz groß auf für dieses Gefühl. Umfange es mit dei- S: Und wie fühlst du dich dabei? Was macht das mit dir, dass du ner Liebe. Stell dir vor, dieses Ich, das da im Smog sitzt, zu um- nicht an ihn herankommst? armen. HELGA: Ich bin einsam und enttäuscht. 248 249, S: Kannst du dieser Enttäuschung und dieser Einsamkeit mal er- HELGA: Klingt nicht nach mir. lauben aufzusteigen, sodass du sie fühlen kannst? In ihrem S: Dann suche das, was nach dir klingt ganzen Ausmaß? Der Atem kann dir dabei helfen. Sei ganz für HELGA: »Ich war so neugierig auf die Welt Du hast mir nichts er- diese Gefühle da. Sag der Enttäuschung, du möchtest sie ken- klärt. Du warst immer mit anderen Dingen beschäftigt und mit nen lernen. Du bist jetzt bereit, für sie da zu sein. Und sie an- meiner Mutter.« zunehmen. S: Probier es trotzdem mal mit »Ich hätte dich so gebraucht«. HELGA: Bei diesen Worten bewegt sich etwas. Und mir kommen HELGA: »Ich hätte dich so gebraucht« Tränen. Eigentlich kenne ich sie schon lange, diese Enttäu- S: Fühlst du das? schung. HELGA: Das darf ich nicht an mich herankommen lassen, dann bin S: Kannst du dein Herz für sie aufmachen? Kannst du sie ins ich geliefert Herz schließen? S: Sag's mal. HELGA: Ja. HELGA: »Ich hätte dich gebraucht.« S: Ganz! S: Sag es wirklich zu deinem Vater. Und steh dazu. HELGA: Ja. Es ist gut. HELGA: »ICH hätte dich so gebraucht Ich hätte dich wirklich so S: Lass dir mehr Zeit. gebraucht. Es wäre so schön gewesen.« (Weint) HELGA: Ja. Jetzt erlebt das kleine Mädchen in mir die Enttäu- S: Und jetzt sei ganz da für dein inneres Kind und erlaube ihm, schung erst mal ganz. alles auszudrücken, was es wirklich fühlt. S: Bitte bleib noch dabei, bis es wirklich ganz sicher aufgehoben HELGA: ES hat jetzt genug geweint Jetzt möchte es fort. ist in deinem Herzen, mit all seiner Enttäuschung und seiner S: Denk nochmal an deinen Vater. Versuche mal, zu sagen: »Ich Einsamkeit, vielleicht auch seinem Zorn ... Es muss auch zor- bin dir böse. Du hast mich im Stich gelassen.« nig sein! So lange, bis es wirklich da sein darf und von dir ge- HELGA: Das stimmt aber gar nicht würdigt und gefühlt wird. S: Nur probieren.Wenn's nicht stimmt, merken wir das. HELGA: ES ist ganz da. Ich kann es spüren. HELGA: »Ich bin dir böse. Ich bin dir böse.« S: Und viel atmen. Alles, was da noch ist an Gefühlen, auftauchen S: Oder: »Ich bin zornig.« lassen mit dem Atem. HELGA: »Ich bin wütend auf dich ... Ich bin traurig.« Das stimmt. HELGA: Jetzt fühlt es sich gut an. Wir sind jetzt wie Verbündete, Ich bin traurig. (Weint) das kleine Mädchen und ich. S: Nimm es in dein Herz. S: Wenn es dir möglich ist, wäre es gut, wenn das kleine HELGA: Das habe ich jetzt mit allen Fasern gefühlt. Mädchen jetzt durch dich sprechen könnte und deinem Vater S: Bitte erlaube diesen Gefühlen, auch weiter da zu sein, solange sagen, was es fühlt, worunter es gelitten hat. es nötig ist. Lass sie nicht wieder verschwinden. Solange sie da HELGA: »Du wendest dich immer ab.« sind, brauchen sie dich, brauchen sie deine Aufmerksamkeit. In S: Bleib bei dir selber. Drücke deine eigenen Gefühle aus. der nächsten Zeit schenke ihnen bitte weiter Beachtung. Schau HELGA: »Ich bin enttäuscht. Ich bin einsam. Niemand ist für mich ab und zu mal nach, wie es steht Bleib geistig im Dialog mit da. Ich muss alles selber herausfinden.« deinem Vater, solange es nötig ist Und schau, ob dein inneres S: Sag mal: »Ich hätte dich so gebraucht.« Kind irgendwann auch bereit ist dir seinen Zorn, seinen be- 250 251, rechtigten Zorn, zu zeigen. Lade es von Zeit zu Zeit dazu ein. geschlossen. Geh zu dem Moment, wo das passiert ist, was du Sag ihm: »Ich würde dich verstehen, wenn du zornig wärst »wegrutschen« nennst Und dann sag Bescheid. Bitte zeige mir deinen Zorn, damit ich ihn mitfühlen kann.« OLIVIA: Ja. Ich bin da. S: Halte die Erinnerung weiter in dir lebendig und geh in deinen Körper. Stell erst einmal fest, wo du jetzt im Körper bist.

OLIVIA

OLIVIA: Ich beiße die Zähne zusammen, ich nehme mich zurück. OLIVIA: Mein Problem ist, dass ich mir immer irgendetwas auf- Das ganze Gesicht würde sich am liebsten einkrümeln wie ein erlege. Igel und zurückweichen. S: Und wie würdest du das Gegenstück dazu benennen? So, wie S: Und der Rest des Körpers? es stattdessen sein soll? OLIVIA: Ich habe das Gefühl, dass es den nicht so betrifft. OLIVIA: Lebendigen Ausdruck. Dass ich einfach im Augenblick da S: Dann bleiben wir beim Gesicht Geh mit deiner ganzen Auf- bin, anstatt ständig zu reflektieren, was vorher war, was ich merksamkeit und dem Atem in all diese Zonen hinein, die sich getan habe und so weiter. jetzt so anspannen, um sie von innen kennen zu lernen. So wie S: Okay. Und warum bist du nicht im Augenblick da? man in einen Raum hineingeht um zu schauen, wie es da drin- OLIVIA: Ich rutsche immer wieder weg. nen ist. S:Was passiert, wenn du wegrutschst? Bitte erinnere dich. Wel- OLIVIA: ES ist als wenn die Klappen geschlossen sind. Es ist düster. che Gedanken und Gefühle ziehen dich weg? S: Wie fühlt man sich da im Dustern? OLIVIA: Gedanken, in denen ich mich bewerte. Ich bewerte, was OLIVIA: Ziemlich kühl ... allein ... ich bei anderen sehe, und vergleiche mich selber damit. Ich bin S: Einsam? nicht frei für das, was im Augenblick geschieht... OLIVIA: Ja. S: Du bist sozusagen besetzt von Gedanken. Um welchen Kern S: Kannst du bitte mal dort drinnen bleiben und dich dem ganz kreisen diese Gedanken? Du sprichst oft von Bewerten, Prüfen aussetzen, um diesen Zustand und um den Teil von dir, der die- und Vergleichen ... Du sagtest bei anderer Gelegenheit, du sen Zustand erleidet zu würdigen? Und deinen Atem spüren hast ein Bild von dir und möchtest dem entsprechen ... Ist es ... Was passiert wenn du das tust? das, was dich plagt? OLIVIA: Erst kam mehr Licht herein, dann habe ich versucht, das OLIVIA: Ja. Ich filtere aus meinen Eindrücken das heraus, was ich rückgängig zu machen, um den Zustand nicht gleich zu verän- an mir vermisse, und damit mache ich mir Auflagen. dern, sondern erst mal kennen zu lernen. Ich merke, dass es S:So scheint das also wirklich das Thema zu sein. Dann schalte dort sehr dunkel ist und dass es eine Trennung gibt. Der Rest jetzt bitte zurück zu einer Situation, in der dir das in letzter meines Körpers ist lebendiger. Zeit am krassesten aufgefallen ist. Sobald die Erinnerung da ist, S: Kannst du bitte mal diese Trennung ganz bewusst und auf- sag bitte Bescheid. Lass es einfach in deinem Geist auftauchen merksam spüren? Einfach dort sein, wo die Trennung ist, und und nimm das Erste, was auftaucht. sie kennen lernen als etwas, das zu dir gehört ... Ist das eine OLIVIA: Ja, jetzt ist eine Erinnerung da. scharfe Trennlinie oder ein fließender Übergang? S: Dann mach bitte diese Erinnerung in deinem Geist so lebendig OLIVIA: Fließend. wie möglich und stell dich selbst hinein. Lass bitte die Augen S: Bitte geh noch mal in den Kopf und ins Gesicht hinein, in das 252 253, Dunkle dort drinnen, und schau, ob du den Teil von dir, der das S: Warum ist das schlimm? macht - also der die »Schotten dicht macht« und sich zurück- OLIVIA: »Weil sie dann den Regeln nicht mehr entspricht« zieht -, ob du diesen Teil einmal sprechen lassen kannst. Was S: Versuch mal, den Gefühlen dieser Instanz Ausdruck zu ver- würde der sagen? leihen, indem du ausprobierst zu sagen: »Ich habe Angst, OLIVIA: ES ist eine Instanz, die so etwas sagt wie: Jetzt hast du mal dass ...« wieder total danebengegriffen ... Und die den Schädel dicht OLIVIA: »Ich habe Angst dass sie einen Fehler macht. Ich habe macht. Angst, dass sie nicht weiterkommt Ich habe Angst, dass sie S: Bitte werde mal für einen Augenblick eins mit dieser Instanz etwas falsch macht.« und identifiziere dich mit ihr. Lass sie mal durch dich reden. S: Wovor hast du eigentlich Angst? Was passiert dann, wenn sie Ich frage diese Instanz jetzt: Was ist dein Anliegen? Was be- etwas falsch macht? Was ist das eigentlich Schlimme? zweckst du? Was wünschst du? OLIVIA: »Dass andere sehen, dass sie etwas falsch macht?« Ich OLIVIA: »Ich will sie formen.« weiß nicht. S: Warum möchtest du das? Was ist dein Anliegen? Ist sie nicht S: Probier mal zu sagen: »Ich habe Angst nichts wert zu sein.« gut genug? OLIVIA: »Ich habe Angst nichts wert zu sein.« OLIVIA: »Sie könnte besser sein.« S: Schau mal, was mit deinem Körper passiert wenn du das sagst. S: Bitte sag das noch mal. Und schau mal, wie dein Körper rea- OLIVIA: ES ist ein Schauern im Körper. giert. Wo bist du jetzt im Körper? S: Gut. Ich denke, diesen Satz solltest du dir einfach mitnehmen: OLIVIA: Im Hals. »Ich habe Angst, nichts wert zu sein.« Nicht um dir diese S: Und wie ist das dort? Angst einzureden, sondern um sie aufzuspüren, ihrem Vorhan- OLIVIA: Die Verbindung zwischen Kopf und Körper wird eng. densein Achtung zu erweisen und sie dann ins Herz zu neh- S: Sei bitte ganz anwesend im Hals, um das, was jetzt eng ist von men. Vielleicht ist es ein guter Weg, wenn du in der nächsten innen kennen zu lernen. Und atme bewusst. derartigen Situation, die auftaucht dir das Schlimme vorstellst, OLIVIA: ES wird schon wieder besser. das diese Instanz befürchtet Stell dir vor, du machst es ganz S: Was steckt da noch? Was will ausgesprochen werden? Es ist falsch, und alle sehen es ... Oder dass du dich im Geist anhand wichtig, dass diese Instanz gehört wird. Probier einfach Formu- irgendeiner Situation deiner Erinnerung dieser Schande mal lierungen aus. »Ich möchte, ich fürchte« ... aussetzt, um das Gefühl, um das es geht in seinem vollen Aus- OLIVIA: »Ich möchte sie im Griff haben.« maß kennen zu lernen und es ins Herz schließen zu können. S: Spürst du das auch? Das Gefühl, nichts wert zu sein. Ich glaube, das ist der Kern. OLIVIA: ES ist genau das Gefühl, das ich schon lange habe. Bitte frag dieses Gefühl jetzt was es im Leben von dir braucht. S: Warum möchtest du sie im Griff haben? Wovor hast du Angst? Was braucht dieses Gefühl von dir, damit es sich besser ange- Sprich einfach aus, was auftaucht. nommen und aufgehoben fühlt? OLIVIA: »Dass sie mir ausbricht.« OLIVIA: Ich glaube, es braucht vor allem, dass ich es bemerke, S: Was passiert dann? Was ist das Schlimme, das dann passiert? wenn es auftaucht. Dass ich es überhaupt erst mal fühle. OLIVIA: »Dass ich dann keine Funktion mehr habe. Dass ich nicht S: Gut. Kannst du dir das vornehmen? mehr gehört werde.« OLIVIA: Ja. 254 255, Anmerkung: Der letzte Schritt der körperzentrierten Herzensarbeit, S: Sind die Beine verspannt? Fühlst du dort das Aufstampfen- nämlich die Angst, die hier entdeckt wurde, körperlich zu erleben und wollen? ins Herz zu holen, konnte in dieser Sitzung nicht vollzogen werden. PAULA: Ja! Ich möchte doch auch mal! Warum denn ich nicht! Olivia hat ihn nachgeholt Sie hat in den Wochen bis zur nächsten Warum immer die anderen! Ich bin doch auch nicht schlechter Gruppensitzung ihre Angst, »nichts wert« zu sein, beobachtet Dabei als die anderen! hat sie entdeckt, dass dahinter der Wunsch noch Liebe steckte. Beide S: Bitte bleib jetzt mal beim Körper. Nimm wahr, was dein Kör- Gefühle, die Angst, nichts wert zu sein, und den Wunsch noch Liebe, per macht, und fühle deinen Atem. hat sie in darauf folgenden Gruppensitzungen im Körper entdeckt PAULA: Alles hängt. Kraftlos. und ins Herz geschlossen. Olivia ist heute wesentlich unabhängiger S: Bitte lass dieses Hängen, diese Kraftlosigkeit zu. Lass es einfach von der Liebe und der Wertschätzung anderer und traut sich mehr, da sein und sei dafür da. Und atme. ihr wahres Wesen zum Ausdruck zu bringen. PAULA: Ich möchte mich unsichtbar machen ... Ohnmacht... Da ist Ohnmacht Ich bin doch sonst so kraftvoll, wieso jetzt so kraftlos?

PAULA

S: Bitte lass diese Kraftlosigkeit einmal zu. Lass sie da sein. Nimm Das Problem, mit dem Paula arbeiten möchte: Sie sehnt sich nach sie wahr und spüre deinen Atem ... einer Beziehung, findet keinen Partner, ist neidisch auf andere und zu- PAULA: Da ist so ein Stampfen in den Beinen. Ziemlich kraftvoll. tiefst gekränkt In den Armen und den Beinen. S: Bitte zieh deine Aufmerksamkeit und deinen Atem dort hinein, PAULA: Eine Freundin von mir hat jetzt zwei Partner. Bei all mei- um das von innen kennen zu lernen. Nicht in der Absicht, es zu nen Bekannten und Freunden rundherum tut sich etwas in Sa- entspannen, sondern es ganz kennen zu lernen. chen Partnerschaft. Alle gehen neue Beziehungen ein oder PAULA: Ich bin immer die Verständnisvolle ... Es hängt mir zum intensivieren die alten. Da kommt in mir das Gefühl auf: Ich Hals heraus! Die ewig Verständnisvolle! Ich merke, das macht möchte auch! mich wütend auf mich selber. S: Fühlst du, während du das sagst, auch immer noch das Ge- S: Kannst du diese Wut auf dich selber in deinem Körper spüren? kränktsein, von dem im Vorgespräch die Rede war? PAULA: O ja. Die ewig Gutmütige ... endlos Geduldige ... Ich will's PAULA: Das Beleidigtsein, meinst du? Es ist eherTraurigkeit und nicht mehr. der Gedanke: Vielleicht soll es ja nicht sein. S: Wo sitzt das im Körper? S: Das Gekränktsein ist nicht mehr da? PAULA: Da hinten, bei der Lunge, links. Es möchte gern ins Herz PAULA: Doch. Das Gefühl, dass es ungerecht ist. Es ist auch Wut rein. (Wütend.) Ich hab genug von der Geduld. Ich hab's satt. da. Wieso ist für mich nicht auch jemand da? Ich schaff's nicht mehr. S: Bitte zieh jetzt deine Aufmerksamkeit in deinen Körper hinein S: Kannst du dein Herz aufmachen für dieses Gefühl? und schau, was er macht. PAULA: Dass ich das so lange da hinten reingestopft habe! Da ist PAULA: Ich spüre Wut. Ich möchte auf den Boden stampfen. Ich viel Wut. spüre das allerdings nicht im Körper. Aber ich würde gern auf- S: Bitte nimm sie ins Herz. stampfen. PAULA: Sie hat gar keinen Platz darin. 256 257, S: Dann mach dein Herz ganz weit, so weit, dass es all diese Ge- INGRID: DU hast mich gefragt, welche von den drei Personen - fühle aufnehmen kann. mein Sohn, seine Frau, mein Enkelkind - diesen Schmerz aus- PAULA (weint): Ja. Ich möchte alles retten. Alles hineinholen. löst. Ich kann das nicht sagen. Jedes Mal, wenn mir eine der S: Wie ist es jetzt? drei Personen einfällt, fühle ich den Schmerz. PAULA: Ich will mir auch nicht mehr böse sein ... S: Dann erinnere dich bitte jetzt an eine konkrete Situation, in S: Kannst du dir bitte selber das Versprechen geben, dich um der dieser Schmerz ausgelöst wird. diese Gefühle zu kümmern, wenn sie wieder auftauchen? INGRID: Präsent ist er eigentlich immer. PAULA: Ja. Ich werde sie wahrnehmen und ins Herz nehmen. S: Bitte rufe dir eine konkrete Situation ins Gedächtnis, in der er S: Was brauchen sie von dir in Situationen des täglichen Lebens? besonders akut wurde. PAULA: Sie wollen gefühlt werden! Gefühlt und anerkannt, glaube INGRID: Im ersten halben Jahr nach der Geburt des Enkels hatte ich. ich Kontakt und eine echte Herzensverbindung zu ihm. Ich denke jetzt an ihn. Paula ist uns mit einer anderen Schicht derselben Problematik bereits S: Dann geh bitte jetzt in deinen Körper. ganz am Anfang des Buches begegnet und wird auch im Rahmen INGRID: Ich ziehe die Schultern nach vorn. einer Gruppensituation, die ich später in diesem Kapitel schildere, S: Bitte schließ die Augen, damit du bei dir bleibst, und beobach- wieder auftauchen. Sie hat sich in bisher fünf Sitzungen durch einen te, was in deinem Körper passiert. sehr alten, sehr fest sitzenden Problemkomplex hindurchgearbeitet INGRID: Ich bekomme Herzklopfen. und immer tiefere Schichten von Gefühlen aufgedeckt und ins Herz S: Bitte nimm es einfach wahr und atme. Bleib beim Herzklopfen. geholt Sie kam in die Gruppe in der festen Überzeugung, keinen Zu- INGRID: ES ist so, als ob sich das Herzklopfen ausbreitet. gang zu ihren Gefühlen zu haben, und mit dem Wunsch zu lernen, S: Bitte bleib bei diesem sich ausbreitenden Herzklopfen und den mehr zu fühlen, anstatt nur zu denken. Mittlerweile ist sie glücklich, verspannten Schultern und nimm deinen Atem wahr... Wie ist endlich ihren Körper und damit ein neues Wohlgefühl entdeckt zu es jetzt? haben. Ihre Kernproblematik ist noch nicht gelöst aber sie legt immer INGRID: Es rutscht hinunter zum Solarplexus. Ich habe das Gefühl, tiefere Schichten von Gefühlen frei, mit denen sie dank der einfachen dort ist ein Knoten. Technik der körperzentrierten Herzensarbeit mühelos in Kontakt S: Bitte schau, ob du mit deinem Bewusstsein in den Knoten hi- kommt und die sie ins Herz schließt Sie ist auf dem Weg, sich mit neinkommst, und nimm dort deinen Atem wahr. Wie ist es im den ungeliebten Teilen ihrer selbst zu versöhnen, was möglicherweise Innern? Auswirkungen auf ihr äußeres Problem (keinen Partner zu finden) INGRID: Es ist weniger dicht jetzt. haben wird. S:Und wie noch? Hell, dunkel, warm, kalt...? INGRID: Das Innere ist sehr dicht und dunkel. S: Bitte lass deine Aufmerksamkeit dort ruhen und fühle deinen INGRID Atem. Wie fühlst du dich dort drinnen? Ingrid hat einen Sohn und ein Enkelkind. Der Sohn hat sich von seiner INGRID: ES fühlt sich unangenehm an, so, als ob etwas sich wehrt Frau getrennt, und Ingrid kann deshalb ihr Enkelkind, das bei der Mut- S: Bitte nimm dieses Wehren wahr und sei einen Augenblick dafür ter lebt, nicht mehr sehen. Sie leidet sehr unter dieser Situation. da. Fühle deinen Atem dabei. 258 259, INGRID: Es ist wie Trotz... Es liegt etwas Beharrliches darin... zu transformieren. Sie hatte in letzter Zeit schon gespürt, dass bei Jetzt wird es besser. ihrer Arbeit etwas fehlte, und war sehr froh, es in dieser Gruppensit- S: Ich glaube, du solltest dieses Gefühl nicht so schnell verschwin- zung entdeckt zu haben (Gefühle zu respektieren, so wie sie sind, an- den lassen, sondern erst würdigen. Kannst du es zurückholen? statt sich zu bemühen, sie zu transformieren, und sie aktiv ins Herz Vielleicht, indem du ihm Ausdruck verleihst? Was würde es zu schließen). Sie hat nun einen Weg gefunden, mit Gefühlen umzuge- sagen? hen, der ihr besser, weil vollständiger und wahrer erscheint, und kann INGRID: »Ich will bleiben.« ihn erfolgreich in ihre Arbeit einbeziehen. S: Was bedeutet das? Verstehst du das? INGRID: Ja. Ich habe immer den Anspruch, solche Gefühle zu ver-

Zweiersitzungen unter Übungspartnern

ändern, umzuwandeln. Aber es will nicht verändert werden. Es wehrt sich dagegen. Es ist noch nicht so weit. Es folgen Aufzeichnungen privater Übungspartnersitzun- S: Bitte würdige dieses Gefühl einmal ausführlich. Lass es ganz da gen. Die anleitende Person ist jeweils mit ÜP (= Übungs- sein und sei dafür da. Und fühle deinen Atem. Und dann schau, partner) gekennzeichnet. wie du es in dein Herz aufnehmen kannst. Es braucht dein Ver- ständnis, dein Mitgefühl, deine Achtung. MARIA I INGRID: Ja ... Das Verständnis kommt jetzt S: Dann kannst du diesem Gefühl jetzt dein Herz öffnen. Ausgangsthema: Maria leidet unter ihrerWohnsituation. INGRID (weint): Ja. Ja, das geht Jetzt ist da Licht S: Ich glaube, hier müssen wir es stehen lassen. Das ist ein sehr ÜP: Bitte stell dir dein Zuhause einmal vor. wichtiges Gefühl, und jetzt weiterzugehen hieße, es zu miss- MARIA: Ich sehe, es ist einerseits klein und eng und andererseits achten. Bist du einverstanden, wenn wir es dabei belassen? löchrig. Das ist es, worunter ich leide: diese Kombination. INGRID: Ja. Klein und eng und gleichzeitig löchrig. Löchrig ist das Aller- S: Dann musst du bitte in nächster Zeit dein Augenmerk auf die- schlimmste für mich. ses Gefühl richten und dich weiter darum kümmern. Wann ÜP: Was bedeutet das für dich? immer du bemerkst dass du dabei bist ein Gefühl umwandeln MARIA: Löchrig heißt für mich »nicht geschützt«. Jeder kann hin- zu wollen, achte bitte auf diese Abwehr und respektiere dein durch, jeder kann hinein. Es ist, als wenn man Löcher in meine Widerstreben. Nimm die Abwehr an und gib es auf, das be- Aura macht Das Haus ist so gebaut Keine richtigen Türen; treffende Gefühl umwandeln zu wollen. Mach stattdessen dein Durchgänge, Vorhänge, das Bad kann man nicht abschließen, Herz auf für das Gefühl, so wie es ist man wird dauernd gestört... ÜP: Und deine Aura wird auch durchlöchert? Anmerkung: Ingrid istTherapeutin. Sie wird von ihren Klienten sehr ge- MARIA: Ich glaube, sie ist es, und deshalb stört mich das so. Wenn schätzt wegen ihres behutsamen, einfühlsamen und achtsamen Um- sie es nicht wäre.würde mich das löchrige Haus nicht so gangs mit ihnen. Ich traf sie einige Wochen später. Sie zeigte sich sehr stören. Sie ist ziemlich löchrig. froh über diese Sitzung. Sie erzählte, dass sie sich bis dato immer ÜP: Fühlst du das jetzt? bemüht hatte, bei sich selber und bei ihren Klienten negative Gefühle MARIA: Ja. Das ist ein Eindruck, da könnte ich sofort in Verzweif- 260 261, lung ausbrechen. Und gleichzeitig taucht dieses Gefühl auf, das strengend. Und dazu kämpfe ich an allen Fronten, um diesen früher schon mal aufgetaucht ist: »Es hat sowieso keinen geschützten Zustand aufrechtzuerhalten. Zweck.« ÜP: Du machst dich steif? ÜP: Versuch mal, bei diesem Gefühl zu bleiben. Schau, was alles MARIA: Ja, genau. drinsteckt in dieser Verzweiflung. ÜP: Ist es wie Totstellen? MARIA: Ich sehe dann als Bild: Ich bestehe praktisch nur aus mei- MARIA (seufzt): Ich habe es durch Aufatmen etwas gelockert. nem physischen Körper, und drum herum ist fast nichts, also Aber der Solarplexus zieht sich noch zu. Ein geschützter Zu- keine Aura. Und die Personen, mit denen ich in Beziehung stand: Das ist genau das, was mir in unserem Haus fehlt. stehe, können alle in mein Feld herein. Die können mich alle Ich schaue mir diesen ungeschützten Zustand jetzt noch ge- unmittelbar ... treffen. Ein grauenhaftes Gefühl. nauer an. Ungeschützt... Ich hasse es. ÜP: Kannst du das noch näher beschreiben, außer mit »grauen- ÜP: Also du bist ungeschützt, du fühlst dich ungeschützt und du haft«? hasst es. Kannst du das bitte mit Ichsätzen wiederholen? MARIA: Schutzlos ... heimatlos ... kein Platz für mich. Kein siche- MARIA: Ich bin ungeschützt, ich fühle mich ungeschützt; ich fühle rer Platz für mich. Ich reagiere darauf, indem ich mich nach mich löchrig und ungeschützt. Und ich hasse es. Ich hasse es. innen zurückziehe. Denn wenn ich meinen Körper ganz ausfül- Ich hasse es und es müsste eigentlich gar nicht so sein, denn le, dann bin ich ohne Schutz, da um den Körper herum nichts das bin nicht ich, es ist etwas, was mir angetan wurde. Ich ist - keine Aura. Wenn ich mich aber in das Innere meines hasse es. (Atmet tief.) Ich bin eigentlich nicht so. Das ist alles Körpers zurückziehe, dann habe ich den Körper als Schutz um überhaupt nicht ich ... mich. Das ist es, was ich tue. Ich ziehe mich nach innen zurück. ÜP: Das sind keine Gefühle mehr ... Bleib mal bei den Gefühlen. Und dadurch gebe ich meine Macht im Außen auf. Sollen sie Löchrig ... ungeschützt... Du hasst es ... da draußen tun, was sie wollen. Soll das Leben doch laufen, wie MARIA (atmet tief): Es ist alles so weit weg heute. es will. ÜP: Als du vorhin ausgesprochen hast: »Ich bin löchrig«, da war ÜP: Bist du jetzt auch nach innen zurückgezogen? Gut Dann er- das Gefühl am stärksten wahrnehmbar. fühle und beschreibe diesen Zustand. MARIA: Der Satz taucht in mir auf. »Ich will wieder in mein eige- MARIA: Er ist sehr unstabil. Alles, was draußen passiert und mich nes Leben zurück.« Und: »Mein eigenes Leben« ist verbunden wieder rauslockt, holt mich aus meinem Schutz heraus. Des- mit »heil« und »harmonisch«. Zugleich erschien ein Bild. Ich halb macht es mich auch so verrückt, wenn etwas passiert, was sah ein kleines Fetzchen angefangenen Lebens und in diesem nicht geplant war... Er ist sehr zerbrechlich, dieser Zustand, er Fetzchen war es noch heil. Dann ist das abgebrochen und da- muss mit Anstrengung aufrechterhalten werden. Ich merke, nach kommt lauter Löchriges. Ich denke, das Heile am Anfang dass es eine muskuläre Anspannung ist, alles nach innen zu zie- ist die Zeit mit meiner Mutter. (Maria hat als Baby ihre Mutter hen. Die Schultern ... verloren.). Ich weiß nicht, ob das jetzt echte Wahrnehmung ist ÜP: Kannst du die Anspannung einmal konzentriert wahrneh- oder rationale Erklärung ... men? ÜP: Bei mir tauchte das auch schon auf, bevor du es ausgespro- MARIA: Ja. Das ganze Gesicht ist angespannt, der Solarplexus ... chen hast. Vielleicht hilft dir das Bild, besser an die Gefühle Dort konzentriert es sich. Er tut auch weh. Es ist recht an- heranzukommen. 262 263, MARIA: Da ist noch ein Bild. Hinten links ist das angefangene ÜP: Fühlst du das? Heile, Geschlossene, und auf der rechten Seite ist lauter ... MARIA: Ja. aufgebrochenes Zeug, schaut grässlich aus, aber hell. Diese ÜP: Kannst du das Kind, das eine Mutter will, in den Arm neh- Art von Helligkeit hasse ich. Ekelhaft. Das Licht der Bewusst- men? heit ist das. Mein Vater und der Rest der Familie repräsentie- MARIA: Ja ... Aber ich weiß nicht, wie ich das halten kann. Ich bin ren das. ja nicht zwei, ich bin eins. Entweder bin ich die, die die Mutter ÜP: Ekelhaft findest du das ... Fühlst du dieses »Ekelhaftfinden«? sein muss - aber dafür bin ich eben zu schutzlos ... Ich kann MARIA: ja. Es ist wie Abwehr. Denn es ist zu viel. Das andere ist mich ja nicht spalten auch wichtig, das Dunkle und Geschützte. Ohne das Dunkle, ÜP: Stopp. Hier ist das Kind, das eine Mutter möchte. Diese Geschützte kann ich dieses ganze Lichtzeug nicht aushalten. Stimme gilt es jetzt zu erhören. Nimm es in dein Herz auf. Sei Außerdem ist es so zerbrochen, unzusammenhängend, unheil. für dieses Kind jetzt da. Das ist ein Gefühl, das sich durch mein Leben zieht. Dass alles MARIA: Die ganze Welt ist ein grässlicher Ort für dieses Kind, unheil ist. Zu Hause ist nur Unheil. In Beziehungen ist immer wenn da keine Mutter ist. Es ist von allem überfordert. Unheil. Unheil, aber hell. Während dunkel gleichbedeutend mit ÜP: Dieses Gefühl war immer schon da. Es will jetzt einfach heil ist. erlebt, gesehen, verstanden, geliebt werden. ÜP: Bedeutet das Helle »bewusst« und das Dunkle »unbe- MARIA (verzweifelt): Aber dann bin ich ja ganz allein ... wusst«? ÜP: Jetzt identifizierst du dich mit deinem Gefühl und hast deine MARIA: Ich glaube ja ... Das eine ist links - das Dunkle, Heile Bewusstheit verloren. Du musst dich jetzt um dieses Gefühl vom Anfang -, das andere rechts. kümmern, es nicht im Stich lassen. Sei bitte für dieses Kind, das ÜP: Und jetzt sind beide präsent? sich allein fühlt, da. Verschwinde nicht in ihm ... Wie ist es MARIA: Ja ... Ich wende mich jetzt dem Dunklen zu. Da ist jetzt? Schutz, Frieden ... Die Welt kann einem nichts anhaben. Es ist MARIA: ES ist auch Frieden da. Irgendwie bin ich sehr weit weg eine sichere Zone. Dieses Dunkle, Geschützte ist schön. Es ist vom Leben.So,als wenn ich einschliefe ... wie die dunkle Mutter, der dunkle Schoß. Ich tauche da ein. ÜP: Ich habe den Eindruck, dass wir das Helle auf der rechten Wie zurück in den Mutterschoß ... (Schluchzt auf.) Ich weine, Seite noch anschauen müssen. weil ich genau weiß, dass ich in der nächsten Minute wieder da MARIA: Hell, zerfetzt und der Gedanke »Ich hasse es«. raus muss, weil es das in Wirklichkeit gar nicht gibt... ÜP: Fühlst du diesen Hass auch? ÜP:Aber es ist da! ... Bist du jetzt draußen oder noch drinnen? MARIA: Ja. Das Helle ist das Licht der Bewusstheit Ich hasse es, MARIA: Ein bisschen ist noch vorhanden ... Ich denke mir: Damit denn wenn das Licht der Bewusstheit da ist, dann sehe ich all ich diesen Schutz haben kann, muss es jemanden geben, der dieses Grässliche, Hässliche, Zerfetzte, das ich nicht lösen ihn mir gibt Wenn es diesen Jemand nicht gibt, muss ich das kann. Das will ich aber nicht sehen. Okay. Ich beobachte es alles selber machen, und dann bin ich ja wieder die Unge- jetzt. Ich lasse zu, dass es sich ausbreitet Es schiebt sich über schützte ... Eigentlich will ich eine Mutter. mein ganzes Sein. Ich erlebe das jetzt von innen. Ja, so erlebe ÜP: Kannst du das bitte noch mal sagen? ich mich: löchrig und zerrissen. MARIA: Eigentlich will ich eine Mutter. ÜP: Bei mir kommt immer: »Annehmen!« 264 265, MARIA: Das soll ich annehmen? Das ist schwer. Das heißt, auf die blick, da ich die Art von Zuwendung bekomme, die ich mir Illusion verzichten, ich könnte doch etwas anderes, etwas Hei- wünsche, da merke ich das Kind in mir und merke, dass es so les sein ... Was ich da annehmen muss, ist der Zustand des glücklich ist so total da, als wenn die Sonne aufgeht Es ist ab- Zerrissenseins. Unzusammenhängend sein. Und hässlich. Un- solutes Glück. Und dabei kommt der Gedanke: »Für diese heil. Okay. Ich mache mein Herz auf und hole dieses Löchrige, Momente lebe ich.« Diese Momente sind natürlich selten. Und Zerrissene, Hässliche hinein. Ja, das geht ... Ich sehe, ich muss die suche ich. Das ist es, was mich so festkleben lässt an mei- das auch im täglichen Leben annehmen. Ich muss das Löchrig- nem Mann, anstatt meinen eigenen Weg zu gehen; das ist es, sein, das Unheilsein, das Zerrissensein annehmen. weswegen ich mich selber permanent verrate; weil ich dau- ernd versuche, diese Zuwendung zu bekommen. Anmerkung: Wenige Monate später hat Maria festgestellt dass sie ÜP: Ist das Kind jetzt präsent? Bitte stell dir eine Situation dieser dieses Problem hinter sich gelassen hat Löchrigsein, Zerrissensein war Art konkret vor. als Echo des alten Zustands noch vorhanden, war aber kein beherr- MARIA: Ich stelle mir die Situation vor, aber ich fühle nichts ... schendes Problem mehr. Sie fühlte sich von der »löchrigen« Bauweise Nur ganz schwach, als Erinnerung. Ja, es geht auf wie die ihrerWohnung kaum noch gestört Schließlich fand sie auch eine har- Sonne, es strahlt, da ist große Freude. Und unmittelbar auf die monisch geschnittene Wohnung mit richtigen Türen. Freude folgt der Gedanke: »Für diese Momente lebe ich.« Es ist ein spontaner Gedanke, keiner Überlegung entsprungen. ÜP: Kannst du nach oben fragen, was du tun kannst, um solche MARIA II Momente erleben zu können und trotzdem nicht daran festzu- MARIA: Was ich mir heute anschauen möchte, ist meine Bezie- kleben, sondern frei zu bleiben? hung zu meinem Mann. Ich habe das Gefühl, dass ich da seit MARIA: Da bekomme ich ein Bild. Ich sehe, dass das Zentrum Jahren immer dasselbe mache. Obwohl ich mich weiterent- meiner Empfindungen in der beglückenden Situation außerhalb wickelt habe, tue ich seit Jahren immer dasselbe. Nur, dass ich von mir ist zwischen mir und meinem Mann, etwas links vor jetzt sehe, was ich tue. Aber ich mache es genauso. Ich möchte dem Herzen. Da passiert das. Da suche ich es auch immer. Es nicht in diesen Kreisen gehen. Ich will da raus. soll aber, das wird mir jetzt eingegeben, innerhalb von mir sein ÜP: Bei mir hat sich von Anfang an der Hals zugeschnürt und innerhalb soll ich es suchen. Es kann durchaus auch etwas MARIA: Halsschmerz tauchte auf, als ich sagte, dass ich da raus sein, das zwischen mir und einem anderen Menschen passiert will. Dabei meldete sich der Gedanke »Angst«. Jetzt eben habe und diese große Freude auslöst; aber das Geschehen, das Emp- ich auch Angst gespürt, aber so wie ein Lampenfieber am finden soll nicht dort draußen vor mir sein, sondern in mir. ganzen Körper. »Ich habe Angst« (Wiederholt es, um das Ge- Dann ist es gut. fühl aufzuspüren.) Jetzt ist sie nicht da. Jetzt versteckt sie sich. ÜP: Und was musst du ändern oder tun, damit das so geschieht? Jetzt ist gar nichts mehr da. MARIA: Ich muss es in der Situation, während es geschieht, in ÜP: Erzähl noch ein wenig von deinem Thema. mich hineinholen. Ich muss es in mir spüren, im Herzen. MARIA: Zum Beispiel: In einem Moment, in dem es ganz offen- ÜP: Ist das konkret genug für dich, dass du es dir merken kannst? sichtlich nicht angebracht ist um Zuwendung zu betteln und MARIA: Ja ... Dann ist es so, dass ich wieder entdecke, dass dieses dann natürlich eine Abfuhr zu bekommen. Aber in dem Augen- Glück etwas ist was von innen kommt und nicht unbedingt ab- 266 267, hängig ist von äußeren Ereignissen. Es kann einmal ausgelöst ÜP: Ist das Sehnsucht? werden durch äußere Ereignisse, aber es wohnt nicht in ihnen. MARIA: Es ist Hunger. Nicht Sehnsucht. Verzweifelter Hunger. Dann bin ich nicht mehr so süchtig. Aber es ist mit einem ÜP: Ich glaube, es ist sehr wichtig, diesen verzweifelten Hunger Opfer verbunden. Obwohl es eine Bereicherung ist, wird im ganz bewusst da sein zu lassen. ersten Moment der Gedanke auftauchen: »Dazu muss ich MARIA: ES ist, als ob ich irgendetwas oder irgendjemanden umar- etwas opfern.« men oder festhalten wollte ... Und zwar verzweifelt ÜP: Und ist das in Ordnung? ÜP: Du sagst »Als ob ich wollte.« ... Heißt das, dass es nicht geht? MARIA: Ja. Ich schaue jetzt, ob ich das in der Situation, die ich jetzt MARIA: Nein. Das geht ja nicht Jetzt taucht auf, dass ich mich vor mir sehe, nachträglich tun kann, damit ich es schon so er- ekelhaft fühle, weil ich festhalten will, so gierig ... lebe. Das Komische ist: Ich erlebe dann diesen Ausbruch von ÜP: Kannst du das spüren? kindlicher Freude in mir und in meinem Herzen und auf mei- MARIA: Es war Ablehnung. Ich kann es nicht spüren. Ich weiß nem Gesicht, so, als ob ich es von außen wahrnähme, und bin nicht, wo es sitzt. Aber ich bin noch bei dem Hungergefühl. selber gerührt davon, wie dieses Kind sich freut. Es ist ein biss- Das andere habe ich einfach auftauchen lassen. Aber es sind chen erschütternd. Ich erinnere mich noch mal an die Situation Tränen da. ... Es war eine Umarmung ... eine der seltenen Situationen, ÜP: Kannst du dein Herz aufmachen für das Kind, das so hungrig wo er mir wirklich nah war ... Da ist diese Freude und dieses ist? Strahlen ... Es geht Aber das ist nicht leicht, es im Innern zu MARIA (atmet auf): Ich weiß nicht ... Dieses Hungergefühl ist halten und nicht wieder hinauszurutschen. Seltsam ist, dass, jetzt höher gerutscht ins Herz oder in die Gegend des Her- während ich das tue, sich im Bauch Hunger meldet. Oben erle- zens. Dazu das Wort »leer«. Da ist Leere. Das ist das, was be ich dieses Glück und unten fühle ich Hunger. Ich habe aller- Hunger macht. dings auch wenig gegessen. ÜP: Bist du noch beim Atmen? Und beim Hungergefühl? ÜP: Bei mir hat sich der Solarplexus gemeldet. MARIA: Ja. Aber er sitzt jetzt im Herzen. Ich glaube, das kommt MARIA: Ja. Ich gehe jetzt dort hinein und atme. O ja, da ist Hun- alles noch aus der Säuglingszeit und da war emotionale und ger. Es ist emotionaler Hunger. Es ist dieser Hunger, der mit physische Nahrung identisch: gestillt werden. Es ist Hunger. solchen Erlebnissen gestillt werden will. Mit Zuwendung. Einfach Hunger. Da ich den Hunger jetzt da spüre, wo das ÜP: Ich glaube, dieses Gefühl von Hunger nach Zuwendung Herz ist, glaube ich nicht dass ich ihn wirklich ins Herz genom- musst du ausführlich spüren. men habe. MARIA: Ja. Es fühlt sich an wie physischer Hunger. Und es ist dun- ÜP: Ich glaube, du kannst ihn einfach da sein lassen und dein kel. Da ist diese helle Freude im Herzen und da ist dieser Herz für ihn aufmachen. Er muss jetzt nicht weggehen, son- dunkle Hunger, und dazwischen ist keine Verbindung. Der Hun- dern da sein dürfen. ger ist groß. Deshalb bin ich auch eben so erschüttert gewesen MARIA: Ja. Es ist ein Hunger, der nur durch Umarmung genährt von mir selber in solchen Momenten - weil ich wahrgenom- werden kann. Und zwar durch eine Umarmung, an der man men habe, wie groß dieser Hunger ist. Zu dem Hungergefühl sich sozusagen satt essen kann. taucht eine Kinderstimme auf, die etwas sagt wie: »Ich will das ÜP: Kannst du dich selber umarmen? Dir diese nährende Um- haben.« armung selber geben? 268 269, MARIA: Ich weiß nicht... Das macht traurig. ÜP: Versuch mal, diese Trauer lebendig zu machen ... ÜP: Dann lass die Traurigkeit da sein. MARIA: Ich weiß nicht ob es Trauer ist Es ist weil wir ihm (dem MARIA: Dann ist ja da nicht dieses warme, weiche Andere, in das inneren Kind) alle einreden wollen, dass es das, was es haben man eintauchen kann ... Jetzt ist aber etwas passiert mit dem will, nicht von anderen kriegen darf. Ich glaube, dann will es Hunger. Er hat sich nach oben gerichtet wie ein leeres Gefäß, nicht leben ... Ich will versuchen, es mithilfe des Atems le- das von oben gefüllt wird. Das ist gut. bendiger zu machen ... Wenn ich mehr atme, kommt etwas ÜP: Hast du noch Kontakt zum inneren Kind? Ist die Traurigkeit Energischeres auf. Wut oder Sauersein. auch noch da? ÜP: Wo ist die Wut? MARIA: Ja. Aber es ist jetzt so: Ich habe dieses Kind selber inner- MARIA: In den Zähnen, in den Händen. Es ist eine »Ich will aber«- lich umarmt. Dadurch ist es geschehen, dass der Hunger wie Wut Es ist Trotz und Wut. Weil ich das nicht kriege. Es ist ver- ein leeres Gefäß geworden ist, das sich nach oben gedreht hat. bissen. Auch in den Schultern und in der Stirn. Es ist auch An- Zugleich ist die Erkenntnis aufgetaucht, dass der Hunger etwas spannung. Wenn ich die zusammenbrechen lassen würde, Gutes ist. würde ich wohl weinen. (Weint) ... Jetzt habe ich Wut und ÜP: Ja. Mir war nur wichtig, dass du dabei dennoch den Kontakt Trotz ins Herz geholt und da ist die Anspannung zusammen- zu deinem inneren Kind behältst Auch wenn von oben etwas gebrochen und dann kam Verzweiflung und etwas im Hals ... kommt, ist da trotzdem noch ein Kind, das Zuwendung braucht, Aber jetzt ist alles nebelhaft und vage. Ich weiß das alles, aber Wärme und Liebe. Ist es im Solarplexus? Oder täuscht mein ich spüre es nicht Eindruck? ÜP: Bleib einfach dabei. Du kannst auch darum bitten, dass es MARIA: Ich weiß nicht Das Hungergefühl ist im Herzen. Nicht sich dir mehr zeigt. mehr im Solarplexus. MARIA: Jetzt ist da das Gefühl, mich verkriechen zu wollen. Es ÜP: Und die Traurigkeit? geht alles gar nicht Es hat keinen Zweck. Ich versuche mal, MARIA: Im Gesicht. dieses Gefühl zu halten und wahrzunehmen ... (Schluchzt.) ÜP: Und zwischen Kehle und Herz, was ist da? Wenn ich das nicht kriegen kann, will ich überhaupt nicht MARIA: Da ist die ganze Zeit schon das Gefühl, resignieren zu mehr leben. wollen. So ähnlich wie: »Es hat keinen Zweck.« ÜP: Dieses »Ich will nicht leben« fühlen und da sein lassen. ÜP: Fühlst du das? MARIA (schluchzt): Ich weiß schon, dass das alles Unsinn ist ... MARIA: ES ist außen an der Peripherie und zieht alles herunter. Aber es ist so, als ob mein ganzer Lebenszweck fort wäre, Wenn das da ist gebe ich alles auf. Dann ist da kein Hunger wenn ich das nicht kriegen kann. Lieber lebe ich in der Illusion, mehr und nichts, das sich nach oben öffnet, alles ist fort. Und als das zu leben, was die Wahrheit ist..dass ich es nie kriegen dann verhalte ich mich so, wie ich mich im Leben verhalte; kann,von niemandem ... dann lasse ich alles sein. ÜP: Ist das die Wahrheit? Ich glaube, das ist nur dein Gefühl, ÜP: Ich glaube, jetzt ist es wichtig, die Resignation aufmerksam zu mit dem du dich identifizierst Nimm es bewusst wahr, ver- spüren. schwinde nicht darin. MARIA: Sie ist da. Ich würde auch weinen, wenn ich nicht zu resi- MARIA: Ich habe den Eindruck, dass es irgendetwas gibt das ich gniert wäre. schon kenne und das ich haben will, und dass ich dafür lebe, 270 271, um das zu haben und auch zu geben. Und jetzt tut mir der mal, ob ich trotzdem den ganzen Körper spüren kann ... Ja, Hals ganz weh ... Jetzt tut der Hals mir nicht mehr weh, aber das geht gut Jetzt habe ich den Ballon um meinen Körper der Hunger ist da, im Solarplexus. Da ist etwas Klebriges, Dun- herum, sodass ich in seinem Innern sitze. Es ist wie im Mutter- kles ... Ich gehe jetzt in den Solarplexus hinein, um es kennen leib. Schönes Gefühl. In der letzten Sitzung, fällt mir jetzt ein, zu lernen.Jetzt ist da so ein merkwürdiges Körpergefühl ... Es habe ich ja das Gefühl entdeckt, keine Aura zu haben, sodass ist nicht der physische Körper, irgendwie ein anderer Körper die Hautgrenze auch meine Grenze ist. Jetzt ist es anders: ... Es ist angenehm. Ich weiß nicht, ob ich jetzt vor dem viel Raum um meinen Körper herum. Geschützter Raum. Schmerz weggelaufen bin, aber das Merkwürdige ist spontan Zum allerersten Mal Geborgenheit Der Hunger ist glaube ich, passiert. fort ... Ein bisschen ist er noch da. Irgendwie scheint er mir ÜP: Sind die Gefühle nicht mehr da? Wut, Verzweiflung . auch etwas zu sein, was mich auf der physischen Ebene hält... MARIA: ES ist sehr friedlich. Es ist vom Solarplexus aus aufwärts Das, was ich Ballon nenne, ist irgendwie ein Weg, wie ich aus ein riesengroßer Ballon. Wenn ich dem nachgeben würde, dem Körper aussteige und auf eine andere Ebene gehe ... Der würde er wahrscheinlich immer größer werden und ich würde Hunger im Solarplexus ist ein Zipfel, der mich auf der physi- immer ... unkörperlicher. Statt des physischen Körpers hätte schen Ebene festhält. Es ist in Ordnung. ich dann diesen Ballon als Körper. ÜP: Kannst du mal schauen, was es damit auf sich hat? Anmerkung: Marias Übungspartnerin ist am Anfang dieser Sitzung MARIA: Das Wort, das als Antwort sofort auftaucht, ist »Schutz«. von der reinen körperzentrierten Herzensarbeit abgewichen. Maria Den mache ich nicht aus meinem persönlichen Bewusstsein hat das geschehen lassen, weil sie gespürt hat, dass die Fragen der heraus, sondern er kommt von oben. Ich gehe jetzt mal hinein Partnerin sie an ihreWahrheit heranführten, und beide sind nach dem in diesen Ballon. Aha. Ich kann auch im Solarplexus den Hun- ersten Abschnitt in die eigentiiche körperzentrierte Herzensarbeit ein- ger spüren. Alles, was sonst an Gefühl da war, ist fort, nur gestiegen. der Hunger ist noch da. Deshalb gehe ich jetzt dorthin, wo er sitzt ... Ich habe mich gefragt, wie dieser Hunger gestillt wer- den kann. Die Antwort, die auftauchte, war: »Durch Dasein.« SOPHIE Dann habe ich gesagt: Jetzt bin ich aber da und trotzdem hung- SOPHIE: Ich weiß nicht welches Thema ich nehmen soll. Es gibt rig. Darauf kam die Antwort: Dann muss ich eben für den mehrere. Als Erstes kommt mir mein momentanes Bedürfnis Hunger da sein. Bei dem Hunger sein. Da habe ich eingewandt: in den Sinn, große Mengen zu essen. Ich könnte den ganzen Tag Ich kann doch nicht immer so zugewandt bleiben - mir selber essen. Ich habe immer das Gefühl, hungrig zu sein, obwohl sich zugewandt -, ich muss mich doch auch um die Dinge da mein Bauch gespannt und voll anfühlt Der Bauch wölbt sich, draußen kümmern ... Und die Antwort war: Ich kann aber viel aber darüber ist ständig ein Gefühl von Hunger. Und dann ist öfter da sein - zugewandt sein. noch etwas ... Heute früh auf der Autobahn habe ich mich als Dieses Ballongefühl fühlt sich an wie ein Übergang auf eine hö- wirklich bösen Menschen erlebt. Das ist ein Gefühl, das in here Ebene. Es ist sehr angenehm, aber total unkonkret. Ich bin einer früheren Sitzung schon mal aufgetaucht ist als ich das ganz friedlich und wäre jetzt zu allem möglichen Medialen in Gefühl hatte, einmal eine böse alte Frau gewesen zu sein. So der Lage, bin aber weniger physisch. Es ist angenehm. Ich schaue war ich heute früh furchtbar böse - böse Gedanken, böse 272- 273, Wünsche, die ich während dieser Autofahrt hatte. Und schließ- ÜP: Wenn du in die zugeschnürte Kehle hineingehst wie fühlst lich gibt es ein Problem mit einer Kollegin, beziehungsweise du dich dort drinnen? das Problem habe sicher nur ich, nicht sie. Ich hasse sie, ich SOPHIE: Ohnmächtig, Angst zu ersticken. möchte sie ohrfeigen, ich finde sie falsch. Sie bringt mich in ÜP: Was ist mit der harten Platte - hängt die damit zusammen? Wut Ich finde, sie spielt ein falsches Spiel. SOPHIE: Die spüre ich jetzt gerade nicht aber ich glaube schon, ÜP: Ist die Qualität der Bösartigkeit, die du beim Autofahren ent- dass das zusammenhängt. Jetzt spüre ich den Solarplexus. Da deckt hast, ähnlich wie deine Gefühle der Kollegin gegenüber? drückt auch etwas drauf, er ist auch eingeengt. Ich glaube, es ist SOPHIE: Ja, total. Das gehört zusammen. Ich glaube sogar, dass so, dass diese Frau mich einengt Irgendwie ist das wie ein Zwei- meine Gefühle ihr gegenüber - dazu gehört auch Hass - dazu kampf zwischen ihr und mir. Das kommt mir jetzt in den Sinn. geführt haben, dass ich beim Autofahren so böse war. Einer- Ich bin ihr im Weg und sie steht mir im Weg. Das ist ein Thema, seits merke ich, dass ich wütend und sauer bin, aber ich geste- das früher schon mal aufgetaucht ist das Im-Weg-Stehen. Und he es mir nicht richtig zu, sondern fühle mich schlecht, weil ich ich habe jetzt beobachtet dass das Gefühl gleich furchtbar ist, Wut und Hass in mir habe. Erst seit kurzem gestatte ich es egal, wie herum: ob ich jemandem im Wege stehe oder ob mir mir, wütend und sauer zu sein; vorher habe ich immer ver- jemand im Weg steht Es ist das Gleiche, körperlich, wie es mich sucht, das zu unterbinden. eng macht wie es mich ohnmächtig und wütend macht der ÜP:Aber du hast dich mit deiner Wut noch nicht hingesetzt? Groll, der dann auftaucht... Es hat die gleiche Qualität SOPHIE: Einmal habe ich mich hingesetzt und diese Gefühle ein- ÜP: Und wie ist das in diesem Fall hier? Wer steht wem im Weg? fach zugelassen, Körper beobachtet und so weiter. Aber es gab SOPHIE: Beide. Es ist auch hier beides. keinen Durchbruch. Ich hatte das Gefühl, ich kann noch zwei ÜP: Okay. Ihr steht einander im Wege. Kannst du dies bitte mal Stunden so sitzen. als Tatsache hinnehmen und auf dich einwirken lassen? ÜP: Dann würde ich vorschlagen, du erzählst mir jetzt von dieser SOPHIE (wiederholt leise): Sie steht mir im Wege. Ich stehe ihr im Kollegin - was vorgefallen ist und was dich so ärgert. Wege. SOPHIE: Da meldet sich erstaunlicherweise gleich das Körperge- ÜP: Den Atem spüren. fühl des Zu-viel-Essens, also dieses Prallsein, Gefülltsein, Mich- SOPHIE: Es fühlt sich wahnsinnig eng an. Eigentlich habe ich fürch- zustopfen, Zugestopft-, Gestopft-, Verstopftsein. Ich glaube, terliche Wut, aber in dieser Enge kann man keine Wut haben. da gibt es einen Zusammenhang, weil sich das so in den Vor- Es ist zu eng dazu. Aber ... Es ist diese Enge ... Diese Enge dergrund schiebt. mache ich mir mit dem Essen auch. ÜP: Dann lass dieses Körpergefühl jetzt da sein, lass es so weit ÜP: Aber die Wut ist da. Sie muss nur irgendwie zusammenge- auftauchen, dass es dein Bewusstsein ganz ausfüllt, sodass du es quetscht sein und kann sich nicht ausdrücken.Wo ist denn die von innen wahrnehmen kannst Wut? SOPHIE: Da gibt es hier im Bereich der Kehle und der Brust eine SOPHIE: ES kommt mir so vor, als sei da ein Hohlraum im Innern, ganz harte Stelle, so etwas wie eine harte Platte. Und der Kie- eine Röhre ... fer tut weh. Verspannt. Und Schmerz taucht auf. Atemnot. Es ÜP: Bitte geh mal mithilfe deines Atems in diese Röhre hinein. schnürt mir die Kehle zu. Es fehlen mir die Worte, so, als ob SOPHIE: ES kommt mir schwarz vor und ... explosionsgefährdet. das Zuschnüren der Kehle mich hindern sollte zu reden. Ich komme nicht ganz rein. Ich halte Sicherheitsabstand. 274 275, ÜP: Schau, ob es doch eine Möglichkeit gibt hineinzukommen. dehnt sich die Anspannung auch auf den Rücken aus. Entlang Vielleicht, indem du dir sagst: »Ich möchte es kennen lernen.« und links von der Wirbelsäule nach unten. SOPHIE: »Ich möchte dich kennen lernen ...« Ja. Dort im In- ÜP: Was ist das für eine Anspannung? Machst du dich hart, willst nern herrscht ein Gefühl, als wolle ich um mich schlagen. du zuschlagen? Und irgendwie ist es schwarz, es ist, als wenn ich nichts mehr SOPHIE: Das ist eine Anspannung, jederzeit bereit sein, zuzuschla- sehen und nichts mehr hören wollte, nur noch um mich gen. Das ist auch in den Füßen und in den Armen. In den schlagen. Armen halte ich mich am meisten zurück. Der Aufwand, nicht ÜP: Bitte atme ein bisschen stärker und versuche das Gefühl zuzuschlagen, führt auch zu einer Verspannung. Das Ganze etwas lebendiger zu machen. geht jetzt auch auf den Bauch über. Solarplexus. Alles zieht SOPHIE: ES hat etwas mit Atemnot zu tun, mit Keine-Luft-bekom- sich zusammen, auch der Bauch. Wenn ich mir die Bilder an- men. So wütend sein, dass ich nicht mal mehr atmen kann. schaue, die dabei auftauchen, dann würde ich einfach den Blind vor Wut, taub vor Wut. nächstbesten Tisch nehmen und ihn ihr über den Kopf schla- ÜP: Es ist jetzt sehr wichtig, dass du bewusst atmest. Bitte atme gen. und erlebe trotzdem diesen Zustand, keine Luft zu bekommen. ÜP: Das ist ein Bild. Wo sind die dazugehörigen Gefühle? Das geht SOPHIE: Worte wären: du blöde Kuh, blöde Ziege. SOPHIE: Ich habe dabei Schmerzen in den Oberarmen. Ich halte ÜP: Wo fühlst du das? etwas fest. SOPHIE: Wut? Fühlen? Ich fühle überhaupt nichts. ÜP: ja, du möchtest ja um dich schlagen. Schau mal, ob du die ÜP: Schau mal, ob du etwas zu ihr sagen kannst, was mit »ich« ganze Wutenergie, die dort drinnen ist, mithilfe des Atems anfängt. auftauchen lassen kannst, sozusagen anfachen, sodass du sie SOPHIE: »Ich hasse dich.« Das sitzt vorn, zwischen Herz und Hals. wirklich spüren kannst. ÜP: Bitte geh dorthin und befreie dieses Gefühl von Hass oder SOPHIE: Ich bekomme auch Kopfschmerzen. Es macht mir den Wut, indem du ihm erlaubst, da zu sein. Es muss sich nicht ver- Kopf voll. Es tut weh. Es ist sehr auf oben konzentriert. stecken. Es darf da sein und du darfst es fühlen. ÜP: Sehr kräftig atmen. Es ist ein Weg, wie du die Schmerzen be- SOPHIE: Das ist eigentlich Verzweiflung. freien kannst. Atme und hole mit deinem Atem die Gefühle da ÜP: Warum bist du verzweifelt? ... Ist die Verzweiflung jetzt da? heraus, um sie zu fühlen. SOPHIE: Sie ist schon wieder weg. SOPHIE: Schmerzen in Kiefer und Stirn. ÜP: Kannst du sie wieder herholen? Sprich noch einmal den Satz. ÜP: Fühle die Spannung im Kiefer, aber atme! SOPHIE: »Ich hasse ...«Jetzt ist es mehr Wut .Enge ... SOPHIE: ES ist, als ob ich aus den Armen Feuer sprühen würde. ÜP: Erlaube ihr, sich auszubreiten, mithilfe des Atems ... Gleichzeitig hat es durch die wahnsinnige Anspannung etwas SOPHIE: Deswegen ist sie ja da. Ich habe keinen Raum. Vielleicht Totes. Alles ist festgehalten. Es kann gar nicht fließen, jetzt habe ich Raum, aber nicht so viel, wie ich brauche oder zu spüre ich das auch in den Beinen. Die halten auch etwas fest. brauchen meine. Sie haben in letzter Zeit auch wehgetan. ÜP: Sie darf sich ganz ausbreiten. ÜP: Willst du da treten? SOPHIE: Das ist sehr schwierig. Denn einerseits ist da Wut, aber SOPHIE: ja, ich würde am liebsten mit allem ausschlagen, jetzt dann taucht immer so ein heulendes Kind auf. Hilflosigkeit. 276 277, Heulen. Dann wieder Wut Körperlich ist es vor allem Enge. ÜP: Kannst du sie bitte mal ausdrücken, in Ichform? Ich fühle mich eingeengt SOPHIE: »Ich bin ausgeschlossen. Ich gehöre nicht dazu. Sie wollen ÜP: Dann bitte versuche mal, dieses Dich-eingeengt-Fühlen ins mich nicht haben. Ich bin allein.« Herz zu nehmen. ÜP: Fühlst du das auch? SOPHIE: Das kommt mir wie ein absoluter Dauerzustand vor. SOPHIE: Ich bin einfach hilflos. Ich kenne das. Da drinnen, im In- ÜP: Fühlst du ihn noch im Körper? nern dieses Zustands, gibt es einen Ruhepunkt und dort stört SOPHIE: Ja. Das kann ich praktisch Tag und Nacht fühlen. Wenn mich wenigstens niemand. Da mache ich es mir auf irgendeine ich so weit zu mir zurückgehe, komme ich immer dahin. Enge. Art bequem. Das ist jetzt eingetreten. Eng. Eng. ÜP: Und was macht dein Körper? ÜP: Ich glaube, es ist wichtig, diese Enge ohne Ausweichen zu SOPHIE: Ich atme nicht mehr. erleben, anzuerkennen, kennen zu lernen. Du kannst in diesem ÜP: Ist der Körper entspannt oder verspannt? Zustand ausharren und atmen. SOPHIE: Kann ich nicht sagen. Aber es ist als ob ich in mir Platz SOPHIE: ES ist ziemlich furchtbar. Da geht es nicht vor und nicht schaffe. Das, was im Außen nicht da ist, worauf ich kein An- zurück. Steifheit. Starrheit Lebendig tot sein. recht habe - einen Platz für mich -, den schaffe ich mir im ÜP: Das ist ein Teil deiner Realität Es ist ein Teil deines Wesens, Innern. Die Empfindungen und Wahrnehmungen nach außen den du da eingefroren hast Kannst du ihn bitte ins Herz hin stelle ich ab und richte sie nach innen, schaffe mir innen schließen? Platz, mache es mir bequem. In dieser Welt kann ich existieren. SOPHIE: Ja. Ich bilde mir ein, ja. Aber es ändert sich nichts. ÜP: Wie fühlt sich der Körper dabei an? ÜP: Das muss jetzt auch nicht sein... Wenn du meinst dass du SOPHIE: Er ist wie tot. Den stelle ich ab, den muss ich abstellen. dich jetzt genügend um die Enge gekümmert hast und wir wei- ÜP: Bitte nimm diesen Zustand einen Augenblick bewusst und tergehen sollen, sag bitte Bescheid. Ich glaube aber, dass das ganz wahr. Und atme. mit der Enge sehr wichtig ist und dass wir sie nicht einfach SOPHIE: Das ist die Ursache der Schmerzen, die ich oft habe. wegschieben und weitergehen sollen. Irgendwie hat der Körper sich jetzt gelockert und dann SOPHIE: Bei deiner Idee weiterzugehen tauchte eine Kleinkinder- kommt sofort dieser Schmerz ins Bewusstsein, den diese Si- stimme in mir auf, die Hilfe schreit So etwa: »Lass mich jetzt tuation für mich bedeutet... Es ist einfach Schmerz. Es beginnt nicht allein.« in der Kehle und ist einfach furchtbar. ÜP: Ich möchte gern, dass wir uns um diesen Teil, der da einge- ÜP: Atme in diese Schmerzen. Lass den Schmerz da sein und sperrt ist noch mehr kümmern, aber nicht indem wir uns der fühle mit dem Herzen. Enge widmen, sondern indem wir die Wut betrachten, denn es SOPHIE: Das, was jetzt passiert kenne ich auch, da gebe ich dann ist dieselbe Person - dasselbe Kind, das da eingeengt ist und irgendwann nach, weil ich dann nicht mehr kann ... Dann krie- das wütend ist Schau mal, ob du dort wieder hineinkommst ge ich Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Schmerzen in den Da war das Gefühl, um dich schlagen zu wollen. Schultern ... SOPHIE: Jetzt ist genau wieder der andere Teil da: die Verzweiflung. ÜP: Kannst du das aufhalten und wieder zurückgehen in den ÜP: Bitte bleib dabei. Was ist das für eine Verzweiflung? Schmerz? Den Schmerz wieder lebendig machen. SOPHIE: Allein sein. Ausgeschlossen sein. SOPHIE: Ich glaube, das passiert immer. Sobald dieser Schmerz 278 279, auftaucht, beginnt der Kopf zu arbeitea-Warum mögen die dieses Im-Herzen-Sein, dieses EinsWsJh ein bisschen zu genie- mich nicht? Warum ...? Und das sind dann die Kopfschmerzen, ßen ... Möchtest du jetzt - ohne dieses positive Gefühl aufzu- die sind dann so furchtbar, dass sie mich von dem eigentlichen geben und aus dem Herzen foröugehert - zum Ausgangspunkt Schmerz wegbringen. zurückschauen, zu der Frau, die dir solche Probleme macht? ÜP: Ja. Und jetzt ist es wichtig, bei dem eigentlichen Schmerz zu SOPHIE: Das ist vorhin automatisch passiert, und da habe ich fest- bleiben. gestellt, dass sie genauso einsam ist SOPHIE: Welcher Schmerz? ÜP: Wenn du jetzt an sie denkst ist da noch Wut? Aggression? ÜP: Du hast gesagt: Du bist draußen ... allein ... gehörst nicht SOPHIE: Nein. dazu ... ÜP: Und jetzt schau bitte mal nach dem »Gestopftsein«. Ist das SOPHIE: Rausgedrückt. noch da? ÜP: Schau, ob du das so, wie es ist, wahrnehmen kannst, ohne zu SOPHIE: Da kommt mir in den Sinn: Ich will damit Empfindungen bewerten, ohne zu denken. Nur für diesen Schmerz da sein. abtöten, nämlich diesen Schmerz des Alleinseins. Das mache SOPHIE: Jetzt ist er ein bisschen wieder da, nicht so deutlich wie ich dadurch, dass ich nun andere Empfindungen stärker wer- vorhin ... den lasse, nämlich die des Gestopftseins, des dicken Bauches. ÜP:Vielleicht musst du ihm noch mal Ausdruck verleihen. Und andererseits ist es so, als würde ich mich damit am Leben SOPHIE: »Sie mögen mich nicht Ich bin allein.« festhalten. ÜP: Lass deinen Atem dahin gehen, wo der Schmerz sitzt. ÜP: Also Gefühle abtöten. Diesen Teil brauchen wir uns, glaube SOPHIE: ES fühlt sich »zum Platzen« an. Als ob ich platze. Vor ich, jetzt nicht mehr anzuschauen, denn das war ja das, was wir allem in der Kehle. eben getan haben. Es war dieser Schmerz, um den es ging. Jetzt ÜP: Ich habe den Eindruck, dass du das durch übertriebenes hast du ihn nicht abgetötet, sondern erlebt. Das musst du viel- Atmen befreien kannst, erlebbar machen kannst. Genau dahin leicht wiederholen. So, wie du jetzt bist bist du mit deinem atmen. Nicht, um es wegzumachen, sondern um es fühlbar zu Körper verbunden. Kannst du dieses Gefühl in dir verankern, machen ... Und jetzt schau mal, ob du diesen Schmerz ins sodass du es wieder herholen kannst? Herz nehmen kannst ... oder umgekehrt, dein Herz öffnen SOPHIE: Ja, das ist jetzt da, aber gleichzeitig habe ich viele Schmer- und so weit machen, dass es ihn aufnimmt... Geht das? zen. Kopf, Rücken, Stirn, Schultern tun weh. SOPHIE: Ich glaube, ja. ÜP: Es ist die Art von Schmerzen, die auftaucht, wenn du in etwas ÜP: Wie fühlst du dich jetzt? zum ersten Mal nach langer Abwesenheit wieder hineingehst. SOPHIE: Zunächst hat sich das Gefühl von Alleinsein sehr ver- Wenn das Blut, die Energie wieder hineingeht Dann tut es schlimmert und jetzt ist Frieden da. Friedlich. erstmal weh. Ich glaube, das ist in Ordnung. ÜP: Ist es jetzt so, als ob du eins mit dir bist? SOPHIE: Das kommt mir auch nicht so schlimm vor. SOPHIE: Ja. ÜP: Vielleicht ist es sogar wichtig, all diese Schmerzen, die du ÜP: Willst du noch dabeibleiben? deinem Körper antust auch zu leben. Vielleicht kannst du SOPHIE: Ich habe mich vorhin schon gefragt, woher ich weiß, außer deiner Präsenz auch deine Liebe -r vom Herzen aus - im wann es zu Ende ist Wie spüre ich das? ganzen Körper ausbreiten. ÜP: Du hast das immer von selber gespürt. Jetzt ist es wichtig, SOPHIE: Das kommt mir sehr wichtig vor. 280 281, ÜP: Und dann das Gefühl, das du jetzt hast, in dir verankern.Viel- Üben mit der ganzen Gruppe anhand einer Situation, leicht gibt es irgendein Codewort, irgendeinen Trick, mit dem die mehrere Teilnehmer teilen du das in dir verankern kannst, damit du es wiederfindest, falls du es verlierst. Am Morgen eines Gruppentages (einer Übungsgruppe, die SOPHIE: Vielleicht Licht und Liebe. Licht und Liebe im Körper aus- einmal im Monat zusammenkommt) gab es Ärger. Wir hat- breiten. ten keinen Schlüssel, um den Seminarraum aufzuschließen. ÜP: Und dich im Körper ausbreiten. Hauptsächlich lag es am Vermieter, der uns ausnahmsweise SOPHIE: Mich ausbreiten, ja. Der Körper ist jetzt insgesamt leben- vergessen hatte und in Urlaub gefahren war, ohne den dig, ob mit oder ohne Schmerzen, das ist jetzt nicht wichtig. Schlüssel, wie sonst üblich, für uns zu hinterlegen - aber der Wichtig ist, dass er lebendig ist. Nur der Bauch fühlt sich noch Ärger, der in diesem Zusammenhang auftauchte, traf natür- nicht gut an. lich auch mich als Leiterin der Gruppe. Immerhin hätte ich ÜP: Möchtest du dort noch hinschauen? dafür sorgen können, dass so etwas überhaupt nicht passie- SOPHIE: Da ist etwas Trotziges. Den Bauch rausstrecken als Trotz- ren konnte. haltung. Wir fanden schnell einen anderen Raum und begannen un- ÜP: Fühlst du den Trotz? sere Arbeit wie gewohnt. Ich schlug vor, für das Üben der SOPHIE: Ja. Wie ein kleines Kind, das sich nicht wehren kann, körperzentrierten Herzensarbeit diesmal nicht Themen he- nicht mit Worten und nicht mit Taten. Es streckt eben den ranzuziehen, die die Teilnehmer von zu Hause mitgebracht Bauch raus und sagt dadurch aus, dass es vorhanden ist, dass es hatten, sondern die akute Situation, nämlich die Verstim- doch mächtig ist oder irgendetwas dieser Art. mung, die es am Morgen wegen des fehlenden Schlüssels ÜP: Kannst du das verstehen? Mit dem Herzen verstehen? Das gegeben hatte, und ihre Folgen. Eine Teilnehmerin, Paula, Kind warst du. war sehr verärgert gewesen und richtete ihren Ärger vor SOPHIE: Ich finde das sehr lustig. Ich denke schon. Wenn ich es allem auf mich; eine andere, Helga, fühlte sich betroffen von lustig finde, kann ich es auch verstehen. Es kommen auch Bilder Paulas scharfem Ton; Anita fühlte sich unbehaglich; Sophie von dicken Männern, die ihren Bauch genauso rausstrecken. war verletzt wegen einer Bemerkung, die Paula ihr gegen- ÜP: Wie ist das nun, wenn du dich selber, anstatt dich im Körper über gemacht hatte. Ich selbst war völlig darauf konzen- zurückzuziehen, im ganzen Körper ausbreitest, so, wie du das triert gewesen, die Situation ohne Aufhebens zu meistern, eben gemacht hast? Wenn deine Präsenz und deine Liebe dei- damit wir schnell mit der Arbeit anfangen konnten, merkte nen ganzen Körper ausfüllen - musst du dann auch den Bauch aber, dass ich auch betroffen war. So begannen wir unseren rausstrecken? Übungstag mit einer Runde, in der jeder erzählte, wie es SOPHIE: Nein, dann brauche ich es nicht. Das war mir gleich klar. ihm mit der Situation erging, und damit in die Übung kör- Dann tritt ein Gefühl von Ganzheit ein. Sonst war da nur perzentrierter Herzensarbeit einstieg. Bauch und alles war im Bauch konzentriert, aber wenn ich Im Verlauf dieser Runde fand jeder das, was seinem Ärger mich insgesamt im Körper ausbreite, dann ist das ein Gefühl oder seiner Betroffenheit eigentlich zugrunde lag, drückte von Ganzheit. Ich muss mir das merken und das wahrschein- die entsprechenden Gefühle aus (das war notwendig, da lich öfter wiederholen. wir ja hier in einer gemeinsamen Übungssituation waren) 282 283, und schloss sie ins Herz, während die anderen mit dem Seite (die verärgerte Paula) und die andere Seite (Sophie, Herzen zuhörten. Am Ende waren alle begeistert. Statt der die sich von ihr verletzt fühlte) zu verstehen und zu schüt- üblichen Argumentationen hatte jeder seine tiefsten, der ak- zen - ein altbekanntes Gefühl. Ich lernte es kennen und tuellen Problematik zugrunde liegenden Gefühle gefunden holte es ins Herz. und ins Herz geschlossen, sie mit den anderen geteilt - und Paula hatte sich sehr über die Situation und über mich jeder hatte verstanden, was jeden anderen bewegt hatte. Am geärgert. Sie entdeckte, nachdem sie ihren Ärger zunächst Schluss gab es keine Verstrickungen der Teilnehmer mehr lautstark und auf vielfältige Weise artikuliert hatte, ihre untereinander wie zu Beginn der Situation (als man sich Wut, die im Körper, vor allem in den Händen, versteckt verletzt, verärgert oder betroffen fühlte von irgendetwas, war. Als sie ihre Selbstwahrnehmung vertiefte und schließ- das ein anderer Teilnehmer oder ich gesagt oder getan lich ganz bei sich selber angekommen war, stieß sie auf Ge- hatte), sondern jeder war bei sich angekommen, hatte Ver- fühle aus der Kindheit, die hinter alldem steckten: vor allem antwortung für sein eigenes Gefühl übernommen und sein Trauer, ein sehr kindliches Gefühl von Trauer, und zugleich Herz geöffnet. Wut. »Ich will nicht mehr schweigen. Ich will nicht mehr Anita war nicht verärgert gewesen, nur ein wenig ver- zurückstehen.« Sie schloss ihr inneres Kind mit diesen Ge- wirrt und betroffen angesichts der Situation. Als sie in ihren fühlen ins Herz. Körper hineinspürte, fiel ihr vor allem etwas auf, was sie als »Nebel im Kopf« bezeichnete. Als sie in diesen Nebel hi- HELGA 1 neinging, entdeckte sie ein altbekanntes, doch von ihr noch nie richtig gewürdigtes Gefühl, das sie umschrieb mit: »Ich Helgas Sitzungsprotokoll gebe ich vollständig wieder. komme nicht mit; ich habe wieder etwas nicht mitbekom- men.« Sie lernte es kennen, widmete ihm Aufmerksamkeit S: Welche Gefühle sind bei dir aufgetaucht? und schloss es ins Herz. HELGA: ES hat zu tun mit der Problematik, mit der ich vorletztes Sophie fühlte sich verletzt durch eine Bemerkung der ver- Mal gearbeitet habe: Ich hatte damals eine Auseinandersetzung ärgerten Paula, die ihr galt. Sie entdeckte bei der Körper- mit meiner Tochter gehabt und mich hatte der gehässige Ton wahrnehmung, dass sie eine »Jalousie heruntergelassen« verletzt. Das habe ich heute früh auch so empfunden. Etwas hatte. Beim Erforschen dieser Jalousie entdeckte sie ein in- dringt auf mich ein und durchbricht meine Außenhaut... neres Kind, das sich schuldig und schlecht fühlte (was S: War das im Gespräch mit Paula? durch Paulas Ausspruch ausgelöst worden war) und einen HELGA: Ja. Es hat sich angefühlt, als wenn etwas Spitzes in mich »inneren Vater«, der sie verurteilte, schlecht und schuldig hineingestoßen wird. Dann wurde es leichter, und was blieb, zu sein. Sophie lernte beide Seiten kennen und schloss sie war ein gewisses Gewicht ... Während des Gesprächs wusste ins Herz. ich, dass das meine Sache ist, dass ich mir meine Emotion an- Ich selber entdeckte bei der Betrachtung der Situation und schauen muss. So fragte ich mich: Wie fühle ich mich? Ich emp- meiner körperlichen und emotionalen Reaktion auf sie das fand eine Last unter meinem Herzen. Sie ist auch jetzt noch da, Gefühl, mich in einem Loyalitätskonflikt zu befinden. Ich aber leichter geworden dadurch, dass die anderen gesprochen war hin und her gerissen zwischen dem Gefühl, die eine und ihre Gefühle ausgedrückt haben. Das hat mich entlastet. 284 285, S: Dann schau bitte jetzt noch einmal zurück zu dem Gespräch Herz genommen. Ich kann es auch im Herzen spüren. Es ist als heute Morgen, zu der kritischen Phase, als diese Wirkung bei ob da etwas Hartes wäre, das ich spüren kann. dir auftrat. Und während du das tust, geh in deinen Körper S: Das klingt paradox, aber bitte nimm dieses Harte in dein Herz und schau, wie er reagiert. hinein. HELGA: ES ist im Brustbereich. Ich spüre ein Unbehagen oberhalb HELGA: Ja, aber ich bin nicht im Unfrieden mit diesem Gefühl. Es des Solarplexus, wie wenn jemand einen Druck auf meine ist in Ordnung. Brust ausübt. Wenn ich atme, geht es weg. S: Ich glaube, du musst dich noch weiter darum kümmern. Es ist S:Dann atme bitte mit dem Gedanken in die betroffenen Kör- noch nicht fertig. perpartien hinein, mit deinem Atem den Gefühlen Leben ein- HELGA: Ich glaube, es wird mich begleiten bis ans Ende meines zuhauchen, damit du sie besser fühlen kannst Lebens. HELGA: Ja, jetzt wird es schwerer, wenn ich dort hineinatme. Es S: Ist dieses Gefühl jetzt da? drückt. Es lastet Es ist so etwas wie Traurigkeit und ein beinahe HELGA: Ja. Aber die Vorstellung, dass ich da bald wieder hinaus physisch spürbares Gewicht kann, die würde etwas ändern. S: Dieses Gewicht ... Kannst du dich hineinbegeben? Ins Innere S: Ins Herz nehmen sollst du nicht die Idee - du müsstest diesen des Gewichts? Schmerz ein Leben lang mit dir herumtragen -, sondern nur HELGA: Ja. Wie wenn ich eingemauert wäre. Es ist, als wären den Schmerz selbst. Meinst du, dass dein Schmerz jetzt in dei- Steine rundherum. Wenn ich hineingehe, ist es ein Stein, nem Herzen angenommen und aufgehoben ist? und wenn ich im Innern bin, ist es, als sei ich eingemauert. HELGA: Ich spüre ihn und er ist da. Er ist wie eine viel zu schwere S: Und wie fühlst du dich dort drinnen? Halskette, die ich tragen muss. HELGA: Ganz allein. Und dunkel. Es ändert sich auch nicht. Es ent- S: Du musst dich bitte im täglichen Leben noch weiter darum wickelt sich nicht weiter, wenn ich hineinatme. kümmern. Es ist noch nicht fertig. Dieser Schmerz braucht S: Es ist jetzt ganz wichtig, diesem Zustand deine ganze Aufmerk- noch Zuwendung. samkeit zu schenken. Es ist ein Gemütszustand, der schon seit HELGA: Ich weiß nicht, wie ich mich darum kümmern soll. Ihn ein- langem in dir existiert, und er braucht jetzt deine Beachtung. fach da sein lassen? HELGA: Ich kenne ihn eigentlich schon. Ich frage mich nur: S: Richte dein Augenmerk auf dieses Gefühl, das du dir jetzt Warum habe ich mir das angetan? angeschaut hast, und nimm dir vor, es aufmerksam wahr- und S: Bitte bleib bei der reinen Wahrnehmung. Lass es einfach da ins Herz zu nehmen, sobald es auftaucht. sein und sei dafür da. HELGA: Ich komme schon zurecht damit Viel stärker belastet HELGA: Meine Traurigkeit und mein Deprimiertsein, das ist wie mich zurzeit das, was ich bei meiner Arbeit für Amnesty Inter- diese Steine. national erlebe. Mit dem Privaten, da komme ich schon zu- S: Dann bitte mach jetzt dein Herz auf und nimm deine Traurig- recht. keit, dein Deprimiertsein und das Gefühl des Isoliertseins, die- S: Dein Schmerz ist nicht privat Es gibt nichts Privates. sen Teil von dir, der eingemauert ist, hinein. Schenk ihm deine HELGA: Ja. Das, was ich fühle, dieses Weggeschlossensein, verbin- Liebe, dein Mitgefühl, dein Erbarmen. det mich mit allen, die im Gefängnis sitzen. Natürlich. HELGA: Ja, ich habe das alles mitsamt dem großen Stein in mein S: Es ist nicht nur das. Dein Schmerz ist nicht nur dein privater 286 287, Schmerz. Es ist deine Art, wie du an der kollektiven menschli- und geh in deinen Körper und nimm wahr, was dort passiert chen Problematik teilhast. Bitte werte ihn nicht ab. Und spüre deinen Atem. HELGA: Ja, jetzt ist dieser Druck wieder da. Oberhalb des Her- zens. HELGA II S: Bitte zieh in diesen Bereich, der unter Druck steht dein Be- Die darauf folgende Sitzung mit Helga gebe ich ebenfalls wieder, wusstsein und deinen Atem hinein, um ihn von innen kennen weil sie unmittelbar an die Problematik anschließt, die hier zutage ge- zu lernen. treten ist HELGA: Ich fühle mich auch mitschuldig, obwohl ich gar nicht dabei war. S: Ich glaube, das Amnesty-Thema steht im Vordergrund. Möch- S: Bitte sei für dieses Schuldgefühl da. Lass es da sein und atme. test du uns einen konkreten Fall erzählen, der dich besonders Schenk ihm deine Zuwendung. stark belastet? HELGA: Jetzt hat es sich wieder verkrochen. HELGA: Das ist alles grauslich genug. Ich möchte euch nicht damit S: Bitte hole es zurück. belasten. HELGA: Ich weiß nicht wohin es sich verzogen hat. S: Diese Dinge passieren in unserer Welt und ich glaube nicht S: Vergegenwärtige dir die Situation noch einmal und atme wei- dass es gut ist, wenn wir unsere Augen und Herzen davor ver- ter in den betroffenen Körperbereich hinein. Lade das Schuld- schließen. Vielleicht gibt es wenigstens einen Fall, von dem du gefühl ein, in dein Bewusstsein zu kommen. Sag ihm, dass du uns erzählen kannst bereit bist, es kennen zu lernen und anzunehmen. HELGA: Ich habe auch Angst, dass ich diesen Dingen Energie gebe, HELGA: Irgendwie verirre ich mich, wenn ich da hineingehe. indem ich sie beschreibe ... Ich möchte es mir lieber global Ich fühle mich verwirrt und ratlos. anschauen, insgesamt so, als wenn ich den Erdball vor mir sähe S: Bitte bleib einfach dabei, das Gefühl, schuldig oder mitschuldig mit allem, was da an Schlimmem passiert... zu sein, wahrzunehmen. S: Das reicht nicht aus. Es hat ja keinen Zweck, jetzt wegzuschau- HELGA: Ja. Ich bin mittendrin. Es ist das, was mich umgibt Und in en, du musst in der Arbeit doch wieder hinschauen. Bitte nimm diesem Schuldgefühl irre ich ratlos umher und weiß nicht, was etwas Konkretes. ich damit machen soll. HELGA: Besonders herzzerreißend fand ich einen Bericht wo S: Es einfach wahrnehmen. Männer und ihre Frauen voneinander getrennt und die Männer HELGA: ES ist um mich herum. Ich kann es nicht greifen ... Jetzt dann zur Massenhinrichtung gefahren worden sind. Die Mitar- ist es wieder entwischt Irgendeine Instanz in mir will nicht, beiter der internationalen Teams haben sogar geholfen, sie zu dass es auftaucht. trennen, mit der Begründung, dass die Serben zu grob mit den S: Was ist mit deinen Händen? Menschen umgingen. Sie wussten nicht, wo es danach hingehen HELGA: Ach ja, ich habe die Fäuste geballt. (Lässt sie locker.) würde. S: Bitte lass sie geballt und geh in die Fäuste hinein. Was ist da? S: Wir nehmen uns einen Augenblick Zeit, um das, was Helga uns Was möchten die Fäuste? erzählt hat, mit dem Herzen aufzunehmen und an diese Män- HELGA (bricht in Schluchzen aus): Ja! Ich möchte diese Leute ver- ner und Frauen zu denken. Helga, bitte bleib bei diesem Vorfall prügeln. (Weint.) 288 289, S: Bitte lass den Atem trotzdem weiter fließen. Lass all die Ge- HELGA: Und an die Täter. fühle auftauchen, die da auftauchen wollen, und atme, während S: Wie ist es jetzt, wenn du hinschaust? die Tränen fließen. HELGA: Ein bisschen schwer. Es geht schon teilweise. Aber zu HELGA (schluchzt laut): So eine Gemeinheit! genau kann ich nicht hinschauen ... S: Lass es zu, dass diese Gefühle auftauchen, aber lass dich nicht S:Ja, das ist zu früh. Lass es gut sein. Die wichtigste Aufgabe be- von ihnen davontragen. Nimm sie bewusst wahr und atme. steht jetzt in der Nachsorge für diese Gefühle. Bitte kümmere Und mit dem Atem lade alle Gefühle, die da sind, ein, in dein dich um sie. Setz dich vielleicht noch einmal damit hin und lass Bewusstsein aufzusteigen und in dein Herz zu kommen. sie aufsteigen, lass sie da sein, akzeptiere sie, hole sie ins Herz. HELGA: Eine Frau hat gefragt, was sie denn vorhaben, und sie Die Trauer, das Mitschuldigsein, den Zorn ... alle. Und tu das haben gefragt, ob sie einen Sohn hat. Sie zeigte auf ihren acht- jedes Mal, wenn sie sich melden.Wenn du das lange und gründ- zehnjährigen Sohn. Der ist dann auch in den Bus gestoßen lich genug tust, kann es sein, dass du die Vorfälle und die worden und nicht wiedergekommen. Da musste ich an meine betroffenen Menschen mit den Augen des Herzens anschauen Kinder denken. Das zerreißt einem das Herz. kannst und etwas anderes wahrnimmst. Vielleicht. S: Bitte bleib beim Wahrnehmen und beim Atmen. Nimm wahr, was das mit deinem Körper macht. Tagebuchnotizen einzelner Übender HELGA: Die Arme und die Fäuste spannen sich an. S: Geh in diese Anspannung hinein und lerne sie von innen ken-

SOPHIE

nen. Atme etwas kräftiger und lade alle Gefühle, die in den ver- spannten Armen sitzen, in dein Bewusstsein ein und in dein Aufzeichnung zweier Sitzungen mit Übungspartner: Herz. HELGA: ja. Das ist gut Jetzt sitzt mein Zorn in den Schultern, 1. nicht mehr in den Fäusten, jetzt macht er mich irgendwie stark. Ich musste einer Kollegin sagen, dass sie entlassen werden Aber ich bin immer noch sehr traurig. würde. Eigentlich wäre das Aufgabe meines Chefs gewesen. S: Darf die Traurigkeit auch in dein Herz? Er war aber bereits abgereist, und ich wusste, dass man die HELGA: Ja! Ja. Sie ist schon da. Kollegin informieren musste, weil man sie sonst in Schwie- S: Kannst du sie bitte ganz zulassen und ganz ins Herz hineinneh- rigkeiten bringen würde. Also nahm ich es auf mich, das zu men? tun. War sauer auf die feigen Männer, die ihr nichts gesagt HELGA: Ja, ich fühle sie als Druck im Herzen. haben. Ich selber fühlte mich aber irgendwie schuldig und S: Das klingt wieder paradox: Kannst du bitte für diesen Druck habe das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. im Herzen dein Herz aufmachen? Diese Situation schaue ich mir in der Sitzung an. Ich ent- HELGA (sanft): Hm. Ich lasse es einfach herein. Ich nehme es an. decke: Ich habe die Verantwortung übernommen und die Ich nehme es wirklich an. (Die Stimme ist friedvoll.) Schuld auf mich genommen, weil ich grundsätzlich schlecht S: Bitte bleib jetzt im Herzen. Und dann, bitte, ohne aus dem und schuldig bin. Ich habe meine Wut nicht zugelassen aus Herzen hinauszugehen, schau wieder zu der Situation hin und Angst, dass andere merken, dass ich schuldig bin. »Ich darf denk an diese Männer und Frauen ... nicht wütend sein, weil ich schlecht bin.« 290 291, Ich hätte die Verantwortung nicht zu übernehmen brau- wissen, dass er da ist - das Schöne, das Reine, die Unschuld, chen, ich hätte meinen Chef anrufen können und ihm sagen, die Würde. dass es seine Aufgabe ist, sie anzurufen. Dann gab es einen Teil von mir, der meine Kraft im Bauch Nachdem ich alle Gefühle ins Herz genommen hatte, niedergehalten hat und der auch den unschuldigen Teil ver- wusste und fühlte ich: Ich bin nicht schlecht, sondern ich bannt hat (dieser hätte als Kanal die Kraft aus dem Bauch fühle mich schlecht; ich bin wütend: Ich meinte, mein Ge- hervorgeholt) - einen Teil, der mich überhaupt zerstören sicht wahren zu müssen, damit niemand merkt, dass ich wollte, damit niemand anderer (sprich ein Mann) mich ver- schlecht war ... Ich hatte Angst. letzen, zerstören, verwunden kann. Dieser Teil hatte Freude Nachdem ich im Herzen angekommen war und alles an- am Zerstören, an der Rache, war aber selbst, wie ich beim genommen hatte, stellte ich mir noch einmal vor: Ich rufe genauen Hinspüren entdeckte, verzweifelt und total einsam. meinen Chef an und sage ihm, dass er die Kollegin benach- Im Bauch war Zorn, Wut, Energie, blutrot. Worauf habe richtigen muss. Dabei fühle ich mich stark, lebendig und ich eine solch wahnsinnige Wut? Auf Männer - Männer, die voller Energie. Es ist auch Wut da, viel Wut, aber es ist keine unterdrücken, die mich zerstören, verwunden, verletzen, persönliche Wut, es ist etwas Neutrales. Eine Kraftsäule einengen, einpressen. Ich fühlte mich ganz eingepresst im geht von der Erdmitte durch mich hindurch und hüllt die Körper. Diese Wut, erkannte ich, muss ich achten, wann und Wirbelsäule ein, hell, strahlend, voller Kraft, ragt in den wo immer sie auftaucht. Himmel. Die Bauchschmerzen, die ich habe, halten einerseits die Ganz wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass auch all die Wut unten, verhindern aber auch, dass die gewaltige Kraft anderen Teile von mir, die schwachen, hilflosen, traurigen, aus dem Bauch nach oben kommen kann. verzweifelten, ängstlichen, hoffnungslosen, da sein dürfen, Vorn sitzt Angst. Die Angst, verletzt zu werden, zerstört ja sogar müssen. Es ist eine tiefe innere Erkenntnis. Stark zu werden. Die Angst vor Schwerthieben von vorn. Zu- sein heißt nicht, dass man diese Teile überwinden muss, gleich mit der Angst ist dort ein Gefühl von Hohlsein, sondern dass alles (wirklich alles!) da sein darf. Wundsein. Obwohl dort eigentlich von mir fast nichts mehr Gleichzeitig nahm ich auch meinen Chef als erwachsener vorhanden ist. Bis auf die Schmerzen im Bauch und im wahr und konnte ihn ernst nehmen, was vorher nicht der Rücken habe ich - das ist der Eindruck - schon selber alles Fall war. zerstört, oder es ist zerstört worden, oder es hat sich nach unten (Bauch) und hinten (Rücken) zurückgezogen. 2. Verzweiflung und Trauer, weil ich zulasse, dass meine Unschuldige, helle Teile habe ich in den Rücken verbannt. eigenen Stützpfeiler, mein Grund und Boden (das Selbst- Sie fühlen sich verraten und missbraucht. Ich habe sie ins wertgefühl, die Selbstachtung), angenagt werden, zerstört Herz geholt, wo sie ja auch hingehören. Ich muss mich wei- werden. Eigentlich zerstöre ich mich selbst. ter um sie kümmern. Der Ernst, die Würde, die Unschuld, Ich hole das alles ins Herz. Dabei taucht Erkenntnis auf: die Schönheit dieses Teils von mir muss geachtet und von Solange Wut und Zorn - blutrot - nicht anerkannt sind, mir im Leben geschützt werden. Ich muss diesen Teil in nicht in mir leben dürfen, nicht von mir geachtet werden, meinem Herzen hochhalten und achten, annehmen und nicht nach außen gehen, fehlt etwas zur ganzen Liebe, zu, der Liebe, die möglich wäre. Auch die Liebe hat die Farbe möglich war, Hubert gegenüber mein Herz aufzumachen, Blutrot. Solange nicht beides gelebt wird - so die Erkennt- denn das hätte bedeutet, mich der Möglichkeit zu öffnen, nis, die von innen auftaucht -, ist die Flamme nicht voll- dass er mir gegenüber keine Liebe empfindet, und das woll- ständig. te ich auf keinen Fall fühlen müssen. Jetzt ist ganz viel Liebe da und Verstehen. Und die Ver- MARIA zweiflung ist gleichzeitig da, riesengroß. Ich widme ihr jetzt meine ganze Aufmerksamkeit, und damit ich das kann, ver- Aufzeichnung zweier Sitzungen, die sie allein durchführte: suche ich nicht mehr so sehr zu weinen und mich vom Wei- nen davontragen zu lassen (und versuche nicht, es »fortzu- 1. weinen«); mein Atem geht tief und stoßweise, so stark ist Nach einem Gespräch mit meinem Mann fühlte ich mich die Verzweiflung - fast nicht auszuhalten. Erst als ich ganz niedergeschlagen, entmutigt, gereizt und emotional »kleb- und gar mein Herz öffne für dieses Gefühl, stellt sich Er- rig«. Ich will mir anschauen, warum ich mich so fühle. Ein leichterung ein. Aufatmen. Satz ist in diesem Gespräch gefallen, der bei der Rekapitu- Ich bleibe noch ziemlich lange sitzen, atme und kümmere lation des Gesprächs irgendwie herausragt. Hubert hat ge- mich liebevoll um meine Angst und Verzweiflung. Lange sagt: »Das ist doch egal«, und damit etwas vom Tisch ge- noch, auch als ich schon längst aufgestanden bin und mich wischt, das mich gefühlsmäßig stark betraf. mit anderen Dingen beschäftige, atmet mein Körper immer Ich vergegenwärtige mir den Moment, in dem dieser Satz wieder tief auf. Ich spüre, das ist ein Zeichen von Heilung gefallen ist. Ich atme bewusst und spüre in den Körper hi- und Erleichterung. Ich fühle mich mehr eins mit mir und nein. Beobachte, was geschieht. Ich breche in verzweifeltes weiß, ich muss es dabei belassen. Jetzt muss ich erst einmal Schluchzen aus. Ich atme und beobachte trotzdem weiter. dieses frisch entdeckte und erstmals zugelassene Gefühl - Da ist tiefe Verzweiflung, dadurch ausgelöst, dass Hubert verzweifelte Abwehr - einfach da sein lassen und mir fest mir gegenüber »kalt« und gleichgültig sein könnte - etwas, vornehmen, wach zu sein, damit ich es wahr- und wieder das ich, wie ich jetzt merke, immer schon gefürchtet, aber ins Herz nehme, sobald es wieder auftaucht. stets abgewehrt habe. Meine Hände verkrampfen sich. Ich gehe in die Hände hinein, um zu schauen, welches Gefühl 2. sich darin verbirgt. Ich stelle fest: Die Hände wollen sich ab- Ich habe mich dabei erwischt, wie ich hysterisch reagierte wehrend ausstrecken, und in mir taucht der Schrei auf: auf einen Vorfall, bei dem Hubert mich nicht beachtet hat. »Nein!« Da wird mir klar, dass ich seit Beginn unserer Be- Ich bin in sein Büro eingetreten, um ihm etwas zu berichten, ziehung ununterbrochen eine innere Abwehr aufgebaut was für ihn wichtig war, und er hat nicht von seiner Arbeit und aufrechterhalten habe; dagegen nämlich, feststellen aufgeschaut, nichts gesagt, nicht einmal ein Brummen von und fühlen zu müssen, dass Hubert mich nicht liebt, son- sich gegeben oder irgendein Geräusch, das ausgedrückt dern mir gegenüber kalt und gleichgültig ist. Mit welcher hätte, dass er meine Anwesenheit zur Kenntnis nahm. Ich Verzweiflung habe ich die ganze Zeit über diese Abwehr habe ihn angesprochen, und er hat nicht reagiert, hat ein- aufrechterhalten! Jetzt verstehe ich auch, dass es mir un- fach weiter in seinen Papieren geblättert. Ich habe noch ein- 294 295, mal etwas gesagt - keine Reaktion -, eine Weile gewartet keit wird immer größer - außer Müdigkeit und Mattigkeit und dann, einigermaßen wütend, sein Büro verlassen. Zu ist jetzt gar nichts mehr wahrzunehmen. Diese Mattigkeit - Hause fand ich mich dann inmitten eines ans Hysterische sie fühlt sich an wie Resignation; der Gedanke »Es hat kei- grenzenden Wutanfalls wieder. Da ich nicht allein war, nen Zweck«, verbunden mit vager Erinnerung an jahrelan- konnte ich mich nicht ausgiebig damit befassen, beschränk- ges Elend, jahrelanges Im-Kreis-Gehen, immer wieder auf te mich darauf, die Wut einfach wahrzunehmen. Zog mich Missachtung und Demütigung hinauslaufende Verhaltens- ins Badezimmer zurück und weinte heftig, ein Weinen aus muster und die Unmöglichkeit, das zu ändern. Beschließe, Wut und Verzweiflung. Der Gedanke tauchte auf, dass das mein Herz dafür aufzumachen. Es funktioniert einiger- andauernd passierte - diese Missachtung; dann der Gedan- maßen. Dann will ich aufgeben und den Rest auf ein ande- ke, dass ich mein ganzes Leben auf meinen Mann ausge- res Mal vertagen, weil ich so müde bin. Eine leise Stimme richtet und dafür nur Missachtung geerntet hatte; der Ge- sagt: Nicht aufgeben! Ich weiß aber, dass ich nicht weiter- danke tauchte auf: »Er behandelt mich wie Dreck«, und ich komme. Ich bestelle Hilfe von oben, rufe mein höheres schloss daraus, dass ich mich gedemütigt fühlte. Ich konnte Selbst an und bitte um Unterstützung. Da taucht eine Er- mich aber nicht weiter damit befassen. kenntnis auf: die Erkenntnis, dass ich deshalb so sehr unter Später, als ich allein war und mich gerade einer dringen- Missachtung und Demütigung litt, weil ich mich selbst den Arbeit zuwenden wollte, merkte ich, dass ich mich missachte und demütige. Sie schlägt ein wie eine Bombe. emotional in einem schlechten Zustand befand, der erst ein- Auf einmal bin ich hellwach. Ich fange wieder an zu wei- mal Beachtung brauchte. Ich setzte mich hin, schloss die nen, diesmal aus Mitleid mit mir selbst, mit all dem Elend Augen und versuchte wahrzunehmen, was da vor sich von Missachtung und Demütigung, das ich mir jähre- und ging. Sofort wieder Schluchzen. Wissend, dass Schluchzen jahrzehntelang angetan habe. Ich spüre, dass mit diesen Trä- keine Lösung bringt, versuchte ich, mich an die Körper- nen mein Herz sich geöffnet hat. Herz-Technik zu erinnern, und begann damit, dass ich einer Ich frage mich, ob ich denn fähig bin, mich zu achten. imaginären Person laut schilderte, was passiert war. Als ich Mich beispielsweise dafür zu achten, dass ich meinen Mann sagte: »Er behandelt mich wie Dreck«, brach ich wieder in in seinem Büro aufgesucht habe, um ihm etwas zu erzählen, Schluchzen aus. das für ihn hätte wichtig sein können. Ich stelle fest: »Ich Ich erinnere mich aber gleich wieder an Wahrnehmen und kann mich dafür achten, dass ich meine Arbeit unterbro- Atmen. Ich spüre starke Anspannung - zusammengebis- chen habe, um zu meinem Mann zu gehen.« Ich fühle diese sene Zähne, zusammengezogenes Gesicht, angespannte Achtung, und das ist ein großes Erlebnis, etwas völlig Arme und Fäuste. Wut. Während ich mich darauf konzen- Neuartiges. Denn bisher habe ich mich selber für diese Ver- triere, diesen Zustand zu beobachten, verschwindet er und haltensweise - stets um das Wohl des Mannes besorgt zu macht einer großen Müdigkeit und Mattigkeit Platz. Ich sein und meine eigenen Interessen zurückzustellen - ver- habe den Eindruck, dass das ein unbewusster Versuch war, achtet und sie einer Schwäche zugeschrieben. Ich prüfe wei- mich daran zu hindern, die schlimmen Gefühle zu fühlen. tere Punkte. »Kann ich mich dafür achten, dass ich stets Ich atme heftiger und lade Wut und Verzweiflung ein, in dafür gesorgt habe, dass er etwas Gutes zu essen be- mein Bewusstsein und mein Herz zu kommen. Die Müdig- kommt?« Plötzlich kann ich mich achten für Verhaltenswei- 296 297, sen, die ich vorher an mir verachtet hatte - und deshalb, wie ich jetzt erkenne, unter seiner Missachtung und Verachtung (beziehungsweise unter dem Verhalten, das ich als Miss- und Verachtung interpretiert habe) so sehr gelitten habe. Nun, da ich mich achten kann für dieselben Verhaltenswei- sen, die ich vorher verachtet hatte, erschien es mir weniger TEIL III wichtig, ob er mein Vorhandensein und meine Bemühun- gen würdigt oder nicht; momentan jedenfalls ist es mir genug, dass ich selber sie würdige. Ich bin nun sogar in der Lage zu sehen, dass Hubert seine eigenen Sorgen und Schwierigkeiten gehabt und sich deshalb so verhalten hat, wie er sich verhalten hat. Statt Wut auf ihn fühle ich Ver- ständnis., 1. KAPITEL

Körperzentrierte Herzensarbeit

als Weg Wir sind die Jünger jedes Augenblicks ... Da gibt es ein Sichöffnen und Lernen, ganz egal, wozu und was. Richard Moss Eigentlich, das sagte ich ganz zu Anfang, ist das, was ich umständlich »körperzentrierte Herzensarbeit« genannt habe, eine natürliche Sache. Man erlebt das, was man fühlt, voll- ständig und nimmt es vollständig an; man hält sein Be- wusstsein und sein Herz offen für alles, was im eigenen Gemüt vor sich geht. Der Zweck der Übung ist natürlich nicht, dass man sich sein Leben lang hinsetzen und bewusst und absichtlich »körperzentrierte Herzensarbeit« betreiben muss; sondern er besteht darin, dass die Übung uns mit der Zeit in Fleisch und Blut übergeht und nachher keine Übung, sondern alltägliches Verhalten wird. Das heißt, dass wir uns selber und anderen gegenüber bewusst, offen und mitfühlend sind und dass wir Ereignisse, die uns emotional berühren oder aus der Bahn werfen, nicht erst im Nachhinein per »körperzentrierter Herzensarbeit« rekapitulieren, sondern, schon während sie geschehen, mit Körper, Gefühl und Herz wahr- und annehmen. Mitten in einer Interaktion mit einem anderen Menschen kann man seines Körperzu- stands, seiner Emotionen und seines Atems gewahr sein und sein Herz offen halten für das, was man selber fühlt, ebenso wie für das, was der andere fühlt. Erst ist es noch Übung und erfordert Anstrengung und Disziplin - mit der, Zeit aber wird es immer leichter und schließlich geschieht Später setzte ich mich hin, um den Vorfall mit der Drei- es von selbst. schrittmethode der körperzentrierten Herzensarbeit zu re- Man wird hin und her schwanken zwischen dem Alten kapitulieren. Im Zuge der Körperwahrnehmung entdeckte und dem Neuen, dem Verschlossensein und dem Offensein, ich die wunde Stelle in meinem Innern, die meine Geschäfts- dem bewussten und dem unbewussten Verhalten. Schwieri- partnerin mit ihren Äußerungen getroffen hatte. Kein Wun- ge Situationen pflegen uns ja hinterrücks zu überfallen; in der, dass mir das Gespräch nicht aus dem Sinn gegangen den seltensten Fällen ist es so, dass wir im Voraus zu uns war - ich hatte mich nicht um das Naheliegendste geküm- sagen können: »Achtung, jetzt kommt eine brenzlige Situa- mert, um mein eigenes Gefühl! tion«, und uns so sorgfältig auf sie einstellen können wie auf Das A und O beim Üben der Methode im täglichen Leben eine Sitzung körperzentrierter Herzensarbeit. Meistens ist die Erinnerung - das heißt, sich im entscheidenden Mo- wacht man mitten in der Situation auf und bemüht sich, sich ment an die Übung zu erinnern. Am besten prägen Sie sich zu erinnern. »Atmen. Wahrnehmen. Herz öffnen.« Oft er- ein Codewort ein, das Sie in gegebenen Situationen an die innert man sich zwar an einige Elemente der Übung, über- Übung erinnert. Vielleicht das Wort »Atmen!«: Es bringt Sie sieht aber andere. zum Körper und zur Bewusstheit zurück. Oder das Wort Eine Frau, mit der ich geschäftlich verkehrte, sagte mir »Herz« oder »Gefühle wahrnehmen«. Sie erinnern sie eines Tages, sie fühle sich von meinem Verhalten verletzt. daran, sich nicht in Ihren Emotionen zu vergessen, sondern Ich hatte ihr ab und zu, da sie auf ihrem Gebiet ein Neuling sie bewusst wahrzunehmen. und ich ein »alter Hase« war, Tipps gegeben; und nun of- Die Anwendung der Methode im täglichen Leben bringt fenbarte sie mir, dass sie sich schon seit geraumer Zeit da- gewaltige Vorteile. Einmal abgesehen davon, dass es sich rüber geärgert hatte, weil sie sich angegriffen und nicht ge- dabei um etwas handelt, um was wir letztlich meiner Auf- achtet fühlte. Während des Gesprächs bemühte ich mich, fassung nach sowieso nicht herumkommen - nämlich, uns mit dem Herzen zuzuhören, um zu verstehen, was sie be- dem, was wir erleben, zu öffnen -, erleichtert sie uns auch wegte, anstatt einzuschnappen und meinerseits beleidigt den Umgang mit Schwierigkeiten enorm. Wenn ich Angst zu sein. Das Gespräch verlief daher einigermaßen freund- habe, einem Gesprächspartner etwas zu sagen, das er wis- schaftlich, aber es ging mir nachher nicht aus dem Sinn. sen muss, das aber für ihn unangenehm ist, dann atme ich Irgendwie war ich nicht im Reinen damit, mein innerer bewusst, spüre die Spannung in meinem Körper, spüre die Dialog kreiste um das, was ich hätte sagen oder tun sollen. Angst darin und schließe mich selbst samt dieser Angst ins Ich schaute mir das näher an. Ich entdeckte: Während ich Herz; dann - immer noch mit Angst, aber umhüllt von der mich bemühte, der Geschäftspartnerin mein Herz zu öff- Liebe meines Herzens - kann ich reden. Wenn ich wütend nen, hatte ich es mir selbst gegenüber verschlossen. Meine bin auf jemanden, der gerade bei mir ist und mich in ir- spontane Reaktion auf ihre Beschwerde war nämlich Ärger gendeiner Weise geärgert hat (was übrigens mit der Zeit sel- gewesen. Anstatt diesen Ärger zu fühlen, zu würdigen und tener vorkommt und kürzer andauert, je mehr man im Her- ins Herz zu schließen, hatte ich mich bemüht, keinen Ärger zen präsent ist, statt nur mit seiner Person identifiziert), aufkommen zu lassen, ohne zu merken, dass er längst da kann ich die geballte Kraft und Spannung der Wut in mei- war. nem Körper spüren und mein Herz öffnen, indem ich mich 302 303, dafür verstehe und achte, dass ich wütend bin; und dann 2. KAPITEL kann ich, wenn nötig, sagen: »Ich bin sehr wütend über das, was du eben gesagt hast.« Während ich mich sicher in mei- nem eigenen Herzen aufgehoben fühle, fürchte ich mich Erfahrungen mit der nicht vor den Folgen einer solchen Äußerung; und wenn ich körperzen trierten Herzensarbeit "auf diese Weise aus dem Herzen heraus meine Wahrheit ausdrücke, wirke ich weniger verletzend auf andere. Aller- dings kommt es oft vor, dass das Äußern sich erübrigt, weil Leben ohne Liebe gleicht einem Baum ich im Zuge der (»Live«-)Übung merke, dass nicht der an- ohne Blüten und Früchte. dere schuld ist an meiner Wut, sondern Erinnerungen, die Khalil Gibran in meiner Psyche eingespeichert sind und die er nichts ah- nend aktiviert hat. Wozu wäre es in diesem Fall gut, meine Körperzentrierte Herzensarbeit leitet einen Prozess schritt- Wut zu artikulieren? Sinnvoller erscheint es mir da, in mich weiser Ganzwerdung und eine Öffnung zur Liebe ein. Ein zu gehen und mein Herz zu öffnen für die eigene Wut. Mög- verdrängtes Gefühl nach dem anderen wird aus seiner Ver- licherweise werde ich danach sogar das Bedürfnis haben, bannung erlöst und im Licht des Verstehens und der Liebe dem Menschen, der diese Wut provoziert hat, zu danken. umgewandelt, was jedes Mal mit einer Erweiterung und Aber das wäre übertrieben: Schließlich muss man andere Vertiefung des Bewusstseins und des Herzens einhergeht. Menschen nicht in alle Geheimnisse seiner Psyche einwei- Wenn auch jede Sitzung ein in sich geschlossenes Heilungs- hen. ereignis ist, so bedarf es doch einigermaßen konsequenter Einen wichtigen Hinweis zu diesem Kapitel verdanke ich Übung der Methode in mehr oder weniger regelmäßigen einer klugen Freundin. Ich hatte ihr von einer Beziehung er- Sitzungen (allein oder mit einem Partner) und im täglichen zählt, die ich als problematisch empfand. Sie sagte: »Du Leben, um einen Transformationsprozess einzuleiten, der darfst nicht so ungeschützt auf diesen Menschen zugehen.« bleibende Ergebnisse erzielt und unseren Charakterpanzer - »Was verstehst du unter ungeschützt?«, fragte ich. »Oder nach und nach aufweicht und abträgt, sodass die Schönheit besser: Wie, meinst du, soll ich mich schützen?« - »Der und Kraft unseres wahren Wesens zutage treten kann. Schutz«, antwortete sie, »besteht darin, dass du dir deiner Ganz allgemein haben wir beobachtet, dass bereits nach Gefühle bewusst bist, während du mit ihm zusammen bist einigen Monaten regelmäßiger Übung der körperzentrier- - anstatt sie zu verdrängen oder zu überspielen -, und dass ten Herzensarbeit folgende Veränderungen auftreten: du, während du sie wahrnimmst, dich nicht mit ihnen iden- tifizierst.« Womit sie den Kernteil der körperzentrierten 1. Mehr Eigenverantwortlichkeit Herzensarbeit beschrieben hatte. Tatsächlich ist das der Man sieht sich mit der Zeit immer weniger als Opfer der beste Schutz, den wir uns geben können, wenn wir mit Umstände oder seiner Mitmenschen und ist, selbst wenn Menschen zusammentreffen, mit denen wir emotional in man wieder in ein Opfergefühl hineinrutscht, schneller in ein Drama verstrickt sind. der Lage, dies zu erkennen und die Verantwortung für seine Situation zu übernehmen. 304 305, 2. Mehr innere Freiheit 8. Mehr Respekt und Demut Man steht weniger unter dem zwingenden Einfluss seiner Neigte man ursprünglich dazu, andere - oder auch sich (verdrängten) Emotionen. Möglicherweise sind dieselben selbst - vorschnell zu kritisieren oder zu verurteilen, wenn Emotionen, die im Zuge des Übens zutage getreten sind, sie nicht die Entwicklungsschritte machten, die sie, wie man noch vorhanden, aber sie beherrschen einen weniger. In vie- glaubte, machen sollten, so lernt man durch die eigenen len Fällen verschwinden sie beziehungsweise verwandeln Erfahrungen mit der Herzensarbeit mehr und mehr die sich vollständig. Eigenart und die Nöte anderer (und natürlich seine eige- nen) respektieren. 3. Mehr Selbstbewusstsein Die Ziele, die man sich steckt, werden mit der Zeit kleiner Menschen, die das Problem haben, nicht zu ihren eigenen und realer. Wünschen, Absichten und Gefühlen stehen zu können, ler- Hatte man ursprünglich große Idealvorstellungen davon, nen, sich selber mehr zu akzeptieren und wertzuschätzen. wie man zu sein hatte oder welchen Fortschritt man zu ma- chen gedachte, so entwickelt man durch die Übung der kör- 4. Mehr Unabhängigkeit perzentrierten Herzensarbeit Respekt vor der Vielschichtig- Wer die Methode konsequent anwendet, wird mit der Zeit keit und Sinnhaftigkeit des eigenen Wesens und kommt weniger abhängig von der Zustimmung, Wertschätzung mehr und mehr dazu, eher kleine Schritte wirklich zu tun, oder Zuneigung anderer. als von großen Schritten zu träumen (und überhaupt nichts zu tun). 5. Mehr Klarheit im Ausdruck Man beginnt zu entdecken, dass das Leben nicht etwas ist, das man unter Kontrolle bringen kann und muss, sondern Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich zu artikulieren, etwas, dem man sich als Schüler überlassen kann. Starre gelangen zu größerer Klarheit und Festigkeit und mehr Mut Verhaltensformen und Vorstellungen, wie es sein müsse, im Ausdruck ihrer Gefühle und Überzeugungen. weichen Interesse, Neugier und Flexibilität. 6. Mehr Mitgefühl 9. Weniger Angst Mit der Zeit bemerkt man, dass man sich selbst und ande- Hat man erst einmal einen Durchgang (Körper - Emotion - ren gegenüber mehr Mitgefühl aufbringt. Anstatt nur in sei- Herz) durch ein schlimmes Gefühl (wie zum Beispiel große nen egozentrischen Gedanken und Reaktionen gefangen zu Verzweiflung, Hass, Angst, Wut) durchgestanden und ge- sein, beginnt man wahrzunehmen, was andere bewegt, und wagt, dieses Gefühl zu erleben und anzunehmen, so weiß es zu respektieren. man, dass es nichts gibt im eigenen Innern, wovor man sich fürchten muss. 7. Mehr Bewusstheit Nichts kann so schlimm sein, dass man es nicht wahrneh- Natürlich - das ergibt sich aus der Methode selbst - wird men und annehmen könnte. Die Angst vor den eigenen Ge- man im Zuge der Praxis mehr und schneller dessen gewahr, fühlen lässt nach und damit auch die Angst vor Ereignissen was sich im eigenen Innern und im Innern anderer abspielt. und Umständen. 306 307, Einige konkrete Beispiele dazu: ist heute wesentlich mehr in der Lage, bei sich selber zu blei- ben und sich um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Sophie litt, bevor sie mit der körperzentrierten Herzensar- Gregor zeigte die allergrößten Schwierigkeiten im Um- beit begann, unter vielen Ängsten. Sie hatte beispielsweise gang mit sich selber und anderen. Seine Redeweise war so große Angst vor Menschen, dass sie sich ständig wapp- holprig, schüchtern, überstürzt, er konnte sich nur schlecht nete, wenn sie unter Menschen gehen musste, sogar bei so ausdrücken und ebenso schlecht zuhören. Er litt unter ex- harmlosen Unternehmungen wie dem Besuch eines Bäcker- tremer Vergesslichkeit, war frühpensioniert und konnte ladens. Sie wusste zwar, dass sie das tat, war aber nie auf die weder arbeiten noch ein Hobby oder sonst etwas kon- Idee gekommen, dass sie Angst hatte. Eine andere Angst, sequent ausüben. Er wurde schon nach einigen Monaten von der sie stark beherrscht war, war die Angst zu versagen. körperzentrierter Herzensarbeit von selber wieder aktiv, be- Sophie arbeitet seit einigen Jahren konsequent mit der Me- gann Hobbys zu pflegen, entwickelte ein gesundes Selbst- thode. Sie ist heute völlig frei von diesen Ängsten. bewusstsein und war in der Lage, sich normal und klar zu Lucy, eine junge Frau, mutig, klar und offen im Ausdruck, artikulieren. Seine Veränderung war für alle auffallend. verwandelte sich, sobald es in der Gruppe um ihre Proble- Olivia war beherrscht von dem Bedürfnis, es allen recht matik ging, in ein weinerliches kleines Kind. Sie zog viel zu machen. Ihr Gesicht trug ein Dauerlächeln. Sie neigte Aufmerksamkeit auf sich, hatte große, unaufgearbeitete dazu, sich selber zu verurteilen und zu verleugnen. Nach Probleme mit ihrer Familie und war nur schwer dazu zu be- drei Jahren nicht allzu konsequenter Übung der Herzens- wegen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. arbeit ist der Zwang, es allen recht zu machen, fast ver- Heute, nach zwei Jahren körperzentrierter Herzensarbeit, schwunden, das Dauerlächeln hat merklich nachgelassen, hat sie ihre erwachsene Persönlichkeit akzeptiert und inte- und ihre eigene Persönlichkeit beginnt durchzukommen. griert, übernimmt Verantwortung für sich selber und sorgt Manche der in den Beispielen erwähnten Zeiträume - so für ihr inneres Kind (anstatt sich, wie am Anfang, mit ihm wie die drei Jahre im letzten Beispiel - muten lang an. Man zu identifizieren). muss dabei aber bedenken, dass es sich durchweg um Zu- Anita war, als sie in die Gruppe kam, stark in sich zurück- stände gehandelt hat, unter denen die Betreffenden schon gezogen, blass, physisch wenig präsent und sprach sehr ihr Leben lang gelitten hatten, also mehrere Jahrzehnte lang. leise. Sie war selten in der Lage, sich so auszudrücken, dass Außerdem habe ich in diesen kurzen Skizzen nur die die Gruppe verstehen konnte, wovon sie sprach, wenn es augenfälligsten Ergebnisse eines langen Prozesses geschil- um ihre Probleme ging. Heute, nach ebenfalls über einem dert, in dessen Verlauf in jeder einzelnen Sitzung kleinere Jahr körperzentrierter Herzensarbeit, geht sie wesentlich oder größere Schritte zur Heilung oder Veränderung getan mehr aus sich heraus, äußert sich lauter und klarer und wurden. steht zu sich. Noch nie habe ich eine Sitzung erlebt - weder in einer Helga war, als sie mit der Arbeit begann, extrem bedürftig Gruppe, noch mit Übungspartnern, noch allein -, in der es nach Zuwendung und Aufmerksamkeit, was sie, offenbar nicht einen wichtigen Durchbruch gegeben hätte. Wenn ich ohne es zu merken, unter starker Hinwendung zu anderen jedoch auf das Ergebnis schaue - also das außerhalb der durch fürsorgliches und mütterliches Verhalten verbarg. Sie Übung beobachtete Verhalten der Menschen, die mit der 308 309, Methode gearbeitet haben -, dann muss ich sagen, dass es (oder den Fernseher) induzierter Zustand, sondern, wie einige wenige Fälle gibt, in denen keine Veränderung ge- manche Psychologen und Wissenschaftler behaupten und genüber vorher zu beobachten ist. Dieser Anteil liegt jedoch, wie man selbst unschwer beobachten kann, unser Normal- soweit mir Ergebnisse bekannt sind, unter einem Prozent. zustand. Wir sind hypnotisiert von unserer unmittelbaren Dabei handelt es sich um Menschen, die nicht willens sind, Umgebung, von unseren Gedanken, Überzeugungen, Ge- die Verantwortung für sich selber zu übernehmen, sondern fühlen, Verhaltensmustern, von unseren Eltern, Erziehern, es vorziehen, sich als Opfer zu erleben. Sie sind durchaus in Ehe- und Lebenspartnern - von all dem, was unsere per- der Lage, im Zuge einer Sitzung mit körperzentrierter Her- sönliche Geschichte bildet. Durch körperzentrierte Herzens- zensarbeit dieses Manöver zu durchschauen und die betei- arbeit erwachen wir nach und nach aus dieser Hypnose. Die ligten Gefühle wahrzunehmen; den letzten, entscheidenden Übung befreit den Körper von den Schlacken, die der Geist Schritt jedoch - das Gefühl vollständig ins Herz zu nehmen, in ihm abgelagert hat (den verdrängten Emotionen), und was nur als eigenverantwortlicher Akt möglich ist - können erweckt das Herz aus seiner Taubheit. Das Erwachen, das sie nicht tun, weil sie ihn von anderen erwarten. Diejenigen, dabei stattfindet, ist weniger ein Erwachen des Geistes die diesen Widerstand: »Ich will es nicht selber tun, weil die (das nebenher geschieht) als vielmehr ein Erwachen des anderen es für mich tun sollen«, in sich aufgespürt, gewür- Herzens. digt und ins Herz geschlossen haben, indem sie sich dafür verstanden und geachtet haben, konnten weiterkommen. Die anderen - diejenigen, die es noch vorziehen, sich in der Opferrolle zu erleben - werden früher oder später, davon bin ich überzeugt, ebenfalls bereit sein, einen Schritt weiter zu gehen, und es wagen, die Verantwortung für sich selber zu übernehmen. Bei manchen habe ich beobachten können, dass das nur eine Frage der Zeit ist. Von den erwähnten wenigen Ausnahmen abgesehen, haben wir noch bei jedem, der mit der Methode gearbeitet hat, langfristig bleibende Veränderungen beobachtet. Das ist auch ganz natürlich, denn körperzentrierte Herzensar- beit ist ein Prozess des Erwachens, und wer einmal in die- sem Sinne wach geworden ist, wird zwar vielleicht wieder einschlafen, aber sein Schlaf wird leichter sein als zuvor, und bei konsequenter Übung ist irgendwann der Punkt er- reicht, an dem ein gewisser Grad an Wachheit erhalten bleibt. Das Gegenteil von Wachheit ist, unter Hypnose zu stehen. Das ist nicht etwa ein besonderer, durch einen Hypnotiseur, 3. KAPITEL mal braucht man einfach Ruhe, einen Spaziergang, Sauna, körperliche Betätigung. Manchmal hilft es, zu singen und

In den Zeiten der Krise: dem, was einen bedrückt oder erschüttert, im Gesang Aus-druck zu verleihen. Manchmal hilft es, seinem inneren Kind Liebe heilt immer ein Wiegenlied zu singen, eine bestimmte Musik zu hören

oder Kakao zu trinken. Was ich damit sagen will: Wir sind nicht verpflichtet, ununterbrochen Bewusstseins- und Her- Um das Sakrament des Augenblicks zu zensarbeit leisten zu müssen. Manchmal ist etwas anderes erfahren, müssen wir bereit sein, loszu- nötig. lassen. Im Akt dieses Loslassens bekräfti- Dann wieder gibt es Situationen, in denen man so sehr gen wir, dass es nicht so sehr darauf an- kommt, was ich tun kann, sondern was durch eine Arbeit in Anspruch genommen ist, dass alle Kon- jetzt mit mir geschieht... Wir selbst sind zentration, zu der man in der Lage ist, auf die Arbeit ver- das Einzige, was wir Gott geben können, wendet wird und nichts übrig bleibt für die Wahrnehmung unser unmittelbarer Zustand, was auch der emotionalen Nöte. Das Buch muss fertig geschrieben immer wir gerade erleben. Wir geben uns, indem wir mit uns selbst eins werden... werden, der Umzug steht bevor. Die Zeit ist so knapp, die Und dabei ist es unwesentlich, ob wir uns Kräfte müssen so genau eingeteilt werden - jetzt bloß nicht gut oder schlecht fühlen, ob wir zufrieden an Gefühle denken. Irgendwo im Hintergrund des Bewusst- sind oder nicht. Wenn wir mit diesem seins weiß ich, dass meine private Situation mir große Angst Verständnis zu leben beginnen, leben wir macht, dass ich verzweifelt bin ... aber nur nicht hinschau- ein Leben des gläubigen Vertrauens. en, erst muss die Arbeit getan werden. So erzeugt man An- Richard Moss spannung und Anstrengung. Vielleicht hat man tatsächlich so viel und so dringende Arbeit, dass man sich keine Zeit Es gibt Momente, da kann man nicht üben. Ich meine damit nehmen kann, um sich seinen Problemen ausführlich zuzu- nicht äußere Umstände, die es verhindern; solche Umstän- wenden. Vielleicht ist es auch nicht an der Zeit. Manchmal de gibt es selten. Wahrnehmen und das, was man wahr- gibt es Phasen, in denen wir einfach all unsere Aufmerk- nimmt, mit dem Herzen annehmen ist etwas, das man in samkeit auf äußere Dinge richten müssen; das Leben richtet jedweden Umständen üben kann. Aber es gibt Momente, in es schon so ein, dass danach wieder eine Zeit kommt, in der denen man von emotionalen Erschütterungen so sehr mit- man inneres Geschehen verarbeiten kann. Dennoch kann genommen ist, dass man nicht die Kraft hat, sich hinzuset- man auch in Zeiten großer äußerer Belastung sein Bewusst- zen und irgendeine Art innerer Arbeit zu leisten. Nun, eines sein und sein Herz offen halten für die Gefühle, die vorhan- kann man aber dennoch tun: In solchen Momenten gut zu den sind. All meine Aufmerksamkeit gehört jetzt der Arbeit, sich sein. Wenn man zu aufgewühlt, mutlos, erschöpft ist, denn sie muss fertig werden. Aber in einer der vielen kur- um zu »üben«, so kann man doch einen Rest von Bewusst- zen Pausen, die ich einlege, werfe ich einen Blick auf meine heit in sich mobilisieren, der einen in die Lage versetzt, fest- Gefühle. Für einen Augenblick erlaube ich mir, der Angst zustellen, was man in diesem Augenblick braucht. Manch- oder der Verzweiflung ins Gesicht zu schauen, die am 312 313, Rande meines Bewusstseins lauert. Für einen Augenblick LITERATUR weine ich, wende ich mich mir selber zu und schließe meine Not ins Herz. Es dauert nur zwei oder drei Minuten. Da- nach ist spürbar Erleichterung da. Man hat seinem inneren Diese Liste enthält die Quellen der abgedruckten Zitate be- Kind oder dem Teil seiner selbst, der Not leidet, signalisiert: ziehungsweise die Werke, auf die sich die im Text vorkom- »Ich bin da. Ich lasse dich nicht allein.« menden Autorenhinweise beziehen. Dann wieder gibt es Auseinandersetzungen oder Interak- tionen mit anderen, die so starke Emotionen in Gang setzen, Abelar, Taisha: Die Zauberin. Die magische Reise einer Frau auf dass man sich ihnen nicht gewachsen fühlt. Vielleicht hat dem Yaqui- Weg des Wissens, Frankfurt a. M. 1997. man Angst, etwas zu sagen oder zu tun, das nicht wieder Beck, Charlotte Joko: Einfach Zen, Knaur, München 1995. gutzumachen ist. Man ist bereits so sehr verstrickt in die Si- Beck, Charlotte Joko: Zen im Alltag, München 1998. tuation (hypnotisiert!), dass man nicht mehr in der Lage ist, Buber, Martin: Ich und Du, 13. Auflage, Gütersloh 1997. sich auf Wahrnehmen, Atmen oder Herzöffnen zu konzen- Castaneda, Carlos: Tensegrity. Die magischen Bewegungen der trieren. Da hilft nur eins: Beten. Wenn man in solchen Mo- Zauberer, Frankfurt a. M. 1998. menten ein Stoßgebet zum Himmel schickt, sein höheres Chopich, Erika und Margaret Paul: Aussöhnung mit dem inneren Selbst oder seinen Schutzengel zu Hilfe ruft und sich bereit Kind, 25. Auflage, Freiburg 2000. macht zuzulassen, dass Liebe, Frieden, Wahrheit, Versöh- Da Avabhasa: Unbegrenzt fühlen, Niederlande 1992. nung einkehren, so wendet sich die Situation immer zum Gibran, Khalil: Vor dem Altar der Liebe, München 1986. Besseren. Hanh, Thich Nhat: Ein Lotos erblüht im Herzen. Die Kunst des acht- samen Lebens, 2. Auflage, München 1995. Liebe ist ein Wunder. Und wie alle Wunder braucht sie Hellinger, Bert: Finden, was wirkt. Therapeutische Briefe, 9. Auflage, nur eins, damit sie geschehen kann: Man muss bereit sein, München 1998. sie zuzulassen. Sobald wir bereit sind, sie zuzulassen, Inayat Khan, Hazrat: Das Erwachen des menschlichen Geistes, 2. Auf- strömt sie in unser Leben wie ein warmer Segen, heilt alle lage, Essen 1996. Wunden, lindert alle Krämpfe, entspannt unsere vor lauter Long, Barry: Nur die Angst stirbt. Ein Buch der Befreiung, 2. Auf- Angst und Kampf verhärteten Muskeln und Organe, lockert lage, Bielefeld 1997. unsere festgefahrenen Verhaltensmuster, schenkt uns Ver- Moss, Richard: Das zweite Wunder. Wie wir das Geschenk des Ich- stehen, Lächeln, schließlich Lachen. Liebe heilt. Letztlich Bewusstseins annehmen und uns zur Höhe des All-Bewusst- heilt nur die Liebe. seins entwickeln, München 1997. Moss, Richard: Der schwarze Schmetterling. Neue Zugänge zur eige- nen inneren Heilkraft, München 1996. Nidiaye, Safi: Den Weg des Herzens gehen. Eine Frau findet zu ihrer inneren Stimme, München 1996. Nidiaye, Safi: Die Stimme des Herzens. Der Weg zum größten aller Geheimnisse, Bergisch-Gladbach 2000. Nidiaye, Safi: Meditation löst Lebensprobleme. Selbsthilfe für den Alltag, München 1997. 314 315, Nidiaye, Safi: Neues Wissen, neues Denken für eine bessere Zukunft. Der Mensch im anbrechenden neuen Zeitalter, Kreuzungen/ München 1993. Nidiaye, Safi: Vertrauen ins Leben. Das Prentice-Mulford-Arbeits- buch, München 1998. Pearsall, Paul: Heilung aus dem Herzen. Die Körper-Seele-Verbin- dung und die Entdeckung der Lebensenergie, München 1999. Peck, Morgan Scott: Der wunderbare Weg. Eine neue Psychologie der Liebe und des spirituellen Wachstums, München 1988. Roberts, Jane: Die Natur der persönlichen Realität. Ein neues Be- wusstsein als Quelle der Kreativität, 4. Auflage, Kreuzungen/ München 1991. Steindl-Rast, David: Fülle und Nichts. Von innen her zum Leben erwachen, Freiburg 1999. Taniguchi, Masaharu: Leben aus dem Geiste, 10. Auflage, Freiburg 1994. Zukav, Gary: Der Sitz der Seele, Reinbek 2000.]
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