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Helmut Creutz Das Geld-Syndrom Wege zu einer krisenfreien Wirtschaftsordnung Econ Taschenbuch Econ Taschenbücher erscheinen im Ullstein Taschenbuchverlag, einem Unternehmen der Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München 5., komplett überarbeitete und erweiterte Neuausgabe 2001 1993 by Wirtschaftsverlag Langen Müller Herbig in F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München Umschlagkonzept: Büro Meyer & Schmidt, München – Jorge Schmidt Umschlaggestaltung: DYADEsign, Düsseldorf Titelabbildung: Mauritius Satz: Josefine Urban – KompetenzCenter, Düsseldorf Druck und Bindearbeiten: Ebner Ulm Pr...
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Dokumentinhalt

Helmut Creutz

Das Geld-Syndrom

Wege zu einer krisenfreien Wirtschaftsordnung Econ Taschenbuch, Econ Taschenbücher erscheinen im Ullstein Taschenbuchverlag, einem Unternehmen der Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München 5., komplett überarbeitete und erweiterte Neuausgabe 2001 1993 by Wirtschaftsverlag Langen Müller Herbig in F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München Umschlagkonzept: Büro Meyer & Schmidt, München – Jorge Schmidt Umschlaggestaltung: DYADEsign, Düsseldorf Titelabbildung: Mauritius Satz: Josefine Urban – KompetenzCenter, Düsseldorf Druck und Bindearbeiten: Ebner Ulm Printed in Germany ISBN 3-548-70006-3,

Vorwort

In den Medien sind Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, Umweltzerstörung und zunehmende soziale Polarisierung tägliche Themen. Dabei werden die Ursachen meist in menschlichen Verhaltensweisen oder politischen Entschei- dungen gesucht, selten in wirtschaftlichen Rahmenbedin- gungen, kaum im Bereich des Geldes. Schon vor zwanzig Jahren wurde ich durch einen Leser- brief angeregt, mich mit diesen Zusammenhängen zu befas- sen. Anfangs skeptisch und bestrebt, dem Schreiber zu widersprechen, entdeckte ich immer neue Widersprüche und Unstimmigkeiten im Bereich unserer Geld- und Wäh- rungsordnung, die mich zunehmend aktivierten. Vor allem als ich feststellte, dass diese Unstimmigkeiten nicht nur unser Wirtschaften und Leben nachhaltig und nachteilig beeinflussen, sondern sich auch noch aus sich selbst heraus verstärken. Das umfassende Ergebnis meiner Analysearbeit halten Sie nun in Händen. Auch wenn das Gros der »Weißen Fle- cke« geschlossen werden konnte, wird die Befassung mit dem Problemfeld Geld angesichts der aktuellen Entwick- lungen mit jedem Tag wichtiger., »Wir sollten uns nicht so gebärden, als ob das Erkennen volkswirtschaft- licher Zusammenhänge nur den Gralshütern vorbehalten bliebe, die auf der einen Seite wissenschaftlich, auf der anderen Seite demagogisch ihre verhärteten Standpunkte vor- tragen. Nein, jeder Bürger unseres Staates muß um die wirtschaftlichen Zusam- menhänge wissen und zu einem Urteil befähigt sein, denn es handelt sich hier um Fragen unserer politi- schen Ordnung, deren Stabilität zu sichern uns aufgegeben ist.« Ludwig Erhard, 1962,

Inhalt

Einführung 19 Was stimmt nicht bei unserem Geld? 20 Welche Bedeutung hat das Geld? 21 Teil I – Begriffe, Größen und Funktionen rund ums Geld 1. Kapitel Klärung der geldbezogenen Begriffe und Vorgänge 27 Was ist Geld? Was versteht man heute unter Geld? Sind Schecks, Kredit- und Geldkarten Geld? Was ist mit E-Cash oder Zahlungen im Internet? Was ist mit der Geldmenge? Wie kann man Geld definieren? Für welche Zwecke kann man Geld benutzen? Warum muss man zwischen Geld und anderen Forderungs-Ausgleichmitteln unterscheiden? Wa- rum ist Geld der Arbeit und den Gütern überlegen? Woher bekommt das Geld seinen Wert? Wieviel Bargeld gibt es eigentlich? Wie sieht das mit der Bargeldmenge beim Euro aus? In welchen Größenordnungen rechnet man beim Geld? Wie kommt das Geld in Umlauf? Welche Vorteile hat die Geldmengensteuerung über Kredite? Woher bekommen die Notenbanken das Geld? Wem gehört das Geld? 2. Kapitel Geld und Guthaben 53 Was sind Guthaben und wie nehmen sie zu? Warum kann man Geld und Guthaben nicht als Geld zusammenzählen? Kann man Geld und Guthaben dennoch zusammenfassen? Was sind Sichtguthaben und wie entstehen sie? Wie laufen die Übertragungen von Konto zu Konto ab? Kann man mit Sichtguthaben seine Nachfrage steigern? Welche Folgen hat die Zunahme der Guthabenübertragungen für die Banken? Was war zuerst da – Guthaben oder Schulden, Geld oder Kredit? Wie groß sind die Unterschiede zwischen Bargeld- versorgung und Bankkrediten? Was heißt Sparen, was Be- zahlen?, 3. Kapitel Geldumlauf – Geldkreislauf 70 Das rätselhafte 5-Mark-Stück. Was ist unter Kreislauf zu verstehen? Welche Folgen können Ersparnisbildungen haben? Was kann man aus diesen Insel-Beispielen lernen? Was bewirkt der Zinsanspruch im Einzelnen? Verändert sich der Kreislauf im Großmodell? 4. Kapitel Geschäftsbanken, Notenbanken, Nichtbanken 83 Beziehungen und Größenordnungen im Geld- und Banken- bereich. Was sind die Hauptaufgaben der Banken? Was ist mit der Macht der Banken? Wachsen Macht und Einfluss der Banken mit den Umsätzen? Welche Aufgaben haben die Zentral- oder Notenbanken? Was heißt »die Währung sichern«? Wie regeln die Zentralbanken den Geldumlauf und warum ist diese Aufgabe so wichtig? Was heißt »re- gelt .die Kreditversorgung der Wirtschaft«? Wie läuft das mit den Krediten an die Banken? Was ist mit den Mindestre- serven? Wann müssen Notenbanken das Geld vermehren? Wie können sie das tun? Was ist mit den ›Geldmengenzie- len‹ der Notenbanken? Welche ›Geldmenge‹ versuchen die Notenbanken zu steuern? Woher kommen die Notenbank- gewinne? TeiI II – Der Zins und andere Fehlstrukturen 5. Kapitel Der Zins in Vergangenheit und Gegenwart 111 Warum ist der Zins ein Problem? Was ist der Zins eigent- lich? Welche Aufgaben hat der Zins? Gab es irgendwann zinsfreie Zeiten? Was bewirkten die Brakteaten? Was ist der Zins heute? Welche Zinsbegriffe gibt es? Wie setzen sich die Zinsen zusammen? Was umfasst die Bankmarge im Zins? Was versteht man unter Leitzinsen? Welchen Einfluss haben die Notenbanken auf den Marktzins? Welche Größen und Relationen haben die Zinserträge und -aufwendungen bei den Banken?, 6. Kapitel Die Wirkungen von Zins und Zinseszins 138 Woher kommen die Zinsen tatsächlich? Wie hoch sind die versteckten Zinsen? Ist der Zins ein Monopoleinkommen? Was bewirkt der Zinseszinseffekt? Spielt der Zinseszins auch in normalen Zeitabläufen eine Rolle? Sind zwölf Prozent Verzinsung irreal? Wer oder was bestimmt die Zins- höhe? Woher kommen die großen Zinsschwankungen? Kann man den Zins nur durch Geldverknappung hoch- halten? 7. Kapitel Der Zins als Umverteiler 156 Wie läuft das Kassieren der Zinsen ab? Wer erhält die Zinsen? Wie wirkt sich der Zins bei der Verteilung des Volkseinkommens aus? Welche Rolle spielt der Zinssatz bei der Umverteilung? Wodurch verändert sich der Vertei- lungsschlüssel? Erhöhen die Zinsen das Sozialprodukt? Was ist mit der Zinsbesteuerung? Warum stimmt das Sprichwort »Zeit ist Geld«? Verändert der Zins das Geld? Gibt es einen gerechten Zins? Was sagt die Wissenschaft zum Zins? 8. Kapitel Inflation und Deflation 179 Ist die Notwendigkeit stabilen Geldes eine Erkenntnis unse- rer Tage? Was heißt Inflation und was ist ihre Wirkung? Ist eine stabile Währung wirklich so wichtig? Die Inflation in den Industrienationen. Kann man Inflation als Betrug bezeichnen? Können auch die Käufer Inflationen auslösen? Beeinflussen Einzelpreiserhöhungen die Inflation? Wie ist das bei Erhöhungen der Löhne? Können Inflationsraten durch gleich hohe Lohnanpassungen ausgeglichen werden? Welche Wirkungen haben Zinserhöhungen bei Inflationen? Und was ist mit der Deflation?, 9. Kapitel Das Problem der Geldhortung 199 Gibt es heute noch Geldhortung und welche Arten muss man unterscheiden? Welche Größenordnungen und Folgen haben Hortungen im Ausland? Welche Hortungen sind be- sonders kritisch? Wie groß sind die niedrigzinsbedingten Hortungs-Ausweitungen? Welche Folgen haben Geldhor- tungen heute? Lassen sich diese Geldhaltungsschwankun- gen auch langfristig nachweisen? 10. Kapitel Das Dilemma der Geldmengen-Steuerung und des Geldumlaufs 211 Warum ist der Geldumlauf so wichtig? Wie praktizieren die Notenbanken ihre Geldmengenregulierungen? Wie sieht das Ergebnis dieser Stabilitätsbemühungen aus? Was ist das größte Dilemma der Notenbanken? Können die No- tenbanken die Geldmenge begrenzen? Das bittere Lehrgeld der Notenbanken. 11. Kapitel Geldschöpfung und -versorgung durch die Notenbanken 225 Wie läuft die Geldversorgung der Wirtschaft mit Geld ab? Die Liquiditätssteuerung durch die EZB. Was heißt Tender- satz? Wer kann sich an den Bietungen beteiligen und wie laufen diese ab? Warum brauchen die Banken Zentralbank- geld? Wie kommt es zu Übernacht- und Innertagskrediten? 12. Kapitel Die ›Geldschöpfung‹ durch die Geschäftsbanken 236 Was ist von Theorien zu halten? Wie funktioniert die »mul- tiple Geldschöpfung«? Wo liegt der Denkfehler in der Theo- rie? Welche Argumente für die Geldschöpfung werden sonst noch vorgebracht? Gibt es Indizien für die Geldschöp- fung der Banken?, Teil III – Die problematischen Folgen im Geldbereich 13. Kapitel Die Überentwicklung der Schulden 253 Wie muss man Verschuldungen bewerten? Wer sind die Schuldenmacher in den Industrienationen? Hat dieses Ein- zelbeispiel mit der Wirklichkeit zu tun? 14. Kapitel Staatsverschuldungen 264 Warum sind Staatsverschuldungen besonders folgen- schwer? Was ist mit der Staatsverschuldung in den Industrie- nationen? .und in den Euroländern? Wie war das mit der Verschuldung in Osteuropa? 15. Kapitel Unternehmensschulden, Privatschulden, Schuldenüberwindung 280 Konsumentenschulden – ein Kredit mit Zukunft? Welche Folgen hat der Kauf auf Pump? Kann man die Überschul- dung überwinden? Verringern sich die Schulden durch Zah- lungsunfähigkeiten? Lässt sich das Schuldenproblem durch Tilgungen lösen? 16. Kapitel Überentwicklung der Geldvermögen 292 Wie setzen sich Geldvermögen zusammen? Wem gehören die Geldvermögen? Wie haben sich die Anteile der Sekto- ren verändert? Wie verteilen sich die privaten Geldvermö- gen? Gibt es Anhaltspunkte für die Verteilung der privaten Geldvermögen? Was kann man den Stichprobenerhebun- gen entnehmen? Wie sieht es mit den Vermögensverteilun- gen in der Welt aus? Wie entstehen Geldvermögen und wo- her kommt das Überwachstum? Was sagt die Wissenschaft zur Geldvermögens-Überentwicklung?, 17. Kapitel Die Überentwicklung der Zinsströme 312 Wie verändern sich die Zinsströme in der Volkswirtschaft? Wie sieht die langfristige Auseinanderentwicklung aus? Die geldbezogenen Zinsen beim Staat. Wie sieht das in den anderen Staaten aus? Was wäre, wenn der Staat die Bürger direkt zur Kasse bitten würde? 18. Kapitel Zinsgrößen im Unternehmenssektor 326 Wie wirken sich Zinsanstiege in der Wohnungswirtschaft aus? Was ist mit den gesamten Zinsbelastungen? Wie groß ist das zu verzinsende Gesamtvermögen? Sind die Zinslas- ten auch auf andere Weise zu ermitteln? Wie hoch sind die Gesamtzinsen in den Einzelpreisen? 19. Kapitel Zinslasten und Zinseinkünfte der Privathaushalte 340 Was ist mit den direkten Zinsen? Wie groß sind die Zins- einkünfte der Privathaushalte und wie verteilen sie sich? Was sind die niedrigsten und höchsten Zinseinkommen? Woher erhält Fräulein Quandt täglich 650 000 DM? 20. Kapitel Die Überentwicklung der Spekulationen 348 Wie verhalten sich die Banken? Welche Folgen haben Aktienspekulationen? Wie groß sind die Aktienbestände in der Welt und wie verteilen sie sich? Wie sieht es mit den Pro-Kopf-Anteilen bei den Aktien aus? Wie sind die Ver- teilungsrealitäten? Welche Größen bestimmen das Gesche- hen an den Börsen? Aktienspekulation und Realwirtschaft. Können die Kurse schwanken? Gibt es auch partielle Kurs- einbrüche? Derivate und andere Variationen der Speku- lation. Das Problem der Wechselkursspekulation. Was sind die Folgen der Währungsspekulationen? Konsequenzen. Darf die Freizügigkeit des Kapitalverkehrs eingeschränkt werden?, Teil IV – Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen 21. Kapitel Geld und Gerechtigkeit – Die soziale Frage 377 Wann sind Einkommen ungerecht? Welches Unrecht geht von Inflationen aus? Zu welchen Ungerechtigkeiten führt der Zins? Wie verteilen sich die Vermögen? Wie kann man die Größe der Zinsströme ermitteln? Was ergibt sich aus der Saldenberechnung? Wie groß sind die gesamten Zinstrans- fers zwischen Gewinnern und Verlierern? 22. Kapitel Die Folgen der zinsbedingten Einkommens- Umverteilung 392 Die Hintergründe der ›Neuen Armut‹. Kann es auch ohne Reichtum Armut geben? Wie unterscheidet sich die Armut in Europa? Wie kommt es zu den Wechselbeziehungen zwi- schen Arm und Reich? Wann hat die Diskrepanzentwick- lung eingesetzt? Welche Folgen hat das weitere Öffnen der Armut-Reichtum-Schere? Zeichnen sich diese Diskrepanz- zunahmen auch auf andere Weise ab? 23. Kapitel Geld, Wachstum, Umwelt – Die ökologischen Folgen 407 Welche Wachstumsregeln sind zu beachten? Gibt es unter- schiedliche Abläufe des Wachstums? Wie irreal ist expo- nentielles Wachstum? Was ist mit unterschiedlichen Ent- wicklungen innerhalb eines Organismus? Was bedeutet Wirtschaftswachstum? Wie wurde die Wirtschaftsleistung seit 1950 tatsächlich gesteigert? Warum kam es zu dem stän- digen Wirtschaftswachstum? Was wurde noch zur stetigen Wachstumssteigerung unternommen? 24. Kapitel Die Ursachen unseres Wachstumszwangs 422 Warum ist ein kapitalistisches Wirtschaftssystem zur Aus- weitung gezwungen? Warum zwingt der Zins zum Wachs- tum? Wie sehen die konkreten Wechselwirkungen aus? Welche Umweltfolgen hat das dauernde Wirtschaftswachs-, tum? Gibt es Wachstum ohne Umweltbelastung? Zu wel- chen Fragwürdigkeiten hat die staatliche Wachstumsförde- rung bisher geführt? Sind die umweltbezogenen Probleme mit Ökosteuern zu lösen? 25. Kapitel Geld und Krise – die ökonomischen Folgen 435 Was waren die großen Krisen des letzten Jahrhunderts? Was könnte auch in unseren Tagen zu einer großen Krise führen? Ist der Kapitalismus selbst die Krisenursache? Wie erklären sich die dauernden Konjunktureinbrüche? Was sind die Ursachen der Konjunktureinbrüche? Sind die Zusammen- hänge zwischen Zins und Konjunktur allgemein bekannt? Warum sind auch niedrige Zinsen Krisen auslösend? Was löst die deflationären Krisen aus? Welche Wirkungen haben Geldzurückhaltungen auf die Beschäftigung? 26. Kapitel Krisenerscheinungen in Planwirtschaften 451 Hatten die Krisen im Ostblock auch mit Geld zu tun? Was sind die konkreten Folgen eines Geldüberhangs? Wusste man im Sozialismus vom Geldproblem? Wie war das in Jugoslawien? Welche Rolle spielte das Zinsproblem in den ehemaligen Ostblockstaaten? Gibt es noch andere Krisen- probleme im Osten, die mit dem Geld zusammenhängen? Was wäre heute zu tun? Wie hat sich die Vereinigung von Ost- und Westdeutschland geldbezogen ausgewirkt? 27. Kapitel Das Problem der Arbeitslosigkeit 466 Was sind die Ursachen der langfristigen Veränderungen? Gibt es weitere Gründe für die langfristige Zunahme der Arbeitslosigkeit? Die Ursachen der mittelfristigen Aus- reißer in der Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Welche Rol- le spielen die Verschuldungen? Kommt es nur in verschul- deten Unternehmen zu Entlassungen? Was sind die Folgen dieser Diskrepanzen? Wodurch kommt es zu den Hochzins- phasen?, 28. Kapitel Die Arbeitslosigkeit bei fallenden Zinsen 482 Wie erklärt sich der Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit? Wie verändert sich die Zinsbelastung zum Sozialprodukt? Tref- fen die Effekte von Zinsveränderungen auch auf andere Länder zu? Wie verhält sich der Staat in den Beschäftigungs- krisen? 29. Kapitel Marktwirtschaft – Kapitalismus – Globalisierung 493 Was versteht man genauer unter Marktwirtschaft? Was ver- steht man unter Kapitalismus? Was heißt Globalisierung? Was ist mit Liberalisierung und Deregulierung? Was tut sich bei der Alterssicherung? 30. Kapitel Geld, Krieg und Kapitalvernichtung 503 Hat der Krieg tatsächlich mit Zinsen zu tun? Haben die Zer- störungen des Zweiten Weltkriegs ausreichend lange vorge- halten? Der Wahnsinn des Overkills. Wird mit der Rüstung das Kapital nur bedient? Findet diese Kapitalverknappung und -vernichtung tatsächlich statt? Wie war das beim ersten Golfkrieg? Und was brachte der zweite Golfkrieg? Warum eigentlich keine Rüstungskonversion? 31. Kapitel Der Krieg gegen die Dritte Welt und gegen uns selbst 517 Haben uns auch die Entwicklungsländer vor Reinigungskri- sen bewahrt? Wie kam es zur Verschuldung der Entwick- lungsländer? Welche Folgen hatten die Verschuldungen? Ist Schuldenerlass der richtige Ausweg? Was sollte statt des Schuldenerlasses geschehen? Welche Folgen hätten sinken- de Zinsen?, Teil V – Überwindung der Fehlstrukturen – Wege zu einer krisenfreien Wirtschaft 32. Kapitel Von den Symptomen zu den Korrekturen 533 Wo müssen die Änderungen ansetzen? Was kennzeichnet öffentliche Einrichtungen? Was ist die Folge der heutigen Rechtslage? Warum braucht unser Geld einen Weitergabe- zwang? Was versteht man unter einer Geldumlaufsiche- rung? Warum ist eine wirksame Umlaufsicherung not- wendig? Wirkt sich eine konstruktive Umlaufsicherung auch auf den ›Geldstreik‹ aus? Beispiele für zinsunabhängige Umlaufsicherungen – von den Brakteaten bis Wörgl. Was heißt Nachfrage-, was Kreditpotential? Welche sonstigen Wirkungen haben die Veränderungen der Zahlungsgewohn- heiten? Wer kann die Rechtsordnung des Geldes korri- gieren? 33. Kapitel Die Auswirkungen der Korrekturen 552 Was bewirkt die Rückhaltegebühr? Was wären die konkre- ten Folgen der Trennung zwischen Nachfrage- und Kredit- potential für die Notenbanken? Was ändert sich für die Geschäftsbanken? Wie bilden sich nach der Geldordnungs- reform die Zinsen? Wie könnte man dem Geld Beine machen? Welche praktischen Möglichkeiten bestehen beim Bargeld? Was sagt die Wirtschaftswissenschaft zur Frage der Umlaufsicherung? Was sagen die heutigen Ökonomen, Ban- ker und Politiker zu den Reformvorschlägen? Kann ein Land allein mit der Geldordnungsreform beginnen? 34. Kapitel Diverse Gedanken und Einwände zur Geldreform 570 Muss sich der Mensch ändern? Werden mit einer Geldreform die Spekulationen eingedämmt? Ist eine Flucht in Gold und andere Sachwerte zu befürchten? Wird es eine Flucht in den Boden geben? Was ist in Sachen Boden zu tun? Was ist mit der Kapitalflucht bei sinkenden Zinsen? Führt eine Umlaufsi- cherung zu einer Wachstumseuphorie? Ist der Euro eine Lösung? Sind Geldhaltekosten und Inflation vergleichbar?, 35. Kapitel Tauschringe und andere Alternativen 585 Wie funktionieren Tauschringe? Kann man über Tauschrin- ge auch Geld in Umlauf setzen? Der WIR-Wirtschaftsring in der Schweiz. Was ist mit den Zinsen bei Verrechnungsringen und anderen Alternativmodellen? Was ist mit alternativen Geldsystemen? Können alternative Banken weiterhelfen? Was ist mit den Umwelt- und Ethikfonds? 36. Kapitel Eine abschließende Zusammenfassung 598 Warum kommen wir unter die Räder? Wo ist der Hebel anzusetzen? Literatur 605 Personenregister 615 Sachregister 619 Anmerkungen: Soweit nicht anders erwähnt, stammen alle angeführten Daten und Größen aus den Veröffentlichungen der Bundes- bank bzw. des Statistischen Bundesamtes. Auf diesen Unter- lagen basieren auch die eigenen Um- und Hochrechnungen sowie die Mehrzahl der Grafiken, soweit keine anderen Angaben erfolgen. Wegen unzureichender Daten bzw. Gebiets- und Berechnungsveränderungen konnten nicht alle Darstellungen und Tabellen bis 1999 bzw. 2000 fortge- führt werden. Unter dem Begriff Sozialprodukt wird sowohl das Bruttosozialprodukt als auch das Bruttoinlandsprodukt zusammengefasst, deren Größenunterschiede für die hier herangezogenen Berechnungen und Vergleiche kaum von Belang sind. Das gilt auch für die Wechselkurse der herange- zogenen Währungen, bei denen Dollar und Euro als gleich- wertig angesetzt wurden und die DM mit der Hälfte dieser Werte. Alle Grafiken sind – soweit keine anderen Hinweise erfolgen – vom Autor.,

Einführung

Geld ist eine tolle Einrichtung! Doch obwohl wir es seit Jahrtausenden kennen und täglich benutzen, gibt es nichts Vergleichbares, worüber wir so wenig wissen! Geld ist immer noch von einem Nebel des Geheimnisvollen umge- ben. Selbst Wissenschaftler reden von »Geldschleier« und »Geldillusion«. In diesem Buch werden die Begriffe und Funktionen rund um das Geld erklärt. Ebenso die geldbezogenen Vor- gänge in der Wirtschaft und deren Auswirkungen für uns Bürger. Vor allem aber wird den Fehlstrukturen unserer Geldordnung nachgegangen, werden ihre Folgen verdeut- licht und am Ende Wege aus dem heutigen Dilemma aufge- zeigt. Denn die Kenntnis dieser Fehlstrukturen sowie die Möglichkeiten ihrer Behebung sind ausschlaggebend für unsere Zukunft. Das gilt nicht nur für die überschuldeten Länder Lateinamerikas oder den inflationären Niedergang der Ostblockstaaten. Das gilt auch für die Industrienatio- nen, in denen die Geldbezogenheit aller Problementwick- lungen täglich deutlicher wird. Und niemand von uns kann sich diesen monetären Zwängen und Auswirkungen entzie- hen, es sei denn, er flieht als Robinson auf eine Insel. Für den normalen Bürger stellten sich bisher solche Überlegungen kaum. Er erhält Geld für seine Arbeit und gibt es für den Lebensunterhalt aus. Allenfalls hat er in der Jugend ein paar Sprichworte mitbekommen, meist ohne viel darüber nachzudenken; zum Beispiel »Geld verdirbt den Charakter« oder »Beim Geld macht der Teufel immer auf den größten Haufen«. Noch bekannter und in vielen Sprachen zuhause ist das Sprichwort: »Geld regiert die Welt.« Warum aber verdirbt Geld den Charakter? Würden wir das auch von einem Gutschein sagen oder einer Theater-, karte, die, ähnlich wie Geld, einen Anspruch auf eine Gegenleistung dokumentieren? Und warum bekommen diejenigen noch mehr Geld, die bereits einen »großen Hau- fen« davon haben? Ist Einkommen nicht an Leistung gebun- den? Wenn ja, widersprechen dann nicht leistungslose Ein- künfte den Grund- und Menschenrechten? Und was bedeu- tet das dritte Sprichwort, nach dem die Welt vom Geld regiert wird? Wenn dieses Sprichwort stimmt, sind dann nicht alle Regierungen, ob gewählt oder nicht, ob rot, schwarz, gelb oder grün, nur eine Farce, Marionetten des Geldes? Können wir von einer aufgeklärten, mündigen Welt und vor allem von Demokratien reden, solange diese Fragen un- geklärt bleiben?

Was stimmt nicht bei unserem Geld?

Wer sich intensiver mit unserem Geld befasst, mit der Geld- ordnung, der Geldtechnik und allen sonstigen Geldgege- benheiten, dem stehen meist sehr schnell die Haare zu Ber- ge. Allein die Widersprüchlichkeiten, auf die man unter logischen Ansätzen stößt, finden fast kein Ende: ■ Da ist Geld eine öffentliche Einrichtung, gleichzeitig aber auch privates Eigentum, obwohl nichts in der Welt zwei Herren dienen kann. ■ Da ist die Geldvermehrung durch gefälschte Bankno- ten und Münzen bei Strafe untersagt, die Geldvermin- derung durch Entzug von Banknoten aus dem Wirt- schaftskreislauf jedoch erlaubt. ■ Da ist Geld das einzige gesetzliche Zahlungsmittel, gleichzeitig aber auch ein beliebig verwendbares Spe- kulationsobjekt., ■ Da unterliegt Geld einem allgemeinen Annahme- zwang, aber keinem Weitergabezwang, obwohl das erste ohne das zweite keinen Sinn ergibt. ■ Da wird Geld gleichzeitig als Tausch- und Wertaufbe- wahrungsmittel deklariert, obwohl die zweite Funktion die erste aufhebt. ■ Da wird kein Maßstab in der Wirtschaft so oft gebraucht wie das Geld, aber dessen Kaufkraft nicht stabil gehal- ten. ■ Da ist unser Geld mit einem Zins- und Zinseszinseffekt gekoppelt, obwohl dieser zu einem exponentiellen Wachstum führen muss. Die Aufzählung dieser Widersprüche dürfte eigentlich genügen, um die vom Geld ausgehenden Miseren zu erklä- ren, vor allem, wenn man sich die zentrale Bedeutung des Geldes in unseren heutigen Volkswirtschaften vergegen- wärtigt.

Welche Bedeutung hat das Geld?

Wenn man die Bewohner eines Hauses fragt, welche Gebäudeteile die wichtigsten sind, werden sie sicher die Wohngeschosse nennen. Vom Untergeschoss wird kaum jemand reden und vom Fundament noch weniger. Dabei ist das Fundament für die Stabilität des gesamten Gebäudes von entscheidender Bedeutung. Ähnlich ist es mit den Etagen der ›politischen Gebäude‹, in denen wir leben: Der Bereich der Gesellschaftspolitik ist uns der wichtigste. Mit wirtschaftlichen Fragen befassen wir uns weniger und mit jenem der Geld- und Währungsord- nung so gut wie gar nicht. Diese Einschätzungs- und Interessenabstufung gilt nicht, nur für das Gros der Bürger, sondern auch für fast alle Poli- tiker. Ein deutscher Bundestagsabgeordneter, vormals Bundesbanker und als Folge Währungsexperte seiner Frak- tion, hat einmal geklagt: Immer wenn es um gesellschafts- politische Tagesfragen ginge, wäre der Fraktionsraum über- füllt. Würde ernsthaft über Wirtschaftsfragen diskutiert, gingen zwei Drittel der Abgeordneten nach Hause. Und stünden Geld- und Währungsfragen an, bliebe von der gan- zen Mannschaft allenfalls ein halbes Dutzend übrig. Darstellung 1: Dabei wird die Bedeutung des Geld- und Währungssektors jedem klar, wenn man die Bereiche Gesellschaft, Wirt- schaft und Währung – entsprechend unserem Wohnhaus- beispiel – einmal übereinander anordnet, wie in der ersten Grafik dargestellt: Eine stabile Gesellschaft kann es nur auf dem Unterbau einer stabilen Wirtschaft geben, und diese, nur auf dem Fundament eines stabilen Geld- und Wäh- rungssystems. Doch ähnlich wie bei den Gebäuden, wissen wir nur selten etwas von der fundamentalen Rolle der Wäh- rung für Wirtschaft und Gesellschaft. Tauchen in den ›gesellschaftlichen Wohnetagen‹ Risse auf oder droht das Gebäude baufällig zu werden, versuchen wir darum meist ›vor Ort‹ mit den Problemen fertig zu werden. Doch haben solche Reparaturversuche kaum Chancen auf Erfolg, wenn die Ursachen der Störung tiefer liegen. Machen wir uns aber die Mühe, den ›Rissen‹ und ›Baufälligkeiten‹ in unse- ren Gesellschaftssystemen intensiver nachzugehen, das heißt, auf der Leiter der Ursachenkette bis zur untersten, auslösenden Ebene hinabzusteigen, dann werden wir fast immer im ›Fundament‹ fündig werden, also im Bereich von Geld und Währung., Teil I Begriffe, Größen und Funktionen rund ums Geld, 1. Kapitel

Klärung der geldbezogenen Begriffe und Vorgänge

»Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen auch die Worte nicht, und stimmen die Worte nicht, so kommen auch die Werke nicht zustande.« Konfuzius Begriffe sollen das Begreifen erleichtern. Mit klar abge- grenzten Begriffen und Begriffsdefinitionen werden auch komplizierte Sachzusammenhänge verständlich. Unklare Bezeichnungen stiften dagegen Verwirrung, selbst bei ein- fachen Vorgängen und Zusammenhängen. Wer sich, aus anderen Berufsfeldern kommend, mit Geldfragen befasst, wird von den dort zu findenden vielfäl- tigen Widersprüchlichkeiten und Begriffsungenauigkeiten irritiert sein, ebenfalls von den Mehrfachverwendungen einzelner Bezeichnungen für unterschiedliche Dinge und Erscheinungen. Da verwechselt man z. B. Veränderungen des Gesamt- preisniveaus mit Einzelpreisschwankungen und addiert sie unter dem Begriff Inflation. Da werden die Begriffe Profit, Gewinn, Zins, Rendite und Mehrwert für gleiche wie für unterschiedliche Phänomene benutzt. Da bezeichnet man Schecks, Kreditkarten und selbst Bankguthaben als ›Geld‹ oder fasst sie sogar mit Banknoten und Münzen als ›Geld- menge‹ zusammen. – Dass solche Begriffsvermischungen und -verwirrungen zu Missverständnissen und Fehlschlüs- sen führen müssen, liegt auf der Hand., Nachfolgend wird darum zuerst einmal versucht, Klar- heit in die Begriffe und Funktionen zu bringen.

Was ist Geld?

Allein mit Antworten auf diese Frage kann man ganze Bücher füllen! Geld ist zuerst einmal eine ganz fantastische Erfindung, vergleichbar mit der des Rades. So wie mit Hilfe des Rades der Transport von Gütern auf eine vorher unvorstellbare Weise erleichtert wurde, so mit dem Geld der Tausch der- selben. Ohne Geld war nur ein direkter Tausch von Leis- tung gegen Leistung möglich. Der Korbmacher beispiels- weise, der neue Schuhe brauchte, musste erst einen Schuh- macher finden, der einen Korb benötigte. Dabei musste auch noch der Wert beider Produkte in etwa gleich sein, damit der Tausch überhaupt zustande kam. Dieses Beispiel zeigt bereits, wie eng die Grenzen geldloser Märkte gezo- gen waren und dass Spezialisierung und Arbeitsteilung nur geringe Chancen hatten. Aus der Sicht des Leistungstausches ist Geld also ein uni- verseller Vermittler. Geld ermöglicht es, Leistungen an jeden daran Interessierten zu verkaufen und mit dem emp- fangenen Tausch- oder Zwischentauschmittel – zeit- und ortsungebunden – eine beliebige Gegenleistung bei jedem anderen nachzufragen. Diese Vermittlerrolle hatten im begrenzten Umfang bereits vor dem Geld bestimmte langlebige Waren über- nommen. Vor allem solche Waren, die man notfalls selbst aufbrauchen konnte, wie z. B. Salz, Getreide, Teeziegel, Kakaobohnen usw. Doch so sehr sich diese Waren auf- grund ihrer relativ langen Lebensdauer auch als Zwi- schentauschmittel eigneten, waren sie in der Handhabung, doch unpraktisch und verloren außerdem mit der Zeit an Wert. Das zählbare, haltbare und leicht transportierbare Münzgeld dagegen, das die zu tauschenden Güter auf einfache Art vergleichbar machte, brachte den Durch- bruch zu einer Wirtschaftsentwicklung, ohne die unsere heutige Zivilisation und unser Wohlstand undenkbar wären.

Was versteht man heute unter Geld?

Mit dieser Frage hat man im Allgemeinen keine Schwierig- keiten. Geld ist durchweg immer noch das Medium, das man in seinem Portemonnaie mit sich herumträgt oder zu Hause liegen hat. Aber auch die Bestände auf den Sichtgut- haben, den Girokonten – seit langem für Zahlungen benutzt –, werden als Geld gesehen. Deshalb hat sich inzwi- schen für diese Guthaben der Begriff ›Giralgeld‹ oder ›Buchgeld‹ eingebürgert, obgleich das irreführend ist. In der Wissenschaft werden häufig sogar sämtliche Bankgut- haben als Geld bezeichnet, das heißt, man spricht nicht nur von Bar- und Giralgeld sondern auch von Spar- und Ter- mingeld und fasst diese Bestände als ›Geldmengen‹ zusam- men. Einzelne, wie der Exbankier von Bethmann lassen sogar schon mit jeder offenen Rechnung Geld ›entstehen‹, das mit der Begleichung der Rechnung wieder ›vernichtet‹ wird, usw. »Im Grunde weiß niemand mehr, wo Geld auf- hört!«, formulierte ein Referent der Deutschen Bundes- bank vor einigen Jahren einmal diesen Zustand. Ausge- rechnet ein Vertreter jener Behörde, die für die Steuerung der Geldmenge zuständig ist! Auch ein Studium der Lehr- und Geschichtsbücher hilft bei der Eingrenzung und dem Verständnis von Geld kaum, weiter. Dafür sind die folgenden chronologisch wiederge- gebenen Zitate Zeugnis: »Geld ist nur um des Austausches willen geschaffenes Zeichen.« (Platon, um 380 v. Chr.) »Geld regiert die ganze Welt.« (Publ. Syrus, 1. Jh. v.Chr.) »Geld hat die Aufgabe, den Tausch zu erleichtern.« (Th. von Aquin, um 1250) »Geld ist das Blut der Volkswirtschaft.« (J. Bodin, 1580) »GeldistdasBrecheisenderMacht.«(Fr.Nietzsche1880) »GeldisteineneueFormderSklaverei.«(L.Tolstoi,1980) Aber auch die folgenden Zitate von drei deutschen Ökono- men aus dem 20. Jahrhundert schaffen eher Verwirrung als Klarheit: »Geld ist ein generelles Gut nominaler Geltung.« (F. Lütje) »Geld ist ein Geschöpf der Geldordnung.« (G. F. Knapp) »Geld ist, was gilt.« (G. Schmölders) Angesichts solcher Aussagen ist die des deutschen Noten- bankiers und jetzigen Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, fast beruhigend: »Ganze Berge wissenschaftlicher Literatur zeugen davon, dass der Geldbegriff in den Wirtschaftswissenschaften alles andere als unumstritten ist.« Dabei ist die Antwort, entsprechend der Definition von Schmölders, ganz einfach: Geld ist das in einem Wirtschaftsraum allgemein akzeptierte Zahlungs- mittel!,

Sind Schecks, Kredit- und Geldkarten Geld?

Auch diese Zahlungs-Hilfsmittel sind kein Geld. Mit ihnen werden letztlich immer nur Sichtguthabenbestände übertra- gen wie bei Überweisungen, Dauer- und Abbuchungsaufträ- gen. Bei Schecks ist das offensichtlich. Bei Kreditkarten finden diese Übertragungen mit Verzögerung bei der Ab- rechnung der Kreditkartengesellschaft mit den Zahlungs- empfängern statt, wobei das Girokonto des Zahlers belastet wird. Bis dahin gibt der Verkäufer die gekaufte Ware also auf Kredit, woraus sich der Name der Karte ableitet. Neben diesem Nachteil verzögerter Bezahlung, muss der Verkäufer auch noch eine Provision von zwei bis fünf Pro- zent an die Kreditkartengesellschaft zahlen, Verluste, die er in seine Preise einkalkulieren muss. Das heißt, die Bequem- lichkeit der Kreditkarten wird auch von denjenigen mitbe- zahlt, die sie nicht benutzen. Geldkarten sind vorausbezahlte Zahlungshilfen, die prak- tisch wie Telefonkarten funktionieren. Sie können jedoch bei der Bank durch Bargeldeinzahlungen oder Abbuchun- gen vom Girokonto immer wieder aufgefüllt werden. Be- zahlen kann man damit bei allen Verkaufsstellen, die über entsprechende Abbuchungseinrichtungen verfügen, eben- falls an Automaten. Es gibt sogar kleine Handgeräte, mit denen man das elektronisch gebuchte Geld ablesen und direkt auf andere Karten übertragen kann, also ähnlich anonym wie beim Bargeld.

Was ist mit E-Cash oder Zahlungen im Internet?

Bekanntlich breitet sich nicht nur die Internetnutzung zu Informationszwecken weltweit aus, sondern ebenfalls der Verkauf über dieses Medium. Damit stellt sich auch hier die, Frage der Bezahlung, die selbstverständlich – wie bisher beim Versandhandel – durch normale Kontenübertragun- gen erfolgen kann. Interessanter und praktischer aber ist eine direkte Abbuchung über den Bildschirm, die man gewissermaßen aus einer virtuellen Börse vornimmt, die man – ähnlich wie bei der Geldkarte – mit normalem Geld gefüllt hat. Das heißt, hier wird wieder kein zusätzliches oder anderes Geld geschaffen, sondern eine weitere Alter- native seiner Nutzung. Unter immer neuen Begriffen, von E-money über Cyber- cash bis hin zu Cybercoins, wird häufig der Eindruck erweckt, es handele sich um Zahlungsmittel, die von dem bisherigen Geld unabhängig sind. Sowohl die Deutsche Bundesbank als auch die EZB haben jedoch bereits mehr- fach darauf hingewiesen, dass nur Banken oder Institu- tionen, die wie Banken behandelt werden, das Recht zur Ausgabe dieses elektronisch übertragbaren Geldes haben werden. Dennoch ist auch immer wieder von zusätzlichem Inter- netgeld die Rede, das von privaten Unternehmen heraus- gegeben werden soll. Neben den bisher noch gegebenen Problemen aller Bildschirmzahlungen mit Fälschungen und Missbrauch, kämen bei solchen Privatgeld-Emissionen jedoch erhebliche weitere Risiken hinzu. Schon der Tatbe- stand, dass ein solches Privatgeld kaum von allen Nutzern angenommen werden dürfte, ist ein Hindernis für seine Verbreitung. Entsprechend wird man bei einem Umtausch gegen herkömmliche und allseits akzeptierte Währungen nicht unerhebliche Wechselkurs-Abschläge in Kauf neh- men müssen. Auch ist die Bewertung der Kaufkraft solcher privaten Währungen ein erhebliches Problem, so dass sie sich, vor allem bei einem weltweiten Einsatz, an den Dollar anlehnen müssten. Damit aber wäre die direkte Abwick- lung von Kaufvorgängen in so einer bereits verbreiteten, Währung ratsamer als die einer privat geschöpften. Außer- dem ist zu beachten, dass mit solchen zusätzlichen Zah- lungsmitteln, wie bei jeder anderen Vermehrung der Geldmenge in einem Wirtschaftsraum, das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage inflationär belastet wird.

Was ist mit der Geldmenge?

Churchill hat einmal gesagt, dass man bei einer gleich lau- tenden Frage an drei Ökonomen fünf verschiedene Ant- worten erhält. Stellt man heute die Frage nach der Geld- menge, dann erhält man sogar ein Dutzend verschiedener Antworten. Diese reichen vom Bargeld über die Geldbasis (Bargeld zzgl. Zentralbankguthaben der Banken), der Geldmenge M1 (Bargeld und Sichteinlagen), der Geld- menge M2 (M1 zzgl. Termineinlagen) bis hin zur Geldmen- ge M3 (M2 zzgl. Spareinlagen) und weiteren Variationen. Aber auch unter diesen letztgenannten Geldmengen- Begriffen erfasst fast jede Notenbank wiederum unter- schiedliche Anteile der Bankeinlagen. Die Hauptursachen aller Irritationen in Bezug auf den Geldbegriff und die Geldmenge hängen mit der Fehlbenen- nung der Sicht-, Spar-, Termin- und sonstigen Bankeinlagen als ›Geld‹ zusammen. Diese Fehlbenennungen verführen wiederum dazu, die durch Geldeinzahlungen entstehenden Guthaben der Geldmenge hinzuzuzählen, wodurch es zu den verschiedensten Mengengrößen kommt. Diese Addition von Geld und Guthaben wird häufig auch damit begründet, dass sich die genannten Guthaben durchweg rasch liquidisieren, also in Geld zurückverwan- deln lassen. Aber auch wenn man seinem Nachbarn Geld nur für einen Tag oder eine Stunde leiht, die Liquidität also, nur kurzfristig aufgibt, vergrößert sich nicht die Geldmen- ge. Allenfalls kommt es zu einer Vergrößerung der Geld- nutzung, des so genannten Geldumlaufs. Gleichgültig also, ob ich meinem Nachbarn Geld leih- weise zur Verfügung stelle oder einer Bank, die es weiter verleiht: Eine Vermehrung von Geld ist damit in keinem Fall verbunden, auch nicht, wenn diese Überlassung gleich mehrfach verbucht wird. Das gilt auch für die Sichtgutha- ben bzw. Girokonten, auf die wir noch zu sprechen kom- men.

Wie kann man Geld definieren?

Versucht man einmal, Geld nach seinen Aufgaben und Funktionen zu definieren, dann kann man es u. a. bezeich- nen als – Tausch- bzw. Zahlungsmittel, – Recheneinheit, Wertmesser oder Preisvergleicher, – Wertaufbewahrungs- und Wertübertragungsmittel. Geht man von der Rechtslage bzw. der Dokumentations- seite aus, dann ist Geld – eine anonyme Bestätigung für eine eingebrachte Leis- tung, – ein weitergebbares Anspruchsdokument auf das Sozial- produkt, – das gesetzliche und unter Annahmepflicht stehende Zahlungsmittel. Legt man diese Definitionen zugrunde, dann ist die Frage »Was ist Geld?« nochmals beantwortet: nämlich jene Me-, dien, auf die alle vorgenannten Kriterien zutreffen! Das aber ist bislang nur bei den Geldscheinen und Münzen der Fall, also bei dem Bargeld, das von den Staaten als Zah- lungsmittel herausgegeben wird. Auf die in der Fachwelt ebenfalls als Geld bezeichneten Phänomene, wie Sichtguthaben, Schecks, Kreditkarten usw., treffen die angeführten Kennzeichnungen allenfalls in einzelnen Punkten zu. Man sollte sie darum konsequenter- weise auch nicht als Geld bezeichnen. Selbst bei den für Zahlungszwecke genutzten Sichtguthaben ist die heute übliche Bezeichnung ›Giralgeld‹ so lange fragwürdig, wie diese Guthabenbestände nicht dem Bargeld rechtlich und funktional gleichgestellt sind. Das aber wäre nur der Fall, wenn man – wie vor hundert Jahren bei den von den Ban- ken eingeführten Banknoten – das Giralgeld zum offiziel- len Geld erklären und seine Ausgabe von den Notenban- ken übernehmen würde.

Für welche Zwecke kann man Geld benutzen?

So wie man Geld im Allgemeinen als Gegenwert für Leis- tungen erhält, so gibt man es im Allgemeinen auch wieder für Leistungen aus. Erhaltenes Geld kann man aber nicht nur zur Leistungsnachfrage benutzen, sondern auch zum Verschenken oder zum Verleihen. Und schließlich kann man Geld auch einfach ungenutzt liegen lassen, also aus dem Verkehr ziehen. Benutzt man Geld zum Kaufen oder Verschenken, geht es für alle Zeit in andere Hände über. Verleiht man Geld, tritt man die Möglichkeiten seiner Nutzung nur vorüber- gehend ab. Hortet man dagegen Geld, fällt es für jegliche Nutzung in der Wirtschaft aus und es kommt zu einer Unterbrechung des Geldkreislaufs. Diese Unterbrechung, ist kein einmaliger Vorgang, sondern sie löst eine Kettenre- aktion von Nachfrageausfällen aus, mit der alle in der Zwi- schenzeit sonst möglichen Tauschvorgänge verhindert wer- den! Läuft das Geld z. B. zweimal im Monat um, dann löst z. B. ein stillgelegter 100-Dollar-Schein in einem Jahr Nachfra- geunterbrechungen in Höhe von 2 400 Dollar aus. Während also beim Kaufen, Verschenken und Verleihen der Nach- fragekreislauf geschlossen bleibt, führt das Liegenlassen von Geld zu Störungen, die sich mit der Zeit akkumulie- ren. In dieser möglichen Verzögerung zwischen Leistungsein- bringung und -nachfrage, also in der Wertaufbewahrungs- funktion des Geldes, liegt bereits einer der entscheidenden Konstruktionsfehler unseres Geldes. Denn der Tauschvor- gang Leistung gegen Leistung bzw. Ware gegen Ware, der ohne Geld in einem Schritt abgewickelt wird, teilt sich durch das Geld in zwei Vorgänge auf: Ware gegen Geld – Geld gegen Ware. Da der zweite Schritt aber nicht dem ers- ten folgen muss, sondern erst sehr viel später (oder auch gar nicht!) erfolgen kann, wird mit jeder zwischenzeitlichen Stilllegung des Geldes der Kreislauf unterbrochen. Geld ist also nicht nur ein Tauschvermittler bzw. Zwischentausch- mittel und damit ein Schlüssel zum Markt, sondern es kann auch ein Riegel sein, der den Fortgang der Marktprozesse verhindert. In einer Geldwirtschaft sind also Angebot und Nachfra- ge nur dann ausgeglichen und im Gleichgewicht, wenn alles eingenommene Geld regelmäßig wieder für Ausgaben genutzt wird. Da aber die Geldhaltung der Warenhaltung überlegen ist, ist im Grunde ein ständiges Ungleichgewicht in unseren Volkswirtschaften vorprogrammiert.,

Warum muss man zwischen Geld und anderen Forderungs-Ausgleichmitteln unterscheiden?

Nehmen wir an, ein Installateur hat bei einem Bäcker eine Reparatur durchgeführt, für die er 100 Dollar oder Euro berechnet. Diese Rechnung kann der Bäcker begleichen – mit einem Geldschein über diesen Betrag oder, wenn der Installateur dies akzeptiert, – mit einem Bar- oder Verrechnungsscheck oder – mit einer Gegenleistung in Brot. Im ersten Fall liegt ein Forderungsausgleich durch Bezah- lung vor, im zweiten durch eine Guthabenübertragung und im dritten Fall durch eine Sachleistung. Träfe die Auffas- sung zu, dass alles, womit man eine Forderung begleichen kann, auch ›Geld‹ ist, dann wäre nicht nur der Scheck Geld, sondern auch das zum Ausgleich gelieferte Brot. Solche Gleichsetzungen sind also nicht nur begrifflich sondern auch sachlich fragwürdig. So kann die Menge des Brotes nur durch Arbeitsleistungen der Bürger vermehrt werden und die Menge übertragbarer Guthaben nur durch Bargeldeinzahlungen bei der Bank. Die Menge des Bargel- des aber (und hier liegt der entscheidende Unterschied!) kann jedoch nur von den dazu befugten Notenbanken ver- mehrt werden. Geld ist also mehr als nur ein Zahlungsmit- tel, als das man auch den Scheck bezeichnen kann. Oder anders ausgedrückt: Geld ist zwar (auch) ein Zahlungsmit- tel, aber nicht alle Zahlungsmittel sind Geld, schon gar nicht das Brot, das man dem Installateur als Tauschware gegen die Reparatur gibt. Außerdem setzt ein Forderungsausgleich am Markt, gleichgültig ob durch Geldzahlung, Guthabenübertragun-, gen oder Sachleistungen vollzogen, immer eine Arbeits- oder Sparleistung des Zahlenden voraus und ist damit durch Güter am Markt gedeckt. Geld dagegen kann von den Notenbanken auch ohne Leistungsdeckung produziert und in Verkehr gebracht werden. Die Unterschiedlichkeit von Geld, Scheck und Sachleis- tung wird ebenfalls deutlich, wenn man sich vorstellt, der Installateur würde die empfangene Gegenleistung verlie- ren oder verlegen: Verliert er den Scheck, so bleibt seine Forderung offen und er kann vom Bäcker ggfs. eine erneute Scheckausstel- lung verlangen. Verliert er das Brot, ist sein Anspruch dagegen verwirkt und er muss den Schaden tragen. Verliert er den Geldschein, sind seine Ansprüche eben- falls erloschen. Darüber hinaus aber fügt er – wenn der Geldschein von keinem Dritten gefunden wird – durch die damit verbundene Kette ausfallender Nachfrage auch der Allgemeinheit einen Schaden zu. Weiter ist zu beachten, dass sowohl der Wert des Schecks als auch der des Brotes vom Wert des Bargelds abgeleitet wird. Dessen Wert aber, bzw. richtiger: dessen Kaufkraft, ist alleine abhängig von der Mengenrelation zwischen Geld und Wirtschaftsleistung.

Warum ist Geld der Arbeit und den Gütern

überlegen? Stellen wir uns einmal drei Wanderer vor, die abends müde und hungrig in ein Dorf kommen und sich auf ein gutes Essen freuen. Der erste der drei hat noch einen Geldschein in der Tasche, der zweite hat einen Korb frischer Pilze im Wert des Geldscheins gesammelt und der dritte rühmt sich, seiner Fähigkeit, in einer Stunde gleichwertige Arbeit leis- ten zu können. Derjenige mit dem Geldschein wird im nächsten Gast- haus seinen Hunger problemlos stillen können. Der Pilz- sammler wird dazu nur kommen, wenn er einen Abnehmer für seine Ware findet. Noch schwerer hat es der Dritte im Bunde, denn ob am Abend noch jemand eine Arbeitskraft für eine Stunde sucht, ist zweifelhaft. Noch deutlicher wird der Unterschied mit einem ande- ren Vergleich: Man stelle sich vor, dass die Türen eines Pan- zerschranks mit 10 000 Dollar für 14 Tage geschlossen wer- den, ferner die Türen einer Markthalle mit Waren im glei- chen Wert und schließlich noch die Türen eines Raumes, in dem sich fünf Menschen aufhalten, die in 14 Tagen norma- lerweise 10 000 Dollar verdienen. Öffnet man die Türen nach 14 Tagen, dann sind die fünf Eingeschlossenen wahrscheinlich verdurstet und die Waren in der Markthalle überwiegend verdorben. Die Geldschei- ne im Tresor aber sind so frisch wie vorher. Geld ist also – im Gegensatz zu der Auffassung vieler Ökonomen – keinesfalls ein ›Äquivalent‹ für Waren und Arbeit, sondern auf Grund seiner besonderen Eigenschaf- ten und seiner Universalität diesen weit überlegen. Der deutsche Verfassungsrechtler Dieter Suhr (1939–1990) hat Geld darum als »Joker« im Wirtschaftsgeschehen bezeich- net, als die überlegene Karte, die begehrter ist als alle ande- ren. Und weil man sich wegen dieses Vorzugs nur ungern vom Geld trennt, ist es normalerweise immer knapper als die sich ihm anbietenden Waren. Knappe Güter wiederum, ganz besonders, wenn man sie problemlos aufbewahren kann, werden jedoch immer wertvoller und begehrter, was sich in einem damit zu erzielenden Knappheitsgewinn oder -preis niederschlägt. Beim Geld ist das der Zins.,

Woher bekommt das Geld seinen Wert?

Als Geld noch aus Gold und Silber bestand, ging sein Wert von dem des verwendeten Metalls aus. Dieser Wert wieder- um wurde von der Begehrtheit, der Seltenheit und vor allem von dem Aufwand bestimmt, das Metall abzubauen und einzuschmelzen. Geld aus Gold und Silber war also letztlich selbst eine Ware, die man gegen eine andere tauschte. Heu- te haben allenfalls noch die kleinsten Münzen einen solchen deckenden Eigenwert. Der Nennwert der großen Münzen und vor allem der Scheine übersteigt dagegen die Material- und Herstellungskosten um ein Vielfaches. So wie das Gold- und Silbergeld seinen wirtschaftlichen Wert letztlich aus seiner Knappheit hergeleitet hat, so ist das auch heute noch bei unserem Papiergeld der Fall. Kon- kret: Unser Geld erhält seinen Wert alleine durch seine Mengenbegrenzung auf den Umfang der angebotenen Leistungen und Güter in der Wirtschaft. Das heißt, der Wert des Geldes (richtiger: die Kaufkraft, da das Geld ja praktisch keinen Wert mehr besitzt), hängt von der Relati- on zwischen der Menge des nachfragenden Geldes und der Menge der angebotenen Leistungen ab. Anders ausge- drückt: Die Menge der angebotenen volkswirtschaftlichen Leistungen dividiert durch die Menge des nachfragenden Geldes ergibt dessen Kaufkraft. Würde eine Notenbank, bei gleich bleibender Wirtschafts- leistung, ›morgen‹ die Geldmenge verdoppeln, dann wäre alsokeinGeldhalter reicher,weilauchdiePreiseaufdasDop- pelte ansteigen würden. Gewinner bei einer solchen Verdop- pelung wären allerdings die Schuldner, denn sie könnten ihre Schulden, aufgrund der halbierten Geld-Kaufkraft, mit hal- bierter Leistung tilgen. Umgekehrt würden die Gläubiger die halbe Kaufkraft ihrer Forderungen verlieren. Diese aus der Relation zur Leistung resultierende Kauf-, kraft des Geldes bestimmt auch die Kaufkraft der in Geldein- heiten ausgedrückten Verrechnungsvorgänge über Girokon- ten. Ohne den vom Staat ausgegebenen und mengenregulier- ten Bargeldbestand würde dieser Wert- und Preismaßstab fehlen und kaum auf andere Weise zu konstruieren sein.

Wie viel Bargeld gibt es eigentlich?

Wenn wir uns zur Beantwortung dieser Frage einmal die Entwicklung in Deutschland ansehen, dann lag die heraus- gegebene Bargeldmenge – ohne Kassenbestände der Kre- ditinstitute – Ende 1950 bei acht und im Jahr 2000 bei 250 Mrd. DM. Die Menge des herausgegebenen Geldes wurde also in den fünf Jahrzehnten auf das 31fache ausgeweitet. In der gleichen Zeit aber nahm das reale Bruttosozialprodukt ›nur‹ um das Achtfache zu. Die sich aus beiden Größen ergebende Differenz spiegelt weitgehend den zwischen- zeitlichen Kaufkraftverlust der DM wider, also deren infla- tionäre Entwertung. Schlüsselt man die Bargeldmenge von 250 Mrd. DM in Deutschland auf, dann entfielen knapp sechs Prozent auf das Münzgeld und 94 Prozent auf das Papiergeld. Den größten Wertanteil an diesem Papiergeld hatten mit 38 Pro- zent die 100-DM-Scheine, den zweitgrößten mit 33 Prozent überraschenderweise die 1 000-DM-Scheine, die im norma- len Nachfrageumlauf kaum benutzt werden. Legt man diesen Bargeldbestand in Deutschland von 250 Mrd. DM auf die Bevölkerung von 82 Millionen um, dann errechnete sich ein Pro-Kopf-Anteil von rund 3 000 DM und ein Anteil je Haushalt von rund 6 600 DM. Dieser Betrag setzt sich statistisch aus etwa zwei 1000-DM-Schei- nen, einem 500er und 25 Scheinen im Wert von 100 DM zusammen, der Rest durchweg aus kleineren Scheinen und, Münzgeld. Da aber in Wirklichkeit die durchschnittliche Bargeldhaltung je Haushalt eher unter 3 000 statt bei 6 600 DM liegen dürfte, wird wieder erkennbar, in welchem Umfang die Bargeldmenge über die von den Haushalten für die Endnachfrage benutzten Beständen hinausgeht. Natürlich halten nicht nur Privathaushalte Bargeldkas- sen, sondern auch alle Unternehmen und Behörden usw. Gemessen an deren Umsätzen sind diese Bargeldkassen jedoch relativ klein. Und im Einzelhandel, bei dem sich täg- lich große Geldbeträge sammeln, werden diese Kassenbe- stände überwiegend auch täglich wieder bei Banken einge- zahlt. Von dort kommen sie, durchweg innerhalb von zwei bei drei Tagen, durch Abhebungen der Endverbraucher wieder in den Kreislauf zurück. Der große Bargeldüberschuss in Deutschland erklärt sich vor allem daraus, dass – laut einer Untersuchung der Deut- schen Bundesbank aus den 90er Jahren – rund ein Drittel des gedruckten Bargelds ins Ausland verschwunden ist. Beim US-Dollar liegt dieser sich außerhalb der Landesgren- zen befindliche Geldanteil sogar bei rund 70 Prozent. Damit lässt sich das Inflationspotential erahnen, das in solchen Auslandsbeständen latent vorhanden ist. Aber auch die Schwierigkeit für die Zentralbanken, unter diesen Bedin- gungen die Geldmenge stabilitätsgerecht zu steuern. Übrigens läuft jeder Geldschein etwa dreimal jährlich durch die Kassen der Notenbank-Zweigstellen. Dabei wer- den alle unansehnlich gewordenen oder beschädigten Schei- neeingezogenunddurchneueersetzt. ImJahr 1999warendas z.B. imBereichderDeutschenBundesbankmit rund 795 Mil- lionen Stück im Wert von 43 Mrd. DM ein gutes Viertel der gesamten Geldscheinmenge. Dabei werden die besonders häufig benutzten kleineren Scheine etwa jedes Jahr erneuert, die großen etwa alle drei bis vier Jahre. Umgerechnet auf die 240 Banktage wurden also 1999 in Deutschland täglich mehr, als drei Millionen unansehnlich gewordene Geldscheine mit einem Nennwert von etwa 180 Mio. DM gegen neu gedruck- te ausgetauscht. Die eingezogenen Scheine werden im All- gemeinen zerkleinert, zu Briketts gepresst und verbrannt.

Wie sieht das mit der Bargeldmenge beim Euro aus?

Ab Beginn des Jahres 2002 wird in elf europäischen Län- dern (bzw. eventuell einschließlich Griechenland in zwölf) nur noch mit dem Euro gerechnet und gezahlt. Bei den Vor- bereitungen zur Euro-Einführung bzw. der Gründung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), hat man 1995 die Bargeldbestände in den einzelnen Ländern ermittelt. Diese Bestände gehen, in Euro umgerechnet, aus der ersten Spalte in Tabelle A hervor. Ebenso die Pro- Kopf-Bestände in der letzten Spalte, nach deren Größe die Tabelle geordnet ist. Tabelle A: Bargeldmengen in den Euroländern – Stand 1995 Land: Bestand Bargeld %-Anteil Euro Mrd. Euro in % BIP an M1 pro Kopf Deutschland 121,8 6,9 29,1 1 485 Österreich 10,5 6,1 34,9 1 295 Niederlande 18,6 6,0 22,1 1 184 Spanien 46,4 10,8 25,4 1 181 Luxemburg 0,4 3,2 15,5 1 020 Belgien 10,3 5,3 27,2 1 006 Italien 51,2 5,5 16,3 889 Frankreich 39,7 3,3 14,0 677 Irland 2,2 4,8 36,4 595 Portugal 4,2 5,5 19,8 417 Finnland 1,8 2,3 7,0 357, Dass in Deutschland die höchsten Pro-Kopf-Beträge aus- gewiesen werden, hängt vor allem mit den hohen Geldbe- ständen im Ausland zusammen, die hier den Bürgern in Deutschland zugerechnet sind. Ansonsten kann man – vor allem an der Relation zum BIP – in etwa den Grad der Bar- geldnutzung und der unbaren Zahlungen in den Ländern ablesen, ebenso an der Relation zu M1. Geht man vom Planungsstand Mitte 2000 aus, dann wer- den für die Euro-Einführung im Jahr 2002 (einschl. Grie- chenland) insgesamt 14 500 Millionen neue Euro-Geld- scheine gedruckt mit einem Wert von rund 616 Mrd. Euro. Dazu kommen dann noch 56 Milliarden Euro-Münzen mit einem Gesamtwert von etwa 50 Mrd. Euro. Von diesen neu gedruckten und geprägten Geldmengen werden für den Geldumtausch etwa 70 Prozent benötigt, der Rest geht in die Reserven. Stapelt man die 14,5 Milliarden neu gedruckten Scheine aufeinander, ergibt sich eine Säule von rund 1 700 Kilome- ter Höhe, fast 200-mal so hoch wie der höchste Berg der Welt. Aneinander gereiht würden die Scheine eine Kette von rund zwei Millionen Kilometer ergeben, die sich also etwa 50-mal um die Erde wickeln ließe bzw. dreimal zum Mond und zurück reichen würde. Welche logistischen Probleme mit der Währungsumstel- lung verbunden sind, machen auch die anfallenden Trans- portlasten deutlich. Alleine die 56 Milliarden Münzen schlagen mit einem Gewicht von 250 000 Tonnen zu Buche. Das entspricht der Ladung von rund 200 Güterzügen oder 100 Binnenschiffen bzw. 10 000 Lkws. Teilt man die bis 2002 gedruckten Scheine auf die Bevöl- kerung der zwölf Länder mit ihren rund 253 Millionen auf, dann entfallen im Durchschnitt auf jeden Bürger 10 Fün- fer-, 12 Zehner-, 14 Zwanziger-, 14 Fünfziger-, 5 Hunder- ter-, 1 Zweihunderter- und 1,5 Fünfhunderter-Euro-Noten., Einschließlich der Reserven käme man dann also auf rund 2 500 Euro pro Kopf. Was die Kosten dieses Geldumtauschs betrifft, so werden alleine für den Bereich der DM etwa einer Milliarde Euro genannt, weitere 3,5 Mrd. fallen für den Umtausch bei den Banken an und auf 15 Mrd. Euro werden die Kosten in den Unternehmen geschätzt, einschließlich Umstellung der Computer, Kassen, Automaten usw. Damit ergeben sich für Deutschland Umstellungs-Gesamtkosten von fast 20 Mrd. Euro. Rechnet man diese Größen auf den gesamten Euro- Raum um, dann dürften die Kosten für alle Länder bei 60 – 65 Mrd. Euro liegen, was 1 bis 1,5 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts dieser Länder ergibt. Und umge- rechnet auf alle Bürger ergäbe sich eine Belastung von etwa 250 Euro!

In welchen Größenordnungen rechnet man beim Geld?

Wenn man heute über Geld redet, geht das nicht mehr ohne Millionen- und Milliardenbeträge. Inzwischen haben viele Größen sogar schon die Billionengrenze überschritten. Unter ein-, zehn- oder hunderttausend Dollar, Euro oder Yen können wir uns im Allgemeinen noch etwas Kon- kretes vorstellen. Jedoch bei sechs, neun oder noch mehr Nullen hinter der Zahl verliert sich diese Fähigkeit. Ver- dient z. B. jemand, den wir kennen, 20 000 Dollar im Monat, dann regen wir uns in den meisten Fällen darüber auf, hal- ten das für ungerecht und unvertretbar. Lesen wir aber, dass irgendjemand monatlich 200 000, zwei Millionen oder sogar 20 Millionen Dollar aus seinem Vermögen kassiert, löst das eher ein fast ehrfürchtiges Erstaunen oder neider- füllte Anerkennung aus., Zwar werden bei den großen Beträgen die Zahlen jeweils nur um Nullen verlängert, aber diese Nullen haben es in sich: Wer z. B. eine Million Geldstücke (also eine 1 mit sechs Nullen) zählen will – acht Stunden täglich jede Sekunde eine Münze – braucht dazu fast 35 Tage. Bei drei Nullen mehr, also bei einer Milliarde, muss er dagegen rund 96 Jah- re jeden Tag acht Stunden ohne jede Unterbrechung zählen, und bei einer Billion (einer 1 mit 12 Nullen) 96 000 Jahre! Da inzwischen die geldbezogenen Milliardengrößen in unseren Volkswirtschaften durchweg vier- und sogar fünf- stellig sind (Geldvermögen und Schulden lagen beispiels- weise in Deutschland im Jahr 2000 bei rund 10 000 Mrd. DM!), müssten wir eigentlich auch die Billionen in unsere Rechenbeispiele einbeziehen. Doch um des einfacheren Vergleichens willen wollen wir in diesem Buch bei Milliar- dengrößen bleiben. Und was die Währungen anbelangt, so werden die jeweils geltenden herangezogen, für die heuti- gen und zukünftigen Gegebenheiten also vor allem Euro und Dollar. Dabei kann man – die täglichen Kursschwan- kungen außer Acht lassend – Euro und Dollar in etwa gleich ansetzen, beide jeweils auf zwei DM.

Wie kommt das Geld in Umlauf?

Bei der Neugründung eines Staates mit eigener Währung wäre die gerechteste und einfachste Lösung die Ausgabe eines gleichen Kopfgeld-Startbetrags an alle Bürger. Auch nach einem Staatsbankrott – meist beschönigend mit dem Begriff »Währungsreform« bezeichnet – wird das häufig so praktiziert. So wurde beispielsweise in Westdeutschland 1948 an jeden Bürger ein Erstgeld von 40 DM ausgegeben und die gleiche Summe noch mal an die Unternehmen für jeden Beschäftigten., Ab und zu wird darum der Vorschlag gemacht, die mit dem Wirtschaftswachstum notwendig werdenden Auswei- tungen der Geldmenge durch Zuteilungen an die Bürger in den Kreislauf zu schleusen. Führt man sich jedoch einmal die anstehenden Größenordnungen vor Augen, dann wird die Fragwürdigkeit solcher Geldeinschleusung deutlich. So wurde in Deutschland beispielsweise die Bargeldmenge in den letzten zehn Jahren von rund 150 auf 250 Mrd. DM aus- geweitet, pro Jahr also um acht Mrd. DM. Umgelegt auf die Bevölkerung waren das pro Kopf rund 100 DM im Jahr und acht DM im Monat! Man stelle sich angesichts dieser gerin- gen Beträge den Aufwand einer solchen Geldversorgung vor, von den Problemen eines Geldeinzugs, falls er notwen- dig werden sollte, nicht zu reden. Außerdem wäre bei einer solchen Geldverteilung gar nicht gesichert, dass das not- wendige Mehr an Geld von den Empfängern auch ausgege- ben wird! Eher vorstellbar wäre darum eine Geldausgabe an den Staat, der zu einer schnellen und vollständigen Ausgabe gezwungen werden könnte, ebenso zu einer Rückgabe, wenn die Geldmenge reduziert werden muss. Aber auch dieser Weg wäre nur dann möglich, wenn die Notenbanken wirklich nur noch mit der Steuerung der Geldmenge zu tun hätten, das heißt, wenn der Geldumlauf eine verstetigte Größe wäre. Solange jedoch der Umlauf des Geldes eine unbekannte und unberechenbare Größe ist, sind die Notenbanken zu ständigen Korrekturen und Feinsteuerun- gen der Geldmenge gezwungen. Solche Feinsteuerungen jedoch, die eine laufende Abtastung des Geldmarktes erforderlich machen, dürften heute nur über laufend korri- gierte Ausleihungen des Bargelds an die Banken möglich sein.,

Welche Vorteile hat die Geldmengensteuerung

über Kredite? Der Weg der Geldmengenregulierung durch Ausleihen des Geldes an die Banken ist nicht nur der sensibelste, er kommt auch dem Geldbedarf der Wirtschaft am nächsten. Denn die Banken fordern ihrerseits nur dann zusätzliches Geld an, wenn sie durch erhöhte Abhebungen bzw. Liquidi- tätsengpässe in den Kassen dazu gezwungen werden. Sam- melt sich umgekehrt in den Bankkassen zu viel Bargeld an, geben sie es schnellstmöglich an die Notenbanken zurück, um ihre zinsbelasteten Schulden dort abzubauen. Das von den Notenbanken herausgegebene Bargeld wird den Banken überwiegend nur für 14 Tage überlassen. Da sich diese Ausleihungen wöchentlich überlappen, fallen also jede Woche auch erhebliche Rückzahlungen an, die dann durch neue Kredite ausgeglichen werden. Bei jedem dieser Rückzahlungen und Neuausgaben, können die Notenbanken sowohl die Mengen als auch die Konditionen korrigieren. (Dieser Weg der Geldversorgung und Geld- mengensteuerung wird im 4. Kapitel noch näher beschrie- ben.) Über die Kreditvergabe an die Banken hinaus, haben die Notenbanken noch die Möglichkeit, die Geldmenge in der Wirtschaft durch den Kauf von Gold, Wertpapieren oder Devisen auszuweiten und ggfs. durch Verkauf dieser Werte auch wieder zu reduzieren. Diese auf dem Kaufweg erwor- benen Werte dienen auch als eine Art von Notreserve, mit der z. B. kurzfristig auf Ausschläge der Wechselkurse oder Banken-Kalamitäten reagiert werden kann. Zu einer Ausweitung der Geldmenge durch Ankauf von Devisen kommt es vor allem in Ländern mit Exportüber- schüssen, da die Exporteure ihre Einnahmen in ausländi- scher Währung bei den Banken gegen die eigene Währung, eintauschen. Diese tun dasselbe wieder bei der Notenbank. Wenn diese nun zu einem Ankauf dieser Devisen verpflich- tet ist, muss sie mehr Geld drucken als erforderlich, womit die Gefahr inflationärer Entwicklungen besteht, der so genannten importierten Inflation. Der gleiche Inflationseffekt tritt auf, wenn Notenbanken zur Stützung der Wechselkurse direkt andere Währungen aufkaufen. Es sei denn, sie gleichen die damit verbundene Ausweitung der Geldmenge durch Reduzierungen an anderer Stelle wieder aus. Das aber ist kaum ohne Zeitver- zögerung und zwischenzeitliche Mengenüberziehungen möglich. Eine inflationsfreie Ausweitung der Geldmenge ist also nur gegeben, wenn sie im Gleichschritt mit der Wirtschafts- leistung erfolgt. Das aber ist noch nicht einmal bei der Geldausgabe über die Geschäftsbanken garantiert, da der Mehrbedarf am Bankschalter sowohl aus veränderten Zah- lungsgewohnheiten als auch aus wirtschaftsbedingtem Mehrbedarf oder verstärkter Liquiditätsvorliebe resultie- ren kann.

Woher bekommen die Notenbanken das Geld?

Das Papiergeld lassen die Notenbanken im Allgemeinen in speziellen Druckereien herstellen. Das heißt, die Noten- banken ›schöpfen‹ Geld gewissermaßen aus dem Nichts. Da dazu nur Papier und Farbe benötigt wird, sind die Her- stellungskosten entsprechend gering. In Deutschland lie- gen die Kosten je Schein bei 14 Pfennig. Dabei ist der 1000- DM-Schein nicht viel teurer als der mit dem 10-DM-Auf- druck. In den USA liegen die Kosten einer Eindollarnote bei vier bis sechs Cent. Da sie aber nur rund anderthalb Jah- re hält, hat die Regierung Anfang 2000 die Ausgabe einer, neuen Eindollarmünze beschlossen. Sie kostet in der Her- stellung zwar doppelt so viel, soll aber mindestens 30 Jahre halten. Manchmal wird angenommen, die das Geld ausgeben- den Notenbanken könnten den Differenzbetrag zwischen Herstellungskosten und Nennwert einstecken und sich somit unbotmäßig bereichern. Das wäre sicherlich so, wenn sie das Geld durch Kauf irgendwelcher Güter oder Wertge- genstände für den Eigengebrauch in den Umlauf bringen würden. Die Ankäufe der Notenbanken betreffen jedoch nur Gold, Pfandbriefe oder Devisen, also Wertbestände, die gewissermaßen als ein Spartopf der Gesamtgesellschaft zu betrachten sind. Da diese angekauften Werte größten- teils zinsbringend eingesetzt werden, bzw. die Notenban- ken für das an die Geschäftsbanken ausgeliehene Geld Zin- sen verlangen, resultieren aus diesen Geschäften laufende Einnahmen. Mit diesen Zinseinnahmen finanzieren die Notenbanken zuerst einmal ihren recht aufwendigen Apparat. Darüber hinausgehende Einnahmen werden im Allgemeinen an die Staatshaushalte abgeführt. Das trifft weitgehend auch auf die wenigen privat organisierten Notenbanken zu, da sich deren Anteile überwiegend in den Händen staatlicher Stel- len befinden. Anders als beim Papiergeld, liegt die Produktion des Münzgeldes, als Überbleibsel früherer Rechte, in den meis- ten Ländern noch in den Händen der Regierungen. Diese verkaufen die Münzen zum Nennwert an die Notenbanken, die ihrerseits dafür neu gedruckte Geldscheine hergeben. Da die Prägekosten der Münzen im Allgemeinen weit unter dem Nennwert liegen (sieht man von den kleinsten Münzen ab), verbleibt für den jeweiligen Finanzminister ein hübscher Gewinn, der als ›Einnahmen aus dem Münz- regal‹ in Deutschland z. B. mit etlichen hundert Millionen, pro Jahr zu Buche schlägt. Allerdings dürfen auch die Regierungen nur in dem Umfang Münzen prägen, wie die Notenbanken – die ihrerseits wieder auf die Nachforderun- gen der Geschäftsbanken reagieren – sie nachfordern. Im Übrigen ist die jährliche Ausweitung der Bargeldmen- ge nicht allzu groß. In Deutschland lag sie – wie bereits ange- führt – im längerfristigen Durchschnitt bei etwa acht Milliar- den bzw. fünf Prozent p. a. In der Schweiz lag die Geldmen- genausweitung in den 70er Jahren ebenfalls bei dieser Höhe, ging aber seit den 80er Jahren tendenziell gegen zwei Pro- zent zurück, nicht zuletzt aufgrund einer Ausweitung der Giralgeldbestände. Mit den Ursachen und Folgen dieser Schwankungen der Bargeldnachfrage und -haltung werden wir uns später noch eingehender befassen.

Wem gehört das Geld?

Wer eine Sache herstellt, ist normalerweise ihr Eigentümer, auch wenn er sie – mit oder ohne Gebühren – anderen zur Nutzung überlässt. Werden z. B. den Reisenden auf den Bahnhöfen Koffer- kulis zur Verfügung gestellt, dann sind diese Eigentum der Bahngesellschaft und die Reisenden nur vorübergehende Nutzer. Man sollte meinen, dass dies beim Geld genauso ist. Hier aber gilt im Allgemeinen immer noch – obwohl das heutige Geld eine öffentliche Einrichtung ist –, dass jeder, der einen Geldschein in die Hand bekommt, daran ›Eigen- tum erwirbt‹. Diese Sicht mag zur Zeit des Gold- und Silbergeldes, als Geld noch ein echtes Tauschgut mit Eigenwert war, richtig gewesen sein. Welche Probleme mit dieser immer noch be- stehenden Eigentumsvorstellung in unseren Tagen verbun- den sind, werden wir noch klären. Tatsache ist jedenfalls,, dass heute jeder Geldscheinempfänger mit den Banknoten tun und lassen kann, was er will. Denn nicht allein der mit dem Geld dokumentierte Anspruch an die volkswirtschaft- liche Leistung ist nach heutiger juristischer Auffassung sein persönliches Eigentum, sondern auch die ihm vom Staat kostenlos zur Verfügung gestellte weiterreichbare Leis- tungsquittung, also der Geldschein selbst. Und da man mit Eigentum beliebig umgehen kann, hat in den meisten Län- dern sogar jeder das Recht, den erhaltenen Geldschein zu verbrennen oder anderweitig zu vernichten. Vor allem aber kann jeder, ohne Folgen befürchten zu müssen, den Geld- schein beliebig lange aus dem Verkehr ziehen, obwohl er damit andere an der Nutzung dieser öffentlichen Einrich- tung hindert. Übertragen wir das auf die Kofferkulis bei der Bahn, dann werden die Folgen eines solchen Rechtes nachvoll- ziehbar: Nicht nur für einen einzelnen Reisenden würde die Nutzung durch die Blockierung des Kofferkulis verhindert, sondern ganze Ketten von Transportvorgängen würden entfallen., 2. Kapitel

Geld und Guthaben

»Ich glaube, man muss sich über Definitionen irgendwann mal eini- gen. Man kann natürlich die Dinge dauernd durcheinander werfen, so dass der eine als Geld, was der andere als Vermögen und der Dritte als Kre- dit bezeichnet.« Werner Ehrlicher*

Was sind Guthaben und wie nehmen sie zu?

Wenn eine Hausfrau ihrer Nachbarin ein Pfund Salz leiht, dann hat sie es selbst nicht mehr. Wohl aber hat sie einen Anspruch auf Rückgabe: Sie hat ›ein Pfund Salz gut‹, oder anders ausgedrückt: Sie hat ein Salz-Guthaben. Gibt ihr die Nachbarin ein Pfund Salz zurück, erlischt das Guthaben und gleichzeitig die Schuld. An der Salzmenge hat sich nichts verändert. Beim Geldverleihen ist der Ablauf nicht anders. Leiht jemand einem anderen 1 000 Dollar, so hat er dieses Geld nicht mehr. Stattdessen hat er einen Anspruch auf Rücker- halt des Geldes, also ein Geld-Guthaben, und der Geldlei- her hat in gleicher Höhe eine Schuld. Will dieser seine Schuld tilgen, muss er den entsprechenden Betrag aus sei- nem Einkommen erübrigen, also den aus der Ersparnis des * Geldtheoretiker an der Universität Freiburg, Podiumsdiskussion »Was ist Geld?«, Wangen/Allgäu 1991, Verleihers stammenden Betrag durch einen Nachsparvor- gang ausgleichen. Durch Verleihvorgänge verändert sich also weder etwas an der Geldmenge noch an den Nachfragemöglichkeiten in der Wirtschaft. Es kommt lediglich zu einer zeitlich be- grenzten Überlassung von Einkommensüberschüssen an einen anderen Wirtschaftsteilnehmer. Dabei schließt dieser mit seiner Nachfrage die Lücke, die sonst im Geld- und Wirtschaftskreislauf entstehen würde. Auch durch wiederholte Verleihvorgänge ändert sich nichts an der Geldmenge. Dafür ein Beispiel: Zwei Nachbarn haben ein Monatseinkommen von je 3 000 Dollar und der eine leiht dem anderen davon regel- mäßig 1 000 Dollar. Nach einem Jahr beträgt dann das Geldguthaben des Verleihers 12 000 und nach zehn Jahren 120 000 Dollar. Entsprechend sind auch die Rückgabever- pflichtungen des Nachbarn, also dessen Schulden, auf 120 000 Dollar angestiegen. An den Leistungen und den Einkommen der beiden Beteiligten hat sich dabei nichts verändert, ebenso wenig wie an ihren Ausgaben und an der von beiden benutzten Geldmenge: Trotz der ständig wach- senden Guthaben und Schulden verdienen sie zusammen nach wie vor jeden Monat 6 000 Dollar und geben zusam- men auch 6 000 Dollar aus. Das alles gilt genauso in einer Volkswirtschaft. Auch hier können, bei gleich bleibender Wirtschaftsleistung und Nach- frage, die gesamten Guthaben und Schulden ständig zuneh- men, ohne dass dies Einfluss auf die Geldmenge und die Kaufkraft in der Wirtschaft hat. Guthaben und Schulden spiegeln vielmehr immer nur den Grad der Kaufkraftüber- lassungen wider. Kurz: Die Vermehrung der Geldguthaben (und damit der Schulden) hängt alleine von der Spar-, Ver- leih- und Leihbereitschaft der Wirtschaftsteilnehmer ab, die Vermehrung der Geldmenge (und damit die Beeinflus-, sung der Kaufkraft) dagegen alleine von den Notenban- ken. Auch alle Bankguthaben resultieren aus leihweisen Geldüberlassungen bzw. Kreditgewährungen, nämlich an eine Bank, die ihrerseits wiederum Kredite an Dritte weiter vergibt. In seinem Jahresbericht von 1997 hat das Europäi- sche Währungsinstitut (Vorläufer der Europäischen Zen- tralbank EZB) noch einmal bestätigt, »dass die Tätigkeit von Kreditinstituten .darin besteht, Einlagen oder ande- re rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren«.

Warum kann man Geld und Guthaben nicht als Geld zusammenzählen?

Dass man Äpfel und Birnen nicht zusammenzählen kann, sagt schon das Sprichwort. Noch weniger als Äpfel und Bir- nen unter dem Begriff ›Äpfel‹, kann man Geld und Gut- haben unter dem Begriff ›Geld‹ zusammenzählen. Denn während es sich bei Äpfeln und Birnen immerhin noch um vergleichbare konkrete Produkte handelt, haben wir es bei Geld und Guthaben mit einem konkreten und einem abstrakten Phänomen zu tun: Geld ist als Zahlungsmittel nicht nur ein konkreter Anspruch an die Wirtschaft, son- dern auch ein konkretes Gut in Form von Papier oder Metall. Ein Guthaben dagegen ist nur die Bestätigung für die Überlassung von Geld an einen anderen und ein Anspruch auf dessen Rückgabe. Bei den Guthaben handelt es sich also gewissermaßen um die Abbildungen von Äpfeln, die man anderen überlas- sen hat. Diese Abbildungen haben zwar mit Äpfeln zu tun, sind aber selbst keine, auch wenn man sie – analog zum ›Buchgeld‹ – als ›Buchäpfel‹ bezeichnen würde. Die An-, nahme, dass sich mit dem ›Buchgeld‹ die ›Geldmenge‹ ver- mehrt, ist also ebenso fragwürdig wie die entsprechende Annahme bei den Äpfeln. Dasselbe gilt auch für ein Zusammenzählen des Geldes mit dem ›Buchgeld‹, bzw. der Äpfel mit den ›Buchäpfeln‹, zu einer neuen größeren Geld- oder Apfelmenge. Aus diesem Grund sind solche Zusammenfassungen von Geld und Guthaben für die Steuerung der tatsächlichen Geldmenge, bzw. als Hilfsmittel und Anhaltspunkt für die Stabilerhaltung der Geldkaufkraft kaum geeignet und tra- gen eher zur Verwirrung bei.

Kann man Geld und Guthaben dennoch zusam-

menfassen? Unterschiedliche Dinge mit unterschiedlichen Benennun- gen lassen sich selbstverständlich unter einer gemeinsamen neuen Bezeichnung zusammenfassen. So kann man z. B. Äpfel und Birnen gemeinsam als ›Obst‹ bezeichnen, Obst und Gemüse als ›Gartenprodukte‹ usw. Entsprechend lassen sich auch Geld und Guthaben zusammenfassen, nämlich unter der Bezeichnung ›Geld- vermögen‹: Wer 1 000 Dollar in der Tasche hat und 8 000 ›auf der Bank‹, der hat ein Geldvermögen von 9 000 Dollar. Hier von 9 000 Dollar ›Geld‹ zu reden wäre sachlich falsch. Vielmehr führen solche Begriffsschludereien gerade im Bereich von Geld und Währung zu Konfusionen, deren Fol- gen immer unabsehbarer werden. Der Vergleich mit Sprache und Schrift – wie in der nach- folgenden Tabelle wiedergegeben – macht die Notwendig- keit der Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundär- phänomenen deutlich.,

Tabelle B:

1. Begriffsgliederung bei Sprache und Schrift Unterbegriffe: Hauptbegriff: Oberbegriff: Primär- Laute Sprache phänomen Worte Doppel- Gesten Zeichensprache Verständigungs- phänomen mittel Sekundär- Buchstaben Schrift phänomen Zeichen 2. Begriffsgliederung bei Geld und Guthaben Unterbegriffe: Hauptbegriff: Oberbegriff: Primär- Münzen Geld phänomen Banknoten Doppel- Sichtguthaben Giralgeld Geldvermögen phänomen Sekundär- Bankeinlagen Geldguthaben phänomen dir. Ausleihe Man kann solche Vergleiche natürlich noch beliebig erwei- tern, zum Beispiel um die jeweiligen technischen Übertra- gungsmittel. Bei den Verständigungsmitteln würden dann noch Briefe, Zeitungen und Bücher dazugehören, bei den Geldvermögen Schecks, Kreditkarten oder Überweisungs- formulare. Etwas aus dem Rahmen fallen bei beiden Vergleichen jeweils die als Doppelphänomen bezeichneten Mittel, beim Geldvermögen also das Giralgeld, das offiziell als Sichtgut- haben bezeichnet wird.,

Was sind Sichtguthaben und wie entstehen sie?

Bankguthaben werden im Allgemeinen nach Laufzeiten und Zinskonditionen unterschieden. Dabei ist der Gutha- benzins normalerweise umso niedriger, je geringer die Laufzeiten und die Einlagen sind. Weiter unterscheiden sich die Bankguthaben durch ihre Kündigungsmodalitäten. Es gibt solche, bei denen der Rückzahlungstermin bereits bei der Einzahlung festgelegt ist, z. B. bei Fest- oder Terminguthaben. Bei anderen ist die Rückzahlung offen und eine Kündigung erforderlich. Bei Sichtguthaben dagegen ist eine tägliche Kündigung und Abhebung in voller Höhe möglich – soweit die Banken die Summe in der Kasse haben. Bei Millionenbeträgen ist also eine Vorankündigung empfehlenswert. Die Bildung und Erhöhung der Sichtguthaben läuft also genauso ab wie bei allen anderen Bankguthaben, nämlich durch Einzahlungen von Bargeld durch die Marktteilneh- mer. Sie unterscheiden sich jedoch von den übrigen Bank- guthaben dadurch, dass man mit ihrer Hilfe Teile der Gut- haben von einem Konto auf ein anderes übertragen lassen kann. Konkret: Man braucht zur Zahlung einer Verbind- lichkeit nicht mehr zur Bank zu gehen, Geld abzuheben, es zum Empfänger hinzutragen, der es dann seinerseits meist wieder zu seiner eigenen Bank bringen müsste. Diese Gut- habenübertragungen kann man sogar als regelmäßigen Vorgang (Dauerauftrag) oder durch Einzugsermächtigung oder Scheckaushändigung vornehmen lassen. Dass dieses bargeldlose Zahlungsverfahren für die Beteiligten eine enorme Entlastung bedeutet, vor allem bei größeren Beträ- gen und Entfernungen, bedarf keiner Erklärung. Inzwi- schen ist damit auch eine erhebliche Zeitersparnis verbun- den, weil die Übertragungen durchweg tagesgleich abgewi- ckelt werden.,

Wie laufen die Übertragungen von Konto zu Konto ab?

Wie die Vorgänge bei Barzahlungen ablaufen, ist jedem bekannt. Zahlungsabwicklungen über Konten kommen aber ebenfalls – entgegen weit verbreiteter Auffassungen – nicht ohne Bargeld aus. Und das gilt nicht nur für die Auf- füllung eines Kontos als Voraussetzung einer Guthaben- übertragung. Das gilt auch für die Übertragung selbst. Denn diese Übertragung wird von der empfangenden Bank nur akzeptiert und dem Empfänger gutgeschrieben, wenn sie von der überweisenden Bank in gleicher Höhe Zentral- bzw. Notenbankgeld erhält. Darunter wird entweder Bar- geld verstanden oder Zentralbankgeld-Guthaben, das jederzeit in Bargeld umzuwandeln ist. Das heißt, bei jeder Überweisung von einem Kunden-Girokonto einer Bank zu einer anderen, fließt – gewissermaßen hinter den Kulissen der Banken und in anderer Form – Bargeld an den Empfän- ger der Zahlung weiter. Wie die von uns getätigten Bar- zahlungen, sind also auch die statt Barzahlung getätigten Überweisungen von Konto zu Konto auf Zentralbankgeld angewiesen. Wir brauchen es nur nicht mehr selbst zum Empfänger hinzutragen. Dass diese Überweisungen von einem Konto auf das andere den Umfang der gesamten Sichtguthaben nicht beeinflussen, sondern nur zu Verlagerungen innerhalb des gegebenen Gesamtbestandes führen, dürfte klar sein. Der Umfang der Sichtguthabenbestände verändert sich also durch die täglichen Überweisungen genauso wenig wie die Bargeldmenge im täglichen Hin und Her der Zahlungsvor- gänge.,

Kann man mit Sichtguthaben seine Nachfrage

steigern? Jeder kann sein Einkommen nur einmal ausgeben. Diese Regel hat bislang noch niemand durchbrechen können, es sei denn, er hat eine Fälscherwerkstatt im Keller. Ganz gleich, ob man sein Einkommen in bar erhält oder als Gutschrift auf seinem Konto, ob man alle Ausgaben mit Bargeldzahlungen begleicht oder durch Schecks und Über- weisungen: Wie immer man auch diese Möglichkeiten mischen oder verändern mag, eine Mehrnachfrage über das Einkommen hinaus ist niemandem auf reelle Weise mög- lich. Durch Veränderungen der Zahlungsgewohnheiten von bar auf unbar oder umgekehrt, kommt es jeweils nur zu Verschiebungen zwischen den beiden Nachfrage- oder Zahlungsmittelbeständen. Das bestätigt auch der Chef- volkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, in dem von ihm herausgebrachten Lehrbuch Einfüh- rung in die Geldtheorie (München 1995). Bezogen auf den Austausch zwischen den beiden Zahlungsmitteln schreibt er: »An der gesamten Geldmenge (Bargeld und Geschäfts- bankengeld), über die der Nichtbankensektor verfügen kann, hat sich durch diesen Vorgang .nichts verändert .da hier lediglich eine Umwandlung von einer Geldart in eine andere vorgenommen wird.« Machen wir uns das noch einmal an einem Beispiel klar: Hat jemand bisher sein Einkommen in bar erhalten und will es nun zukünftig zur Hälfte bargeldlos ausgeben, muss er sich ein Girokonto einrichten und sein halbes Gehalt dort einzahlen bzw. gleich dorthin überweisen lassen. Hat er sein Einkommen als Gutschrift auf seinem Girokonto erhalten und bisher ganz abgehoben, dann lässt er jetzt die Hälfte stehen. In beiden Fällen verringert sich sein Bar-, geldbedarf im gleichen Umfang, wie sein Bedarf an Giral- geld für Übertragungszwecke zunimmt. Und wenn alle Marktteilnehmer in einer Volkswirtschaft ihre bisherigen Bargeldzahlungen um die Hälfte reduzie- ren und stattdessen per Überweisung zahlen würden, dann ginge auch die gesamte erforderliche Bargeldmenge in die- ser Volkswirtschaft auf die Hälfte zurück. Und wenn alle Bürger sämtliche Ausgaben bargeldlos erledigen wollten, dann würde praktisch das gesamte Bargeld bei den Banken eingezahlt, die Sichtguthaben ausgeweitet und damit das Bargeld völlig aus dem Kreislauf verschwinden. Mit den heute üblichen Guthabenübertragungen von Konto zu Konto ergibt sich also lediglich ein zweiter Zah- lungsweg, der wahlweise an die Stelle der Bargeldzahlung tritt. Die Zusammenfassung der Bargeld- und Sichtgutha- benbestände unter dem Begriff ›Zahlungsmittel‹ hätte also eine sachliche Berechtigung, auch wenn sich der Begriff ›Giralgeld‹ sicher nicht mehr aus der Welt schaffen lässt.

Welche Folgen hat die Zunahme der Guthaben-

übertragungen für die Banken? Für die Banken ergeben sich bei einer Ausweitung der Gut- habenübertragungen und dem damit einhergehenden Rückgang des Bargeldbedarfs gleich mehrere Vorteile. Einmal können sie mit dem überflüssig werdenden Bargeld ihre zinspflichtigen Schulden bei der Notenbank und damit ihre Kosten reduzieren. Zum Zweiten verringert sich der mit den Bargeldaus- und -einzahlungsvorgängen verbunde- ne Kostenaufwand, den sie heute – mangels anderer Mög- lichkeiten – letztlich auf die Kreditnehmer umlegen müs- sen, die meist gar kein Bargeld benötigen. Zum Dritten können die Banken die Kosten des Giralgeldverkehrs – im, Gegensatz zu jenen des Bargeldverkehrs – den Kunden über Gebühren (bzw. erwirtschaftete positive Zinsdifferen- zen) in Rechnung stellen. Und zum Vierten erhöhen sich mit den vergrößerten Sichtguthabenbeständen die Kredit- gewährungsmöglichkeiten der Banken und damit ihre Ein- nahmen aus dem Zinsgeschäft. Obwohl sich also durch die Benutzung von Sichtgutha- ben für die Besitzer dieser Konten keine Kaufkraftverän- derungen ergeben, ergibt sich über die Nutzung dieser Gut- haben als Kreditpotential in der Gesamtwirtschaft eine zusätzliche Einsatzmöglichkeit. Denn während die gehalte- nen Geldscheine zwischen Erhalt und Weitergabe von kei- nem anderen genutzt werden können, haben die Banken die Möglichkeit, die gehaltenen Sichtguthabenbestände zwischenzeitlich auszuleihen. Das heißt, Sichtguthabenbes- tände werden effektiver eingesetzt als die Bargeldbestän- de. Eine vergleichbare Nutzung beim Bargeld ergäbe sich, wenn jeder Halter eines Geldscheines diesen zwischen Einnahme und Ausgabe – also solange er ihn nicht selbst braucht – verleihen würde. Aufgrund dieser bei den Sichtguthaben möglichen Zwi- schennutzungsmöglichkeiten ergeben sich bei Veränderun- gen der Zahlungsgewohnheiten also auch Veränderungen der Kreditgewährungs-Möglichkeiten. Da die Zahlungsge- wohnheiten jedoch relativ stabil sind bzw. sich nur langsam verändern, sind auch diese Effektivitätssteigerungen im Bereich der Geldnutzung relativ gering und durch die Zen- tralbanken beherrschbar. Probleme können jedoch entste- hen, wenn es kurzfristig zu größeren spekulativen Be- standsumschichtungen zwischen Bar- und Giralgeld bzw. zwischen den übrigen Guthaben bzw. Geldvermögen und den Giralgeldbeständen kommt.,

Was war zuerst da – Guthaben oder Schulden, Geld oder Kredit?

Im Gegensatz zur Frage der Erstexistenz von Henne oder Ei lässt sich eine solche bei den Guthaben und Schulden leicht beantworten: Beide entstehen immer gleichzeitig mit jedem Verleihvorgang, wie sie auch immer gleichzeitig, mit der Rückzahlung des Geliehenen, wieder aus der Welt ver- schwinden. Wohl aber geht dem Entstehen beider Phäno- mene jeweils etwas anderes voraus, nämlich eine Ersparnis- bildung des Geldverleihers und seine Bereitschaft, das von ihm erübrigte und nicht benötigte Geld einem anderen leihweise zu überlassen. Und umgekehrt geht auch der Auf- lösung der Guthaben-Schulden-Beziehung etwas voraus, nämlich eine Nachsparleistung des Kreditnehmers und damit die Bereitschaft und Fähigkeit, aus seinem laufenden Einkommen den notwendigen Tilgungsbetrag, zusätzlich zu den laufenden Zinszahlungen, abzuzweigen. Bei der Frage nach der Beziehung zwischen Geld und Kredit, ergibt sich jedoch eine andere Antwort: Verleihen kann man immer nur etwas, das bereits da ist. Das gilt für das Verleihen eines Fahrrades oder eines Paketes Salz genauso wie für das Verleihen von Geld. Das heißt: Geld entsteht nicht mit dem Kredit, wie viele immer noch vermu- ten, sondern es muss vorher bereits da sein, gleichgültig ob die Bank es von einem Kunden oder der Notenbank erhal- ten hat! Dass der größte Teil des umlaufenden Bargeldes von den Zentralbanken über Kredite an die Geschäftsbanken in Umlauf gesetzt wird, ändert nichts an diesem Tatbestand. Denn diese Kredite der Notenbanken dienen nur der Geld- versorgung der Wirtschaft. Die Kredite dagegen, die die Banken ihren Kunden gewähren, dienen der Kreditversor- gung der Wirtschaft. Für diese Kreditversorgung sind vor, allem Rücklagenbildungen der Sparerkunden erforderlich. Und diese können – wie bereits in dem Beispiel mit den bei- den Nachbarn dargelegt – auch ohne Ausweitungen der Geldmenge durch die Notenbank ständig zunehmen. Weil das so ist, sind auch die Kredite der Banken an die Nicht- banken um ein Vielfaches größer als die Kreditaufnahmen der Banken bei den Notenbanken. Und diese Differenz wird mit den ständigen Ersparnissen immer größer.

Wie groß sind die Unterschiede zwischen Bar-

geldversorgung und Bankkrediten? Die Unterschiedlichkeit der Größen von Bargeld und Bankguthaben bzw. -krediten, geht aus der Darstellung 2 hervor. In ihr sind die Entwicklungen beider Bereiche, bezogen auf die Verhältnisse in Deutschland, in Prozenten des Sozialprodukts wiedergegeben. Wie daraus ersichtlich, sind in Deutschland die Einlagen bei den Banken von 1950 bis 1998 von 38 auf 140 Prozent des Sozialprodukts angestiegen. Da trotz der großzügigen Umtauschquote für die Ersparnisse der vormaligen DDR- Bewohner der Geldvermögenszuwachs relativ geringer war als jener durch die hinzugekommene Wirtschaftsleis- tung, stagnierte dieser Zuwachs der Bankeinlagen im Jahr der Wiedervereinigung. Danach ging es aber mit noch grö- ßerer Beschleunigung weiter, bis 1998 auf 190 Prozent des gesamtdeutschen BSP. Das heißt, von 1950 bis 1998 sind in Deutschland die Bankguthaben wie auch die daraus gewährten Kredite rund sechs Mal schneller angestiegen als die Wirtschaftsleistung! Betrachtet man jetzt die im gleichen Maßstab zwischen- geschobene Entwicklung der Bargeldmenge und der Sicht- guthaben sowie die aus ihrer Addition hervorgehende, Darstellung 2:, so genannte Geldmenge M1, dann ergibt sich ein völlig anderes Bild. Im Gegensatz zu den hochschießenden Gut- haben und Krediten hat sich diese Menge der Zahlungsmit- tel in den ersten vier Nachkriegsjahrzehnten weitgehend im Gleichschritt mit der Wirtschaftsleistung entwickelt, schwankend zwischen 16 und 18 Prozent des BSP. Erst ab 1985 kam es zu einem etwas deutlicheren Anstieg, der sich nach der Wiedervereinigung verstärkt fortsetzte. Bei den Sichtguthaben dürfte dieser Trend weitgehend mit der enormen Zunahme der Börsengeschäfte zusammenhän- gen, die zwangsläufig größere Spekulationskassen erfor- derlich machten. Der ebenfalls ab 1985 sichtbare und für viele überraschende Anstieg der DM-Bargeldmenge wird dagegen in erster Linie auf die zugenommenen DM-Hal- tungen und -Nutzungen im Ausland zurückzuführen sein. Das gilt besonders für die osteuropäischen Staaten, in denen die Bürger durch Umtausch in stabilere Währungen zunehmend den Inflationsverlusten ihrer Ersparnisse zu entgehen versuchten. In Jugoslawien war die DM sogar bereits Ende der 80er Jahre zu einer Art Zweitwährung geworden und in einigen Teilrepubliken dieses zerfallen- den Landes wurde sie inzwischen bekanntlich sogar als offi- zielles Zahlungsmittel übernommen. Dass die Bargeld- menge über die deutsche Vereinigung hinweg sogar relativ zurückging, dürfte mit dem geringen Bargeldbedarf in den neu hinzugekommenen Ländern zusammenhängen, und das wiederum mit der Aktivierung von DM-Beständen, die dort schon vor der Vereinigung vorhanden waren. Der Unterschied zwischen den Entwicklungen von Geld und Kredit wird auch deutlich, wenn man die acht Jahre von 1991 bis 1999 unter die Lupe nimmt: Während die Kredite der Banken in dieser Zeit im Jahresdurchschnitt um 336 Mrd. DM zunahmen (von 3 438 auf 6 129 Mrd. DM), wurde die Bargeldmenge durch die Deutsche Bundesbank im Jah-, resdurchschnitt nur um zehn Mrd. DM ausgeweitet (von 175 auf 255 Mrd. DM). Das heißt, die Kredite nahmen p.a. rund 34-mal mehr zu als die Bargeldmenge. Von Ende 1996 bis 1999 ging die Bargeldmenge sogar leicht zurück, wäh- rend die Kreditvergaben unverändert anstiegen. Gerade diese Tatbestände zeigen, dass man zwischen der Kreditver- gabe der Notenbanken und derjenigen der Banken strikt unterscheiden muss. An all diesen Tatbeständen ändern auch die Auffassun- gen einiger Wissenschaftler nichts, die den Ursprung des Geldes nicht in der Tauschmittel-, sondern in einer Schuld- scheinfunktion sehen, entstanden im Bereich der Kultstät- ten und Tempel, oder die seine Entstehung an das Privatei- gentum knüpfen. Diese Erklärungen der Geldentstehung mögen soziologisch und historisch hochinteressant sein. Für die Zahlungsmittel- und Kreditfunktion des heutigen Geldes, vor allem für die mit unserem Geld verbundenen heutigen Probleme, sind sie jedoch kaum von Belang.

Was heißt Sparen, was Bezahlen?

Sparen heißt: weniger verbrauchen, benutzen, einsetzen, als man hat. Gespartes Geld kann man im Sparschwein sammeln oder in einem Safe. Man kann es aber auch zur Bank bringen, die häufig sogar Sparkasse heißt. Viele glau- ben darum, dass ihr Geld dort genauso gesammelt wird wie zu Hause, nur sicherer, in einem großen Tresor, aus dem das Gesparte beim Abheben wieder herausgeholt wird. Die Fachsprache verstärkt diesen Eindruck noch, weil sie bei Banken und Versicherungen oft von »Geldsammelstel- len« spricht. In Wirklichkeit wird dort jedoch nichts gesam- melt, sondern etwas weitervermittelt, nämlich der Kredit, den der Sparer der Bank gewährt, an einen Dritten., Im Prinzip geschieht also bei den Banken nichts anderes, als wenn ein Sparer sein nicht benötigtes Geld einem Nach- barn direkt überlässt. Da man diesen Vorgang nicht ›Spa- ren‹ nennt, sollte man auch nicht vom ›Sparer‹ reden, wenn jemand sein übriges Geld zur Bank bringt. Sparen, nämlich Eingenommenes nicht ausgeben, ist vielmehr immer nur die Voraussetzung dafür, dass man Geld der Bank bzw. einem anderen leihweise überlassen oder auch zu Hause ansammeln (=horten) kann. Geht man von den konkreten Vorgängen aus, dann sollte eigentlich auch der Begriff ›Bezahlen‹ (zahlen, hinzählen) allein beim Geld Verwendung finden. Denn bei den bar- geldlos abgewickelten Vorgängen liegen genau genommen keine Zahlungen sondern ›Übertragungen‹ vor, nämlich Umbuchungen von einem Guthaben auf ein anderes. Diese Übertragungen, die die Deutsche Bundesbank als ›girale Verfügungen‹ bezeichnet, führen auch heute oft noch – im Gegensatz zu Bargeldzahlungen – erst mit Verzögerung zum Ausgleich einer Forderung, was jeder auf seinem Kon- toauszug feststellen kann. Außerdem sind sie – im Gegen- satz zu dem anonym weitergebbaren Bargeld – auf die Hilfe der verrechnenden Banken angewiesen und jederzeit nach- weisbar. Wie aber der Geldbegriff zunehmend auf die Sichtgutha- benbestände übertragen wird, wird sich auch der Zahlungs- begriff bei der Verwendung dieser Guthaben immer mehr durchsetzen. Genau genommen würden diese Gleichstel- lungen aber voraussetzen, dass die Bestände auf den Giro- konten – ähnlich wie vor hundert Jahren die Banknoten – zum offiziellen Geld erklärt und von den Notenbanken herausgegeben werden. Denn solange das nicht der Fall ist, wird man die Annahme des (privaten) Giralgeldes nur akzeptieren, wie man sicher ist, es jederzeit in (staatliches) Bargeld umtauschen zu können. Das heißt, Bargeld und, Sichtguthabengeld sind immer noch nicht gleichzusetzen, wie auch die Tabelle C zeigt.

Tabelle C: Unterschiede zwischen Geld und Guthaben

Geld Sichtguthaben Funktionen: Zahlungsmittel Übertragungsmittel Hilfsmittel: Münzen, Banknoten Schecks, Überweisung Entstehung: staatl. Emission private Einzahlungen Spezifische sofortige Begleichung z. T. verzögerte Beglei- Unterschiede: von Hand zu Hand chung von Konto zu Konto Hilfe Dritter nicht erfor- Hilfe Dritter und der derlich Technik erforderlich Vorgang wird nicht Vorgang wird doku- dokumentiert mentiert nur durch Staat ver- durch jedermann ver- mehrbar mehrbar Übervermehrung führt Übervermehrung führt zur Inflation zum Bargeldrückgang, 3. Kapitel

Geldumlauf – Geldkreislauf

»Das Geld spielt im Wirtschafts- körper dieselbe Rolle wie das Blut im Körper des Menschen. Soll der Körper seine verschiedenen Lebens- funktionen erfüllen, muss der Kreis- lauf des Blutes ungehemmt vor sich gehen. So ist es auch notwendig, dass das Geld umläuft, damit die allge- meine Beschäftigung zur Wirklichkeit werde.« Eduard Daladier*

Das rätselhafte 5-Mark-Stück

Folgende Geschichte entdeckte ich auf der Unterhaltungs- seite einer Zeitschrift: Ein Clown fand in der Manege ein blankes 5-Mark- Stück. Er ging damit zum Pferdeknecht und sagte: »Ich bin dir ja noch zehn Mark schuldig; hier gebe ich dir einstweilen fünf Mark zurück, dann schulde ich dir nur noch fünf.« Der Pferdeknecht bedankte sich, ging zum Stallmeister, von dem er ebenfalls zehn Mark geliehen hatte, und sagte ihm dasselbe. Der Stallmeister dankte, ging zum Schulreiter und zahlte auch bei diesem die Hälfte einer Schuld von zehn Mark zurück. * ehemaliger französischer Ministerpräsident, auf der Londoner Konfe- renz 1934, Ebenso handelte der Schulreiter beim Direktor des Zir- kus und der Direktor, der sich mal vom Clown zehn Mark geliehen hatte, tat dasselbe bei diesem: »Da August, hier hast du schon einmal fünf Mark, die anderen fünf bekommst du später.« Mit den erhaltenen fünf Mark beglich der Clown nun sei- ne Restschuld beim Pferdeknecht, dieser seine beim Stall- meister, der beim Schulreiter und dieser wiederum beim Direktor, der dann erneut den Clown beiseite nahm, um bei ihm die restlichen Schulden von fünf Mark zu tilgen. So bekam der Clown das gefundene 5-Mark-Stück zurück und alle waren ihre Schulden los! Auch wenn die Geschichte auf den ersten Blick verwir- rend erscheint, wird in ihr nichts anderes beschrieben als eine Reihe von Tilgungsvorgängen mit Hilfe eines umlau- fenden 5-Mark-Stücks. Dass die Geschichte mit einem gefundenen Geldstück beginnt, ist für den Ablauf bedeu- tungslos und soll lediglich die Irritationen vergrößern. Genauso gut hätte der Clown die fünf Mark verdient, als Geschenk erhalten oder gestohlen haben können. Selbst bei einem falschen 5-Mark-Stück wären nach dem zweiten Umlauf die gesamten Schulden verschwunden, wenn nie- mand die Fälschung bemerkt hätte. Verschwunden sind jedoch in der Geschichte nicht nur die Schulden der fünf Beteiligten in einer Höhe von insge- samt 50 Mark, sondern in gleicher Höhe auch Guthaben. Denn der Schuld des Clowns beim Pferdeknecht stand ein Guthaben des Pferdeknechts beim Clown gegenüber usw. Durch diese Geschichte können wir erkennen, dass umlaufendes Geld nicht nur unzählige Male zum Kaufen oder Verschenken, sondern ebenso unzählige Male zum Verleihen oder zum Tilgen benutzt werden kann. Und so- wenig sich die benutzte Geldmenge in unserer Geschichte, durch die Kette von Tilgungen verändert hat (es gab immer nur ein 5-Mark-Stück!), so wenig verändert sich auch die in der Wirtschaft genutzte Geldmenge durch die dort ablau- fenden Ketten von Verleihvorgängen, sooft sie sich auch wiederholen und zu welchen Summen sie sich aufaddieren oder durch Tilgungen wieder verringern mögen. Was sich verändert, sind immer nur die Bestände an Guthaben und Schulden, nicht aber die des Geldes.

Was ist unter Kreislauf zu verstehen?

In einem Kreis gibt es keinen Anfang und kein Ende. Ein einmal in den Kreislauf gegebener Geldschein kann also endlos kursieren, ganz gleich wofür er verwendet wird. Wir sehen das in den folgenden vereinfachten Darstellungen: Darstellung 3: A kauft bei B. – B benötigt das erhaltene Geld nicht und verleiht es an C. – C kauft bei D. – D verleiht es an E, der damit wieder bei A eine Leistung bezahlt. Der umlaufende Geldschein wurde also dreimal zum, Kaufen und zweimal zum Verleihen benutzt. Hätte B den erhaltenen überschüssigen Schein nicht verliehen, sondern bei sich liegen lassen, wären die nachfolgenden Vorgänge nicht möglich gewesen. Dieses einfache Beispiel zeigt bereits, welche Gefahren von Geldzurückhaltungen ausge- hen. Im nächsten Kreislaufmodell werden die Schulden getilgt: Darstellung 4: A kauft bei C, dieser tilgt seine Schuld bei B. – B kauft bei E, der seine Schuld bei D tilgt. – D kauft seinerseits mit dem erhaltenen Schein bei A ein, womit sich der Kreis wieder- um schließt. An diesen Vorgängen ändert sich auch nichts, wenn die Kreditgewährungen und Tilgungen über eine Bank abgewi- ckelt werden. Auch nicht, wenn zwischen Barzahlungen und Guthabenübertragungen gewechselt wird. Das zeigt die Schemadarstellung 5:, Darstellung 5: A zahlt den Geldschein bei der Bank auf ein Sichtguthaben ein und kauft mit einem Scheck bei B. – B gibt den Scheck an seine Bank, kauft bei C und zahlt durch Überweisung. – C hebt die Gutschrift ab und kauft bar bei D. – D zahlt das Geld wieder bei der Bank ein und kauft bei E per Überwei- sung. – E erwirbt bei A eine Leistung und benutzt zum Aus- gleich die von D erhaltene Kontengutschrift. – Da A gerade Bargeld benötigt, hebt er den Betrag vom Konto ab. Hier wurde also das Geld zweimal bei der Bank einge- zahlt und zweimal abgehoben, einmal eine Forderung durch Bargeldzahlung beglichen und viermal durch Gutha- benübertragungen. Deutlich wird dabei, dass auch die Überweisungen durch Bargeld gedeckt und begleitet wer- den, auch bei mehrfachen Vorgängen. Da aber die Bank die durch die Einzahlungen jeweils entstehenden Guthaben zwischenzeitlich für Kreditgewährungen nutzen kann, kommt es hier zu einer (ebenfalls zwischenzeitlichen) Aus- weitung des Kreditpotentials. Dieser Effekt wurde im vor- stehenden Kapitel bereits angesprochen und wird in Teil II und V eingehender behandelt.,

Welche Folgen können Ersparnisbildungen haben?

Auch den Folgen von Ersparnisbildungen soll auf einem begrenzten Raum mit überschaubaren Größen nachgegan- gen werden. Stellen wir uns dazu eine Insel mit zehn Bewohnern vor, von denen jeder monatlich für 1 000 Geldeinheiten (GE) Leistungen in den Markt einbringt und auch für 1 000 GE nachfragt. Nimmt man weiter an, dass das Geld einmal im Monat umgeschlagen wird, dann sind für die Abwicklung aller Geschäfte auf der Insel insgesamt 10 000 GE erforder- lich, je Bewohner also 1 000 GE. Werden diese regelmäßig monatlich ausgegeben, ist der Kreislauf auf der Insel gesi- chert und die dortige Konjunktur stabil. Jeder setzt dann im gleichen Umfang Leistungen ab, wie er selbst nachfragt. Bei gesättigtem Bedarf ist die Versorgung auch ohne Wirt- schaftswachstum gesichert. Nehmen wir jetzt einmal an, dass einer der Inselbewoh- ner zwar wie alle anderen für 1 000 GE im Monat Leistun- gen einbringt und entsprechend 1 000 GE wieder einnimmt, selbst aber nur für 800 GE nachfragt, also jeden Monat 200 GE übrig behält. Welche Folgen können aus dieser Erspar- nisbildung entstehen? Fall 1 – Der Sparer verschenkt die übrigen 200 GE regelmä- ßig: Gibt der Beschenkte die 200 GE ebenso regelmäßig aus, wird der Inselmarkt weiterhin in vollem Umfang geräumt. Der Beschenkte fragt gewissermaßen stellvertretend jene Leistungen nach, die der Sparer über seinen eigenen Bedarf hinaus eingebracht hat. Langfristig nimmt der Wohlstand des regelmäßig Beschenkten gegenüber allen anderen zu, der des Schenkenden fällt zurück., Fall 2 – Der Sparer verleiht die übrigen 200 GE regelmäßig: Die Situation für den Inselmarkt wie auch die Wohl- standsverschiebung ist die gleiche wie im Fall 1. Aufgrund der zunehmenden Rückzahlungsforderungen entsteht jedoch für den Verleiher ein von Monat zu Monat wachsen- des Guthaben und für den Leiher eine entsprechend anwachsende Schuld. Nach einem Jahr sind Guthaben und Schulden bereits auf 2 400 GE angestiegen, nach zehn Jah- ren auf 24 000 GE. Das heißt, nach zehn Jahren sind die Geldguthaben und Geldschulden auf der Insel bereits 2,4- mal so groß wie die ganze auf der Insel umlaufende Geld- menge, die ja 10 000 GE beträgt! Fall 3 – Der Sparer verleiht sein übriges Geld gegen Zinsen: Für den Inselmarkt, den Geldumlauf und die Konjunktur ändert sich vorerst(!) auch hier nichts. Jedoch muss der Lei- her nicht nur die spätere Rückgabe des Geliehenen verspre- chen, sondern darüber hinaus jeden Monat an den Geldge- ber eine ›Leihgebühr‹ in Form von Zinsen bezahlen. Diese kann er nur aus seinem Monatseinkommen abzweigen. Bei einer Verzinsung von zehn Prozent beträgt dieser Leihzins nach einem Jahr 20 GE im Monat, nach zehn Jahren 200 GE. Diesen ständig steigenden Zinslasten stehen beim Verleiher ständig steigende Zinseinnahmen gegenüber. Lebt er weiter so sparsam wie bisher, kann er, zu den monatlich bereits aus seinem Arbeitseinkommen erübrigten 200 GE, zusätzlich einen immer größer werdenden Betrag aus den Zinseinnah- men verleihen, womit die Verschuldungsentwicklung auf der Insel exponentiell ansteigt. Fall 4 – Der Sparer sammelt seine Überschüsse zu Hause an: Damit werden dem Geldkreislauf auf der Insel jeden Monat 200 GE entzogen. Nach zehn Monaten hat der Spa- rer bereits 2 000 GE bei sich angesammelt, ein Fünftel der, gesamten umlaufenden Geldmenge. Nach 50 Monaten – also gut vier Jahren – befindet sich rechnerisch alles Geld auf der Insel in der Hand des Sparers. Natürlich kommt es nicht so weit, da der von Monat zu Monat zunehmende Geldmangel bereits lange vorher die Inselwirtschaft zusammenbrechen lässt.

Was kann man aus diesen Insel-Beispielen lernen?

Wie die Fälle 1, 2 und 3 zeigen, können in einer Volkswirt- schaft nicht nur Ersparnisse an andere verschenkt oder aus- geliehen, sondern sie müssen auf diese Weise in den Geld- kreislauf zurückgeführt werden, wenn die Wirtschaft nicht – wie im Fall 4 geschildert – durch Geldmangel zusammen- brechen soll. Wie Fall 2 und 3 außerdem zeigen, vermehrt sich mit den leihweisen Überlassungen von Geld weder die Geldmenge noch die Nachfrage, sondern nur der Bestand der Geldgut- haben und Schulden. Diese können theoretisch bis ins Unendliche wachsen, ohne Einfluss auf die Geldmenge. Da im Fall 2 und 3 der Schuldner mit der zunehmenden Verschuldung jedoch immer weniger rückzahlungsfähig wird, gerät er in eine zunehmende Abhängigkeit vom Geld- geber. Er muss immer mehr Vermögensbestände an den Geldgeber verpfänden. Am Ende gehört diesem alles was der Schuldner besitzt, einschließlich Haus und Hof. In den frühen Kulturen führten solche Prozesse durchweg zu Lei- beigenschaft oder Sklaverei. Im Mittelalter endeten sie im »Schuldenturm«, aus dem die Angehörigen – sofern sie konnten – den Betroffenen durch Zahlung seiner Schuld auslösen mussten. Heute droht Privatpersonen bei Zah- lungsunfähigkeit ›nur‹ die Pfändung des Vermögens oder des laufenden Einkommens, Firmen der Konkurs. Aller-, dings gibt es auch noch Länder, in denen die Erben für die Schulden ihrer Vorfahren haften müssen. So gibt es z. B. in Indien – trotz offiziellen Verbots – Millionen von Men- schen, die ihr Leben lang für die Verzinsung der nicht zurückzahlbaren Schulden Arbeit leisten müssen.

Was bewirkt der Zinsanspruch im Einzelnen?

Leihweise Überlassungen von Geld ohne Zinsansprüche können sich im Allgemeinen nur in Ausnahmefällen zu sol- chen Problemsituationen entwickeln, wie sie im Fall 2 des Inselbeispiels geschildert wurden. Denn normalerweise wird nicht ein Inselbewohner ständig Geld sparen und ein anderer ständig Geld leihen. Solche Prozesse brechen viel- mehr zwischenzeitlich ab oder kehren sich auch wieder um. Außerdem nehmen ohne Zinsbelastung die Schulden ›nur‹ linear zu, also gleichmäßig ansteigend. Im Fall 3, mit Ver- zinsung, eskalieren sie dagegen durch den Zinseszinseffekt mit zunehmender Beschleunigung. Will der zu Zinszahlun- gen verpflichtete Geldleiher seinen Gürtel nicht immer enger schnallen und schließlich verhungern, bleibt ihm nur die Möglichkeit, mit den Schuldverpflichtungen seine Leis- tung ständig zu steigern und diese Mehrleistung an andere abzusetzen. Soll als Folge dieser Leistungssteigerung des Schuldners nicht ein Dritter auf seiner Leistung sitzen blei- ben, wird auf der Insel ein allgemeines Nachfrage- und Ver- brauchswachstum erforderlich, das von der Inselbank mit mehr Geld unterfüttert werden muss, wenn die Preise stabil bleiben sollen. Leihweise Überlassungen mit Zinsansprüchen haben also in sich selbst einen Beschleunigungseffekt, der zu einer zunehmenden Diskrepanz zwischen Geldgebern und Schuldnern und damit zwischen Reich und Arm führt. Und, ist ein Schuldner erst einmal so weit, dass er zum Bedienen seiner Schulden neue Schulden aufnehmen muss, kann der Umschichtungsprozess kaum noch abgebremst werden. Wir erleben das heute nicht nur in Lateinamerika, sondern zunehmend auch in den Industrienationen, bei unzähligen Betrieben, Privathaushalten und vor allem bei der Staats- verschuldung. Geldaufnahmen mit Zinsen sind für Schuldenmacher also nur dann von Nutzen, wenn sie damit produktivitäts- steigernde Investitionen schaffen können, die über die Zinszahlungen hinaus noch einen Gewinn abwerfen. Gesamtwirtschaftlich setzt das jedoch ein Wirtschafts- wachstum voraus, das mindestens dem zinsbedingten Wachstum der Geldersparnisse entsprechen muss. Da diese Geldersparnisse durch den Zins jedoch in der Tendenz exponentiell zunehmen, müsste auch die Wirtschaft expo- nentiell wachsen. Da das allenfalls über kürzere Zeiträume möglich ist, sind alle Zinswirtschaften zum Zusammen- bruch verurteilt, und das nicht nur auf einer Insel! Mit Zinsen verbundene Ausleihungen sind nur dann pro- blemlos, wenn Sparer und Schuldner – wenn auch zeitver- schoben – in einer Person vereinigt sind. Das heißt, wenn sie in ähnlicher Höhe zeitweise Zinseinkommen erhalten wie sie – vorher oder nachher – Zinslasten tragen müssen. Das ist z. B. bei Bausparkassen oder Baugenossenschaften weitgehend der Fall. Darum ist hier auch die Höhe der Zin- sen von geringerer Bedeutung.

Verändert sich der Kreislauf im Großmodell?

Alles, was bisher mit geringen Geldmengen und begrenzten Teilnehmerzahlen durchgespielt wurde, gilt genauso in einer einzelnen Volkswirtschaft wie auch in der Weltwirt-, schaft. Die Zahl der Geldscheine, Beteiligten, Zahlungs- und Verleihvorgänge mag in die Millionen und Milliarden gehen: An den Abläufen und deren Auswirkungen ändert sich nichts, sie werden lediglich unübersichtlicher. Zum besseren Verständnis ist darum in der Darstellung 6 einmal ein größerer Schema-Kreislauf dargestellt. Darstellung 6:, Am besten stellt man sich diesen Kreislauf mit einem Umsatz von z. B. 100 Millionen Geldeinheiten bezogen auf einen Monat vor. Wird das aus der Leistung resultierende Einkommen in vollem Umfang für Konsum und Investitio- nen ausgegeben, kommt es auch zu einer völligen Räumung des Marktes. Das heißt, alle behalten ihre Arbeit und damit weiterhin auch ihr Einkommen. In der Darstellung wird weiter angenommen, dass die Einkommensbezieher in Höhe von zehn Prozent ihrer Ein- künfte Ersparnisse bilden. Das heißt, auf direktem Weg werden nur 90 Prozent der Einkommen zur Nachfrage. Zahlen die Sparer ihre Überschüsse bei den Banken ein und können die Banken die Einlagen als Kredite weiterge- ben, dann bleibt die volle Nachfrage weiterhin gesichert. Würden die Ersparnisse jedoch nicht als Kredite weiterge- geben, bliebe ein Zehntel der Leistungen auf dem Markt liegen. Die Folge wäre ein Konjunktureinbruch mit Ar- beitslosigkeit und Firmenpleiten. Wie der untere Teil der Darstellung wiedergibt, bilden sich durch die Ersparniseinzahlungen nach dem ersten Monatsumlauf bei der Bank Guthabenbuchungen in Höhe von zehn Mio. GE. Lässt man die Bankkassenhaltung bzw. Reserve außer Acht, ergeben sich in gleicher Höhe auch Kreditbuchungen. Geht man von einer gleich bleibenden Spar- und Einlagenquote von zehn Prozent bei jedem Umlauf aus und weiterhin davon, dass alle vorherigen Spa- rer ihre Ersparnisse stehen lassen, steigen die Guthaben- und Kreditbuchungen jeden Monat um zehn Mio. an. Nach dem fünften Monat hätte ihre Höhe mit 50 Mio. bereits die Hälfte der umlaufenden Einkommens- und Nachfragegrö- ßen erreicht. Auch hier wird wieder deutlich, dass bei gleich bleiben- den Leistungs-, Einkommens- und Nachfragegrößen die Guthaben und Schulden ständig wachsen können, ohne, dass dies einen Einfluss auf Geldmenge und Kreislauf hat. Wohl aber nehmen als Folge der schuldenbedingten Un- gleichgewichte die sozialen Spannungen zu, mit ständiger Beschleunigung, wenn die Schulden auch noch mit Zinsen verbunden sind. In Wirklichkeit nehmen Geldvermögen und Schulden natürlich nicht in dem Tempo zu wie in dem vereinfachten Modell, weil die Sparer auch immer wieder Geld von ihren Konten abheben und außerdem Schulden laufend getilgt werden. Das heißt, die Geldvermögen wachsen nur in dem Umfang, wie die Einzahlungen bei den Banken die Abhe- bungen übersteigen. Diese Differenz – die Nettoersparnis – bestimmt also die Zunahme der Geldvermögen wie der Schulden in einer Volkswirtschaft und damit auch die Ent- wicklung der sozialen Spannungen. Diese Spannungen können zwar durch eine ständige Ausweitung der Wirt- schaftsleistung gemildert, aber auf Dauer niemals aufge- fangen werden. Schon gar nicht angesichts der Umweltfol- gen eines ständigen Wirtschaftswachstums., 4. Kapitel

Geschäftsbanken, Notenbanken, Nichtbanken

»Geld- und Bankwesen sind für den Durchschnittsmenschen so geheim- nisvoll, dass von ihnen als einzige volkstümliche Auffassung nur die des ›Tabu‹ besteht .Die volkstümlichen Begriffe, einschließlich der dem durchschnittlichen Bankfachmann eigentümlichen, sind so primitiv wie der Aberglaube eines russischen Bau- ern vor dem Weltkrieg.« Irving Fisher* Unter Geschäftsbanken verstehen wir im Allgemeinen all jene Institute, bei denen man sein eigenes Geld gegen Zinsen ein- oder anlegen und umgekehrt bei Bedarf Geld ausleihen kann. Deshalb spricht man auch von Spar- und Darlehens- banken. Mit dem Begriff Zentral- oder Notenbanken bezeichnet man dagegen die Institute bzw. staatlichen Ein- richtungen, die in einem Land oder Währungsraum normaler- weise das alleinige Recht zur Herausgabe von Geld besitzen. Mit dem nicht gerade glücklichen Begriff ›Nichtbanken‹ sind alle übrigen Personen, Unternehmen und sonstigen Einrich- tungen in einer Volkswirtschaft gemeint, die eben nicht zu diesen beiden mit dem Begriff Bank benannten Einrichtun- gen zählen. Die Europäische Zentralbank (EZB) bezeichnet diese Nichtbanken – etwas sympathischer – als ›Publikum‹. * US-Ökonom und Geldtheoretiker, »Die Illusion des Geldes«, 1934, Auch im Bereich der gesamten Geldinstitute ist die Zusammenfassung der publikumsnahen wie der Geld emit- tierenden Häuser unter dem gleichen Begriff ›Banken‹ wieder mehr als irreführend. Das vor allem vor dem Hinter- grund der völlig unterschiedlichen Aufgaben. Manchmal wird der Begriff ›Bank‹ in der Fachwelt sogar nur den Zen- tral- bzw. Notenbanken zugestanden, während die übrigen Häuser als ›Kreditinstitute‹ bezeichnet werden oder – wie durch die EZB – als ›Monetäre Finanzinstitute‹ (MFIs), wobei auch die Fonds mit einbezogen sind. Dabei wäre es sicher am sinnvollsten, den Begriff ›Ban- ken‹ umgekehrt nur für die publikumsnahen Institute zu verwenden und die Geld ausgebenden Institute, die prak- tisch hoheitliche Aufgaben erfüllen, anders zu benennen, z. B. als Emissions- oder Währungsinstitute oder -ämter. Um diesem Begriffswirrwarr zu entkommen, wird in die- sem Buch für alle Spar- und Kreditinstitute der geläufige Begriff ›Banken‹ benutzt, für die Geld ausgebenden Insti- tute meist der Begriff ›Notenbanken‹, weil sich darin ihre Hauptaufgabe besser abzeichnet als in dem Begriff ›Zen- tralbanken‹. Denn dieser wird auch von regionalen Ge- schäftsbanken benutzt, z. B. ›Genossenschaftliche Zentral- bank‹.

Beziehungen und Größenordnungen im Geld-

und Bankenbereich Bevor wir in diesen Komplex einsteigen, ist es sinnvoll, sich über diesen Bereich ein konkreteres Bild zu machen. Das soll an Hand der Darstellung 7 geschehen, in der die deut- schen Gegebenheiten aus dem Jahr 1996 wiedergegeben sind. Dabei entsprechen die Flächengrößen in etwa den Relationen der eingetragenen Milliardenbeträge., Darstellung 7:, Im oberen Teil ist als Balken A über der ganzen Breite die Größe des herausgegebenen Bargeldes eingezeichnet, die Grundlage und Voraussetzung aller monetären Vorgänge in der Wirtschaft. Darunter, in Feld B, sind die Zentral- bankgeldguthaben eingetragen, die von den Banken als Liquiditätspuffer bzw. – soweit vorgeschrieben – als Min- destreserven gehalten werden. Diese Zentralbankgeldgut- haben sind vor allem für die Abwicklung aller Geschäfte zwischen den Banken erforderlich und erfüllen, gewisser- maßen auf höherer Ebene, eine ähnliche Aufgabe wie die Sichtguthaben der Bankkunden für deren Geschäftsab- wicklungen. Diese Zentralbankgeldguthaben werden mit dem Bargeld auch als ›Zentralbankgeldmenge‹, ›Geldba- sis‹ oder ›Geldmenge M 0‹ (M Null!) zusammengefasst. Wie die Aufteilung des Balkens A erkennen lässt, wurden in Deutschland die in Umlauf gesetzten Bargeldbestände zu knapp zwei Dritteln über Kredite an die Banken herausgege- ben. Das restliche Drittel ist durch Direktgeschäfte der Bun- desbank in den Wirtschaftskreislauf geflossen, vor allem durch Ankäufe von Gold, Devisen und Wertpapieren. Soweit über die Banken in Umlauf gebracht, ist das Geld über die Bankkassen (C) gelaufen, in denen etwa zehn Pro- zent der gesamten Bargeldmenge als Puffer gehalten wer- den. Die übrigen 90 Prozent des Bargeldes befinden sich in den Händen der Nichtbanken bzw. des Publikums (D). Die- se erwirtschaften damit – direkt oder indirekt über die Umwandlung in Giralgeld – jedes Jahr das so genannte Bruttosozial- oder Bruttoinlandsprodukt (BSP/BIP), das größenmäßig mit der unteren Fläche E wiedergegeben ist. Die Fläche F steht für die Sichtguthaben, die neben ihrer Hauptaufgabe unbarer Zahlungsabwicklungen noch als Vorsparbecken für die längerfristigen Ersparnisbildungen gesehen werden können. Die Ergebnisse dieser längerfris- tigen Ersparnisse spiegeln sich in der Fläche G wider, die, allerdings nur die bei den Banken angesammelten Geldver- mögens-Bestände wiedergibt. Die gesamten deutschen Geldvermögen lagen – wie in Klammern angeführt – in dem herangezogenen Jahr um rund ein Drittel höher. Auch aus dieser Bestandsaufnahme geht der erhebliche Unterschied zwischen der Größe des Bargelds und jener der Guthaben bzw. Kredite hervor, die das Volumen der Wirtschaftsleistung inzwischen schon um eine Mehrfaches übersteigen.

Was sind die Hauptaufgaben der Banken?

Wirtschaftsteilnehmer bzw. Endverbraucher kommen nor- malerweise nur über eingebrachte Leistungen zu Einkom- men und damit in die Lage, Leistungen anderer nachzufra- gen. Über dieses Einkommen hinaus ist eine Nachfrage nur mit Hilfe von Schenkungen oder Krediten möglich. Kredite wiederum setzen Ersparnisse anderer Wirtschaftsteilneh- mer voraus. Mit der Vermittlung zwischen Sparer und Kre- ditnehmer erfüllen die Banken also eine wichtige volks- wirtschaftliche Aufgabe. Dabei dient diese Kreditvermittlung nicht nur dem Kre- ditnehmer, sondern der ganzen Volkswirtschaft. Denn mit dieser Kaufkraft-Weitergabe über den Kredit schließt der Kreditnehmer die Nachfragelücke, die sonst aufgrund der Nicht-Nachfrage des Sparers entstanden wäre. Diese Markträumung durch den Kreditnehmer nützt vor allem aber auch dem Sparer. Denn wie seine Ersparnis zeigt, hat er mehr Leistungen in den Markt eingebracht, als er selbst nachzufragen bereit ist. Ohne die ersatzweise Nachfrage durch den Kreditnehmer bliebe letztlich diese Überleis- tung am Markt liegen. Natürlich haben Banken nicht nur die Aufgabe, mit der, überschüssigen Kaufkraft der einen die Kassen bzw. Kon- ten der anderen Wirtschaftsteilnehmer über Kredite aufzu- füllen. Eine andere wichtige Aufgabe ist auch die bereits erwähnte Abwicklung des unbaren Zahlungs- und Verrech- nungsverkehrs in der Wirtschaft. Bedenkt man, dass in den 90er Jahren in Deutschland der monatliche Umschlag auf den Girokonten höher war als das Jahres-Sozialprodukt, dann wird die Größenordnung dieser unbaren Zahlungen ebenso einschätzbar wie das Dienstleistungsvolumen der Banken. So wurden beispielsweise in Deutschland 1993 mit Sichtguthabenbeständen von 500 Mrd. DM monatlich eine Milliarde Verfügungsvorgänge mit einem Umsatz von rund 3 500 Mrd. DM abgewickelt. Das heißt, die gesamten Sicht- guthabenbestände wurden im Monat etwa siebenmal umgeschlagen und jeder abgewickelte Einzelvorgang lag durchschnittlich bei 3 500 DM. Die bekannteste Dienstleistung der Banken ist zwar immer noch der Umschlag von Bargeld, doch sind hier die Bestands- und Größenordnungen wesentlich geringer als jene auf den Girokonten. So lag der Kassenbestand der Banken 1993 nur bei 28 Mrd. DM (gesamtes Bargeld 230 Mrd.). Da nach Schätzungen von Bankern der Kassenbe- stand etwa alle zwei Tage umgeschlagen wird, kommt man hier – bei 20 Banktagen im Monat – auf einen Umsatz von nur 260 bis 300 Mrd. DM im Monat, also weniger als einem Zehntel der Umsätze auf den Girokonten. Allerdings wäre es falsch, den Bargeldverkehr deswegen als unbedeutend anzusehen. Nach einer Untersuchung der Bundesbank wurden in Deutschland in den 80er Jahren noch 87 Prozent aller Zahlungsvorgänge der ›Nichtbanken‹ mit Bargeld abgewickelt und nur 13 Prozent mit Guthaben- übertragungen. Auch wenn die Einzelsummen dieser Gut- habenübertragungen jene der Barzahlungen weit übertref- fen, dürfte das Bargeld in den meisten Ländern bei der, Endnachfrage immer noch die entscheidende Rolle spie- len. Denn die riesigen Umsätze auf den Girokonten finden überwiegend in den Vorstufen der Endnachfrage statt, also im Bereich von Produktion und Handel. Doch all diese Vorgänge im Vorfeld des Konsums gibt es nur dann und nur so lange, wie am Ende der Kette ein Verbraucher mit einem Geldschein oder einer Kreditkarte in den Laden geht und kauft. Das aber ist letztlich konjunkturentscheidend. Bei der Beurteilung der beiden Zahlungswege ist außer- dem zu beachten, dass über die Girokonten praktisch auch das Gros aller Investitionen, Anlagenumschichtungen, Se- kundärkäufe und Spekulationsgeschäfte abgewickelt wird. Gerade mit diesem letztgenannten Bereich dürften die erheblichen Ausweitungen der Bestände und Umsätze auf den Girokonten in den letzten Jahren zusammenhängen.

Was ist mit der Macht der Banken?

Die Macht im Lande kann man im Allgemeinen an der Größe der Gebäude erkennen. Früher spiegelte sie sich in Tempeln, Burgen, Kathedralen oder Schlössern wider. Geht man von dieser Sicht der Dinge aus, dann scheint sich heute vielerorts tatsächlich die Macht bei den Banken zu konzentrieren. Das gilt nicht nur für New York, London, Tokio oder Frankfurt. Auch im letzten Dorf sitzt die Volks- bank oder Sparkasse oft im repräsentativsten Gebäude. Imponierend sind auch die Zahlen: So gibt es beispiels- weise in Deutschland rund 3 000 Banken mit 40 000 Nieder- lassungen und etwa 600 000 Beschäftigten. Zusammen wie- sen sie 1999 ein Geschäftsvolumen von rund 11 000 Mrd. DM bzw. 5 600 Euro aus, fast das Dreifache des deutschen Sozialprodukts. In den elf Euroländern gibt es insgesamt 8 000 Banken., Trotzdem ist der Rückschluss auf die Machtverhältnisse et- was fragwürdig. Denn die Größe der Bankgebäude und ihr Wachstum spiegeln in erster Linie nur die Größe und das Wachstum der Geldeinlagen wider, die den Banken von den Sparern anvertraut werden. Die Macht der Banken ist also weitgehend eine geliehene. Denn ihr Eigenkapital übersteigt nur selten jenen Bruchteil der Kreditmasse, die von der Ban- kenaufsicht zum Ausgleich des Risikos vorgeschrieben ist. Außerdem ist dieses Eigenkapital in fast der Hälfte aller Fälle in den Händen öffentlich-rechtlicher Stellen bzw. genossen- schaftlicher Organisationen, in Deutschland bei über 60 Pro- zent. Und bei den privaten Großbanken verteilt es sich oft auf Hunderttausende von Aktionären. Echte Privatbanken à la Rothschild oder Rockefeller, bei denen Einzelpersonen oder Familien das Eigenkapital in der Hand haben, gibt es fast nicht mehr. In Deutschland kommen sie zusammen gerade noch auf knapp ein Prozent des gesamten Geschäftsvolumens. Mit diesen Ausführungen soll die Macht und Einflussnah- me der Banken auf die Wirtschaft jedoch nicht verneint wer- den. Das gilt vor allem für jene Banken, die über große Ak- tienbestände einzelner Unternehmen verfügen, bzw. – wie z.B. noch in Deutschland – die das Stimmrecht der Aktionä- re übernehmen können. Doch insgesamt sind die Banken mit ihrem Handeln zwischen Geldgebern und Kreditneh- mern eingebunden und aus eigenem Interesse daran interes- siert, beide Seiten mit ihrer Arbeit zufrieden zu stellen.

Wachsen Macht und Einfluss der Banken mit

den Umsätzen? Diese Vermutung liegt nahe und trifft auch für vergangene Jahrzehnte weitgehend zu. Doch auch hier kommt es – wie bei allen übermäßig zunehmenden Prozessen – schließlich, zu gegenläufigen Effekten: Je mehr die Geldvermögen und Schulden in einer Volkswirtschaft ansteigen, umso mehr wachsen schließlich auch die Kreditrisiken der Banken. Denn diesen überproportionalen Kreditausweitungen steht ein immer geringeres haftendes Eigenkapital der Kre- ditnehmer gegenüber und damit ebenfalls verringerte ding- liche Absicherungen. Und kommt es zu massierten Zah- lungsunfähigkeiten und Zwangsversteigerungen in der Wirtschaft, fällt der Marktwert der beliehenen Objekte oft unter die offenen Forderungen der Banken zurück, womit diese selbst in Zahlungsengpässe geraten. Schon Anfang der 80er Jahre kam es auf diese Weise in den USA zu reihenweisen Bank-Zusammenbrüchen im ländlichen Raum, als Zehntausende überschuldeter Farmer ihren Besitz versteigern mussten. Dasselbe wiederholte sich Ende der 80er Jahre bei den Spar- und Darlehenskassen und etlichen Regionalbanken. Ursache dieser Problementwick- lungen waren hier vor allem die von Reagan zur Belebung der Wirtschaft angehobenen Beleihungsgrenzen für Immo- bilien. In deren Folge nahmen nicht nur die Kreditaufnah- men zu, sondern auch die Immobilienpreise. Als dann der Spekulationsballon platzte, waren die Außenstände der Banken in vielen Fällen nicht mehr einzutreiben. Nach einem Bericht der »Frankfurter Allgemeinen Zei- tung« vom 21. 10. 1992 waren damals schon in den USA »1492 (= 12 Prozent) der rund 12 000 Geschäftsbanken kon- kursreif und 1179 streng genommen bereits insolvent«. Und Prof. Udo Reifner, Leiter des Instituts für Finanz- dienstleistungen in Hamburg, berichtete Anfang 1993 in seinem Infodienst »Bank Watch«, dass diese Bankzusam- menbrüche »den amerikanischen Steuerzahler bis Ende der 90er Jahre insgesamt (..) zwischen 300 und 800 Mrd. Dollar kosten werden«. Auch die Bankprobleme der letzten Jahre in Japan gin-, gen auf völlig irreale Börsen- und vor allem Bodenspekula- tionen zurück, die von den Banken leichtfertigerweise mit Krediten abgedeckt bzw. unterfüttert wurden. In einem anderen weniger disziplinierten Land hätte das daraus resultierende Wanken der Großbanken wahrscheinlich längst zu Einstürzen geführt. Welche Kosten die japani- schen Steuerzahler zur Rettung der Banken letztlich über- nehmen müssen, ist noch gar nicht abzuschätzen. Zuneh- mende Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldungen haben als Folge jener Bankkrisen in Japan jedenfalls bereits sol- che Größenordnungen erreicht, dass der Finanzminister in Tokio Ende 1995 den Finanznotstand erklären musste. Bis heute ist die Wirtschaft in Japan immer noch nicht in Schwung gekommen. Trotz staatlicher Belebungsspritzen in der Größenordnung von insgesamt mehr als 1 000 Milli- arden Dollar und einer auf 120 Prozent des BIP gestiegenen Staatsverschuldung. Doch – wie Udo Reifner weiter schrieb – häufen sich auch in Deutschland die Bankprobleme, »die mühsam durch Milliardenzahlungen am deutschen Markt interes- sierter Dritter .oder aus den Töpfen der kleinen Genos- senschaftsbanken verdeckt werden«. Nach Reifner waren die Sicherungsfonds der deutschen Banken bereits Anfang der 90er Jahre um 2,6 Milliarden Mark geleert, und da die Beiträge an diese Fonds je 100 DM Einlage nur bei drei bis sechs Pfennig liegen, hat auch in Deutschland die Absiche- rung der Einleger ihre Grenzen. Selbst die deutsche alter- native Öko-Bank hat im Jahr 2000 nur mit Hilfe des genos- senschaftlichen Sicherungsfonds zumindest einen Teil ihres Geschäftsbetriebs retten können. Die weltweit zunehmenden und Schlagzeilen machen- den Zusammenschlüsse von Banken wie auch ihre Verbin- dungen mit Versicherungen und ähnlichen Finanzinstitu- ten, lassen zwar immer größere Mammutgebilde entstehen., Doch diese Zusammenschlüsse sind oft weniger Zeichen wachsender Stärke als Absicherungsversuche gegen wach- sende Risiken. Aufgrund ihrer Größe können diese Mam- mut-Institutionen jedoch – wenn es zu einem Crash kommt – für die Allgemeinheit umso gefährlicher werden.

Welche Aufgaben haben die Zentral- oder Notenbanken?

Im Wesentlichen beziehen sich die Aufgaben der Noten- banken darauf, die Geldversorgung der Wirtschaft und die Stabilität der Geldkaufkraft zu sichern. Die Erfüllung dieser Aufgabe hängt von den Instrumen- tarien und Rechten ab, die ihnen gesetzlich eingeräumt worden sind. Darüber hinaus spielen die Fähigkeiten der Verantwortlichen und nicht zuletzt die Einspruchsrechte der Regierungen eine Rolle. Nach älteren Untersuchungen befinden sich etwa vier Fünftel aller Notenbanken völlig, der Rest überwiegend in Staatsbesitz. Nur wenige Notenbanken (wie z. B. in der Schweiz) sind privatrechtlich organisiert. Allerdings ist die- se besitzrechtliche Frage für den Erfolg der Notenbanken weniger wichtig als die ihrer Unabhängigkeit. Hat z. B. der Staat das Recht, von der Notenbank Kredite zu fordern, dann können bei jeder Notenbank, unabhängig von ihrer Organisationsform, die Stabilitätsbemühungen und Aufga- benstellungen zu Makulatur werden. Die Deutsche Bundesbank (inzwischen Teil des Systems der Europäischen Zentralbanken), ist z. B. formell im Besitz des Bundes, jedoch eine eigenständige und in ihren Entscheidungen regierungsunabhängige Einrichtung öf- fentlichen Rechts, vergleichbar in etwa mit dem Bundesver- fassungsgericht. Der Bundesbankpräsident und die übrigen, Mitglieder des Direktoriums werden zwar von der Regie- rung eingesetzt, ihre Entscheidungen aber sind an die Vor- gaben gebunden, die im »Gesetz über die Deutsche Bun- desbank« festgeschrieben sind. Die wichtigsten Aussagen findet man im § 3 BBG: »Die Deutsche Bundesbank regelt mit Hilfe der wäh- rungspolitischen Befugnisse .den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel, die Wäh- rung zu sichern ..« Wie bereits diese Aufgabenbeschreibungen zeigen, han- delt es sich bei den Zentralbanken in Wirklichkeit um gar keine Banken im üblichen Sinne. Vielmehr sind es Institu- tionen mit der öffentlich-rechtlichen Aufgabe, für die Geld- versorgung und die Kaufkraftstabilität dieses von ihnen herausgegebenen Geldes zu sorgen.

Was heißt »die Währung sichern«?

Ein Unbefangener könnte vermuten, dass mit dieser For- mulierung im deutschen Bundesbankgesetz die Absiche- rung des Geldwertes mit Gold, die Verhinderung von Fäl- schungen oder auch die sichere Unterbringung der Geld- scheine in Tresoren gemeint ist. Tatsächlich war es lange strittig, ob darunter feste Wechselkurse oder gleich blei- bende Kaufkraft des Geldes zu verstehen waren. Inzwi- schen hat man sich – vor allem nach dem Desaster fester Wechselkurse Anfang der 70er Jahre – auf das Ziel der Kaufkraftstabilität geeinigt, wenn auch mit begrenzten praktischen Erfolgen. Denn wenn man bedenkt, dass z. B. die DM von 1950 heute fast nur noch 20 Pfennig wert ist, kann man kaum behaupten, die Deutsche Bundesbank habe ihre Aufgabe nach § 3 wirklich erfüllt. Hauptursache dieses Misserfolges – der bekanntlich in, den meisten anderen Ländern noch größere Ausmaße hat – ist die unzulängliche Regelung des Geldumlaufs, obwohl diese Regelung der Bundesbank im gleichen Paragraphen ausdrücklich zur Aufgabe gemacht ist. Problematisch ist weiterhin, dass die Notenbanken von den Regierungen häufig auch auf Verhaltensweisen festge- legt werden, die ihrer Aufgabe der Währungssicherung dia- metral gegenüberstehen. So heißt es beispielsweise in § 12 des Gesetzes für die Deutsche Bundesbank von 1957: »Die Deutsche Bundesbank ist verpflichtet, unter Wah- rung ihrer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen.« Vergleicht man diese Passage aus dem Bundesbankge- setz mit der zuerst zitierten, dann kann man über solche missverständlichen und z. T. widersprüchlichen Formulie- rungen nur den Kopf schütteln. Denn sicher lässt sich treff- lich darüber streiten, welche praktischen Konsequenzen aus der Verpflichtung, die Wirtschaftspolitik einer Regie- rung zu unterstützen, ggfs. abgeleitet werden können. Inzwischen hat man aber dazugelernt. So ist beispielsweise in Neuseeland vor einigen Jahren der Präsident der Noten- bank in seiner Aufgabenstellung alleine auf die Stabilität der Kaufkraft festgelegt worden und ihm droht bei unzurei- chender Einhaltung dieser Auflage sogar die Entlassung. Etwas eindeutiger sind auch die Gesetze, unter denen die Europäische Zentralbank angetreten ist. So heißt es bei- spielsweise im Artikel 2 des Maastrichter Vertrags, bezogen auf das Europäische System der Zentralbanken, ».ist es das vorrangige Ziel des ESZB, die Preisstabilität zu gewährleisten«. Und unter Artikel 3 wird zu den Aufgaben des ESZB u. a. aufgelistet: – »die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und aus- zuführen,, – die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedsstaaten zu halten und zu verwalten, – das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern«.

Wie regeln die Zentralbanken den Geldumlauf

und warum ist diese Aufgabe so wichtig? Wenn man von der Versorgung der Wirtschaft mit Geld ausgeht, denkt man meist nur an die Regulierung der Men- ge. Die Menge ist aber nur ein Faktor der Geldwirksamkeit, der zweite ist die Einsatzhäufigkeit dieser Geldmenge. Denn wird herausgegebenes Geld nur selten oder gar nicht bewegt, ist es genauso wirkungslos wie nicht herausgegebe- nes. Eine Zentralbank hat darum nicht nur die Aufgabe Geld in den Umlauf zu geben, sondern sie muss auch für dessen gleichmäßigen Umlauf sorgen. Erst bei einer stö- rungsfreien ›Umlaufgeschwindigkeit‹ (besser wäre: Ein- satzhäufigkeit) kann es auch störungsfreie Konjunkturla- gen und stabile Kaufkraft geben. Vergleicht man das Geld mit Pferden und die Wirtschaft mit dem Wagen, den die Pferde ziehen sollen, dann könnte man die Notenbanken als die Kutscher ansehen, die nicht nur für die notwendigen Pferde zu sorgen haben, sondern auch für eine gleichmäßige Bewegung des Wagens. Will ein Kutscher diese Aufgabe optimal erfüllen, wird er die Pferde am kurzen Zügel so führen, dass sie nicht beliebig aussche- ren oder Pausen machen können. Die Notenbanken aber begnügen sich im Wesentlichen damit, eine von ihnen quantifizierte ›Pferdemenge‹ für den ›Wirtschaftswagen‹ zur Verfügung zu stellen. Ob und in welchem Maße diese Pferde zum Ziehen bereit sind bzw. sich überhaupt einspannen lassen, wird von den Notenban-, ken nicht kontrolliert. Weitgehend hofft man einfach, dass die Pferde es schon richtig machen werden. Erst wenn die Notenbanken merken, dass der Wagen schon zu schnell oder zu langsam läuft, werden sie aktiv. Dabei greifen sie jedoch nicht direkt in die Zügel. Vielmehr versuchen sie, die Leistungsbereitschaft der ›Pferde‹ mit verringerten oder vergrößerten ›Haferrationen‹ – sprich: Zinssätzen – zu beeinflussen. Außerdem lassen die Notenbanken, um den gefährlichen Rückgang der Fahrgeschwindigkeit zu vermeiden, das Geld – entgegen ihren eigenen Stabilitätsschwüren – fast ständig etwas unter der ›Inflationspeitsche‹ laufen. Da sie jedoch die Geschwindigkeitsveränderung des Wirtschaftswagens immer erst mit Verspätung merken und ihre Einflussnah- men über Zins- und Inflationssätze mit kaum berechenba- ren Verzögerungen und Nebenwirkungen verbunden sind, ist ein befriedigendes Ergebnis rein zufällig. In ihrer Not bekämpfen sie schließlich sogar die Inflationsanstiege, die sie selbst durch zu viel herausgegebenes Geld verursacht haben, mit Erhöhungen der so genannten Leitzinsen, was der Austreibung des Teufels mit dem Beelzebub gleich- kommt. Dabei gibt es eine ganz klare Vorgabe für die Umlaufge- schwindigkeit des Geldes, nämlich die der Einkommens- ströme! Die Notenbanken brauchen nur durch eine funk- tionierende Umlaufsicherung dafür zu sorgen, dass alle Einkommen möglichst regelmäßig, direkt oder indirekt, auch wieder zu Ausgaben werden. Um die ›richtige Höhe‹ der Zinsen brauchen sie sich dann keine Gedanken mehr zu machen und die ›richtige Geldmenge‹ spielt sich von alleine ein.,

Was heißt »regelt .die Kreditversorgung der Wirtschaft«?

Auch diese Formulierung, die im Gesetz der Deutschen Bundesbank vorgegeben ist, vernebelt heute noch die meis- ten Köpfe. Selbst Sachkundige leiten häufig daraus ab, dass Zentralbanken die Wirtschaft mit Krediten versorgen. Dabei stammen die Kredite in unseren modernen Volks- wirtschaften – soweit nicht direkt privat vergeben – aus Einlagen der Sparer bei den Banken und ähnlichen Institu- tionen, also aus den Einkommensüberschüssen von Wirt- schaftsteilnehmern, nicht aber von den Notenbanken. So standen den Krediten der deutschen Banken an die Wirt- schaft, die im Jahr 2000 bei 3 300 Mrd. Euro lagen, Kredite der Deutschen Bundesbank an die deutschen Banken in Höhe von 120 Mrd. Euro gegenüber. Und den Bankkredi- ten im gesamten Euroraum in Höhe von fast 7 000 Mrd. Euro, solche der EZB an die gesamten Banken in Höhe von etwa 330 Mrd. Euro. Das heißt, die Zentralbankkredite an die Banken lagen unter fünf Prozent jener Kreditsummen, die von den Banken an die Wirtschaft vergeben wurden. Wie sich schon aus diesen Zahlen ergibt, haben die Zen- tralbankkredite also wenig mit der Kreditversorgung der Wirtschaft zu tun. Vielmehr entsprechen diese Zentral- bankkredite dem Anteil des Bargeldes, der durch Auslei- hungen an die Banken in den Kreislauf gelangt ist. Außer- dem gehören dazu noch die Zentralbankguthaben, die die Banken als Liquiditätspolster bzw. working balances für ihre internen Verrechnungen benötigen bzw. die ihnen als Mindestreserven vorgeschrieben sind. Das heißt, diese Notenbankkredite werden weitgehend nur dann und in dem Umfang ausgeweitet, wie die Wirtschaftsteilnehmer zusätzliches Geld am Bankschalter nachfragen. Da fast alle Bargeldnachfragen am Schalter mit Abhebungen von Kun-, denkonten verbunden sind, führen solche Bargeldauswei- tungen zuerst einmal sogar zu einem Rückgang des Gutha- ben- und damit auch des Kreditvergabepotentials, das umgekehrt überwiegend auch nur durch solche Bargeldein- zahlungen wächst. Über die veränderbaren Abgabebedingungen dieser lau- fend zu erneuernden Kredite, die von den Banken bei den Notenbanken aufgenommen werden müssen, versuchen Letztere die von ihnen herausgegebene Geldmenge und deren Umlauf mit dem Ziel stabiler Kaufkraft zu steuern. Da jedoch jeder Geldhalter in der Wirtschaft das Recht hat, ›sein Geld‹ nach Belieben stillzulegen, bleibt diese Umlauf- steuerung mehr oder weniger – wie bei den Pferden vor dem Wirtschaftswagen – ein unzulänglicher Versuch. Opti- male Ergebnisse, also wirklich stabiles Geld, zumindest über mittlere Zeiträume, sind also eher Glücksache.

Wie läuft das mit den Krediten an die Banken?

Wie schon gesagt, benötigen die Banken die Kredite von den Notenbanken nur zur Auffüllung ihrer Zentralbank- guthaben und zur Versorgung der Wirtschaft mit Bargeld. Da diese Kredite mit Zinsen belastet sind, erweitern sie die- se praktisch auch nur in dem Umfang, wie sie für die Abwicklungen am Schalter zusätzliches Geld benötigen. Das heißt, nicht die Zentralbanken und auch nicht die Geschäftsbanken bestimmen über die Geldmenge in der Wirtschaft, sondern letztlich die Wirtschaftsteilnehmer. Heben diese bei den Banken mehr Geld ab, als sie dort lau- fend einzahlen, müssen die Banken ihre Verschuldungen bei den Notenbanken ausweiten. Sammelt sich dagegen bei den Banken mehr Geld an, als laufend abgehoben wird, geben sie das Zuviel an Geld schleunigst an die Notenban-, ken zurück. Denn alles Geld in der Kasse ist für die Ban- ken ›totes Kapital‹, das sie nicht nur nicht gegen Zinsen verleihen können, sondern für das sie auch noch an die Notenbanken Zinsen zahlen müssen. Außerdem versu- chen die Banken, zur Senkung ihrer Zinsbelastungen, auch den Gebrauch von Bargeld innerhalb der Wirt- schaftsvorgänge abzubauen. Das vor allem, wenn ein gro- ßer Teil dieses in der Wirtschaft umlaufenden Bargeldes über Notenbank-Kredite an die Banken in Umlauf ge- kommen ist. Denn für dieses Bargeld – in Deutschland etwa 70 Prozent der Bargeldmenge – müssen die Banken selbst dann noch Zinsen zahlen, wenn die Geldscheine seit Jahren in irgendwelchen Tresoren schlummern, im Aus- land kursieren oder gar durch Feuer, Kriege o. ä. vernich- tet wurden. Und da die Banken ihrerseits diese Zinskosten nicht bei den Geldhaltern und -benutzern erheben kön- nen, müssen sie diese letztlich ihren Kreditnehmern auf- halsen, die in den meisten Fällen gar kein Bargeld in An- spruch genommen haben! Zur Kostensenkung versuchen die Banken außerdem, ihre mit Zentralbankgeld-Guthaben bei den Notenbanken, die sie für ihre internen Verrechnungen benötigen, mög- lichst zu minimieren. Das erreichen sie vor allem durch eine immer größere Zentralisierung der Verrechnungen und ihrer Beschleunigung mit Hilfe elektronischer Verrech- nungstechniken. Über diese Clearingbestände und den Bargeldbedarf hinaus nehmen die Banken nur dann Kre- dite bei den Notenbanken auf, wenn sie von diesen dazu gezwungen werden. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Notenbanken die Haltung so genannter Mindestreserven vorschreiben, die in bestimmten Höhen, bezogen auf die kurzfristigen Kundeneinlagen, berechnet werden.,

Was ist mit den Mindestreserven?

Mindestreserven waren ursprünglich einmal als Zwangs- hinterlegungen zur Absicherung der Kundeneinlagen gedacht. In Deutschland wurden sie in den 60er und den ersten 70er Jahren auch zur Steuerung der Geldmenge benutzt – vor allem, um zu viel herausgegebenes Geld, das als Folge der festen Wechselkurse für Dollaraufkäufe in Umlauf gegeben wurde, wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Später dienten diese Zwangsverschuldungen vor allem dazu, die Banken verstärkt an die Zinsleine zu legen, so fragwürdig diese Methode auch sein mag. Das heißt, auch wenn es in den Lehrbüchern noch anders dargestellt wird: Von den Ersparnissen, die man bei einer Bank einzahlt, ver- schwinden durch die Mindestreserven heute keine Anteile mehr aus dem Kreislauf. Vielmehr wird den Geschäftsban- ken das zur Auffüllung der Mindestreserven erforderliche Geld von den Notenbanken zusätzlich geliehen. Diese Mindestreservenregelungen wurden in den einzel- nen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt. So waren Anfang der 90er Jahre die Reservesätze z. B. in Irland, Itali- en, Portugal und Deutschland z. T. noch recht hoch, in Spa- nien, Frankreich und den Niederlanden dagegen bereits damals sehr gering. In Dänemark und Belgien lagen sie sogar bei Null, in Großbritannien, Luxemburg gab es sie überhaupt nicht und in der Schweiz hat man sie schon vor etlichen Jahrzehnten abgeschafft. Außerdem wurden diese Zwangsreserven in manchen Ländern als Guthaben gese- hen und verzinst, in anderen dagegen nicht. In welchem Umfang mit diesen Reservesätzen früher einmal eine Steuerung der Geldmenge versucht wurde, zeigt die Darstellung 8. Aus ihr sind die Veränderungen der Prozentsätze zu entnehmen, mit der in Deutschland die Sichtguthaben seit 1965 belastet worden sind. Ebenso ist, aber auch die Aufgabe dieser Steuerungsversuche in den 80er Jahren aus der Grafik zu entnehmen. Darstellung 8: Da sich für die Banken in den Ländern mit hohen Reserve- vorschriften Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren Kon- kurrenten in den anderen Ländern ergaben, wurden die Sätze in den letzten Jahren radikal abgesenkt, in Deutsch- land bereits 1991 auf jene zwei Prozent, die im Hinblick auf die Vereinheitlichung des Euro-Bereichs als allgemeine Reservehöhe festgelegt worden waren. Die damit verblie- benen Mindestreserven entsprechen weitgehend den Zen- tralbankgeld-Guthaben, die die Banken sowieso für ihre internen Clearingvorgänge halten müssen. Außerdem wer- den diese zu haltenden Reserven in den Euroländern sogar, zu dem Satz verzinst, den die Banken für das Ausleihen bei der EZB bezahlen müssen. Sie bekommen diese Mindest- reserven also gewissermaßen umsonst. Das heißt, die ur- sprünglich von manchen Notenbanken als unverzichtbar angesehenen Mindestreserven (die auch im Zusammen- hang mit der so genannten Geldschöpfung der Banken in allen Lehrbüchern eine so große Rolle spielen!), haben heute allenfalls noch die Bedeutung, die sowieso notwendi- gen Reservehaltungen der Banken zu verstetigen.

Wann müssen Notenbanken das Geld vermehren? Wie können sie das tun?

Ein Schweizer Notenbanker hat einmal gesagt, dass man zur Geldmengenregelung nur eine Notenpresse und einen Ofen brauche. Die Notenpresse, um bei Bedarf mehr Geld zu drucken, den Ofen, um zu viel Geld zu verbrennen. Dieses Verfahren würde tatsächlich so einfach funktio- nieren, wenn der Geldumlauf eine berechenbare bzw. ver- stetigte Größe wäre. Aber auch dann wäre die Inumlaufset- zung und der Einzug von Geld doch noch etwas schwieriger als das Drucken und Verbrennen. Noch schwieriger aber ist heute die Erfassung und Steuerung der richtigen – sprich aktiven – Geldmenge. Geld in Umlauf setzen können die Notenbanken von sich aus auf verschiedene Weise. Zum Beispiel durch Ankauf anderer Währungen, Gold und Schuldverschrei- bungen oder durch Kredite oder Gewinnausschüttungen an den Staat. Die häufigere Methode ist jedoch – wie beschrieben –, den Banken ›frisches Geld‹ über Kredite zur Verfügung zu stellen. Wollen sie dabei die Menge im Griff behalten, müssen sie die jeweiligen Zuteilungskontingente und/oder Zinssätze festsetzen, so wie das z. B. bei der Euro-, päischen Zentralbank bei den laufenden ›Versteigerungen‹ geschieht. Die Geschäftsbanken müssen ihrerseits dann entweder die gewünschten Geldmengen und/oder ihre Zinszahlungsbereitschaft signalisieren. Aus diesem Spiel zwischen Angebot und Nachfrage kann dann die EZB ihre Schlüsse für ihr eigenes Verhalten ziehen, also für ihr Bemühen, die Geldmenge stabilitätsgerecht zu steuern. Auf diese komplizierte und nie ganz optimal funktionie- rende Regelung der Geldmenge könnte man nur verzich- ten, wenn – wie gesagt – der Geldumlauf verstetigt würde. Dann wäre auch eine Geldausgabe und ein Geldeinzug über den Staat möglich, der von der Notenbank zu einer direkten Ausgabe und damit Nachfragewirksamkeit des Mehrgeldes gezwungen werden könnte. Mit einer solchen Geldmengenregelung über den Staat würde auch deutlich, dass nicht nur die Kaufkraftstabilität des Geldes, sondern auch seine Ausgabe eine öffentliche Angelegenheit ist. Auf der anderen Seite würde ebenso deutlich, dass die Verantwortung für die Betreuung der Kundeneinlagen und die daraus gewährten Kreditverga- ben, einschließlich der Zinsbildung, allein eine Sache der Banken und des Marktes ist. Einen Rückgriff auf die Notenbanken als ›lender oft last ressort‹, also als Nothelfer mit frisch gedrucktem Geld, gäbe es dann ebenso wenig wie die Einmischung in die Zinssätze, die bei einer funktionie- renden Umlaufsicherung mit dem Wirtschaftswachstum zurückgehen würden. Die Notenbanken würden dann tat- sächlich (fast) nur noch eine Notenpresse und einen Ver- brennungsofen für ihre Tätigkeit benötigen. Sie wären das, was die von Silvio Gesell ausgehende Freiwirtschaftsschule bereits seit langem fordert: Eine Währungsbehörde, deren alleinige Aufgabe die optimale Geldversorgung und Geld- mengenregulierung mit dem Ziel stabiler Geldkaufkraft ist.,

Was ist mit den ›Geldmengenzielen‹ der Noten-

banken? Um die Stabilität der Geld-Kaufkraft zu gewährleisten, muss die nachfragende Geldmenge mit dem Güter- und Leistungsangebot am Markt übereinstimmen. Um das zu beeinflussen, geben viele Notenbanken, ausgehend von der erwarteten Produktivitätsentwicklung, ihre angestrebten Geldmengenausweitungen jeweils im Voraus bekannt. Dass diese Ankündigungen mit der Realität oft wenig zu tun und allenfalls psychologische Effekte haben, beweisen nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Sachgegeben- heiten. Denn Aufgabe der Notenbanken ist nicht die Festle- gung einer ›Geldmenge‹, an der sich die Wirtschaft zu ori- entieren hat, sondern die Notenbanken müssten sich umge- kehrt mit ihrer Geldmengenpolitik flexibel an die Entwick- lungen in der Wirtschaft anpassen! Vergleichen kann man diese Methode der Notenbanken mit einer Bahnverwaltung, die sich mit der Bereitstellung der Waggons nicht nach den tatsächlichen Transporterfor- dernissen der Wirtschaft richtet, sondern dieser vorgibt, welches Transportvolumen von ihr im kommenden Jahr erwartet und mit Waggons ausgestattet wird. Stimmt dann die Zahl der Waggons nicht mit dem tatsächlichen Trans- portbedarf überein und versucht die Bahnverwaltung die ›Stabilität‹ des Transportverkehrs durch Anhebung bzw. Senkung der Waggon-Mietpreise zu steuern, dann würde sie genauso handeln wie heute die meisten Notenban- ken.,

Welche ›Geldmenge‹ versuchen die Notenban-

ken zu steuern? Man sollte meinen, dass die Notenbanken sich bei ihren Steuerungsversuchen mit jener Geldmenge befassen, die von ihnen selbst herausgegeben wird, also mit der Bargeld- menge, der Schlüsselgröße für alle weiteren Geldvorgänge. Stattdessen hantieren die meisten Notenbanken bei ihren Bemühungen um stabiles Geld auch heute noch mit den verschiedensten ›Geldmengenaggregaten‹ herum. Dabei hat sich fast jede Notenbank eine eigene ›Geldmenge‹ oder zumindest eigene Variante konstruiert. Der Sachgegeben- heit am nächsten kam dabei die Schweizerische National- bank, die sich lange Zeit an der herausgegebenen Bargeld- menge plus der Zentralbankgeld-Guthaben der Banken orientiert hat, der sogenannten Geldbasis, die von den Notenbanken selbst ausgegeben wird und auch alleine wirkliches Geld ist. Andere Länder – vor allem im angel- sächsischen Raum – haben lange Zeit die so genannte Geldmenge M1 als Richtgröße benutzt. Darin ist das her- ausgegebene Bargeld mit den Sichtguthaben der Nichtban- ken zusammengefasst, also jene beiden Bestände, die heute auf den Märkten als Zahlungsmittel genutzt werden. Inzwi- schen experimentieren die meisten Notenbanken, wie auch die Deutsche Bundesbank seit 1988 und jetzt die EZB, mit der so genannten Geldmenge M3. Wie sich die benutzten ›Geldmengen‹ zusammensetzen und dass sie überwiegend gar nicht aus Geld, sondern aus Guthaben der Bankkunden bestehen, geht aus der Darstellung 9 hervor. Ebenso, dass die Geldmenge M3 bei der EZB eine andere Zusammen- setzung hat als bei der Deutschen Bundesbank. Allerdings zieht die EZB, neben dieser so genannten Geld- menge, auch andere Größen und Entwicklungen zur Beur- teilung ihrer erforderlichen Steuerungsmaßnahmen heran,, Darstellung 9: so z.B. auch die direkte Beobachtung der Inflations- und Zinsraten, der Konjunktur- und Produktionsmittelentwick- lung und deren Auslastung usw. Allerdings dürften die Erfol- ge all dieser Geldmengen-Steuerungsversuche, auch wenn sie immer differenzierter ermittelt werden, mangels des un- bestimmbaren Geldumlaufs weiterhin unzulänglich bleiben.

Woher kommen die Notenbankgewinne?

Wie bei jedem Unternehmen und jeder Behörde, fallen auch bei den Noten- bzw. Zentralbanken Einnahmen und Ausgaben an. Bei kaum einer anderen Institution dürften die Größen dieser Gewinne jedoch so hoch und so extrem schwankend sein, wie das bei den Notenbanken der Fall ist. Ursache ist der Tatbestand, dass die erwirtschafteten Über-, schüsse einmal aus Zinseinnahmen für selbst geschöpftes Geld stammen, das die Notenbanken selbst nur wenig kos- tet. Zum anderen stammen sie aus den Zinserträgen ihrer Reserven, die meist in Dollar gehalten und im Dollarraum angelegt sind. Die Schwankungen dieser Zinserträge resul- tieren wiederum aus den ständigen Zinssatzveränderun- gen. Als Folge dieser Gegebenheiten, aber auch buchungs- technischer Umstellungen bzw. Bewertungen, schwankte dieser Überschussposten z. B. in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zwischen 240 Mio. und 19 Mrd. DM. Die jährliche Ausschüttung der Notenbanken an ihre Eigentümer – überwiegend die Staaten – spiegeln also den Überschuss wider, der sich jeweils – nach Abzug der Kosten und der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen – bei den Notenbanken ergeben hat. Soweit nicht aus dem Ausland stammend, sind diese (dem Staat sehr willkommenen) Überschüsse für die Wirtschaft nichts anderes als eine zusätzliche Steuer, deren Höhe allerdings im Voraus nicht kalkulierbar ist. Gemessen an den gesamten Steuern, ist die über die Notenbankgewinne erwirtschaftete versteckte Abgabe zwar eine Bagatelle. Es fragt sich jedoch, ob dieser ständig schwankende Zugriff auf die Bürger mit einem kor- rekten demokratischen Rechtsstaat vereinbar ist. Natürlich hängt die Belastung für die Bürger auch von der Größe und dem Aufwand ab, den die jeweilige Noten- bank betreibt. So hatte z. B. die Deutsche Bundesbank Anfang der 90er Jahre rund 18 000 Beschäftigte, während die Bank von England mit gut 4 000 und die Schweizer Nationalbank mit rund 600 Angestellten auskam. Die EZB- Zentrale in Frankfurt hatte Ende 1998 sogar nur 600 Mitar- beiter. Auch wenn man bei diesen Zahlen die Gesamtbe- völkerung bzw. Wirtschaftskraft der einzelnen Volkswirt- schaften berücksichtigt, ergeben sich also erhebliche Auf- wands- und Kostenunterschiede., Teil II Der Zins und andere Fehlstrukturen, 5. Kapitel

Der Zins in Vergangenheit

und Gegenwart »Das Geld ist für den Tausch entstan- den, der Zins aber weist ihm die Bestimmung an, sich durch sich selbst zu vermehren. Daher widerstreitet auch diese Erwerbsweise unter allen am weitesten dem Naturrecht.« Aristoteles Die Überlegenheit des Geldes über die Waren, gab diesem unverzichtbaren Tauschmittel eine besondere Stellung: Alle begehrten es und niemand gab es gerne wieder her. Auch nicht leihweise, es sei denn gegen einen Aufschlag, der die Geldvorteile ausglich. Und da Geld aufgrund seiner Begehrtheit fast immer knapp war und sogar künstlich knapp gehalten werden konnte, spielte dieser Aufschlag, der in Prozenten und zeitbezogen auf das Verliehene berechnet und Zins genannt wurde, mit der Ausweitung der Geldnutzung eine immer entscheidendere Rolle.

Warum ist der Zins ein Problem?

Der Tatbestand, dass der Zins zu sozialen Spannungszu- nahmen zwischen Arm und Reich führt, wurde schon sehr früh erkannt. Das vor allem, weil sich die Folgen immer wieder bei den Schuldnern zeigten. Sie wurden zur Erfül- lung der Zinszahlungen nicht nur zu höheren Leistungen getrieben, sondern gerieten allzu oft in die Schuldenfalle,, an deren Ende Leibeigenschaft und Sklaverei standen.

Nahmen solche Entwicklungen Überhand, kam es schließ-

lich zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammen- brüchen, die wiederum Gewalt, Aufstände und Kriege zur

Folge hatten. Alle Hochreligionen haben darum immer

wieder versucht, den sozialen Sprengstoff des Zinses durch

Gebote und Verbote zu minimieren, bis hin zur Androhung

von Höllenstrafen. (Siehe Zitate im Kasten D).

Kasten D: Christliche Stimmen zum Zins:

»Was ist für ein Unterschied, durch Einbruch in Besitz fremden Gutes zu kommen auf heimliche Weise und durch Mord als Wegelagerer, indem man sich selbst zum Herrn des Besitzes jenes Menschen macht, oder ob man durch Zwang, der in den Zinsen liegt, das in Besitz nimmt, was einem nicht gehört?« Gregor von Nyssa, bedeutender Theologe, griechischer Bischof, ca. 334–394 n. Chr. »Wer Zins nimmt, wird mit dem Königsbann belegt, wer wiederholt Zins nimmt, wird aus der Kirche ausgestoßen und soll vom Grafen gefangengesetzt werden.« Kaiser Lothar im Jahr 825, nach einem Gesetz von Karl dem Großen im Jahr »Jede Gesetzgebung, die den Zins erlaubt, ist null und nichtig.« Papst Alexander II., 1159–1181 Der Zins hat die ganze Gesellschaft vergiftet, die soziale Moral zerstört. An dieser Sünde muss unsere Gesellschaft zugrunde gehen. Der Zins ist der Angelpunkt der sozialen Frage.« Karl von Vogelsang, 1884 »Wir zweifeln nicht daran, dass eine Zeit kommen wird, in der sich eine christ- liche Bewegung gegen den Zins erhebt.« Friedrich Naumann, Soz. Programm der evang. Kirche 1890 »Wer Zins nimmt, lebt auf Kosten der Arbeit anderer, ohne ihnen für diese Arbeit irgendeine Gegenleistung zu geben. Durch den Zins wird der Gleich- wertgrundsatz in schwerster Weise verletzt. Christentum und Zins sind unver- einbar.« Johannes Ude, Dekan der Kath.-theol. Fakultät Graz, 1874–1965, Noch im 18. Jahrhundert wurde durch Papst Benedikt XIV. die Zinsnahme in einer Enzyklika verdammt. Doch mit Geboten und Verboten war und ist dem Zins nicht beizu- kommen. Im Gegenteil! Werden Zinsverbote befolgt, kommt es zu noch größeren Problemen: Man fordert zwar der angedrohten Strafen wegen keine Zinsen mehr, stellt aber auch das Geldverleihen ein. Durch diese Ausleihever- weigerung aber wird den Märkten das notwendige Tausch- mittel entzogen. Die gefährliche Geldknappheit nimmt zu und der Zins steigt – sofern noch jemand Geld verleiht – ins Unermessliche. Diese Probleme zeichnen sich heute auch im Islam ab, in dem das Zinsverbot wieder aufgelebt ist. Vor allem in strenggläubigen ländlichen Zonen, z. B. des Iran oder des Sudan, in denen man das Zinsverbot verbreitet befolgt, ver- ringert sich das Kreditangebot, weil man Geld vermehrt zu Hause spart. Oder es müssen, anstelle der Zinsen, unter anderen Bezeichnungen gleich hohe Anreize angeboten und meist sogar in fester Höhe zugesagt werden, z. B. in Form von »Gewinnbeteiligungen«. Das heißt, an den leistungslosen Einkommen der Besit- zenden zu Lasten der Arbeitenden hat sich im Prinzip nichts geändert, sie erhalten nur ein anderes Etikett. Außerdem fließt den islamischen Banken, die an Stelle der Kreditvergabe Beteiligungen an den Unternehmen erwer- ben, übergroßer Einfluss und damit Machtpositionen in der Wirtschaft zu. Das Zinsproblem kommt also einer Zwickmühle gleich: Mit Zinsen nehmen die sozialen Ungleichgewichte zu, ohne Zinsen bricht der Geldkreislauf zusammen. Geht man jedoch den Ursachen dieser Zwickmühle nach, dann stellt sich heraus, dass nicht der Zins das eigentlich auslösende Problem ist. Vielmehr ist es die Möglichkeit, Geld zurück- halten und verknappen zu können. Erst aus dieser Ver-, knappung ergibt sich die Möglichkeit, für die Freigabe überschüssigen Geldes einen ständigen Tribut bzw. eine Freigabeprämie zu erpressen. Diesen Zusammenhang hat man zwar in früheren Zeiten ab und zu erkannt, aber immer wieder aus dem Auge verlo- ren. So hatte beispielsweise Papst Bonifatius VIII. nicht das Zinsnehmen als sündhaft herausgestellt, sondern das Fest- halten von Geld: »Wer bei sich daheim Geld schlafend und untätig liegen lässt, wird exkommuniziert«, hieß es in einer im Jahr 1303 veröffentlichten Bulle. Und Papst Clemens IX. gab im 17. Jahrhundert Münzen mit dem Aufdruck »noli thesaurare« in Umlauf, was so viel heißt wie »Du darfst mich nicht festhalten«*. Auch der Volksmund hat dieses Wissen bis heute in Erin- nerung gehalten. Die Redewendungen »Taler, Taler, du musst wandern, von der einen Hand zur andern ..« oder »Der Rubel muss rollen« treffen in ihrer Kürze genau den Punkt, um den es bei der Geldproblematik und ihren zunehmenden weltweiten Folgen letztlich geht: um die Ver- stetigung des Geldkreislaufs.

Was ist der Zins eigentlich?

Der Zins wird heute oft als ›Preis des Geldes‹ bezeichnet. Man kann Geld jedoch nicht kaufen (allenfalls mit einer anderen Währung!), sondern erhält es normalerweise als Entgelt für Leistungen und Güter. Aber auch der Begriff ›Leihgebühr‹ für den Zins ist nicht treffend, weil man Leih- gebühren normalerweise nur für Dinge verlangt, die dem Verschleiß unterliegen. Bei Dingen jedoch, die man nach * aus Hans Weitkamp, Das Hochmittelalter – ein Geschenk des Geldwe- sens, Hilterfingen, 1986, der Leihzeit gleichwertig zurückerhält (z. B. ein Pfund Mehl oder einen Zentner Saatkartoffeln), sind im Allge- meinen keine Leihgebühren üblich. Denn der Verleiher hat ja den Vorteil, dass er das Verliehene, wenn er es selbst wie- der braucht, in frischem Zustand zurückerhält. Außerdem spart er Lagerkosten, Wartung und Verluste. Anders ist es, wenn das Verleihen für den Verleiher mit einem Nachteil verbunden ist. Das aber ist beim Verleihen von Geld insofern der Fall, als der Verleiher zwischenzeit- lich auf die Freizügigkeit verzichtet, jederzeit mit dem Geld disponieren zu können. Keynes spricht hier vom ›Liquidi- tätsvorteil‹ der Geldhaltung und bezeichnet deshalb den Zins auch als »Prämie für Liquiditätsverzicht«. Obwohl das Geld eigentlich nur ein Tauschvermittler und in dieser Rolle ein Äquivalent der Güter und Leistun- gen sein soll, ist es diesen, aufgrund seiner Dauerhaftigkeit wie seiner Liquiditätsvorteile, also überlegen. Außerdem stehen diejenigen, die Geld übrig haben, unter keinem Druck, es herzugeben, also auf dem Markt anzubieten. Wer dagegen Güter produziert, muss sie, um Lagerkosten und Verluste zu vermeiden, immer zu verkaufen versuchen. Noch mehr steht derjenige unter Druck, der von seiner Arbeitskraft lebt: Er ist zum Angebot gezwungen, wenn er nicht verhungern will. Diese Überlegenheit des Geldes über die zu tauschen- den Güter und Leistungen, ist also das, was sich derjenige belohnen lässt, der sein Geld ausleiht. Dabei haftet diese Überlegenheit dem Geld gewissermaßen von seiner Kon- struktion her an. Sie wird also dem Geldhalter und -verlei- her selbst ›geschenkt‹ und geht darum nicht auf seine Leis- tung zurück. Vielmehr ergibt sich der Geldvorteil aus der allgemeinen Übereinkunft, dieses Medium Geld als Zah- lungsmittel überall zu akzeptieren. Das heißt, der Zins ist zusammen mit dem Tauschmittel Geld und seinen Vortei-, len in die Welt gekommen. Und aufgrund dieser Umstände kann er von denjenigen, die Geld übrig haben, zu Lasten der anderen Marktteilnehmer in ungerechtfertigtes Ein- kommen umgewandelt werden.

Welche Aufgaben hat der Zins?

In der Volkswirtschaft gilt der Zins mit seiner schwanken- den Höhe als ein Indikator der gegebenen Geld- bzw. Kapi- talmarktverhältnisse, genauer: der Knappheit des Geldes. Außerdem wird der Zins als ein Instrument gesehen, mit dem das Geld in die wirtschaftlich sinnvollste Anlage gelei- tet wird. Vor allem aber sorgt der Zins dafür (und hier liegt seine wichtigste Aufgabe), dass diejenigen, die Geld übrig haben, es nicht festhalten, sondern anderen leihweise über- lassen. Der Zins ist also das ›Zuckerbrot‹, mit dem man das für die Wirtschaft unverzichtbare Geld wieder in den Kreis- lauf zurücklockt. Konkreter: Der Zins sorgt für den Umlauf des Geldes, auf den jede Volkswirtschaft zur Sicherung ihres Funktionierens angewiesen ist. Für die beiden erstgenannten Aufgaben des Knappheits- indikators und des Lenkungsinstruments ist die Zinshöhe an sich ohne Belang. Hier funktioniert der Zins auch, wenn er niedrig ist, ja sogar um Null herum pendelt, oder – wenn Geld im Überfluss angeboten wird – bei Minusgrößen. Als Umlaufsicherungsinstrument jedoch lässt die Wirkung der Zinsen mit sinkender Höhe nach. Das heißt, ein Absinken der Zinssätze – ein volkswirtschaftlich und sozial höchst wünschenswerter Vorgang – führt zu verstärkten Geldzu- rückhaltungen und damit zu Kreislaufstörungen in der Wirtschaft. Das heißt, wenn der Zins, als Prämie für den Liquiditätsverzicht, den Geldhaltern nicht mehr hoch genug erscheint, nimmt die Bereitschaft zur Geldfreigabe, ab. Dieser Effekt lässt sich auch statistisch nachweisen, wie die Darstellung 10 zeigt. Darstellung 10: In der Darstellung ist oben die Veränderungskurve der Bar- geldhaltung eingetragen, ausgedrückt in Prozent des Brut- tosozialprodukts. Vergleicht man die Schwankungen der Geldhaltung mit der Veränderung der Zinskurve im unte- ren Teil der Grafik, dann wird die Beziehung zwischen bei-, den deutlich: Immer wenn die Zinsen steigen, geht die liquide Geldhaltung zurück, weil man nicht auf die hohen Zinsen verzichten möchte. Wenn die Zinsen fallen, nimmt die Geldhaltung zu, weil der Zinsverlust weniger zu Buche schlägt. Die Wirkung der Zinsen, das Geld in Umlauf zu halten, ändert sich also mit der Zinssatzhöhe.

Gab es irgendwann zinsfreie Zeiten?

Ob der Zins in der Geschichte einmal völlig bedeutungslos war, ist nicht überliefert. Sicher aber dürfte sein, dass es Zeiten geringer Zinshöhe gegeben hat mit entsprechend positiven Folgen. So ist überliefert, dass der spartanische Staatsmann Lykurg Gold und Silber ächtete und Eisengeld einführte. Möglicherweise tat er das, um bei der Geldschöpfung von den Edelmetallen unabhängig zu sein. Mit diesem Eisen- geld veränderte sich jedoch die Bedeutung des Geldes auf den Märkten: Das Eisengeld war nicht mehr, wie Gold und Silber, den einzutauschenden Gütern überlegen! Denn wer Eisengeld verschatzte, also aus dem Verkehr zog und ver- knappte, der riskierte ähnliche Verluste wie der Warenbe- sitzer. Im Extremfall fand er in seiner Schatztruhe nach einigen Jahren nur noch einen Haufen Rost. Bekannter und nachprüfbarer ist die Kultur- und Wirt- schaftsblüte in der Staufferzeit. »Ein Geschenk des Geld- wesens«, wie Hans Weitkamp im Untertitel seines Buches »Das Hochmittelalter« schreibt. In dieser Zeit der Hochgo- tik gab es ebenfalls ein Geld, das nicht von Dauer war, näm- lich die einseitig geprägten so genannten Brakteaten. Die- ses Geld wurde aus dünnem Silberblech gefertigt, hatte also einen geringeren Metallwert und auch eine geringere Halt- barkeit. Das Entscheidende an den Brakteaten aber war,, dass sie im Jahr ein- bis zweimal ›verrufen‹, das heißt, durch öffentlichen Aufruf als ungültig erklärt wurden. Sie muss- ten dann gegen neu geprägte Münzen eingetauscht werden, wobei man für vier alte Münzen durchweg nur drei neue erhielt. Zwar kannte man den Geldverruf mit Zwangsumtausch und Abzug auch vorher schon bei den normalen Münzen. Er fand überwiegend jedoch nur bei der Einsetzung eines neuen Herrschers statt, wobei der Wechsel mit dem einge- prägten Konterfei vermittelt wurde. Erzbischof Wichmann von Magdeburg aber, der als Erster im Jahre 1154 diese Brakteaten prägte, hat diesen Münzverruf zur Regel gemacht. Wahrscheinlich, um über den jeweils einkassier- ten Umtausch-Abschlag – Schlagschatz oder Prägesteuer genannt – den Staatshaushalt auf bequeme und sichere Weise zu finanzieren. Verständlich, dass diese Steuerein- zugsmethode bei anderen Herrschern und Münzherren sehr schnell Nachahmer fand. Doch dieser von den Bürgern sicher kaum begrüßte Abschlag, hatte einen nicht einge- planten segensreichen Nebeneffekt: Das geprägte Dünn- blechgeld lief im Gegensatz zu den massiven Münzen in der Wirtschaft kontinuierlich um! Kaum einer zog es noch aus dem Verkehr oder sammelte es gar in Truhen, denn mit jeder Ansammlung riskierte man beim nächsten Geldum- tausch höhere Verluste. Um diese zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren, gab man sein Geld möglichst in dem Rhythmus weiter, wie man es selbst erhielt. Und hatte man im Moment keinerlei Verwendung und damit Geld übrig, verlieh man es gern an andere. Denn auf diese Weise konnte man den ›Schwarzen Peter‹ des Umtausch- Abschlags an einen anderen weitergeben. Der Geldleiher hatte dann das Risiko, der Verleiher aber Anspruch auf Rückerstattung des vollen Betrages, auch über den Um- tauschtermin hinaus.,

Was bewirkten die Brakteaten?

Die Folge dieser Brakteaten-Eigenschaften war ein weitge- hend störungsfreier Geldumlauf und damit ein Rückgang der Knappheit mit entsprechend sinkenden Zinsen. Ent- sprechend positiv waren die Folgen für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen. Zwar gab es neben den Brakteaten auch noch die massiven und dauerhaften Mün- zen, aber diese wurden hauptsächlich als Schatzmittel ver- wandt. In der Brakteatenzeit, vor allem dem 13. und 14. Jahr- hundert, entstanden allein im deutschen Sprachraum meh- rere hundert Städte. Die Hanse hatte ihre Blüte, die Wirt- schaft gedieh und zum ersten Mal gab es so etwas wie einen breiten Bürgerreichtum. Den Spuren dieser Zeit kann man in den wenigen unversehrt gebliebenen Städten bzw. Alt- stadtbezirken, wie z. B. Dinkelsbühl, Rothenburg, Nördlin- gen oder Lübeck, noch nachgehen. Nie wieder hat es so vie- le Künstler und Kunsthandwerker gegeben wie in diesen Jahrhunderten. Fast alle Balken an den Bürgerhäusern und selbst der letzte Stein auf den Spitzen der Kirchen und Kathedralen waren kunstvoll gestaltet, ebenso die Glas- fenster und Kirchengestühle. Gerade die Kathedralen legen heute noch Zeugnis ab von dem Reichtum dieser Zeit. Sie wurden nicht – wie die Pyramiden – durch Zwangsarbeiter errichtet, sondern von hoch bezahlten Handwerkern und Baumeistern. Und die- ser breit gestreute Wohlstand war nicht die Folge einer ständigen Leistungssteigerung oder eines Wirtschafts- wachstums in unserem heutigen Sinne. Er war ganz einfach die Folge einer langen Epoche des Wirtschaftens mit einem relativ verstetigten Geldkreislauf, einer Epoche der Wohls- tandmehrung durch die weitgehende Vermeidung der sonst sich wiederholenden verarmenden Konjunktureinbrüche:, Er war die Folge eines umlaufenden Geldes, dem der Aus- beutungscharakter weitgehend genommen war! Vielerorts gab es damals schon eine Fünftagewoche, denn der ›Blaue Montag‹ war beispielweise in den deutschen Zünften arbeitsfrei. (Der Name rührt daher, weil die Hand- werker an diesem Tag ihre Arbeitskleidung – ihr Blauzeug – in die Wäsche gaben. Noch heute spricht man davon, einen Tag ›blau‹ zu machen, wenn man der Arbeit aus dem Wege gehen will.) Auch wenn man im Hochmittelalter noch keinen Urlaub in unserem Sinne kannte, gab es doch – zusätzlich zu den Wochenenden – bis zu 70 und mehr Feiertage im Jahr, wie in Chroniken aus dieser Zeit berichtet wird. Wie reich die Zeit gewesen sein muss, zeigt sich vor allem an den Bauleistungen. Als man z. B. Mitte des 13. Jahrhun- derts mit dem Kölner Dom begann, lebten in der Stadt kaum mehr als 20 000 Menschen. Und diese waren in der Lage, ein Gebäude zu planen und zu erbauen, in dem prak- tisch alle Bürger Platz fanden. Gleichzeitig konnten sie die Stadt mit Mauern und Toren schützen, deren Solidität und Gestaltung heute noch Bewunderung auslöst. Und solche großen Bauprojekte konnten sie selbst dann beginnen, wenn sich die Fertigstellung über mehr als hundert Jahre hinzog – was sich in einer zinsbelasteten Zeit nie hätte finanzieren und realisieren lassen. Zeit war offensichtlich damals (noch) nicht identisch mit Geld! Dass diese wirtschaftliche und kulturelle Blüte mit dem Geld zusammenhing, bestätigt auch das Ende dieser Ära im 14. und 15. Jahrhundert, in denen die Brakteaten wieder durch ›Dickpfennige‹ oder ›ewige Pfennige‹ ersetzt wur- den. Zu dieser Abschaffung kam es möglicherweise, weil manche Münzherren die Verrufung zu oft wiederholt und damit Widerstand bei den Bürgern ausgelöst hatten. Oder vielleicht auch, weil neue Gold- und Silberfunde genügend Material für die Herstellung massiver, doppelseitig gepräg-, ter Münzen boten. Die damit geprägten Münzen belebten zwar anfangs ebenfalls Handel und Gewerbe, doch sie ver- schwanden sehr schnell auch wieder aus dem Wirtschafts- kreislauf in die Schatztruhen. Mit dieser nun wieder möglichen und eintretenden Ver- knappung des Geldes lebte zwangsläufig auch der Zins wie- der auf. Geldverleiher, wie z. B. die Fugger oder Welser, wurden immer reicher, alle anderen als Schuldner ärmer, bis hin zu Erzbischöfen und Fürsten, ja sogar bis zum Kaiser in Wien. Unvollendete Kathedralen blieben über Jahrhun- derte hinweg halb fertig stehen. Die Domtürme in Ulm oder Köln wurden erst im 19. Jahrhundert fertiggestellt und in Straßburg fehlt heute noch eine der beiden Spitzen. Dieser plötzliche Abbruch der Bautätigkeit wird bei Führungen und in Veröffentlichungen oft mit dem Hinweis erklärt, dass kein Geld mehr da gewesen sei. Wo das Geld aber geblieben war und warum es verschwand, wird nie erklärt. Weil sich die Menschen der damaligen Zeit über die posi- tiven Wirkungsmechanismen der Brakteaten und die nega- tiven des massiven Geldes nicht im Klaren waren, haben sie sicherlich die Wiedereinführung der massiven Münzen aus Gold oder Silber begrüßt, die nicht mehr dem Verruf unter- lagen. Leider unterlagen sie aber auch nicht mehr dem Zwang, sich auf den Märkten – wie die zu tauschenden Güter – anzubieten.

Was ist der Zins heute?

Profit, Gewinn, Überschuss, Rendite, Mehrwert und Zins werden heute in Theorie und Praxis immer noch häufig verwechselt oder durcheinander geworfen. Geht man den Dingen nach, dann bleiben in Wirklichkeit nur zwei Phäno- mene übrig: der Zins als Anspruch aus dem Einsatz von, Geld- und Sachkapital (einschl. Boden) und der Gewinn als Überschuss. Dabei sind die Zinsen, in Prozenten auf das eingesetzte Kapital berechnet, eine feste und bekannte Kostengröße. Der Gewinn dagegen, in Prozenten des Umsatzes ausgedrückt, eine schwankende und offene Grö- ße. Er ergibt sich erst nach Abzug aller Kosten – auch derje- nigen der Verzinsung! – als Restergebnis in der Einnah- men-Ausgabenrechnung. Und das auch nur dann, wenn dieses Restergebnis positiv ist. Im anderen Fall liegt statt des Gewinns ein Verlust vor. Die Zinsen, als Kosten für das Geld- und Sachkapital, gehen also in die Preise genauso als eine feste Lastgröße ein wie die Kosten für das Material und das Personal. Der Gewinn dagegen kann allenfalls als Risikoaufschlag in die Kalkulation aufgenommen werden. Dass heute immer noch in vielen Fällen nur die Fremd- kapitalverzinsung als Kostenfaktor ausgewiesen wird, wäh- rend die Eigenkapitalverzinsung im Gewinn verschwindet, trägt entscheidend zur Verwirrung in Sachen Zinsen bei. Außerdem verhindert diese Art von Buchführung sachge- rechte Vergleiche zwischen den Betriebsergebnissen ver- schuldeter und unverschuldeter Unternehmen. Und in alternativen Betrieben liegt hier oft die Quelle der ver- steckten Selbstausbeutung. Zins ist also Einkommen aus Besitz von Geld- oder Sach- kapital. Dabei bestimmt die Zinshöhe des Geldes die Ver- zinsung des Sachkapitals. Denn wer wird wohl sein Geld von der Bank abheben und in eine Sachanlage stecken, wenn diese weniger Zinsen verspricht als die Geldanlage bei der Bank? Das heißt, der Geldzins ist die Schwelle und die Hürde vor jeder Wirtschaftstätigkeit und damit auch vor jeder Schaffung eines Arbeitsplatzes. Viele Investitio- nen werden darum erst bei sinkenden Geldzinsen möglich, so sinnvoll und notwendig sie auch sein mögen. Mit jeder, weiteren Investition aber sättigen sich die Märkte, was über nachlassenden Kreditbedarf auf die Geldzinsen drückt. Sinkende Geldzinsen wiederum drücken auf die Verzin- sung aller bestehenden Sachvermögen. Denn welcher Hauswirt kann z. B. für eine Wohnung noch eine sechspro- zentige Kapitalverzinsung fordern, wenn jeder Mieter sich mit einer dreiprozentigen Hypothek eine Eigentumswoh- nung kaufen kann? Doch solche marktgerechten zinssen- kenden Entwicklungen sind nur möglich, wenn das Geld nicht ›streiken‹ kann und der Zins – wie alle anderen Knappheitsgewinne – den Marktkräften unterstellt ist. Die eigentliche Ursache der Ausbeutung liegt also nicht im Sachvermögen, sondern im Geldvermögen, nicht in der Produktions-, sondern in der Zirkulationssphäre. Verständ- lich, dass der kommunistische Weg zu einer sozialeren Gesellschaft scheitern musste. Marx selbst hatte zwar im 3. Band seines Hauptwerks »Das Kapital« den Vorrang der Geldkapitalbedienung vor der des Unternehmers mehrfach herausgestellt, aber diese Aussagen blieben leider unbeach- tet. Auch Engels betonte in seinem »Anti-Dühring« die Überlegenheit des Geldes und seine Fähigkeit, durch Schatz- bildung Zinsen zu erpressen. Und damit verwandeln sich – so schreibt er wörtlich – die »Beherrscher des Cirkulationsmit- tels und des Weltgeldes .in Beherrscher der Produktion, und damit in Beherrscher der Produktionsmittel, mögen die- se auch noch jahrelang dem Namen nach als Eigentum der Wirtschafts- und Handelskommune figurieren«.

Welche Zinsbegriffe gibt es?

Im Bereich der Zinsen gibt es eine fast verwirrende Fülle von Begriffen. Da ist von Nominal- und Realzins die Rede, von Soll- und Habenzinsen, von Kapital- und Geldmarkt-, zinsen usw. Außerdem gibt es Zinsbezeichnungen für die verschiedensten Einlagen und Kreditarten. Schließlich auch noch die Leitzinsen der Notenbanken. Es ist darum sinnvoll, die wichtigsten Zinsbegriffe kurz zu erklären. Der Nominalzins gibt die jeweils vereinbarten und einzu- haltenden Zinssätze wieder, sowohl für Einlagen als auch für Kredite. Der Realzins ist der Teil des Nominalzinses, der nach Abzug der Geldentwertungsrate, also des Inflations- satzes, übrig bleibt. Der Begriff Sollzins meint jene Zinsen, die der Kreditnehmer, der im Soll steht, zahlen muss. Der Begriff Habenzinsen gilt für die Zinsen, die der Sparer für sein Guthaben erhält. Bei Direktverleihungen zwischen zwei Wirtschaftsperso- nen sind Soll- und Habenzinsen identisch. Bei Verleihun- gen über die Banken klaffen sie auseinander. Die sich erge- bende Differenz zwischen beiden Größen ist die Bankmar- ge, jener Teil, den die Bank für ihre Vermittlungstätigkeit einbehält. Bei diesem Teil handelt es sich also nicht um ein leistungsloses Einkommen, sondern um die Honorierung der Vermittlungsdienstleistung. Wie die Darstellung 11 schematisch zeigt, schwankt dieser Bankanteil innerhalb der Soll- und Habenzinsen erheblich. Je kürzer die Laufzeiten von Einlagen und Krediten sind und je geringer ihre Höhe, umso größer ist im Allgemeinen die eingerechnete Bankmarge. Wenn also die kleinen Spa- rer die geringsten Guthabenzinsen erhalten und die kleinen Kreditnehmer die höchsten Kreditzinsen zahlen müssen, hängt das vor allem mit dem relativ größeren Arbeitsauf- wand bei Kleingeschäften zusammen. Außerdem werden große Beträge meist für längere Zeiträume eingelegt und verliehen, bzw. in einer Summe ein- und ausgezahlt, wäh- rend kleine Einlagen und Kredite oft mit vielen Ratenzah- lungsvorgängen und damit entsprechenden Zusatzkosten verbunden sind., Darstellung 11:

Wie setzen sich die Zinsen zusammen?

Bekommt man für die Termineinlage bei der Bank oder für ein Wertpapier im Jahr z. B. vier Prozent, so sind das – stabi- les Geld vorausgesetzt – reale Zinseinkünfte. Ist die Kauf- kraft des Geldes nicht stabil oder wird ein inflationärer Kaufkraftverlust befürchtet, dann wird der Einleger nor- malerweise für sein Geld einen höheren Zins verlangen, um auf diese Weise den Inflationsverlust seiner Einlage auszu- gleichen. Dieser Inflationsausgleich ist also keine reale Ein- kommenserhöhung, sondern dient zur Neutralisierung eines Verlustes, der sich sonst als Gewinn für den Kredit- nehmer ausgewirkt hätte., Zins, Inflationsausgleich und Bankmarge zusammen, also der gesamte nominelle Sollzins, ist für den Kreditneh- mer die entscheidende Größe. Denn in Höhe dieses Soll- zinses muss er zusätzliche Einnahmen erwirtschaften, auch dann, wenn er als Unternehmer oder Geschäftsmann seine Preise nicht um den Inflationsausgleich erhöhen kann. Stei- gende Zinsen – ob markt- oder inflationsbedingt – können also sehr schnell zur Überschreitung der Rentabilitätsgren- ze führen und damit zu Investitionsverzögerungen oder -rückstellungen. Für hoch verschuldete Unternehmen sind deutliche Zinssatzanstiege sogar der Auslöser von Zah- lungsunfähigkeiten und Firmenschließungen. Dabei laufen die Höhepunkte der Pleitewellen einige Jahre hinter den Zinswellen her, was man besonders gut auf dem zinsemp- findlichen Bau- und Wohnungsmarkt verfolgen kann. Aus der nachfolgenden Darstellung 12 gehen die Einzel- posten, aus denen sich der Zins zusammensetzt, differen- zierter hervor. Die gesamte Höhe der abgebildeten Zinssäule entspricht den bereits erklärten Sollzinsen, also jenen Zinsen, die ein Kreditnehmer an die Bank zu zahlen hat. Nach Abzug des (sehr unterschiedlichen) Bankanteils in diesen Sollzinsen verbleibt der Guthabenzins, also jener Zins, den die Bank dem Geldgeber zahlt. Wenn dieser seinen tatsächlichen Zinsertrag feststellen will, muss er von diesem Habenzins die Inflationsrate in Abzug bringen. Der verbleibende Realzins ist der wirkliche ›Preis des Geldes‹. Oder anders ausgedrückt: Es ist der Tribut, den der Geldgeber als Belohnung dafür verlangt, dass er sein übriges Geld nicht hortet, sondern dem Wirtschaftskreis- lauf wieder zur Verfügung stellt. Der Realzins wiederum besteht in erster Linie aus einem Grundanteil, mit dem sich der Geldbesitzer die Aufgabe des Liquiditätsvorteils honorieren lässt. Keynes spricht von, Darstellung 12: der Liquiditäts(verzichts)prämie, Gesell vom Urzins, in dessen Höhe sich die Überlegenheit des Geldes gegen- über den Gütern bzw. der Vorteil der liquiden Geldhal- tung widerspiegelt. Dieser Grundzins – gleichgültig wie man ihn erklärt – erhöht sich je nach Marktlage noch durch einen Knappheitsaufschlag. Dieser Knappheitsauf- schlag ist jener Zinsanteil, der von den Angebots- und Nachfrageschwankungen an den Kapitalmärkten beein- flusst wird. Angesichts der überbordenden Geldüber- schüsse müsste er eigentlich längst aus der Zinsbildung verschwunden sein. Doch er kann deshalb nicht ver- schwinden, weil Geld nicht unter dem gleichen Angebots- zwang steht wie Güter und Arbeit. Konkret: Weil man, Geld künstlich verknappen kann, auch wenn es gar nicht (mehr) knapp ist.

Was umfasst die Bankmarge im Zins?

Die Bankmarge deckt – wie gesagt – die Bankkosten ab. Dieser Sollzinsanteil kommt also nur dann hinzu, wenn eine Bank zwischen Sparer und Kreditnehmer tätig wird. Die Bankmarge verteuert jedoch nicht nur die Kreditzin- sen, sie belastet auch die Habenzinsen des Sparers. Denn wie bereits aus der Darstellung 11 ersichtlich, verteilen sich diese Vermittlungskosten auf beide Beteiligten. Das heißt, bei einem Direktkredit würde der Geldgeber mehr erhal- ten und der Kreditnehmer weniger zahlen. Dafür hätten beide aber Schwierigkeiten, sich überhaupt zu finden und die Verleihformalitäten abzuwickeln. Für den Geldgeber käme außerdem das Kreditrisiko hinzu, das bei einer Ver- mittlung über eine Bank von dieser übernommen wird. Geht man von den Gegebenheiten in Deutschland aus, dann liegt die Bankmarge im Durchschnitt bei etwa zwei Prozent des Geschäftsvolumens, bezogen auf das Kreditvo- lumen bei zweieinhalb bis drei Prozent. Die Kreditzinsen bestehen also im Schnitt zu etwa einem Drittel aus Bankkos- ten und zu etwa zwei Dritteln aus den eigentlichen Zinsen. Die Marge, die die Bank zwischen Soll- und Habenzin- sen einschiebt, ist jedoch keinesfalls ein Reingewinn. Wie aus der Darstellung 12 hervorgeht, muss man diese Marge vielmehr wieder aufteilen, und zwar in einen Sachkosten- anteil und in einen Überschuss. Der Sachkostenanteil be- steht im Wesentlichen aus den Kosten für das Personal, die Gebäude und das Risiko, das die Bank zum Schutz des Spa- rers übernimmt. Dabei sind die Personalkosten der größte Posten. Zieht man von der gesamten Menge diese Sachkos-, ten ab, dann verbleibt der so genannte Jahresüberschuss vor Steuern. Dieser liegt in Deutschland im Durchschnitt aller Banken bei etwa einem Drittel der Marge. Bezogen auf das Geschäftsvolumen macht der Überschuss also nur 0,5 bis 0,6 Prozent aus, bezogen auf das Kreditvolumen 0,7 bis 0,9 Prozent. Dieser Überschuss reduziert sich durch die Steuern noch mal um gut die Hälfte. Will man die Höhe des wirklichen Bankgewinns ermitteln, muss man aus dem sich so ergebenden Überschuss nach Steuern noch die Verzin- sung des Eigenkapitals herausrechnen. Zinssätze und Bankmarge sind im Allgemeinen umso niedriger, je stabiler die Geldkaufkraft sowie die Wirt- schafts- und Gesellschaftsgegebenheiten in einem Land sind. Aufgrund der besonderen und historisch langen Stabi- lität liegen die realen Zinssätze beispielsweise in der Schweiz – wie die Darstellung 13 zeigt – deutlich unter jenen aller anderen europäischen Länder. Darstellung 13:, Selbst gegenüber Deutschland gibt es bei langfristigen Gut- haben und Krediten eine Differenz von zwei Prozentpunk- ten. Besonders niedrig liegen die Zinssätze in Japan, was einmal – wie auch in der Schweiz – auf die hohen Sparquo- ten bzw. Geldeinlagen zurückzuführen ist. Das in Japan zwischenzeitlich sogar gegen Null gefallene Zinsniveau ist jedoch – wie auch andere Indikatoren des Wirtschaftsge- schehens zeigen – bereits als Deflationserscheinung anzu- sehen.

Was versteht man unter Leitzinsen?

Wie das Wort leiten sagt, sollen diese Zinsen Einfluss auf die Wirtschaft nehmen, vor allem auf die Zinsentwicklung. Dieser Einfluss hängt damit zusammen, dass die Geschäfts- banken diese Leitzinsen zahlen müssen, wenn sie von der Notenbank Geld leihen wollen. Wie bereits dargelegt, tun sie das nur in zwei Fällen: Einmal, wenn Kunden mehr Bar- geld an den Schaltern nachfragen, als von anderen Kunden laufend eingezahlt wird. Zum Zweiten, um die notwendi- gen Clearingkonten bzw. die vorgeschriebenen Mindestre- serven mit Zentralbankgeld aufzufüllen. Auch dann, wenn sie über die Kundeneinlagen hinaus Kredite gewähren wol- len, müssen sie ggfs. die damit anfallenden Zahlungen und/ oder Überweisungen mit zusätzlich geliehenem Zentral- bankgeld abdecken. Ob die Zentralbanken diesen Bedarf jedoch erfüllen, hängt weitgehend von deren Bereitschaft zur Ausweitung der Geldmenge ab. Gibt eine Notenbank zusätzliches Zentralbankgeld gegen eingereichte Wechsel heraus, dann spricht man vom Diskontzins. Diese Geldherausgabe über Wechsel ist im Grunde eine vernünftige Sache, da eine Zunahme der Bezahlungen über Wechsel eine Knappheit von Geld in der, Darstellung 14: Wirtschaft signalisiert. Außerdem sind Wechselkredite durchweg mit bereits erbrachten Leistungen gedeckt. Diese Refinanzierungen der Banken über Wechsel gibt bzw. gab es allerdings nur in wenigen Ländern. Auch in, Deutschland wurde dieser besonders zinsgünstige Weg schon seit 1985 immer mehr heruntergefahren und mit der Einführung des Euro ganz aufgehoben, wie aus der Dar- stellung 14 hervorgeht. An ihre Stelle traten zunehmend die so genannten Wertpapier-Pensionsgeschäfte, mit denen die Banken für wenige Wochen zu schwankenden Zinssät- zen Geld leihen konnten. Als Sicherheit für diese Pensionsgeschäfte mussten die Banken der Bundesbank Wertpapiere verkaufen (in Pensi- on geben) und sich verpflichten, sie nach Ablauf der Kre- ditfrist wieder zum gleichen Preis zurückzukaufen. Ansons- ten gab es noch den durchweg zwei Prozentpunkte über dem Diskontsatz liegenden Lombardzins, zu dem die Ban- ken sich theoretisch unbegrenzt refinanzieren konnten. Wegen seiner hohen Kosten wurde diese Möglichkeit jedoch nur im Notfall genutzt. Diese verschiedenen Refinanzierungswege, vor allem die Praktiken der EZB, werden in Kapitel 11 noch genauer beschrieben.

Welchen Einfluss haben die Notenbanken auf

den Marktzins? Dass der Einfluss auf die Zinsen bereits beim Geldmarkt relativ fragwürdig ist, ging bereits aus der Darstellung 10 hervor. Noch geringer ist er bezogen auf jene Kapitalmärkte, auf denen sich die Ersparnisse der Marktteilnehmer sammeln und sich die Unternehmen sowie die öffentlichen wie priva- ten Haushalte ihre Investitions- oder Konsumkredite holen. Diese nur geringe Einflussnahme der Notenbanken ist allein schon deshalb gegeben, weil sich die auf diesen Kapitalmärk- ten bildenden Zinssätze auf Kreditmittel beziehen, die viel-, mals größer sind als die Mittel der Notenbanken. Denn wäh- rend sich der von den Notenbanken zu befriedigende Geld- bedarf weitgehend im Gleichschritt mit dem Wachstum der Wirtschaft entwickelt, nehmen die Geldersparnisse bei den Geschäftsbanken aufgrund der hohen Sparquoten deutlich schneller zu und damit auch die an die Wirtschaft zu verge- benden Kredite. So lagen beispielsweise die gesamten Geld- vermögen und Schulden der Nichtbanken in Deutschland 1998 beim 40fachen der Bargeldmenge und beim 30fachen der von der Deutschen Bundesbank herausgegebenen Zen- tralbankgeldmenge, d. h. der Summe von Bargeld und Zen- tralbankgeldguthaben der Geschäftsbanken bei der Zentral- bank. Mit dieser sich tendenziell öffnenden Schere zwischen Zentralbankgeld und Geldersparnissen wird der ›Geldhe- bel‹ der Notenbanken, mit dem sie die Wirtschaft beein- flussen können, immer wirkungsloser. Schon seit Jahren geben Notenbanker zu, dass sie die Zinsen am Markt allenfalls noch im Trend verstärken oder abschwächen, nicht aber mehr entscheidend beeinflussen können. So z. B. 1992 der Ökonom Gerhard Fels, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft: »Es gehört zu den Grundirrtümern der geldpolitischen Diskussion, in der Notenbank die Instanz zu sehen, die die Höhe der für die Volkswirtschaft relevanten Zinsen be- stimmt. Sie kann das Zinsniveau allenfalls kurzfristig beein- flussen und auch das nicht entgegen den Marktkräften.« Veränderungen der Notenbankzinsen sind also heute oft mehr Theaterdonner und Psychologie als konkreter Ein- griff in den Markt. Das gilt besonders für den wichtigsten Marktzins, den so genannten Kapitalmarktzins. Das ist jener Zins, den man für längerfristige Geldüberlassungen erhält und an dem sich sowohl die Anleger als auch die Investoren in der Wirtschaft orientieren. Dieser Kapital- marktzins ist z. B. in Deutschland von Anfang 1990 bis Mit-, te 1993 leicht gesunken, obwohl die Deutsche Bundesbank in dieser Zeit die Leitzinsen dreimal angehoben und der Staat seine Verschuldung extrem ausgeweitet hat. Resignierend schreibt zu diesem Tatbestand Helmut Hesse, Präsident der Landeszentralbank in Niedersachsen, im Sommer 1992: »Die Leitzinsen haben sicher das höchste Niveau in der Geschichte der Bundesrepublik erreicht. Sie waren aber auch noch nie so unwirksam wie heute.«

Welche Größen und Relationen haben die Zins-

erträge und -aufwendungen bei den Banken? Zieht man zur Veranschaulichung einmal die Zahlen aus den Statistiken der Deutschen Bundesbank heran, dann lagen die Zinserträge aller deutschen Banken 1998 bei 603 Mrd. DM. Damit waren diese Zinserträge, die in etwa mit den Fremdkapitalkosten der deutschen Wirtschaft gleich- zusetzen sind, deutlich höher als der Haushalt der deut- schen Bundesregierung (496 Mrd. DM) und lagen bei 60 Prozent der Nettolöhne und -gehälter (1 022 Mrd. DM). Die von den Banken an die Geldgeber ausgeschütteten Zinsen, die Zinsaufwendungen der Banken also, betrugen 1998 rund 455 Mrd. DM, woraus sich als Differenz eine Bankmarge bzw. ein Zinsüberschuss von 148 Mrd. DM = 25 Prozent der Erträge ergab. In der Darstellung 15 sind diese Zinsstromgrößen in ihren Relationen einmal flächenmäßig wiedergegeben, und zwar bezogen auf das praktisch inflationsfreie Jahr 1986, in dem Nominal- und Realzinssätze weitgehend identisch waren. Wie aus der Darstellung zu entnehmen, lagen die Zinser- träge der Banken, die der Gesamtfläche A in der Grafik entsprechen, 1986 erst bei 231 Mrd. DM. Das heißt, sie ha-, ben in den zwölf Jahren bis 1998 (603 Mrd.) auf das 2,6fache zugenommen! Darstellung 15:, Die untere Fläche B gibt die Größe der Zinsaufwendungen der Banken wieder, also der Zinsen, die an die Geldgeber geflossen sind. Die Fläche C schließlich weist als Differenz zur Gesamtgröße den Zinsüberschuss aus, der damals etwa bei 30 Prozent der Zinserträge lag und damit – wie meist in Niedrigzinsphasen – über dem Durchschnitt von 25 Pro- zent. Die Abstufungen bei den Flächen geben in der Höhe die unterschiedlichen Zinssätze wieder, in der Breite die Lauf- zeiten der Einlagen und Kredite. Wie zu erkennen, stim- men diese nicht überein. Konkret: Ein Teil der Kredite wird längerfristiger vergeben, als es den vereinbarten Einlage- zeiten entspricht. Da aber die tatsächlichen Einlagezeiten die vereinbarten durchweg deutlich übersteigen (Sparein- lagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist liegen im Durch- schnitt länger als ein Jahr auf den Konten), ist diese so genannte Fristentransformation weitgehend unbedenklich und von der Bankenaufsicht gestattet. Zu Schwierigkeiten könnte es allenfalls kommen, wenn die Banken bei einem Ansturm der Sparer die Einlagen rascher auszahlen müs- sten, als sie das Geld von den Kreditnehmern zurückerhal- ten, sofern das überhaupt in solchen Krisenlagen möglich ist. Wie aus den Abstufungen weiter zu entnehmen ist, machten die mit etwa acht bis neun Prozent verzinsten kurz- und mittelfristigen Kredite 1986 rund ein Fünftel der Gesamtkredite aus. Vier Fünftel entfielen auf die langfristi- gen Ausleihungen, die mit etwa sieben Prozent zu verzinsen waren. Erkennbar wird auch hier wieder die steile Abnah- me der Zinsmarge mit den zunehmenden Laufzeiten der Einlagen und Kredite. Am langfristigen Ende der Kredite schrumpft die Marge durchweg auf etwa ein Prozent zusammen., 6. Kapitel

Die Wirkungen von Zins

und Zinseszins »Die besondere Dynamik des kapita- listischen Wirtschaftssystems besteht darin, dass Geld und Zins miteinan- der verbunden werden .Rein mathematisch reißt der Zins die Menschen auseinander: diejenigen, die an der Armut zugrunde gehen, und diejenigen, die an der Zahlungs- not des Kreditnehmers immer reicher werden.« Eugen Drewermann* Der Zins erscheint fast allen Sparern als herrliche Sache: Man hat nichts dafür getan und erhält trotzdem am Jahres- ende eine Gutschrift. Und darüber freut man sich natür- lich! Schenkt man den Werbeanzeigen der Banken Glauben, dann entstehen diese Zinsgutschriften auf fast wundersame Weise. Demnach kann Geld arbeiten, wachsen oder sich aus sich selbst heraus vermehren. Mit solchen Anzeigen und Aussagen werden jedoch nur Illusionen geweckt und die Realitäten verschleiert. Denn in Wirklichkeit hat noch niemand arbeitendes Geld gesehen. Arbeit wird immer nur von Menschen geleis- tet, mit oder ohne Hilfe von Gerätschaften, Einrichtungen und Maschinen, die wiederum von Menschen geschaffen * Theologe, in »Jesus von Nazareth – Befreiung zum Frieden«, wurden. Ebenso dümmlich ist die Aussage, dass Geld wach- sen oder sich vermehren kann. Wer einmal einen Geld- schein in einen Blumentopf steckt, der wird auch mit dem besten Natur- oder Kunstdünger keine Geld-Wachstums- Erfolge erzielen. Und wer zwei Geldscheine zusammen in die Brieftasche legt, wird ebenfalls kaum erleben, dass sie »Junge kriegen«. Manchmal versucht man es jedoch auch mit Offenheit. So hieß es z. B. in einer deutschen Bankanzeige aus dem Jahre 1982: »Wie Sie zu Geld kommen, ohne einen Finger krumm zu machen.« Und aus dem weiteren Text, der eine neunprozentige Verzinsung versprach, konnte man entneh- men, dass es lediglich eines Anrufs bedürfe, um auf diese Weise sein Geld alle acht Jahre zu verdoppeln. Was diese Bank in ihrer Anzeige jedoch verschwieg, sind die realen Vorgänge und Zusammenhänge. Denn »ohne, einen Finger krumm zu machen«, kann man nur dann zu Geld kommen, wenn dieses Geld einem anderen genom- men wird. Und zwar einem, der seine Finger krumm machen oder seinen Kopf anstrengen musste. Das heißt, immer dann, wenn jemand ohne eigene Leistung Geld erhält, ist das einem anderen aus der Tasche gezogen wor- den. Eine geheimnisvolle dritte Möglichkeit zur Deckung leistungsloser Einkünfte gibt es nicht. Denn in der Wirt- schaft geschehen keine Wunder und zweimal zwei ist – wie überall – auch hier immer nur vier. Die Irrealität des ganzen Zinssystems geht aus einer ein- fachen Vergleichsrechnung hervor: Hätten Eltern bei der vorgenannten Bank im Jahr 1982 für ihre Kinder jeweils 10 000 DM zu neun Prozent angelegt, würde sich die Anlage, bereits bis zum Jahr 2022 – also nach vierzig Jahren – auf 314 000 vermehrt haben. Ab dann könnten ihre Kinder bereits mit einer laufenden Monatsrente von je rund 2 400 DM aus den Zinseinkünften leben. Würden sie erst acht Jahre später mit dem Rentnerleben beginnen, hätten sie bereits das Doppelte im Monat zur Verfügung. Und noch mal acht Jahre später – also nach 56 Jahren im Jahr 2038 – wären alle Kinder Millionäre, mit einem monatlichen Zins- einkommen von fast 10 000 Mark!

Woher kommen die Zinsen tatsächlich?

Wie fast alles in der Welt hat auch der Zins zwei Seiten. Die eine gilt für den Sparer, der sich der Zinseinkünfte erfreuen kann, und die andere für den Schuldner, der sie zahlen muss. Nun wird der Sparer, der keine Schulden gemacht hat, sicher denken, dass er also Gewinner bei dieser Zins- Umverteilung ist. Ist das tatsächlich der Fall? Darstellung 16:, In der Darstellung 16 ist die Wirklichkeit der zinsbezoge- nen Abläufe vereinfacht als Schema wiedergegeben. Wie daraus ersichtlich, verleiht die Bank die Geldeinlagen des Sparers weiter, zum größten Teil an die Unternehmen in der Wirtschaft. Von diesen Kreditnehmern zieht die Bank dann die Zinsen ein, die sie dem Sparer gibt. Für die Unternehmer aber sind Zinsen Kapitalkosten. Sie müssen diese Kosten, genauso wie für das Personal und Material, über die Preise an den Markt und damit an den Endverbraucher weitergeben, wenn sie selbst überleben wollen. Das heißt, die Zinsen für den Kapitaleinsatz ste- cken in allen Preisen. Das heißt aber auch, dass die Zinsen, die der Sparer erhält, ihm als Verbraucher und Konsument mit jedem ausgegebenen Geldschein aus der Tasche gezo- gen werden. Es ist also nicht so, wie auch heute noch sehr viele Bürger vermuten, dass sie nur als Kreditnehmer Zinsen zahlen müssen, wenn sie sich zum Beispiel zur Finanzierung ihres Autos oder für den Bau des Eigenheims Geld geliehen haben. Zinsen müssen auch die nicht Verschuldeten lau- fend zahlen. Sie sind nur in den Preisen versteckt.

Wie hoch sind die versteckten Zinsen?

Dass in den Preisen auch sachfremde Kosten stecken, zum Beispiel Mehrwert- oder sonstige Steuern, ist bekannt. Im Gegensatz zu den Steuern aber lässt sich die Höhe der in den Preisen steckenden Zinsen nicht einheitlich benennen. Sie hängt nämlich nicht nur von dem jeweils gültigen Zins- satz ab, sondern noch mehr von der Höhe des jeweils einge- setzten Kapitals. Das heißt, die Zinskosten in den Preisen sind das Ergebnis von Kapital mal Zinssatz. Welchen pro- zentualen Anteil die so errechneten Zinskosten innerhalb, des Preises ausmachen, hängt dann wieder von den übrigen Kosten ab, die in die Kalkulation eingehen. Bei einem handgeflochtenen Korb beispielsweise wird der Zinsanteil sehr gering sein. Sein Preis wird weitgehend vom Lohn bestimmt. Bei Produkten jedoch, die mit hohem technischem Einsatz und relativ geringen Lohnkosten her- gestellt werden, wie zum Beispiel Heizöl und Treibstoff, beherrschen die Kapitalkosten den Preis. Der Zins bewirkt als Kostenfaktor also eine Verteuerung aller Güter. Diese überall einfließende Verteuerung muss – wie bei den Steu- ern – am Ende der Kette immer von den Endverbrauchern getragen werden. Über unzählige Kanäle fließen diese von den Verbrau- chern gezahlten Zinsen dann wieder zu den Kapitalbesit- zern. Dabei vereinen sich in fast allen Bürgern beide Rol- len: Jeder ist mit seinen Ausgaben automatisch auch Zins- zahler – selbst Millionäre und Milliardäre. Fast jeder ist aber auch Zinsbezieher, und sei es nur in Höhe der Zinsgut- schriften auf seinem Sparbuch. Klammert man die privaten Schulden der Haushalte ein- mal aus, dann lassen sich also die Zinslasten eines Haus- halts an der Höhe der Ausgaben festmachen. Die Zinsein- kommen dagegen hängen von der Höhe des zinstragenden Vermögens ab. Entscheidend für die Beurteilung der Zins- wirkungen ist für jeden also immer das Verhältnis zwischen den zu tragenden Zinsen – ob direkt oder indirekt gezahlt – und den empfangenen Zinsen.

Ist der Zins ein Monopoleinkommen?

Preise bilden sich am Markt durch Angebot und Nachfrage, wobei sie normalerweise nur vorübergehend unter die Gestehungskosten sinken können. Ist eine angebotene, Ware knapp und die Nachfrage groß, steigen die Preise und damit die Gewinne. Diese überhöhten Knappheitsgewinne führen jedoch dazu, dass auch andere Produzenten versu- chen werden, diese knappe Ware oder Leistung anzubieten. Durch das vergrößerte Angebot konkurrieren sie die über- höhten Preise selbst nach unten. Der Wettbewerb auf frei- en Märkten sorgt also dafür, dass die Gewinne niemals in den Himmel wachsen. Jeder Produzent von Waren oder Leistungen ist außer- dem gezwungen, seine Produkte loszuschlagen. Notfalls sogar unter den Einstandskosten, wenn er noch höhere Ver- luste vermeiden will. Zum Angebot zwingen ihn z. B. Alte- rung oder Verderb der Ware, Gefahr des Unmodern- oder Überholtwerdens durch neue Produkte usw. Aber auch bei haltbaren und nicht der Mode unterworfenen Produkten entstehen zumindest laufende Lager- und Pflegekosten, die den Gewinn sehr schnell aufzehren können. Nur deshalb werden liegen gebliebene Güter in Sonderangeboten und Schlussverkäufen oft weit unter Preis verramscht. Von ver- billigten Geldscheinen im Ausverkauf, selbst von abgegriffe- nen oder zerknitterten, hat man noch nie etwas gehört! Betrachten wir unter diesen Aspekten das Geld, dann zeigt sich, dass es das einzige ›Produkt‹ ist, das sich diesen ausgleichenden Marktkräften entziehen und damit den Abbau der Knappheitsgewinne – hier des Zinses – verhin- dern kann. Denn im Gegensatz zum Halter normaler Pro- dukte unterliegt der Halter überschüssigen Geldes keinem Angebotszwang. Wenn ihm die angebotene Belohnung für die leihweise Hergabe von Geld nicht hoch genug er- scheint, kann er warten. Zwar verzichtet er vorübergehend auf die Einnahme von Zinsen, aber dafür kann er den Vor- teil monetärer Liquidität genießen, den Vorteil, jederzeit kaufen oder ein anderes Geschäft machen zu können. Außerdem weiß er aus Erfahrung, dass der Zins meist wie-, der ansteigt, wenn nur genügend Leute ihr Geld zurückge- halten haben. Der vorübergehende Verzicht auf Zinsen zahlt sich also fast immer aus. Der Geld-Überschussbesitzer kann also das gesamte Geldangebot verknappen und damit die Marktsättigung verhindern, die zum Absinken des Zinses führen würde. Und diese Tendenz zum Abwarten und Horten nimmt bei allen Geldhaltern bei sinkenden Zinsen zu, vor allem wenn der Zins unter jene Grenze fällt, die von den Geldbesitzern als Zinsminimum angesehen wird. Geld ist also nicht nur aufgrund seiner Liquiditätsvortei- le und der Haltbarkeit den Waren und der Arbeit überle- gen. Geld ist aufgrund seiner begrenzten Menge darüber hinaus ein Monopolgut, auch wenn es sich auf unzählige Hände verteilt. Ähnlich wie der unvermehrbare Boden kann darum auch das Geld heute immer einen Knappheits- preis erzwingen.

Was bewirkt der Zinseszinseffekt?

Den Begriff Zinseszins haben viele Leser sicher noch aus der Schule in Erinnerung. Vielleicht haben Sie sogar jene verrückten Rechnungen anstellen müssen, zu welcher Grö- ße sich ein Pfennig, angelegt zu Jesu Geburt, bis in unsere Tage vermehrt. Heinrich Haußmann aus Fürth hat diese Rechnung noch einmal ganz präzise mit Hilfe eines Computers Jahr für Jahr bis 1990 ausgedruckt. Das Ergebnis ist fast neun Meter lang und verblüffend: Bei einer Verzinsung von fünf Prozent des angelegten Pfennigs im Jahre Null, wäre bis 1990 ein Ver- mögen entstanden, das man nur noch in Goldkugeln im Gewicht unserer Erde wiedergeben kann: nämlich 134 Mil- liarden Stück!, Aufschlussreich ist auch die Explosivität der zinseszins- bedingten Entwicklung: Bis zum Jahr 296 hatte sich erst ein Vermögen von einem Kilogramm Gold angesammelt. Anno 1466 war es schon eine Goldkugel im Gewicht der Erde, 1749 waren es eine Million Stück davon und 1890 eine Milliarde. In den letzten hundert Jahren, von 1890 bis 1990, sind dann noch die ›restlichen‹ 133 Milliarden Goldkugeln dazugekommen. Und da sich nach den Zinseszinsgesetzen jedes Geldvermögen bei fünf Prozent Verzinsung etwa alle 14 Jahre verdoppelt, wird der Besitzer jenes Sparbuchs aus dem Jahre Null im Jahr 2004 bereits einen Anspruch auf 268 Milliarden Goldkugeln im Gewicht der Erde haben und im Jahr 2018 sogar auf 536 Stück! – Gibt es einen besseren Beweis dafür, dass der Zins die Erde letztlich fressen muss, wie Margrit Kennedy es in ihrem Buch Geld ohne Zinsen und Inflation so treffend ausdrückte? Den gravierenden Unterschied zwischen Zins und Zin- seszins macht eine weitere Berechnung von Heinrich Haußmann deutlich: Hätte man den Zinseszinseffekt aus- geklammert und die Zinsen jeweils auf einem unverzinsli- chen Konto angesammelt, dann hätte sich der Pfennig aus dem Jahr Null bis 1990 nur auf knapp eine Mark vermehrt, also nur auf das Hundertfache! Erst die Einbeziehung der anfangs lächerlich geringen Zinsen in das vorgegebene ›Kapital‹, führte zu jener irrealen Ansammlung von Milliar- den erdschwerer Goldkugeln. In welchem Tempo solche exponentiellen Wachstums- prozesse um sich greifen, vermittelt auch das Lohnzah- lungsbeispiel in der Tabelle E. Gewiss würde sich bei einem Halbjahresjob kaum jemand auf das Angebot von einem Pfennig in der ersten Woche und wöchentlicher Verdopp- lung einlassen. Vielmehr würde fast jeder den regelmäßi- gen Wochenlohn von 1 000 DM vorziehen., Tabelle E:,

Spielt der Zinseszins auch in normalen Zeit-

abläufen eine Rolle? Solange Sparer ihre Zinsen abheben und ausgeben, bleibt ihr Geldvermögen konstant. Lassen sie aber die Zinsen ste- hen und wächst das Ersparte auch durch die Zinsen auf die Zinsen an, also durch den Zinseszins, dann kommt es selbst in relativ kurzen Zeiträumen bereits zu erheblichen Ver- mehrungen. Das zeigt die Darstellung 17. Darstellung 17:, In dieser Darstellung ist als schwarzer Balken eine Erspar- nis von 10 000 Geldeinheiten wiedergegeben, darüber ihre Entwicklung bei verschiedenen Zinssätzen. Die rechts aus- gewiesenen Ergebnisse zeigen, dass bei einer Verzinsung von drei Prozent das Vermögen von 10 000 Geldeinheiten in 50 Jahren auf rund 44 000 ansteigt. Geht man von einem ver- doppelten Zinssatz aus, also von sechs Prozent, dann steigt das Ergebnis nicht – wie man annehmen könnte – ebenfalls auf das Doppelte, sondern auf rund das Vierfache an. Noch- mal drei Prozent höhere Zinsen, also eine Verzinsung von neun Prozent, erbringen gegenüber der dreiprozentigen Verzinsung sogar ein rund 17mal höheres Ergebnis. Aus den Entwicklungskurven ist auch ersichtlich, dass der Zinseszinseffekt erst nach ein bis zwei Jahrzehnten zu irrea- len Eskalationen führt. Das heißt, eine junge Volkswirt- schaft, die z. B. nach einem Krieg mit einer neuen Währung und geringen Ersparnissen begonnen hat, wird anfangs von dem Vermehrungsproblem noch nicht so stark beeinflusst. Außerdem wird anfangs ein größerer Teil der Zinsen abge- hoben und verbraucht. Im Laufe der Zeit nehmen jedoch die Geldvermögen und -konzentrationen durch den Zinses- zinseffekt ›von alleine‹ immer mehr zu. Damit aber müs- sen in einer älter werdenden Volkswirtschaft auch die Dis- krepanzen zwischen den sozialen Schichten zwangsläufig rascher wachsen. Der Tatbestand, dass diese zinsbedingten Belastungen und Umverteilungen bei jungen Volkswirtschaften geringer sind, ist vielleicht auch eine Erklärung für das ›Wirtschafts- wunder‹ in jenen Ländern, die nach einem Währungskollaps (und damit weitgehend aufgelösten Guthaben- und Schul- denbeständen!) erneut beginnen. Doch auch in diesen Län- dern – wie z. B. in Deutschland oder Japan festzustellen – haben inzwischen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme zugenommen, auch wenn hier die sozialen Polari-, sierungen noch nicht so groß sind wie in jenen Industriena- tionen, die ihre Währungs- und Vermögensverhältnisse über den Zweiten Weltkrieg hinweg gerettet haben.

Sind zwölf Prozent Verzinsung irreal?

In der Darstellung 17 ist als vierte Verzinsungsalternative noch die Entwicklung der 10 000 GE bei einer zwölfprozen- tigen Verzinsung eingetragen. Wie ersichtlich, ist das Er- gebnis grafisch nicht mehr darstellbar. Rechnerisch ergibt sich eine Vermögenszunahme auf 2 890 000 GE in 50 Jah- ren, also auf rund das 290fache. Selbstverständlich erhält man zwölf Prozent Verzinsung auf keinem Sparbuch. Trotzdem ist diese Verzinsungshöhe nicht irreal. So konnte man Anfang der 80er Jahre US-ame- rikanische Staatspapiere kaufen, die zu 12 bzw. sogar zu 14 Prozent verzinst wurden. Und das bei einer Laufzeit von sage und schreibe 30 Jahren! Bei diesen Papieren handelte es sich um so genannte Zero-Bonds, auch Null-Cupon- Anleihen genannt. Auf diesen Papiere werden die Zinsen nicht jährlich ausgeschüttet. Vielmehr werden sie der Ein- standsgröße zugeschlagen und mit Zins und Zinseszins nach 30 Jahren ausgezahlt. Das heißt, für 10 000 Dollar, die die US-Regierung von einem Geldgeber 1982 erhalten hat, muss sie im Jahre 2012 bei 12 Prozent Verzinsung rund 300 000 und bei 14 Prozent rund 500 000 Dollar zurückge- ben. Also das 30- bzw. das 50fache des geliehenen Geldes! Dass eine Regierung eine solche waghalsige Zusage macht, ist bezeichnend für den Zustand, in dem sie sich befindet. Denn realistisch ist ein solches Versprechen doch nur dann, wenn in den 30 Jahren auch die Leistung der Volkswirtschaft und damit die Staatseinnahmen auf das 30- bzw. 50fache gesteigert werden könnten. Dass eine solche, Steigerung völlig irreal ist, auch wenn es keine Umweltpro- blematik gäbe, bedarf keiner Erklärungen. ›Realistisch‹ sind solche Zusagen also nur, wenn man von einer entsprechend hohen inflationären Entwertung des Geldes ausgeht. Eine andere Lösung kann es für solche Zusagen einfach nicht geben. Das heißt aber auch, dass sich hoch verschuldete Regierungen eine Kaufkraftstabilität des Geldes auf Dauer eigentlich gar nicht wünschen.

Wer oder was bestimmt die Zinshöhe?

Viele Bürger gehen davon aus, dass die Banken die Höhe der Zinsen bestimmen. Wäre das der Fall, dann würde es wohl kaum einmal Zinssenkungen geben. Der Zins ist jedoch – zumindest solange es unter den Banken noch Wettbewerb gibt–genauwiealleanderenPreisedasResultatvonAngebot und Nachfrage. Dass er wegen der Möglichkeit der Geldzu- rückhaltungnachuntenunflexibel ist,ändertdaranimPrinzip nichts. Steigende Zinsen sind also normalerweise nicht auf höhere Bankansprüche zurückzuführen, sondern die Folge verstärkter Kreditnachfrage oder erhöhter Forderungen der Sparer und sonstigen Geldgeber. Dabei können diese erhöh- ten Forderungen nicht nur aus Knappheit, sondern auch aus erhöhten Inflations- oder Risikoerwartungen resultieren. Für die Banken selbst ist die Höhe der Zinsen relativ gleichgültig. Für sie ist letztlich allein die Höhe der Bank- marge von Bedeutung. Wer sich einmal intensiver mit der Entwicklung der Bankmarge befasst, wird sogar feststellen, dass sich diese bei steigenden Zinsen relativ reduziert und erst bei fallenden Zinsen wieder erholt. Das heißt, die Wirklichkeit widerspricht der allgemeinen Vermutung, dass Banken von steigenden Zinsen Vorteile haben und diese deshalb nach oben treiben., Dieses auf den ersten Blick überraschende Phänomen, nämlich zurückgehende Gewinnquoten bei steigenden Zinssätzen, ist jedoch leicht erklärbar: Aufgrund der durch- weg längeren Laufzeiten der Kredite gegenüber den Einla- gen, der so genannten Fristentransformation, müssen die Banken die Guthabenzinsen rascher anheben, als sie das bei den Sollzinsen können. Um diesen Nachteil zu verrin- gern, versuchen sie darum immer wieder, zum Ärger der Sparer, die Zinsanpassungen nach oben möglichst lange zu verzögern. Umgekehrt haben die Banken bei sinkenden Zinsen einen vorübergehenden Vorteil.

Woher kommen die großen Zinsschwankungen?

Die relative Einflusslosigkeit der Notenbank-Leitzinsen auf die Zinsen des Marktes wurde bereits dargelegt. Trotz- dem führen Leitzinserhöhungen meistens auch zu Zinser- höhungen auf den Kapitalmärkten, vor allem, weil die Geldanleger dann von den Banken höhere Zinsen verlan- gen. Andererseits tendieren auch die Banken dazu, die höheren Kosten bei den Notenbanken auf die Kreditkun- den umzulegen. Sachlich ist das jedoch kaum zu begründen. Denn die Erhöhung sämtlicher Leitzinsen um einen Pro- zentpunkt, schlägt – auf die gesamten Bankkredite umge- legt – in Deutschland z. B. nur mit 0,06 Prozent zu Buche. Im Übrigen können Banken alle Zinserhöhungen nur durchsetzen, wenn der Markt mitspielt. Deshalb bewegen sich die Wirkungen der Leitzinsveränderungen wie auch die allgemeinen marktverursachten Zinsschwankungen in relativ moderaten Größenordnungen. Die sich wiederho- lenden erheblichen Schwankungen der Zinssätze, die unse- re Konjunkturen entscheidend beeinflussen und bestim- men, werden dagegen von Inflationsentwicklungen und -er-, wartungen ausgelöst. Das zeigt sich überdeutlich in der Dar- stellung 18, die von der Deutschen Bundesbank in ihrem Geschäftsbericht für das Jahr 1990 veröffentlicht wurde. Darstellung 18:, In dieser Darstellung sind die Entwicklungen der Verbrau- cherpreise und der kurzfristigen Zinssätze in sechs europäi- schen Ländern gegenübergestellt, und zwar für den Zeitraum von 1979 bis 1990, in dem es eine Hoch- und Niedrigphase für beide Größen gegeben hat. Wie die Kurven zeigen, kann man schon fast von einer Parallelität zwischen beiden Entwicklun- gen sprechen. Diese enge Beziehung beweist, wie sensibel die Geldanleger heute auf Preisveränderungen reagieren, um inflationsbedingten Substanzverlusten zu entgehen. Mittelt man die jeweiligen Höchst- und Tiefpunkte aus, wie in der Darstellung durch die vertikale Linie, dann wird erkennbar, dass die Preisänderungen tendenziell den Zins- satzkorrekturen vorauslaufen, also auslösend sind. Und da die Geldhalter immer schneller auf die Inflationsentwick- lung reagieren, oft auch schon auf Inflationserwartungen, wird die Zeitverschiebung immer kürzer. Früher war das seltener der Fall. Da lebte man noch mehr in der Illusion gleichbleibender Geldkaufkraft und ließ sich von Inflati- onsentwicklungen überraschen. Wie diese Grafik beweist (und auch die Darstellung 85 im letzten Teil des Buches), sind die inflationsbedingten Ge- samtpreisschwankungen die Hauptursache für die extremen Veränderungen der Zinssätze und der daraus resultierenden Folgen. Für diese Preisschwankungen sind aber weder die Banken noch die Marktteilnehmer verantwortlich, sondern allein die Geld ausgebenden Notenbanken.

Kann man den Zins nur durch Geldverknappung

hochhalten? Ganz gleich, ob man den Zins als Leihpreis für Geld, als Liquiditäts(verzichts)prämie oder wie auch immer defi- niert: Erzielbar ist er nur so lange, wie die Nachfrage nach, Geld über dem Geldangebot liegt, kurz: solange Geld relativ knapp ist. Diese Geldknappheit, und die damit hochbleiben- den Zinsen, kann man jedoch nicht nur durch eine Auswei- tung der Kreditnachfrage, sondern ebenso durch eine Ver- ringerung des Angebots erreichen. Denken wir zum Ver- gleich nur an den EG-Agrarmarkt: Wenn die Tomatenernte zu groß ausfällt und die Preise zu sinken drohen, wird dieser Gefahr durch eine Verknappung des Angebots entgegenge- wirkt. Ein Teil der Tomaten wird ›vom Markt genommen‹, was im Klartext heißt: Er wird vernichtet! Möglich wäre es aber auch, das Problem des Tomaten- überschusses durch eine Ausweitung der Nachfrage zu lösen, z. B. durch eine Werbekampagne zum verstärkten Verzehr oder die Entwicklung neuer Verwendungsmög- lichkeiten usw. Ähnlich kann man beim ›Preis des Geldes‹, dem Zins, einem Absinken durch Ausweitung der Nachfra- ge entgegenwirken. Damit wird vermieden, dass der Zins bis auf jene Marke fällt, bei der Geldhalter beginnen, das Geld verstärkt zurückzuhalten. Konkret: Fragen die Bürger nicht genug Güter nach und als Folge davon die Unterneh- mer nicht genug Kredite, kann man durch groß angelegte Werbekampagnen bei den Verbrauchern, durch Auswei- tung der staatlichen Subventionen oder Nachfrage nach öffentlichen Gütern wie Rüstung, Raumfahrt usw., den Zins oberhalb jener Grenze halten, an der es zu den gefähr- lichen Geldzurückhaltungen kommt. Genau das geschieht in allen Industrienationen seit einigen Jahrzehnten. Das heißt, wir sind nicht nur auf ständiges Wachstum und damit wachsende Staatseinnahmen angewiesen, um die Diskre- panzzunahme zwischen arm und reich durch staatliche Rückverteilungen verträglicher zu machen. Wir brauchen auch ein ständiges Wachstum, um die Zinssätze auf einer Höhe zu halten, die Geldzurückhaltungen mit ihren defla- tionären Folgen erst gar nicht entstehen lässt., 7. Kapitel

Der Zins als Umverteiler

»Kredit kostet Zinsen. Die Zinsen belasten die Letztverbraucher und die Unternehmer, die sich zu ihrem Konsum- oder Investitionsbedarf das Geld hinzuborgen. Die Zinsen ent- ziehen also den Letztverbrauchern und Unternehmern wiederum Geld, obgleich bei ihnen schon ohnehin zu wenig war, und sie fließen hin zu dem Anleger, bei dem ohnehin schon so viel Geld war, dass sich ein Über- schuss seiner Gelder über seinen Bedarf ergeben hatte.« Dieter Suhr* Stellen Sie sich einmal vor, Ihnen würde jemand regelmä- ßig einige Hunderter aus der Brieftasche nehmen. Ganz sicher würden Sie Anzeige erstatten. Nicht anders würden Sie wahrscheinlich reagieren, wenn jemand bei jedem Ihrer Käufe nach Mafiaart einen bestimmten Anteil der Kauf- summe abkassieren würde. Genau das aber passiert bei uns! Jeden Tag, bei jedem Kauf, in einem immer größeren Umfang! Gemeint ist diesmal nicht der Staat, der uns bekanntlich gleich zweimal in die Tasche greift, nämlich beim Geldver- dienen und beim Geldausgeben. Gemeint ist ein anderer * Jurist und Verfassungsrechtler an der Universität Augsburg, »Wachs- tum bis zur Krise«, 1986, Zugriff, der zwar größenmäßig mit dem des Staates konkur- rieren kann und dennoch von uns kaum zur Kenntnis genommen wird: der Anspruch des Kapitals, bekannt unter dem Begriff Zinsen.

Wie läuft das Kassieren der Zinsen ab?

Wenn der Staat die Lohnsteuer erhöht, gehen die Arbeit- nehmer mit weniger Geld nach Hause. Sie wissen auf den Pfennig genau, wie viel sie sich weniger leisten können. Erhöht der Staat dagegen in gleicher Höhe die Mehrwert- steuer, dann bleiben die Einkommen der Arbeitenden unverändert. Allerdings werden sie auch hierbei ärmer, da sich durch die Mehrwertsteuer die Preise erhöhen und sie beim Ausgeben weniger für ihr Geld erhalten. Was sich also ändert, ist lediglich der Steuer-Einzugsweg: Statt beim Ver- dienen wird der Mehrbetrag beim Verbrauchen kassiert, statt beim Einnehmen beim Ausgeben. Oder anders aus- gedrückt: Statt offen, greift der Staat versteckt in unsere Taschen. Aber er gibt immerhin den Mehrwertzugriff bekannt und wir können uns mit wenig Mühe die Einkom- mensverluste ausrechnen. Bei den Zinsen läuft der Einzug zwar ähnlich auf ver- steckte Weise ab, aber sein Anteil in den Preisen ist uns nor- malerweise nicht bekannt. Selbst wenn wir in die Kalkulati- on des gekauften Produkts Einsicht nehmen könnten, erhielten wir kein wirkliches Bild von der Höhe des abkas- sierten Tributs. Denn wir würden aus dieser Berechnungs- Unterlage allenfalls die Zinskosten auf dieser letzten Kal- kulationsstufe entnehmen können, also die dort hinzuge- kommenen Zinsanteile. Denn auch in den Materialkosten und anderen Leistungen der Vorlieferanten, die in die Kal- kulation als Sachkosten eingehen, sind – neben den, Arbeitskosten – ja bereits Kapitalkosten enthalten, also bereits versteckte Zinsen. Und im Gegensatz zur Mehr- wertsteuer, bei der die auf der Vorstufe bereits gezahlten Steuerbeträge jeweils abgezogen werden können, ist das bei den Zinsen nicht der Fall. In welchem Maße sich dadurch die Zinskosten akkumulieren, zeigt die Darstel- lung 19 in der an einem fiktiven Beispiel, von der Rohstoff- gewinnung bis zum Endverbrauch, die Entstehung und Preisentwicklung eines Produkts begleitet wird. Darstellung 19:, Wie man sieht, kommen auf jeder der sechs Entwicklungs- stufen unterschiedlich hohe Kapital- und Arbeitskosten hinzu. Sie werden mit den vorherigen, die in dem Einkaufs- preis der Vorprodukte enthalten sind, zu einem neuen Gesamtpreis zusammengefasst. Der tatsächliche Kapital- kostenanteil im Endpreis eines Produkts ist darum norma- lerweise ebenso schwer festzustellen wie der Lohnanteil. Der durchweg anfallende Gewinn wurde in der vorste- henden Darstellung ebenso außer Acht gelassen wie die Aufwendungen für Steuern, Versicherungen usw. Die Ver- teilung wurde also auf die beiden grundsätzlichen Kosten- faktoren bezogen, nämlich auf Kapital und Arbeit.

Wer erhält die Zinsen?

Würde ein Staat die Mehrwertsteuer jeweils in Höhe der geleisteten Zahlungen auch wieder an alle Haushalte zurückverteilen, dann könnte er sich die ganze Aktion spa- ren. Verteilt er jedoch das eingenommene Geld schwer- punktmäßig an sozial schwächere Bevölkerungsschichten, dann wird deren Los auf Kosten der übrigen verbessert. Die in den Preisen enthaltenen Zinsen (die z. B. in Deutschland inzwischen drei- bis viermal größer als die genannte Mehrwertsteuer sind!) kommen bei ihrer Rück- verteilung jedoch nicht allen Haushalten zugute und schon gar nicht verstärkt den Schwächeren. Sie fließen vielmehr überwiegend jenen zu, die über die größeren verzinslichen Vermögen verfügen. Konkret: Je reicher man ist, d. h. je mehr Zins bringendes Sach- und Geldvermögen man besitzt, umso größer ist der Anteil, den man aus dem Topf der abkassierten Zinsen zurückerhält. Die relativ größten Verluste bei dieser Umverteilung tragen dagegen diejeni- gen Haushalte, die über keine oder keine nennenswerten, verzinsten Vermögenswerte verfügen. Sie zahlen nur ein, ohne etwas zurückzuerhalten. Und da die zinsfordernden Sach- und Geldvermögen deutlich rascher zunehmen als die volkswirtschaftliche Leistung und die Staatseinnahmen, ist auch der sozialste Staat immer weniger in der Lage, die zins- strombedingten Umverteilungen von Arm zu Reich durch steuerfinanzierte Rückverteilungen auszugleichen.

Wie wirkt sich der Zins bei der Verteilung des Volkseinkommens aus?

Im Allgemeinen ist man der Auffassung, dass unsere Wirt- schaftsleistung etwa hälftig zwischen Staat und Bürgern aufgeteilt wird. Rechnet man die Abgaben für die staatli- chen Sozial- und Gesundheitssysteme den Steuern zu, dann ergibt sich tatsächlich eine ›Staatsquote‹ von fast 50 Pro- zent. Trotzdem ist diese Sicht der Verteilung unzutreffend. Denn in Wirklichkeit findet die Aufteilung des Sozialpro- dukts nicht zwischen Staat und Bürgern statt, sondern zwi- schen Kapital und Arbeit. Dabei hat das Kapital immer den ersten Zugriff, da dessen Bedienung die Voraussetzung für seine Zurverfügungstellung ist. Das heißt, die Ansprüche des Kapitals sind auf jeden Fall zu befriedigen, gleichgültig ob die Wirtschaft gewachsen ist oder nicht. Der »Rest des Kuchens« verbleibt dann der Arbeit, wie immer dieser Rest auch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgeteilt wird. Der Staat, als Dritter im Bunde, greift im Grunde erst im Nachhinein auf beide Einkommens-Beziehergruppen zurück. Bei den Einkommen der Arbeitnehmer meist direkt und unausweichlich, bei den Kapitaleinkommen weniger gewissenhaft. Man denke nur an das Bankgeheim- nis oder die Steueroasen in aller Welt. Die Aufschlüsselung auf Kapital, Arbeit und Staat lässt, sich auch vermitteln, wenn man einmal den Weg der Ausga- ben aller Bruttoeinkommen aus Arbeit nachvollzieht, wie in der Darstellung 20 in einem Flussschema geschehen. Darstellung 20: Das Ergebnis ist, dass der arbeitenden Bevölkerung, nach Abführung der Anteile an das Kapital und den Staat, real nur noch rund ein Drittel an reiner Kaufkraft verbleibt. Das heißt, grob betrachtet verteilt sich die gesamte volkswirt- schaftliche Leistung im Endeffekt mit rund je einem Drittel auf die Arbeit, den Staat und das Kapital. Während jedoch – wie vorstehend beschrieben – der Staatsanteil weitgehend wieder der Allgemeinheit zugute kommt, konzentrieren sich die Kapitaleinkünfte letztlich überwiegend bei der besitzenden Minderheit.,

Welche Rolle spielt der Zinssatz bei der Umver-

teilung? Die Zinsanteile in allen Preisen resultieren aus Kapital mal Zinssatz. Sie können also sowohl bei steigendem Kapital- einsatz zunehmen als auch bei steigenden Zinssätzen. Die Zunahme des Kapitaleinsatzes ist an die Ersparnis gebun- den und damit weitgehend nur eine relativ langsame und kontinuierliche. Zinssatzsteigerungen können jedoch rela- tiv kurzfristig ablaufen und sind außerdem kaum voraus- sehbar. Ihre Auswirkungen sind darum besonders schwer wiegend. Steigt zum Beispiel das zu verzinsende Kapitalvermögen um drei Prozent, dann nimmt, bei gleich bleibenden Zins- sätzen, auch die gesamte Zinsbelastung um drei Prozent zu. Steigt jedoch der durchschnittliche Zinssatz um drei Pro- zent (richtiger: drei Prozentpunkte!), also beispielsweise von sechs auf neun Prozent, dann explodiert die Zinsbelas- tung rechnerisch um 50(!) Prozent. Denn sechs Prozent Zinsen ergeben, z. B. bezogen auf ein Kapital von 100 000 Dollar, 6 000 Dollar, neun Prozent jedoch 9 000 Dollar, also die Hälfte mehr. Erhöhungen der Zinssätze haben also gravierende Fol- gen für die Zinslastanteile in den Preisen. Entsprechend gravierend sind auch die Umverteilungsfolgen steigender bzw. höherer Zinssätze. Am massivsten und direktesten werden davon alle Schuldner getroffen, vor allem Unter- nehmen mit geringem Eigen- und hohem Fremdkapital. Das zeigt sich vor allem am Anstieg der Firmenpleiten, die jeweils den Zinssatzanstiegen folgen. Der frühere deutsche Bundeskanzler Willy Brandt hat 1982 die damals extrem hohen Zinsen zu Recht als ›mörde- risch‹ bezeichnet. Doch auch der normale Zins ›mordet‹, wenn auch langsamer. Die Zahl der Menschen, speziell in, der Dritten Welt, die als Folge der schuldenbedingten Zins- lasten den Tod gefunden haben, lässt sich natürlich nicht statistisch erfassen. Sie dürfte aber im Bereich mehrstel- liger Millionen liegen. Der Titel des Buches von Susan

George, »Sie sterben an unserem Geld«, war also mehr als

zutreffend.

Genauso aber, wie durch Zinserhöhungen die Probleme

eskalieren, so werden sie durch Zinssenkungen minimiert.

Ein Kapitalmarktzins um Null wäre praktisch verteilungs-

neutral. Das heißt, den Werteschaffenden würde der volle

Arbeitsertrag weitgehend verbleiben, auch wenn ein Teil

davon den Umweg über staatliche Kanäle nimmt.

Die in dem Kasten F angeführten Aussagen von Ernst Abbe, Physiker und Gründer der Zeisswerke, aus einfachs-

ten Verhältnissen stammend, sind darum nach wie vor aktuell und richtungsweisend, auch wenn sie schon vor hun- dert Jahren ausgesprochen wurden.

Kasten F: Der Zins im Urteil eines Unternehmers

»Ich habe also Gelegenheit gehabt, die heutigen Erscheinungen des Wirt- schaftslebens im Bereich eines einzelnen Industriezweiges aus allernächster Nähe anzusehen .Gemäß den Pflichten, welche meine Stellung mir aufer- legte, mußte ich nun diese Erscheinungen stets betrachten vom Standpunkt des Unternehmers und Kapitalisten. Gleichzeitig habe ich sie aber auch immer betrachten müssen mit den Augen des Arbeitersohnes .Ich habe also die Vorgänge gleichzeitig von ganz entgegengesetzten Seiten her ansehen und aus beiden ein Fazit mir ziehen können unter dem Gesichtspunkt des öffentli- chen Interesses und des Gemeinwohls .Da ausschließlich die menschliche Arbeit Werte erzeugt .., so kann kein Zweifel darüber bestehen, daß es die Gesamtheit aller Arbeitenden im Volk ist, welche jene Summe für die Gesamtheit aller Besitzenden .dafür aufzu- bringen hat, daß die Eigentümer der Objekte des Nationalvermögens diese Objekte der Arbeit des ganzen Volkes als Mittel der Gütererzeugung vorent- halten oder darleihen. Mithin hat .die Gesamtheit aller Arbeitenden in allen Tätigkeitsgebie- ten, dem Durchschnitt nach, immer zwei Tage in der Woche zu arbeiten, für die Gesamtheit der Besitzenden, d. h. derer, welche Miteigentümer des Natio-, nalvermögens sind, dessen Verzinsung vorweg aufgebracht werden muß .Der Zins ist unter dem volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt nur das Kennzei- chen der Zwangslage, in welcher die Arbeit sich gegenüber dem Besitz inso- fern befindet, als die Wertobjekte des Gesamtvermögens als Mittel produkti- ver Arbeit absolut unentbehrlich sind .Elimination (Ausmerzung) des Zinswesens aus dem Wirtschaftssystem der Völker ist daher die Voraussetzung für eine haltbare, nicht auf völlige Desorganisation hinsteuernde Wirtschaftstätigkeit.« Prof. Dr. Ernst Abbe in einem kurz vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhun- dert gehaltenen Vortrag, aus: Zeitschrift für Sozialökonomie, Nr. 61

Wodurch verändert sich der Verteilungsschlüssel?

Einen Kuchen kann man immer nur einmal essen. Das gilt auch für die Aufteilung des wirtschaftlichen Leistungsku- chens zwischen Kapital und Arbeit. Nimmt das Kapital und damit der Zinsanspruch im Gleichschritt mit der Wirt- schaftsleistung zu, dann bleiben die Verteilungsrelationen konstant. Wachsen die zu verzinsenden Kapitalien jedoch schneller, kommt es zu einer Verschiebung der Anteile zu Lasten der Arbeit. In der Darstellung 21 sind solche Verteilungsverschie- bungen einmal schematisch in verschiedenen Varianten auf- gezeigt. Angenommen ist eine Ausgangs-Verteilungsrelati- on zwischen Kapital und Arbeit von 20 : 80 sowie ein gleich bleibendes Wirtschaftswachstum von drei Prozent. Dabei wächst der zur Verteilung anstehende Wirt- schaftskuchen in 40 Jahren auf etwa das 3,3fache. Nimmt – wie in der oberen karierten Fläche angenommen – das zu bedienende Kapital ebenfalls jedes Jahr um drei Prozent zu, dann bleibt die Verteilungsrelation zwischen Kapital und Arbeit gleich. Schon ein Wachstum des Kapitals von vier Prozent ergibt jedoch innerhalb der vier Jahrzehnte eine deutliche Verschiebung zwischen beiden Einkom-, mensgruppen. Zwar steigt auch das Einkommen aus Arbeit in absoluten Größen mit der Wirtschaftsleistung an, aber der Verteilungsschlüssel zwischen beiden Gruppen verschiebt sich von 20 : 80 auf 35 : 65. Schon die geringe Verschiebung der Wachstumsraten um nur einen Prozentpunkt lässt also den Anteil der Arbeit von 80 auf 65 Prozent sinken! Darstellung 21: Wesentlich deutlicher, nämlich auf 51 Prozent, fällt der Anteil der Arbeit zurück, wenn bei einem Wirtschafts- wachstum von drei Prozent das Kapital um fünf Prozent p.a. zunimmt. An dieser dritten Verteilungskurve kann man auch bereits optisch erkennen, wie der Anstieg der Arbeits- anteile von Jahr zu Jahr nachlässt. Verlängert man diese Entwicklung noch einige Jahre, dann kippt die Kurve der, Darstellung 22:, Arbeitsanteile sogar ins Negative um. Das heißt, nicht nur die gesamten Leistungssteigerungen gehen dann ans Kapi- tal, sondern auch ein ständig wachsender Anteil der Ein- kommenssubstanz aus Arbeit! Dieser problematische Umkippeffekt tritt bei einem Kapitalwachstum von fünf Prozent bereits nach 25 Jahren ein. Als Folge einer solchen Entwicklungsdiskrepanz wür- de sich der Verteilungsschlüssel von 20 : 80 in den 40 Jah- ren also auf 77 : 23 fast umkehren. Das heißt, der Arbeit käme nur noch ein knappes Viertel des Kuchens zu, drei Viertel würde vom Kapital beansprucht. Zu einer ähnli- chen dramatischen Verschiebung kommt es aber auch, wenn das Kapitalwachstum mit drei Prozent gleich bleibt, jedoch das Wachstum der Wirtschaftsleistung zurückgeht. Damit wird auch klar, warum die Politiker auch dann noch auf ständiges Wirtschaftswachstum versessen sind, wenn bei uns die Läden überquellen. Da aber in den gesättigten Industrienationen die Wachstumsraten zwangsläufig zu- rückgehen müssen, ist die Zunahme der Verteilungsspan- nungen kaum vermeidbar. Schon geringfügige Rückgänge des Wirtschaftswachstums können also sozialpolitische Probleme auslösen, ganz besonders in Phasen steigender Zinsen. Zu welchen Diskrepanzen es bereits in der Realität gekom- men ist, gibt die Darstellung 22 wieder, in der die jährlichen Zuwachsraten der Geldvermögen, der Wirtschaftsleistung und der Nettolöhne als Durchschnittswerte in den letzten Jahrzehnten eingetragen sind.,

Erhöhen die Zinsen das Sozialprodukt?

Wer in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen die Zinsströme untersucht, der findet normalerweise für jeden der drei Wirtschaftssektoren, also Unternehmen, Staat und Privathaushalte, die Zinseinnahmen wie -aufwendungen angeführt, die sich gegenüber den jeweils anderen Sektoren ergeben. Die daraus resultierenden Nettosalden in den drei Sektoren lösen sich dann in der Endsaldierung in Wohlge- fallen auf. Das heißt, die Zinsströme haben keinen Einfluss auf die Höhe des Sozialprodukts, gleichgültig wie groß sie sind. Lediglich der Saldo der grenzüberschreitenden Zins- ströme beeinflußt diese statistische Größe. Fließen bei- spielsweise mehr Zinsen vom Ausland in ein Land als umgekehrt, dann erhöht sich das Sozialprodukt um den Differenzbetrag. Diese im ersten Augenblick überraschende Neutralisie- rung der ganzen inländischen Zinsströme ist letztlich logisch: Das Bruttosozial- bzw. Bruttoinlandsprodukt gibt die Summe aller Wertschöpfungen wieder. Zinsen aber stellen keine Wertschöpfung dar, sondern nur einen Trans- fer innerhalb derselben. Als Folge dieses Tatbestandes hinterlassen auch Erhö- hungen oder Absenkungen der Zinssätze und Zinsstrom- größen im Sozialprodukt keine direkten Spuren. Wenn ›morgen‹ also die Zinssätze (und damit auch die Zins- Transferströme) auf das Doppelte ansteigen würden, hätte das auf das ausgewiesene Sozialprodukt keinen Einfluss. Zumindest rechnerisch und theoretisch nicht. Wohl aber würden die indirekten Folgen einer solchen Zinserhöhung, nämlich Firmenpleiten, Arbeitslosigkeit usw., das Sozial- produkt verändern. Manche Menschen ziehen aus der Neutralität der Zinsen auf das Sozialprodukt falsche Schlüsse. Sie glauben, dass, man deshalb auch die Problematik des Zinses nicht so hoch ansetzen dürfe. Andere klammern sich an jene statistische Größe, die bei manchen Aufschlüsselungen des Volksein- kommens als ›Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen‹ ausgewiesen wird. Dabei hat die darin enthalte- ne Größe ›Vermögenseinkommen‹ mit den tatsächlichen Zins- und Vermögenseinkommen kaum etwas zu tun. In Deutschland wird darin z. B. lediglich der positive Zins- stromsaldo der privaten Haushalte gegen den negativen Zinsstromsaldo des Staates verrechnet und mit den ›Aus- schüttungen der Unternehmen mit eigener Rechtspersön- lichkeit‹ addiert. Der sich daraus ergebende Betrag liegt nur bei einem Bruchteil jener Vermögenseinkommen, die allein von den Banken jährlich als Zinsen an die Geldgeber überwiesen werden. Wieder andere stützen sich auf Aussagen von Wirt- schaftsprofessoren, nach denen die Verschuldungen – und damit auch die dafür zu zahlenden Zinsen – problemlos sei- en, weil diesen Schulden und Zinslasten in gleicher Höhe Geldvermögen und Zinseinkommen gegenüberstehen. So vertrat z. B. der deutsche Ökomom Robert K. von Weizsä- cker auf einer Expertentagung zur Staatsverschuldung die Auffassung, dass nur Schuldenaufnahmen im Ausland mit Problemen verbunden seien: »Was ist an der Zinslast eigentlich eine Last? Die über Steuermittel finanzierten Zinslasten fließen doch an diejenigen, die die Anleihen halten. Unterstellt man eine reine Binnenverschuldung, schulden wir uns damit die Verschuldung selbst. Ein reales Problem gibt es erst, wenn der Auslandsanteil der Staatsver- schuldung zu groß wird.« (»Die Zeit«, 14. Januar 1999),

Was ist mit der Zinsbesteuerung?

Wer durch Arbeit Einkommen erzielt, muss jede Mark auf Heller und Pfennig versteuern. Bei den Lohn- und Gehalts- empfängern findet der Steuereinzug gleich bei der Auszah- lung des Einkommens statt, also direkt an der Quelle. Ver- zögerungen der Steuerzahlung, eine Flucht vor der Steuer oder gar ihre Hinterziehung, sind praktisch ausgeschlossen. Wer ohne Arbeit Einkommen bezieht, ist zwar auch zur Steuerzahlung verpflichtet, aber der gleiche Staat, der diese Zahlung verlangt, garantiert ihm mit dem Bankgeheimnis gleichzeitig die Nichtkontrolle seiner Einkünfte. Dieser Tatbestand kommt fast einer Einladung zur Steuerhinter- ziehung gleich. Die Folge ist entsprechend: Zinseinkom- men aus Geldvermögen werden nur zu einem geringen Teil in den Steuererklärungen angegeben! Aber auch zur völligen Steuerumgehung bieten sich den Geldvermögensbesitzern genügend Möglichkeiten: Man braucht z. B. seine Ersparnisse nur auf eine Bank in eines der vielen ›Steuerparadiese‹ zu verlagern, z.B. innerhalb des EG-Raumes nach Luxemburg, und schon ist man aus dem Schneider! Ganz Vorsichtige heben sogar ihre Gut- haben in bar ab und zahlen das Geld jenseits der Grenze wieder ein, womit für alle Zeiten die Spuren ihrer Steuer- flucht verwischt sind. Und auch dieses Spurenverwischen geschieht gewissermaßen mit staatlicher Hilfe, nämlich mit den vom Staat herausgegebenen Zahlungsmitteln, die man zu jeder Spekulation benutzen darf. Man stelle sich einmal vor, Vergleichbares würde Arbeit- nehmern zugebilligt. Konkret: Man würde zwar an ihre Steuerpflicht appellieren, ihnen gleichzeitig aber Möglich- keiten zu ihrer Umgehung bieten. Zum Beispiel durch die Einführung eines ›Einkommensgeheimnisses‹, das den Finanzämtern nur in Sonderfällen Einblick in die Gehalts-, listen erlaubt. Oder sogar durch die Einrichtung anonymer Gehaltskonten jenseits der Grenze. – Es ist eigentlich unverständlich, dass die Gewerkschaften diese Gleichbe- handlung der Arbeits- und Zinseinkommen nicht längst verfassungsrechtlich eingeklagt haben. Doch nicht nur gegenüber den Arbeitleistenden wird mit den Sonderregelungen für das Geld Unrecht geschaffen. Auch die Investoren im Lande werden damit bestraft. Denn während die Besitzer von Geldvermögen ihre Zins- einkünfte fast gefahrlos am Finanzamt vorbeischmuggeln können, haben die Besitzer von Sachvermögen dazu we- sentlich weniger Möglichkeiten. Wer unter diesen Umstän- den sein Geld in einen Arbeitsplatz oder in ein Mietshaus steckt, wird eklatant benachteiligt.

Warum stimmt das Sprichwort »Zeit ist Geld«?

Der Zins als Leihpreis für Geld ist zweifellos ein Zahlungs- posten auf Zeit. Geld, als Tauschmittel entstanden, erhält dadurch gewissermaßen eine zweite Dimension: Für die Geldverleiher wird es zu einem zeitbezogenen Einkom- mensfaktor ohne Leistung, für den Kreditnehmer zu einem zeitbezogenen Kostenfaktor, den er nur mit zusätzlicher Leistung und damit zusätzlich aufgewandter Zeit bedienen kann. Mit dem Zins wird also Zeit zu Geld gemacht. Das Sprichwort »Zeit ist Geld« bringt diesen Tatbestand auf den kürzesten Nenner. Früher einmal war Zeit für alle Menschen ein Ge- schenk. Heute trifft das nur noch auf die Zinsgewinnler zu. Alle anderen – und das ist die übergroße Mehrheit – müssen ›in der Zeit‹ für die Gewinnler tätig sein. Michael Ende hat diese Stress auslösende Veränderung für das Leben der Menschen, märchenhaft verfremdet und den-, noch deutlich, zur Aussage seines Buches »Momo« ge- macht. Weil Zeit Geld ist – Zinsgeld nämlich – müssen heute die Menschen ständig in Bewegung bleiben. Vor allem aber die Maschinen, am besten rund um die Uhr. Nach Möglichkeit sollen sie dabei mit weniger Beschäftigten laufen, noch bes- ser, völlig ohne sie. Denn mit jeder Entlassung einer Arbeitskraft spart ein Unternehmer Kosten ein, beim Abschalten einer Maschine aber laufen die Kosten weiter, zumindest diejenigen für die Kapitalbedienung. Und ersetzt er einen Menschen durch eine selbst finanzierte Maschine, hat er außerdem eine zusätzliche Zinseinnahme sicher. Der Chef der Mittelstandsvereinigung der deutschen CDU, Klaus E. Bregger, hat diesen Tatbestand 1996 in einem Interview auf den Punkt gebracht: »Wer Geld mit Geld verdient, wird risikoarm reich. Wer Geld mit Arbeits- plätzen verdient, wird risikoreich arm.« Auch das fatale Sprichwort, »Stillstand ist Rückschritt«, wird mit unserem Geldsystem erklärbar. Denn angesichts der laufenden Zinsen bedeutet jeder Stillstand wachsende Verluste. Obwohl jeder weiß, dass er bei gleich bleibender Leis- tung niemals ärmer werden kann, können wir uns im Zins- system eine Leistungsstabilisierung – bewusst negativ als ›Nullwachstum‹ abgestempelt – nicht erlauben. In einer Wirtschaft ohne Zinsen, bzw. mit einem verteilungsneutra- len Zins um Null, könnten wir dagegen den technischen Fortschritt und damit alle Produktivitätssteigerungen pro- blemlos und bei gleich bleibendem Einkommen in Arbeits- zeitverkürzungen umsetzen. Bei einem ständig positiven Zins haben wir jedoch nur die Wahl zwischen Wirtschafts- wachstum oder Senkung der Arbeitseinkommen, ob durch Lohnkürzungen oder Entlassungen., Unser ständig positiver Zins zwingt uns also ohne Pause nicht nur zum Produzieren und zum Konsumieren, sondern sogar zu einer ständigen Steigerung von beidem. Und zwar im Gleichschritt mit den Geldvermögen und Schulden, die durch die zinsbedingten Umschichtungen, gewissermaßen ›in der Zeit‹ von alleine weiterwachsen. Doch diese Ver- knüpfung von Geld und Zeit haben wir bereits so verinner- licht, dass wir uns immer mehr zum Leisten und Verbrau- chen jagen lassen, ohne jedes Hinterfragen.

Verändert der Zins das Geld?

Mit zunehmender Kapitalbestimmtheit unseres Wirtschaf- tens verdrängt der Faktor Zeit auch immer mehr die eigent- liche Aufgabe unseres Geldes, nämlich nichts anderes zu sein als ein Hilfsmittel zum Leistungs- und Gütertausch. Für die Fachleute des Geldes, die Banker, scheint diese eigentliche Hilfsmittel-Aufgabe nur noch von sekundärer Bedeutung. So wurde dem vormaligen Vorstandschef der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, in einem Fernsehinter- view im Frühjahr 1991 einmal die Frage gestellt: »Was gibt dem Geld eigentlich seinen Wert?« Man hätte nun erwar- tet, dass Kopper auf die volkswirtschaftliche Leistung hin- wies, die unserem Geld die Deckung gibt. Doch die Ant- wort des Bankers war kurz und knapp: »Der Faktor Zeit bedeutet, dass es sich vermehrt über die Zinsen.« Und auf die erstaunte Nachfrage des Interviewers, »Geld ohne Zeit ist also nichts?«, bestätigte Kopper das noch einmal aus- führlicher: »Geld ohne Zeit ist nichts, das kann man natür- lich auf der Stelle ausgeben, aber das vermehrt das Geld nicht, dann dreht man das Geld in etwas anderes hinein.« Diese Definition eines führenden Bankfachmanns ist bezeichnend. Demnach ist unser Geld also nicht in erster, Linie zur Vermittlung des Leistungsaustauschs in der Wirt- schaft da, sondern zu seiner eigenen Selbstvermehrung! Diese Auffassung zeigt nicht nur den Krankheitsgrad unseres Geldsystems, sondern auch den unseres Denkens über Geld, der im Buchtitel »Geld-Syndrom« ebenfalls zum Ausdruck kommt. Der deutsch-niederländische Öko- nom Hugo Godschalk kommentierte das obige Interview in einem Vortrag auf einem Kongress im Mai 1991 mit den Worten: »Man könnte glauben, die Rolle des Geldes als Tauschmittel wäre etwas Funktionswidriges.« Die Frage, wie sich denn das Geld durch die Zeit ver- mehrt, ist Kopper leider nicht gestellt worden. Sie hätte vielleicht den Unsinn seiner Aussage offenbart. Denn nicht das Geld vermehrt sich in der Zeit, sondern nur die Ein- kommens- und damit Ersparnisüberschüsse der Reichen auf Kosten aller anderen, und damit wiederum die Zunah- me der Ausbeutung und der Ungerechtigkeit in unseren Gesellschaften.

Gibt es einen gerechten Zins?

An einem wirklich freien Markt ist jeder sich bildende Preis letztlich immer gerecht. Denn er spiegelt jeweils die Wert- einschätzung des Gutes wider, über die sich die Beteiligten bei ihrem Leistungsaustausch einigen. Kauft jemand im Laden ein Hemd für zwanzig Dollar oder Euro, so ist ihm das Hemd wertvoller als das Geld. Für den Verkäufer ist es umgekehrt, sonst würde er das Hemd für den Betrag nicht hergeben. Ungerecht würde der Han- del nur, wenn der Verkäufer ein Hemdenmonopol hätte und den Preis diktieren könnte. Genauso ist es beim Knappheitspreis des Geldes, dem Zins. Auch er ist immer gerecht, wenn er das Produkt von, Angebot und Nachfrage ist. Das heißt, wenn er allein das Verhältnis von Geldüberschüssen auf der einen Seite und Geldbedarf auf der anderen Seite widerspiegelt. Sind beide Seiten ausgeglichen, dann muss der Zins als Knappheits- preis (sieht man von der Bankmarge ab) gegen Null hinun- tergehen. Denn im Gegensatz zum Hemd, dessen Produkti- on mit Kosten verbunden ist, hat der Geldhalter keine Kos- ten für die Produktion des Geldes aufbringen müssen. Das Geld wird den Wirtschaftsteilnehmern kostenlos zur Abwicklung ihrer Tausch- und Zahlungszwecke zur Verfü- gung gestellt. Man erhält es gewissermaßen als weitergeb- bare Quittung, wenn man eine Leistung einbringt. Wer Geld übrig hat, hat also im Normalfall mehr Leistungen eingebracht, als er selbst nachfragt. Schon aus persönlichen Gründen sollte er darum ein Interesse daran haben, dass ein Kreditnehmer diese Nachfragelücke schließt. Da aber wegen der heutigen Überlegenheit des Geldes gegenüber den zu tauschenden Gütern jeder gern Geld annimmt, aber keiner es gerne weitergibt, ergibt sich eine ständige Knapp- heitssituation. Geld wird dadurch zu einem Monopol, das den Leihpreis des Geldes nie auf eine gerechte Ebene sin- ken lässt. Ein wirklich gerechter Zins hängt also nicht nur von einem Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage ab. Er hängt vielmehr entscheidend von der Überwindung der künstlichen Verknappungsmöglichkeit und damit der Neu- tralisierung der Geldvorteile ab, die Geld zu einem Mono- polgut machen. Erst mit dieser Neutralisierung kann es einen wirklich marktgerechten Zins geben, gleichgültig wie immer auch seine noch verbleibende Höhe ist. Und erst ein solcher marktgerechter und schließlich verteilungsneutral um Null pendelnder Zins kann ein gerechter sein.,

Was sagt die Wissenschaft zum Zins?

Die Wirtschaftswissenschaft hat sich seit etwa 200 Jahren mit dem Zins arrangiert und die Problematik »tabuisiert«, wie es der Sankt Gallener Nationalökonom Hans Chris- toph Binswanger einmal ausgedrückt hat. Und um mit die- sem Zustand leben zu können, hat man etliche Theorien entwickelt, die den Zins als unbedenklich bzw. unverzicht- bar darstellen. »Der Zins ist ein Lohn für den Konsumverzicht« ist die bekannteste dieser Begründungen. Dass sie nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, stört anscheinend niemanden. Denn der normale Bürger spart nicht, um für Konsumver- zicht belohnt zu werden, sondern weil er Geld für Ausga- ben in späteren Zeiten ansammelt oder einfach im Moment Geld übrig hat. Und den Geldvermögensbesitzern, deren Zinserträge und Neuersparnisse täglich in die Tausende oder gar Millionen gehen, kann man auch nicht unterstel- len, dass sie auf irgendeinen Konsum verzichten, der eine Zinsbelohnung rechtfertigen würde. Wäre im Übrigen der Zins tatsächlich ein Lohn für Kon- sumverzicht, dann müsste auch derjenige Zinsen erhalten, der sein übriges Geld zu Hause unter dem Kopfkissen spart. Der Tatbestand, dass man Zinsen jedoch nur dann erhält wenn man sein übriges Geld verleiht, beweist die Bindung des Zinses an die Geldüberlassung. Der Zins ist also ein Preis für den Verleih von Geld, oder noch treffender: Eine an die Leihzeit gekoppelte Prämie für die Aufgabe der Vor- teile, die mit dem Geldbesitz verbunden sind, vor allem für die Aufgabe der Liquidität. John Maynard Keynes, wohl der bedeutendste Ökonom des vergangenen Jahrhunderts, hat übrigens schon in den 30er Jahren die These von der Konsumverzichtsbelohnung widerlegt. Trotzdem wird dieser praxisfremde Unsinn auch, heute noch an fast allen Universitäten verbreitet. In seinem Hauptwerk »Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes« (man beachte die Wortwahl und Wortfolge im Titel!), hat Keynes den Zins als »Belohnung für die Nichthortung von Geld« definiert. Das heißt, der Zins ist das Mittel, mit dem man die Geldhalter heute bewegen muss, ihr übriges Geld an andere zu verleihen. Natürlich gibt es in der Wissenschaft noch eine ganze Reihe anderer Zinserklärungen und -begründungen. Sie alle helfen jedoch nicht über den Tatbestand hinweg, dass die Geldhalter beim Zins heute die Marktgesetze außer Kraft setzen und einen ständig positiven Zins erpressen können. Kritische Worte zum Zins sind ganz selten einmal von einem Wirtschaftswissenschaftler zu hören, so zum Beispiel von dem bereits genannten Hans-Christoph Binswanger. In seinem Buch »Geld und Natur« wie auch in dem von ihm mit herausgegebenen Buch »Geld und Wachstum«, weist er vor allem auf die zinsbedingten Wachstumszwänge hin. Und dass der Ökonom Wolfram Engels, der in den 90er Jahren verstorbene Mitherausgeber der deutschen »Wirt- schaftswoche«, bei seinem Kommentar in der Ausgabe Nr. 1/93 das »Zinsverbot der Religionen« aufgegriffen hat, muss man fast als einen Tabubruch ansehen. Noch mehr gilt das für seine abschließenden Sätze, in denen er eine Welt ohne Zins als »wahrscheinlich ökonomisch optimal« bezeichnet und meint, dass vielleicht »Jesus, Moses und Mohammed«, die bekanntlich allesamt das Zinsnehmen verurteilt haben, »die besseren Geldtheoretiker« waren. Erfreulich, dass daran anknüpfend auch aus dem Umfeld der Kirchen wieder kritische Stimmen zum Zins zu hören sind, wie der Text im Kasten G zeigt., Kasten G: Kirche und Zinsverbot Das Abrücken der Kirchen vom Zinsverbot hat den Auf- stieg des modernen Kapitalismus entscheidend begüns- tigt. Nachdem die Zinswirtschaft die Menschengemein- schaft in beispielloser Weise zerrüttet hat und die Gegensätze zwischen Arm und Reich globale Ausmaße angenommen haben, ist eine Umkehr von Theologen und Ökonomen vonnöten. Die Traditionen des Zinsver- botes müssen der Öffentlichkeit wieder ins Bewusstsein gebracht werden, um Gegenmacht gegen die internatio- nale Finanzwelt aufzubauen und nach Mitteln und Wegen zu suchen, die wirksamer zum Ziel einer zinsfrei- en Wirtschaft führen als umgehbare Verbote. Heute ist weltweit sichtbar geworden, dass die internationalen Kapitalkräfte – und diese haben sich vorwiegend in »christlichem« Umfeld entwickelt! – in der Zinspraxis kriminelle Ausmaße angenommen haben. Ökonomisch gesehen bedeutet Zinsnehmen von einem bestimmten Punkt an eine Vermehrung des Geldes ohne Koppelung an die Produktion von Gütern. Dieser Pro- zess führt auf Dauer zum Ruin jeder Volkswirtschaft. Dietrich Schirmer, Studienleiter an der Ev. Akademie Berlin »Zum Problem des Zinsnehmens«, Zeitschrift für Sozialökonomie, Sept. 1990, 8. Kapitel

Inflation und Deflation

»Stabiles Geld ist nicht alles, aber ohne stabiles Geld ist alles andere nichts.« Karl Schiller Diese Aussage des ehemaligen bundesdeutschen Wirt- schaftsministers Karl Schiller lässt sich zwar auf viele ande- re Bereiche übertragen, z. B. ›Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles andere nichts‹. Bezogen auf Wirtschaft und Gesellschaft ist die ›Gesundheit‹ des Geldes – seine Stabilität – jedoch tatsächlich von grundlegender Bedeutung.

Ist die Notwendigkeit stabilen Geldes eine Er-

kenntnis unserer Tage? Schon vor fast 500 Jahren hat Nikolaus Kopernikus in sei- nem »Memorandum über Geld und Inflation« geschrie- ben: »Unter den unzähligen Übeln, welche den Zerfall gan- zer Staaten herbeiführen, sind wohl vier als die vor- nehmlichsten anzusehen: innere Zwietracht, große Sterblichkeit, Unfruchtbarkeit des Bodens und die Verschlechterung der Münze. Die ersten drei liegen so klar zutage, dass sie schwerlich jemand in Abrede stel- len wird. Das vierte Übel jedoch, welches von der Münze ausgeht, wird nur von wenigen beachtet und, nur von solchen, welche ernster nachdenken, weil die Staaten allerdings nicht gleich beim ersten Anlauf, sondern ganz allmählich und gleichsam auf unsichtba- re Weise dem Untergang anheim fallen.« Aber auch aus unserer Zeit gibt es genügend gewichtige Stimmen. So hat z. B. John Maynard Keynes gesagt, dass es keine spitzfindigere und tödlichere Methode gibt, um die gesellschaftlichen Grundlagen zu zerstören, als die Ver- nichtung der Währung. Und von Fritz Leutwiler, dem frü- heren Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank, stammt der Satz: »Demokratie setzt, wenn sie funktionsfä- hig bleiben soll, eine stabile Währung voraus.« Doch alle diese Mahnungen haben die Wissenschaft bislang nicht bewegen können, sich intensiver über ein störungsfrei funktionierendes Geld Gedanken zu machen. Das Dilem- ma ist entsprechend: Die wenigen Ökonomen, die sich mit Geld befassen, sind sich nicht einig, was Geld eigentlich ist. Und die Notenbanken versuchen vergeblich, über immer neue Geldmengenkreationen die Geldwertstabilität zu erreichen.

Was heißt Inflation und was ist ihre Wirkung?

Der Begriff Inflation kommt von inflare = aufblähen. Ge- meint ist damit eine Ausweitung der Geldmenge über die gegebene volkswirtschaftliche Leistung hinaus. Die Folge einer solchen Ausweitung ist die Störung des Gleichge- wichts zwischen Angebot und Nachfrage. Denn dem gege- benen Angebot stehen mit dem vermehrten Geld überhöh- te Nachfragemöglichkeiten gegenüber, wodurch auf jeden Schein weniger Leistung entfällt. Oder anders ausgedrückt: Man muss für jede Leistung mehr Geldscheine hergeben, als zuvor. Gemessen an der Leistung sinkt also die Kauf- kraft des Geldes. Gemessen am Geld steigt das allgemeine Preisniveau. Das steigende Preisniveau ist also die Folge der Inflation, an der sie messbar wird, nicht aber die Ursa- che. Statt von steigenden Preisen müsste man also von sin- kender Kaufkraft des Geldes reden. Aber auch hier lässt man sich von den vordergründigen Vorgängen irritieren. Ähnlich wie man vom Sonnenuntergang redet, obwohl sich in Wirklichkeit die Erde von der Sonne wegdreht. Mit der Erklärung des Inflationsbegriffs ist auch die Ver- antwortlichkeit geklärt: Es sind diejenigen, die das Zuviel an Scheinen in Umlauf geben. Und das sind in unseren Tagen alleine die staatlichen oder vom Staat eingesetzten Notenbanken. Noch vor dreißig Jahren sahen manche Politiker und Wissenschaftler in der Inflation – zumindest der gemäßig- ten – eine positive Stimulanz für die Konjunktur. Inzwi- schen hat man die vielschichtigen negativen Folgen auch geringer inflationärer Preisauftriebe erkannt. So schrieb 1987 der Chefredakteur der deutschen Tageszeitumg »Die Welt«, Peter Gillies: »Inflation ist nicht nur Betrug am Sparer, nicht nur die unsozialste Form der Umverteilung, sondern auch die Erwerbslosigkeit von morgen. Längst ist widerlegt, dass fünf Prozent Inflation leichter zu ertragen seien als fünf Prozent Arbeitslosigkeit; vielmehr sind null Prozent Inflation die vorzüglichste Voraussetzung für null Prozent Erwerbslose. Der Glaube, Vollbeschäfti- gung lasse sich mit ›ein bisschen Preissteigerung‹ erkaufen, musste weltweit teuer bezahlt werden.« Diese enge Beziehung zwischen Inflation und Arbeitslosig- keit bestätigt auch das Ergebnis einer Untersuchung der, Deutschen Bundesbank in mehreren Industrienationen, die in der Darstellung 23 wiedergegeben ist. Darstellung 23:

Ist eine stabile Währung wirklich so wichtig?

Stellen wir uns einmal vor, jedes Jahr würde die Länge des Meters verändert. Überraschend und ungeplant. Mal mehr und mal weniger. Für alle, die mit Längenmaßen disponie- ren und rechnen müssen, würden dann die Ergebnisse zur Glücksache: Die Hose von gestern würde nicht zur Jacke von heute passen, die heute gelieferten Fenster nicht in die vor einigen Wochen gemauerten Fensteröffnungen. Ge-, nauso macht ein sich ständig verändernder Geldmaßstab das Wirtschaften zum Glücksspiel: Die Preise von gestern entsprechen nicht den Kosten von heute, die empfangenen Löhne nicht den vor einigen Wochen erbrachten Arbeits- leistungen, die Kaufkraft der Tilgungen nicht jener der aus- geliehenen Ersparnisse. Alle mittel- und längerfristigen Dispositionen sind Zufällen ausgeliefert. Betrug und Spe- kulation werden Tür und Tor geöffnet. Hinzu kommt noch, dass wir den Maßstab Geld viel häu- figer benutzen als alle anderen Maßeinheiten. Und dennoch lassen es die Staaten zu, dass an diesem wichtigsten Maßstab Geld weiterhin herumgespielt und -manipuliert wird, die gleichen Staaten, die mit peinlicher Genauigkeit von tau- sendstel Gramm und Zentimeter die übrigen Maßeinheiten überwachen und jede Abweichung mit Akribie verfolgen! Dabei setzen die Staaten – wie Vergangenheit und Gegen- wart zur Genüge zeigen – mit der Instabilität des Geldes immer wieder ihre eigene Existenz aufs Spiel. Nicht zuletzt durch die sozialen Spannungen, die sich mit jeder Inflation ergeben. Auch hierzu hat der bereits zitierte Fritz Leutwiler in seiner letzten Rede vor der Vollversammlung der Schwei- zerischen Nationalbank 1984 Klartext geredet: »Auf keine andere Weise als durch Inflation, können in so kurzer Zeit so wenige so reich und so viele so arm gemacht werden.«

Die Inflationen in den Industrienationen

Liest man von den tausendprozentigen Hyperinflationen in Lateinamerika oder einigen früheren Ostblockstaaten, dann neigt man dazu, die Inflationsproblematik für etwas Exotisches zu halten. Vergegenwärtigt man sich aber, dass, die Inflation im weltweiten Durchschnitt laufend angestie- gen ist, von drei bis vier Prozent in den 50er und 60er Jahren über zehn Prozent in den 70er auf 20 Prozent in den 90er Jahren, dann wird die Aktualität dieser Seuche nachvoll- ziehbar. Aber auch bei den oft gelobten Währungen der führenden Industrienationen ist das Thema noch relevant. So ist z. B. der Dollar des Jahres 1950 heute keine 15 Cent mehr wert, das Englische Pfund nur noch sieben Pence und die Lira ist sogar auf vier Prozent ihres einstigen Wertes zurückgefallen. Aber auch die als so stabil gepriesene Deutsche Mark und der Schweizer Franken haben bis heu- te rund vier Fünftel ihres Wertes eingebüßt. Dabei zeigt sich beim Schweizer Franken, der gleich mehrfach durch Gold gedeckt war, dass die Stabilität einer Währung nicht von irgendwelchen angesammelten Werten abhängt, son- dern alleine von der Relation der Geldmenge zur Leistung der Volkswirtschaft. Noch präziser: Von dem Gleichge- wicht zwischen Angebot und Nachfrage. Der heute also in allen Währungen immer noch gegebe- ne mehr oder weniger große Kaufkraftverfall bedeutet, dass ein arbeitender Mensch für seine Leistung aus frühe- ren Berufsjahren heute nur noch einen Bruchteil als Gegenleistung zurückerhält. Und das gilt keineswegs nur für die vergessenen Scheine unter der Matratze. Auch die Bankrücklagen der kleinen Sparer wurden in den vergan- genen Jahrzehnten durch die schleichende Inflation um vielstellige Milliardenbeträge enteignet. Denn im Gegen- satz zu den betuchteren Geldanlegern, die sich mit ihren Großeinlagen durch erhöhte Zinsforderungen gegen alle Inflationsverluste abzusichern verstehen, lag die Verzin- sung der normalen Sparguthaben in vielen Ländern und Jahren unter den Inflationssätzen. Aber auch aufgrund unserer jüngeren Geschichte haben wir allen Grund, uns mit Fragen der Geldwertstabilität zu, befassen. So sind z. B. in diesem Jahrhundert, im Zuge der beiden Weltkriege, in den meisten Ländern die Währungen ein- und in etlichen sogar zusammengebrochen, nachfol- gend dann auch noch die davon betroffenen Volkswirt- schaften. Ganze Generationen wurden dabei um die Früch- te ihres Fleißes gebracht und Millionen Menschen ins Unglück gestürzt. Dass es zu solchen Währungs- und Wirt- schaftszusammenbrüchen keiner Kriege bedarf, erleben wir zur Genüge auch in unserer Zeit. Macht man sich z. B. noch einmal die Größenordnungen und die Abläufe solcher Nachkriegsinflationen klar, dann kann man über die Unbedarftheit der jeweiligen Verant- wortlichen nur den Kopf schütteln. Ähnlich wie Anfang der 90er Jahre in Russland, hat man auch in und nach den bei- den großen Kriegen im vergangenen Jahrhundert, vor allem nach dem ersten von 1914 bis 1918, zur Abdeckung der Kriegskosten und aufgehäuften Schulden oft jahrelang die Notenpresse laufen lassen. Und weil als Folge dieser Geldüberhänge die Preise stiegen, gaben die Leute ihr Geld immer rascher aus, was über die steigende Umlaufge- schwindigkeit einer nochmaligen Erhöhung der Geldmen- ge gleichkam. Damit stiegen die Preise und damit wieder- um die Nachfrage noch rasanter an. Diesem Preisauftrieb entsprechend gab man immer noch mehr Geld in Umlauf und drehte damit die Preisschraube immer schneller. Am Ende stiegen die Preise so schnell, dass man – wie in Deutschland 1923 – den Arbeitenden den Lohn mehrmals täglich auszahlte, damit sie ihn möglichst rasch, vor dem erneuten Preisanstieg, ausgeben konnten. Zum Stillstand kam dieser Wahnsinn schließlich nur durch den Mangel an Papier bzw. der Unmöglichkeit, die vorhan- denen Scheine, Briefmarken oder Preisschilder mit immer längeren Null-Kolonnen immer schneller zu überdrucken. Am Ende kosteten normale Briefmarken bereits Milliar-, den Mark und die gesamte umlaufende Geldmenge lag bei der schier unvorstellbaren Größe von rund 500 Trillionen, also einer 500 mit 18 Nullen! Solche Hyperinflationen, aber auch die gemäßigten unserer Tage, sind erst durch die Einführung des Papiergel- des möglich geworden. Denn solange Geld mit Edelmetall identisch war, konnte es nur bei großen Gold- oder Silber- funden bzw. nach gewaltsamen Raubzügen zu Überver- sorgungen mit Geld kommen. Heute braucht man zur Geldvermehrung nur eine Druckmaschine sowie Papier und Farbe. Umso schwerwiegender ist heute die Verant- wortung der Notenbanken bzw. der Politik. Ganz sicher haben die Verantwortlichen in der Zwischenzeit dazuge- lernt. Aber von Stabilität der Kaufkraft ist man auch in den großen Industrienationen noch weit entfernt und nichts deutet darauf hin, dass man sie endlich in den Griff bekom- men wird. Das gilt auch für die Euroländer, wie die Darstel- lung 24 erkennen lässt. Zwar ist der Durchschnittswert von 1991 bis 1999 von 4,7 auf 1,3 Prozent gesunken, nicht zuletzt durch die festgeleg- ten Beitrittskriterien zur Euro-Währung, aber seit 1999 geht es schon wieder aufwärts. Auch der Korridor zwischen den Ländern mit den Höchst- und Niedrigsätzen wurde bis zum Startjahr deutlich verengt, öffnet sich jedoch bereits wieder. Interessant ist auch, die jeweils Klassenbesten und -schlechtesten in den einzelnen Jahren auszumachen. Besonders überraschend ist, dass Irland, Primus in den Jah- ren 1996 und 97, in den nachfolgenden drei Jahren die nega- tive Spitzenrolle übernommen hat. Gerade aber diese Unberechenbarkeiten der Entwicklungen in den einzelnen Ländern und das erneute Auseinanderdriften der Inflati- onssätze, macht es der EZB schwer, eine für alle richtige Geldmengenpolitik zu betreiben., Darstellung 24:

Kann man Inflation als Betrug bezeichnen?

Wenn der Tuch- und Baustoffhandel jedes Jahr klamm- heimlich alle Meterstäbe um einige Zentimeter kürzen würde, dann wäre das nach einhelliger Auffassung Betrug., Ebenso, wenn Veranstalter mehr Eintrittskarten verkau- fen, als Plätze vorhanden sind. Besonders perfide wäre der Betrug, wenn die Täter solche strafbaren Handlungen bei anderen lautstark anprangern würden. Genauso verhalten sich aber unsere Notenbanken: Sie bedrohen alle mit Gefängnis, die mit gefälschten, unge- deckten Geldscheinen die Kaufkraft des gesamten Geldes verwässern – und machen es selbst in unvergleichlichen Größenordnungen! So lagen beispielsweise die festgestell- ten Geldscheinfälschungen in Deutschland in den Jahren 1987 und 1988 zusammen bei rund 1,1 Millionen DM. Im gleichen Zeitraum aber hat die Deutsche Bundesbank rund 23 Milliarden(!) zu viel an Geld in Umlauf gegeben, also gut 20 000 mal mehr als alle Falschgeldproduzenten zusammen! Und weil dieses staatlich hergestellte überschüssige Geld, genau wie das kriminelle Falschgeld, nicht durch wirtschaft- liche Leistungen gedeckt ist, muss seine Inumlaufsetzung genauso als Betrug eingestuft werden. Notenbanken in Demokratien des Betrugs zu bezichti- gen mag manchen wie Blasphemie vorkommen. Aber auch hier kann man sich auf offizielle Äußerungen stützen, z. B. die des früheren US-Notenbankers Henry C. Wallich, der gleichzeitig den Ökonomen einen Denkzettel verpaßte: »Inflation ist immer ein wenigstens teilweise morali- sches Problem. Inflation ist eine Form des Betrugs. Mir scheint auch, dass Ökonomen viel dazu beigetra- gen haben, den Weg für eine Inflation zu bahnen, wie wir sie jetzt haben ..« Nicht weniger deutlich und ebenfalls den moralischen Aspekt ansprechend, hat sich 1980 der damalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Ottmar Emminger, geäu- ßert:, ».stabiles Geld ist eine Voraussetzung für die Auf- rechterhaltung einer gesunden Marktwirtschaft und schließlich auch eine moralische Frage: Nur gesundes Geld ist ein ehrliches Geld. Oder wie einer meiner Vorgänger, Herr Blessing, gesagt hat: Inflation ist Betrug am Volk.« So wie man mit Fug und Recht den Krieg als größtes denk- bares Gewaltverbrechen bezeichnen kann und den Zins als größte denkbare Ausbeutung, so die Inflation, mit der die Sparer um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden, als größten denkbaren Betrug. Bezeichnend ist bei diesen drei größten Kapitalverbrechen, dass zwei davon, nämlich Zins und Inflation, direkt mit Geld und Kapital zu tun haben und das dritte, der Krieg, zumindest indirekt, wie wir im 30. Kapitel noch sehen werden. Geradezu bedenklich ist dar- um der Tatbestand, dass selbst die demokratischen Staaten, die ansonsten Gewalt, Ausbeutung und Betrug im Kleinen verfolgen, die größten denkbaren Formen dieser Verbre- chen immer noch als legitim betrachten.

Können auch die Käufer Inflationen

auslösen? Marktpreise werden durch Angebot und Nachfrage be- stimmt. Nachfragen kann jeder nur in Höhe seines Einkom- mens. Einkommen entstehen durch Leistungen, aus denen wiederum das Angebot resultiert. Gibt jeder sein Einkom- men regelmäßig aus, bzw. überlässt er Einkommensüber- schüsse leihweise anderen, bleibt das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage stabil: Der Markt wird regelmäßig geräumt, die Beschäftigung bleibt erhalten, ebenso das all- gemeine Preisniveau und damit die Kaufkraft des Geldes., Da niemand mehr Geld ausgeben kann, als er eingenom- men und damit geleistet hat, können die Nachfrager also von sich aus keine Inflation auslösen. Von ihrer Seite kann es nur zu Störungen des Gleichgewichts durch Zurückhal- ten von Geld kommen. Die Folgen von Geldzurückhaltun- gen aber sind nicht inflationärer, sondern deflationärer Natur: Geldmangel, liegen bleibende Angebote, Preisver- fall und Arbeitslosigkeit. Auch die Behauptung, Käufer könnten durch Beschleu- nigung der Nachfrage und damit des Geldumlaufs Inflatio- nen auslösen, ist graue Theorie. Zwar können die Verbrau- cher ihr gesamtes Einkommen in der ersten Woche des Monats ausgeben, dafür aber in den drei restlichen nichts mehr. Ohne Ausweitung der Geldmenge setzt also ein beschleunigtes Ausgeben von Geld ein beschleunigtes Ein- nehmen voraus. Die Nachfrager, die schneller ausgeben wollen, müssen also zuerst einmal schneller Geld verdie- nen. Schneller verdienen heißt aber mehr leisten. Da mit dieser Mehrleistung jedoch auch das Angebot steigt, bleibt der Gleichklang mit der Nachfrage gewahrt und damit auch die Kaufkraft des Geldes. Zu einer inflationären Nachfra- gebeschleunigung kann es also nur dann kommen, wenn die Geldmenge ohne Leistungssteigerung erweitert wird. Dazu aber ist – wie bereits dargelegt – nur die Notenbank in der Lage. Allerdings können die Nachfrager indirekt an einer Inflationsauslösung beteiligt sein. Dann nämlich, wenn sie vorher Geld aus dem Kreislauf zurückgehalten und die Notenbanken in der Zwischenzeit das fehlende Geld durch zusätzliche Banknoten ersetzt haben. Kommt es dann irgendwann zu einer Enthortung und Reaktivierung der zurückgehaltenen Bestände, führt das zu einer Übernach- frage mit entsprechenden Folgen für das Preisniveau. Aber auch dieser Preisschub geht letztlich auf das Konto der, Notenbank, die ja das ungedeckte doppelte Geld herausge- geben und nicht verhindert hat, dass vorher Geld dem Kreislauf entzogen wurde.

Beeinflussen Einzelpreiserhöhungen die Infla-

tion? Gemessen wird die Inflation an den Veränderungen des Preisniveaus, also dem Durchschnitt aller Preise. Als Maß- stab dafür dient im Allgemeinen der Preisindex für die pri- vaten Lebenshaltungskosten. Der Index der Lebenshal- tung wird von den Statistischen Ämtern in fast allen Län- dern regelmäßig mit Hilfe eines ›Warenkorbes‹ ermittelt, in dem durchweg mehrere hundert Ge- und Verbrauchsgüter enthalten sind. Durch Vergleiche mit den Vormonats- oder Vorjahrespreisen der Korbgüter ergeben sich dann die jeweiligen Veränderungs- bzw. Inflationsraten. Dieses Feststellungsverfahren der Preisveränderungen ist jedoch fragwürdig, weil man dabei nicht zwischen geld- mengenbedingten Gesamtpreisveränderungen und markt- bedingten Einzelpreisveränderungen unterscheidet. Beide werden gleichermaßen als Ausgabenerhöhungen regis- triert. Dabei handelt es sich im Fall der Einzelpreiserhö- hungen um keine Ausweitungen der gesamten Korbausga- ben, da jeder Haushalt sein Geld immer nur einmal ausge- ben kann. Machen wir uns das an einem Beispiel klar: Werden aufgrund einer Missernte die Kartoffeln teurer, dann muss der Haushalt entweder mehr als bisher für Kar- toffeln ausgeben oder weniger Kartoffeln kaufen. Kauft der Haushalt weiterhin die bisherige, aber teurer geworde- ne Kartoffelmenge, dann ist er gezwungen, die Nachfrage nach anderen Gütern zu reduzieren. Reduzierungen der Nachfrage aber drücken auf die Preise der davon betroffe-, nen Güter, so dass sich über die veränderten Einzelmengen das Gesamtpreisniveau des Warenkorbs schließlich wieder einpendelt. Kauft der Haushalt wegen der gestiegenen Preise weniger Kartoffeln, entsteht auf Grund der rückläu- figen Nachfrage auch hier ein Druck auf die Preise. Dieser Tatbestand wird bei der heutigen Ermittlung der Warenkorbausgaben jedoch nicht berücksichtigt. Man geht einfach davon aus, dass die nachgefragten Mengen im Warenkorb trotz der Einzelpreiserhöhung gleich bleiben und damit die Haushalte insgesamt mehr als vorher ausge- ben. Das Ergebnis dieser Fehlrechnung wird dann als Infla- tion deklariert, obwohl es damit nichts zu tun hat. Denn nur Ausweitungen der Geldmenge könnten die Nachfrager befähigen, trotz steigender Einzelpreise die gleichen Gütermengen wie bisher zu kaufen.

Wie ist das bei Erhöhungen der Löhne?

Bei Lohnerhöhungen muss man unterscheiden zwischen solchen, die durch Leistungsanstiege gedeckt sind und sol- chen, die darüber hinausgehen. Mit leistungsgedeckten Lohnerhöhungen – die selbstverständlich durch eine Aus- weitung der Geldmenge unterfüttert werden müssen – bleibt die Kaufkraft stabil und auch die Einkommensver- teilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Bei ungedeckten Lohnerhöhungen, also Erhöhungen, denen keine erhöhten Leistungen gegenüberstehen, kommt es dagegen zu einer Umverteilung der Einkommen zugunsten der Arbeitnehmer und zu Lasten der Unternehmer. Solche Umverteilungen sind für die Unternehmen nur in einem begrenzten Umfang verkraftbar. Darüber hinaus führen sie zu Investitionsrückstellungen, Entlassungen und Betriebs- schließungen. Gleicht die Notenbank zur Vermeidung sol-, cher Folgen die überhöhten Lohnforderungen durch zusätzliches Geld aus, dann verteilt sich die ungedeckte Lohnerhöhung durch inflationäre Kaufkraftverwässerung auf alle Einkommen in der Volkswirtschaft. Auch hier kann es also immer nur zu Inflationen kommen, wenn die Noten- bank die überhöhten Forderungen mit Mehrgeld unterfüt- tert. Das gilt nicht nur bei ungedeckten Lohnanstiegen, sondern auch für die so genannte ›importierte Inflation‹ als Folge gestiegener Einfuhrpreise, z. B. von Mineralöl oder anderen wichtigen Importgütern.

Können Inflationsraten durch gleich hohe Lohn-

anpassungen ausgeglichen werden? Wenn im Laufe eines Jahres das allgemeine Preisniveau um drei Prozent gestiegen ist und die Löhne bei den nächsten Tarifverhandlungen um den gleichen Satz angehoben wer- den, dann scheint die Welt – wenn auch mit Verspätung – wieder in Ordnung zu sein. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn alle Einkommensbezieher mit einer solchen dreipro- zentigen Einkommensanhebung zufrieden sind. Fordern jedoch auch die Geldkapitalbesitzer für ihre Vermögens- bestände einen dreiprozentigen Inflationsausgleich, das heißt, um drei Prozentpunkte erhöhte Zinsen, dann stimmt die Rechnung nicht mehr. Denn ein Zinssatzanstieg von z. B. sechs auf neun Prozent, lässt die Zinseinkommen – wie bereits im Kapitel 7 dargelegt – nicht um drei, sondern um 50 Prozent ansteigen. Das heißt, die Zinsbelastung eines Normalverbrauchers, der eine Hypothek von 100 000 Dol- lar zu bedienen hat, steigt von 6 000 auf 9 000 Dollar an, also um 3 000 Dollar. Liegt sein Jahreslohn bei 30 000 Dollar, dann schlägt eine dreiprozentige Inflationsanpassung des Lohnes jedoch nur mit einem Plus von 900 Dollar zu Buche., Das heißt, die Lohnerhöhung reicht noch nicht einmal, um ein Drittel der erhöhten Zinsbelastung auszugleichen. Um die darüber hinaus gestiegenen Zinslasten wird der Ein- kommensbezieher also ärmer. Kasten H: Beispiele für Mietberechnungen bei unterschiedlichen Zinssätzen, alle Werte in DM (Euro: halbieren) Wohnungsgröße: 50 qm 50 qm 50 qm Baukosten je qm DM: 2 500 2 500 2 500 Bodenkostenanteil: 500 500 500 Gesamtkosten je qm: 3 000 3 000 3 000 Gesamtkosten Wohnung: 150 000 150 000 150 000 Berechnung der Kostenmiete: Verzinsung: 3 % 6 % 9 % Zinslast p.a.: 4 500 9 000 13 500 Zinslast im Monat: 375 750 1 125 laufende Sachkosten: 250 250 250 monatl. Kaltmiete: 625 1 000 1 375 Kaltmiete je qm: 12,50 20,00 27,50 Zinsanteil in der Miete: 60 % 75 % 82 % Von dieser Problematik werden jedoch nicht nur die ver- schuldeten Privathaushalte betroffen, sondern auch alle anderen. Denn wenn die Gesamtverschuldung in einer Volkswirtschaft über dem Volkseinkommen liegt (und das ist in fast allen Staaten bereits seit Jahrzehnten der Fall!), dann wird die Mehrheit der Bürger von dem vorbeschrie- benen Effekt betroffen. Denn die verschuldeten Unterneh-, men wie auch der Staat sind letztlich gezwungen, die explo- siv gestiegenen Zinsbelastungen, direkt oder indirekt, über Preise und Gebühren an die Endverbraucher bzw. Steuer- zahler weiterzugeben. Diese Kostenüberwälzungen als Folge von Inflationen werden besonders bei den Wohnungsmieten deutlich, die zu rund drei Vierteln aus Zinsen bestehen. Nach einer Faustregel erhöhen sich die Neubaumieten um zehn bis vierzehn Prozent, wenn die Hypothekenzinsen um einen Zinspunkt ansteigen. Das zeigen auch die Mietberechnun- gen im Kasten H. Aus diesen Berechnungsbeispielen geht auch hervor, in welchem Umfang die Mieter, und mit ihnen die Gesamtge- sellschaft, von Zinssenkungen profitieren würden. Schon eine Halbierung der Zinssätze von sechs auf drei Prozent würde bei der hier herangezogenen Wohnung von 50 qm eine Einsparung von DM 375 im Monat ergeben, was einer Mietsenkung von rund 38 Prozent entspricht.

Welche Wirkungen haben Zinserhöhungen bei Inflationen?

Der explosive Anstieg der Zinskosten in Inflationszeiten ist wahrscheinlich der Hauptgrund dafür, dass sich einmal angelaufene Inflationsentwicklungen so schwer abbremsen lassen. Denn da die meisten Notenbanken dem inflations- bedingten Umverteilungsdruck und der erhöhten Geld- nachfrage durch Geldmengenausweitungen nachgeben, führen die gestiegenen Zinskostenanteile in den Preisen zu erneuten Preisauftrieben. Dabei werden die Größenord- nungen dieser inflationsbedingten Zinslastanstiege auf- grund der wachsenden Verschuldungen immer atemberau- bender. So stiegen beispielsweise in der Inflations- und, Hochzinsphase 1978–1982 die geldbezogenen Zinsströme bei den deutschen Banken auf das Doppelte an. Selbst die relativ geringere Inflations- und Hochzinsphase 1988–1992 ließ die Zinserträge der Banken von 243 auf 445 Mrd. DM hochschnellen, also um rund 83 Prozent. Die Zinsaufwen- dungen der Banken, also die Ausschüttungen an die Geld- geber, stiegen sogar von 171 auf 344 Mrd. DM und damit um 101 Prozent! Man stelle sich einmal vor, die gesamten Einkommen- steuern oder Gesundheitsausgaben – Posten, deren Größen 1988 in Deutschland mit den Bankzinserträgen vergleich- bar waren – wären in vier Jahren auf das Doppelte gestie- gen: Die Schlagzeilen in allen Medien hätten alles bisher Dagewesene übertroffen. Die Explosionen der Zinsbelas- tungen und Einkünfte in dreistelligen Milliardenhöhen wurden jedoch praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Selbst die Gewerkschaften rühren dieses Problemfeld stei- gender Zinslasten und -einkommen nicht an. Sie streiten vielmehr jedes Jahr lautstark und medienwirksam auf der Vorderbühne mit den Arbeitgebern um den Rest des Kuchens, den das Kapital den Werteschaffenden übrigge- lassen hat. Der entscheidende Deal auf der Hinterbühne, der sich an den oben genannten Größen festmachen lässt, steht dagegen nie zur Debatte. Fast könnte man vermuten, dass den Gewerkschaften die Zinserträge aus ihren Streik- kassen wichtiger sind als die Überwindung der vielfach grö- ßeren Zinsausbeutung ihrer Mitglieder. Außerdem macht eine durchgesetzte Anhebung der Tariflöhne von fünf Pro- zent ›optisch‹ mehr aus als eine von zwei, auch wenn im ers- ten Fall die Reallohnerhöhung ebenfalls nur zwei Prozent beträgt und der Rest inflationäre Luft ist. Aber wahrschein- lich sind auch den meisten Gewerkschaftlern die tatsächli- chen Zusammenhänge nicht bekannt. Im Sommer des Jahres 2000 hat die Deutsche Bundes-, bank zum 50. Geburtstag der D-Mark die Herausgabe von DM-Gedenkmünzen in Gold angekündigt, gewissermaßen zum endgültigen Abschied von der D-Mark. Aus dem Erlös dieses Münzverkaufs, mit dem die Bundesbank gleichzeitig einen kleinen Teil ihrer überflüssigen Goldbestände abbaut, soll dann erfreulicherweise mit 100 Millionen DM eine Stif- tung ›Stabiles Geld‹ ins Leben gerufen werden. Es ist zu hof- fen, dass sich diese Stiftung dann auch einmal intensiver mit den Möglichkeiten der Inflationsüberwindung befasst!

Und was ist mit der Deflation?

Im Gegensatz zu Inflationen, die Folge eines Zuviels an nachfragendem Geld sind, werden Deflationen durch einen Geldmangel ausgelöst. Aufgrund dieses Geldmangels kommt es zu Nachfrageausfällen und damit zu einem Warenstau. Da aber alle Produzenten und Ladenbesitzer zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen auf den Verkauf ange- wiesen sind, versuchen sie durch Sonderangebote oder all- gemeine Preissenkungen zu Geld zu kommen. Aufgrund dieser Preissenkungstendenzen werden die Verbraucher jedoch noch zögerlicher in ihrem Nachfrageverhalten, da ›morgen‹ ja alles noch günstiger sein könnte. Um liquide zu bleiben, lassen dann die Warenbesitzer ihre Vorlieferanten hängen, womit sich Kettenreaktionen an Engpässen und schließlich Firmenpleiten ergeben. Aufgrund dieser Wechselwirkungen und der sich sehr rasch aufschaukelnden Rezessionserscheinungen, sind Geldengpässe wesentlich gefährlicher als Geldüberschüs- se. Während diese – zumindest im Anfang – die Konjunktur beleben, können schon geringe Deflationsraten in kurzer Zeit eine Wirtschaft zusammenbrechen lassen. Da die Notenbanken aus dem letzten großen Deflations-, desaster Anfang der 30er Jahre gelernt haben, versuchen sie darum, bei ihren Geldmengensteuerungen der Deflations- grenze fern zu bleiben. Dafür nehmen sie ein bis zwei Pro- zent Inflation in Kauf. Da das allgemeine Praxis ist und die früheren geldstoffbedingten Knappheiten (Stichwort Gold!) im Papiergeld-Zeitalter kein Thema mehr sind, ist das Pro- blem Deflation fast völlig in Vergessenheit geraten. Dass es dennoch auch in unserern Tagen aktuell werden kann, haben wir in den letzten zehn Jahren in Japan erlebt. Ausgelöst durch eine spekulationsbedingte Wirtschafts- und Banken- krise, kam es dort zu einer lahmenden Konjunktur, die eben- falls Preis- und daraufhin Einkommenssenkungen zur Folge hatte. Und da die gegen Null sinkenden Zinsen eine Geldan- lage bei den Banken uninteressant machten und weitere Bankenpleiten zu befürchten waren, wurde Geld zuneh- mend zu Hause gehortet, womit sich die Geldmangelerschei- nungen noch verstärkten. An diesem Verhalten ist der japa- nische Staat mit immer neuen Programmen zur Konjunktur- belebung gescheitert. Selbst der Versuch, die Bürger mit Gutscheinen in die Läden zu locken, schlug fehl: Nur mit einem Drittel ihrer Kaufkraft wurde eine zusätzliche Nach- frage ausgelöst, der größere Teil indirekt zur Aufstockung der Bargeldhaltungen in den Tresoren benutzt. Im Gegensatz zu Inflationen, die letztlich immer auf das Konto der Notenbanken gehen, gehen heutige Deflationen also auf das Konto der Verbraucher, die nicht genügend kaufen und verbrauchen wollen. Das heißt, nicht Geldman- gel von Seiten der Notenbanken ist die Ursache, sondern mangelnde Bereitschaft, das ausreichend vorhandene Geld auszugeben. Und wie das Beispiel Japan zeigt, sind die Notenbanken und Regierungen kaum in der Lage, einen solchen Käuferstreik aufzubrechen. Es sei denn, man könn- te das praktizierte Festhalten des Geldes unterbinden, womit wir wieder beim Thema Umlaufsicherung sind., 9. Kapitel

Das Problem der Geldhortung

»Der Bargeldumlauf wächst relativ stark, wenn die Zinsen besonders niedrig sind, weil es dann nicht viel kostet, sich liquide zu halten, der Zinsverlust ist gering .Unter solchen Umständen nimmt auch das Horten von DM-Banknoten im Ausland zu.« Helmut Schlesinger*

Gibt es heute noch Geldhortung und welche Arten muss man unterscheiden?

»Wer hortet denn heute noch Geld?« Diese Frage wird mir nach Vorträgen immer wieder gestellt. Dabei denken die meisten nur an jene Hortung ›unter der Matratze‹, über die man ab und zu in den Zeitungen lesen kann. Viel gewichtiger und problematischer ist heute aber jene, die mit der Schat- tenwirtschaft und anderen illegalen Einkünften zusammen- hängt, bis hin zu kriminellen Kassenbeständen. Hier werden häufig über Jahre hinweg große Bargeldbestände unter Ver- schluss gehalten, entweder um der Versteuerung oder der Strafverfolgung zu entgehen. So schreibt die Deutsche Bun- desbank in ihrem Oktober-Monatsbericht 1992 von einer »außerordentlich kräftigen« Ausweitung der Bargeldmenge im August: * Vormaliger Präsident der Bundesbank, am 24. 1. 1988 im Hessischen Rundfunk, »Hierzu trugen offensichtlich Sondereinflüsse bei, in erster Linie wohl Bargeldhortungen als Folge der Neuregelung der Zinsbesteuerung und als Folge der Erschwerung der Geldwäsche.« Viel bedeutender als solche zeitweisen Sondereinflüsse aber sind z. B. die langfristigen Hortungen von Hartwäh- rungen in Weichwährungsländern. Mit diesen Hortungen versuchen sich die Bürger dieser Länder dem Inflations- betrug ihrer eigenen Notenbanken zu entziehen. In man- chen Weichwährungsländern laufen die ausländischen Geldscheine, vor allem Dollar und DM, aber auch als eine Art von Zweitwährung um. Doch gleichgültig, wofür sie verwandt werden: Aus der Sicht der Geld ausgeben- den Länder müssen alle diese Geldbestände der ›Hor- tung‹ zugerechnet werden. Sie sind dem zuständigen Wirtschaftskreislauf genauso entzogen wie Geld unter der Matratze.

Welche Größenordnungen und Folgen haben Hortungen im Ausland?

Nach Schätzungen befinden sich von den in Umlauf gege- benen US-Dollarscheinen nur noch ein Drittel innerhalb der US-Landesgrenzen. Das Gros des US-Geldes ist inzwi- schen weltweit verstreut, überwiegend wahrscheinlich in Lateinamerika. Die zweitverbreitetste Währung, deren Verteilung sich vor allem auf Osteuropa konzentriert, ist die DM. In einem geringeren Umfang wird auch der Yen und der Schweizer Franken im Ausland gehalten. Den Umfang der DM-Bestände im Ausland hat die For- schungsabteilung der Deutschen Bundesbank 1994 mit 30 bis 40 Prozent der gesamten Bargeldmenge ermittelt. Das, heißt, von der gesamten herausgegebenen Bargeldmenge sind nur zwei Drittel im Inland. Die Folgen solcher Geldabwanderungen ins Ausland sind für beide davon betroffenen Seiten problematisch: Die herausgebende Notenbank hat über einen erheblichen Teil der Geldmenge keine direkte Kontrolle mehr. Die Noten- bank des Gastlandes muss mit einem Kaufkraftpotential in ihren Grenzen leben, auf das sie keinen Einfluss hat. Wird das Fremdgeld als Sparmittel benutzt, fehlen der eigenen Wirtschaft in entsprechender Höhe Kreditmittel. Läuft es als Zweitwährung um, erschwert es die Geldmengensteue- rung und damit die Stabilitätsbemühungen der örtlichen Notenbank. Für die Herausgeberländer – also vor allem die USA und Deutschland – mag die Beliebtheit des eigenen Geldes im Ausland schmeichelhaft und von Vorteil sein. Bedenkt man aber, dass diese verschwundenen Geldbestände einen offen gebliebenen Anspruch an die eigene volkswirtschaftliche Leistung darstellen, wird die Gefährlichkeit dieser Potenti- ale deutlich. Denn fließen größere Teile dieser Dollar- oder DM-Noten kurzfristig in ihr Ursprungsland zurück, ist ein Inflationsschub unvermeidlich. Für die deutsche Wirtschaft kommt es durch die vorgese- hene Einführung einer europäischen Währung allerdings zu einer kuriosen Entlastung. Denn tauschen die Halter in Osteuropa und anderswo ihre DM gegen Euro ein, dann müssen die gesamten Euroländer für die offenen Forderun- gen geradestehen und ggfs. auch für die inflationären Wir- kungen, die eigentlich von den Deutschen alleine getragen werden müssten.,

Welche Hortungen sind besonders kritisch?

Noch problematischer als die bisher genannten relativ sta- bilen Hortungen im In- und Ausland sind jedoch die extrem schwankenden Geldhaltungen in Spekulations- und Trans- aktionskassen. Ursache dieser schwankenden Kassenhal- tungen ist der Tatbestand, dass mit sinkenden Zins- und Inflationsraten die Liquiditätsvorliebe wächst. Das heißt, mit der nachlassenden Attraktivität der Zinsen und der Peitschenwirkung der Inflation, leiht man sein Geld weni- ger gerne aus und hält mehr Kasse. Solche spekulativen Liquiditätshaltungen konnten frü- her, zur Zeit der Gold- oder Silberwährungen, für eine Volkswirtschaft Existenz bedrohend werden. Denn da die gehorteten Nachfragemittel nicht ohne weiteres ersetzt werden konnten, kam es in den Volkswirtschaften aufgrund des Geldmangels zu deflationären Ein- oder Zusammen- brüchen. Im Zeitalter des Papiergeldes können solche Lücken natürlich relativ leicht geschlossen werden. Da mit diesem Ersatzgeld jedoch ein Doppelanspruch an die Volkswirtschaft geschaffen wird, entsteht mit diesem Ersatzgeld gleichzeitig ein Inflationspotential, das bei einer Reaktivierung der gehorteten Bestände wirksam wird. Die- se schwankenden liquiden Geldhaltungen und kürzerfristi- gen Hortungen dürften der Hauptgrund dafür sein, dass die Notenbanken mit ihren Geldmengensteuerungs- und Sta- bilisierungsbemühungen bisher nur unzulängliche Erfolge verzeichnen konnten. Über den Umfang dieser kritischen Inlandshortungen wurden bislang noch keine Untersuchungen angestellt. Vielmehr bezeichnet man nach wie vor die herausgegebene Geldmenge als die ›umlaufende‹, gleichgültig wie viel davon dem Umlauf – wo auch immer – entzogen ist. Ledig- lich die in den Bankkassen gehaltenen, relativ kleinen und, konstanten Bestände, werden meist von der herausgegebe- nen Geldmenge in Abzug gebracht. Dabei wäre es nicht schwer, durch repräsentative Befragungen der Wirtschafts- teilnehmer die wirklich zur Nachfrage benötigten Geldbes- tände und deren Einsatzhäufigkeit zu ermitteln. Durch einen Abzug dieser ermittelten aktiven und damit allein konjunkturwirksamen Geldmenge von der gesamten her- ausgegebenen, ergäbe sich dann als ›Rest‹ die inaktive. Zieht man von diesem Rest dann noch die im Ausland ermittelten Bestände ab, hätte man das im Inland verblei- bende Hortungsvolumen eingekreist. Damit würde man auch eine Grundlage zur Berechnung der wirklichen ›Umlaufgeschwindigkeit‹ erhalten, deren Ermittlung heute durch die großen inaktiven Geldanteile total verfälscht wird. Heute kann man anhand der statistischen Unterlagen nur die Schwankungsüberschüsse der Geldhortungen er- mitteln. Sie ergeben sich aus dem Unterschied der Geldhal- tungen in Phasen niedriger und hoher Inflations- und Zins- raten.

Wie groß sind die niedrigzinsbedingten Hor-

tungs-Ausweitungen? Eine extreme Niedrigzinsphase, in der der Kapitalmarkt- zins über zwei Jahre bei knapp sechs Prozent und die Infla- tionsrate bei Null lag, gab es in Deutschland beispielsweise 1987 und 1988. Da in diesen beiden Jahren die reale volks- wirtschaftliche Leistung um rund sechs Prozent zunahm, hätte auch die Geldmenge nur in diesem Ausmaß wachsen dürfen. Nach den Unterlagen der Deutschen Bundesbank nahmen jedoch die Sichtguthaben um 15 Prozent und die Bargeldbestände um 28 Prozent zu, während das Sozialpro-, dukt real nur um sechs und nominell um neun Prozent stieg. Das heißt, die Bargeldmenge wurde in den beiden Jahren dreieinhalb Mal so viel ausgeweitet wie das Sozialprodukt. Diese Überentwicklung der Bargeldmenge ist im linken Teil der nachfolgenden Darstellung 25 wiedergegeben, ver- glichen mit der Zunahme des Sozialprodukts. Darstellung 25: Geht man von den absoluten Größen aus, dann nahm die ›umlaufende‹ Bargeldmenge in den beiden Jahren von 112 Mrd. auf 143 Mrd. DM zu, also um 31 Mrd. Zur monetären Unterfütterung der realen Leistungssteigerung von real sechs Prozent aber hätten rund sieben Mrd. DM ausge- reicht. Von den zu viel in Umlauf gesetzten 24 Mrd. DM gin- gen rechnerisch etwa drei Mrd. DM inflationstreibend in, die Nachfrage, wodurch das BSP nominell um neun Prozent anstieg. Der ›Rest‹ des zu viel herausgegebenen Geldes in Höhe von rund 21 Mrd. DM wurde jedoch nicht nachfrage- wirksam. Das heißt, der bereits vorhandene Hortungsso- ckel unbekannter Größe wurde allein in diesen zwei Jahren um 21 Mrd. DM, also in der Größe von fast einem Fünftel der vorher vorhandenen Bargeldmenge(!), ausgeweitet Dass es sich bei dieser extremen Ausweitung weitgehend um gehortete Bestände handelt, bestätigt noch ein zweiter statistisch überprüfbarer Tatbestand, nämlich die überpro- portionale Zunahme der 1 000-DM-Scheine. Diese größten Noten nahmen – wie aus der Darstellung hervorgeht – in den zwei Jahren um sage und schreibe 58 Prozent zu, also fast neunmal mehr als das reale Sozialprodukt! An der gesamten Geldvermehrung in Höhe von 31 Mrd. waren die- se größten und im Nachfragekreislauf kaum auftretenden Scheine mit fast der Hälfte beteiligt. Nimmt man die eben- falls überproportional nachgefragten 500-DM-Scheine hin- zu, dann konzentrierte sich die Geldvermehrung zu fast zwei Dritteln auf diese beiden großen Noten! Zusammen- genommen wurden sie in den beiden Jahren viermal mehr vermehrt, als die Noten von 10 bis 100 DM. Im rechten Teil der Darstellung ist die Entwicklung von Sozialprodukt und Bargeld in den beiden anschließenden Jahren wiedergegeben, in denen die Zinsen wieder in die Höhe gingen. Obwohl das Bruttosozialprodukt von Ende 1988 bis Ende 1990 real um 8,5 Prozent und nominal um 15,1 Prozent anstieg, nahm die gesamte Bargeldmenge in diesen beiden Jahren nur um 3,5 Prozent zu. Gemessen an der nominellen BSP-Entwicklung fiel sie also deutlich zurück! Hauptursache war diesmal die radikale Verringe- rung der 1 000- und 500-DM-Noten: Während sie in den beiden Vorjahren noch um 58 Prozent zugenommen hat- ten, gingen sie in diesen beiden Jahren um 4,5 Prozent, zurück. Gemessen an dem nominellen BSP-Anstieg lag der Rückgang sogar bei fast 20 Prozent!

Welche Folgen haben Geldhortungen heute?

Früher wurden Geldhorte durch Entzug von Münzen aus dem Kreislauf aufgebaut. Die Folgen des daraus entstehen- den Geldmangels waren Nachfragerückgang und Preisver- fall, die entscheidenden Merkmale einer Deflation, deren eskalierende Entwicklung kaum zu stoppen ist. Auch die eingangs angeführten heutigen Hortungen ›unter der Matratze‹ oder in ›schwarzen Kassen‹ werden überwiegend durch Entzug von Geld aus den umlaufenden Beständen angesammelt. Wer heute jedoch bei sinkenden Zins- und/ oder Inflationsraten seine Transaktions- oder Spekulati- onskassen kurzfristig aufstocken will, muss dies durch Abhebungen von seinem Bankkonto tun. Da solche mas- sierten Geldabhebungen die Kassen der Geschäftsbanken überfordern, müssen diese sich bei der Notenbank ›fri- sches‹ Geld besorgen, vor allem in den für Hortungen beliebten großen Scheinen. Das heißt, der Aufbau dieser Hortungen ist nur mit der Notenpresse möglich. Für die Banken sind solche Vorgänge gleich zweifach mit negativen Auswirkungen verbunden: Einmal werden ihnen durch die Geldabhebungen Einlagenbestände und damit Kreditpotentiale entzogen. Zum anderen müssen sie sich bei der Notenbank für das zusätzliche Bargeld höher ver- schulden und damit höhere Zinslasten tragen, ohne diese an die Geldnachfrager überwälzen zu können. Beides schlägt letztlich als Erhöhung der Kreditkosten und damit als Belastungsanstieg für die Wirtschaft durch. Die zuneh- mende Hortung bei niedrigen Zinsen bremst also nicht nur das weitere Fallen der Zinsen ab, sondern trägt schließlich, sogar zu ihrem erneuten Anstieg bei. Das heißt, diese nied- rigzinsbedingten Geldhortungen lösen zwar keinen akuten Geldmangel aus wie das früher der Fall war, aber sie ver- stärken den Druck auf einen Wiederanstieg der Zinsen. Dieser Druck wird zusätzlich noch durch das in Niedrig- zinsphasen übliche Umparken langfristiger Guthaben auf kurzfristige Einlagen verstärkt. Man kann also zusammenfassend sagen, dass früher, zur Zeit der edelmetallgebundenen Währungen, Geldhortun- gen deflationäre Entwicklungen nach sich zogen, heute jedoch Zinsauftriebe und das Entstehen von Inflationspo- tentialen. Allerdings wirken sich diese entstehenden Infla- tionspotentiale – nach Untersuchungen der Deutschen Bundesbank wie der Schweizerischen Nationalbank – erst mit einer Zeitverzögerung von etwa zwei Jahren aus. Die Deflationsfolgen bei den Hortungen in Edelmetall-Wäh- rungen folgten wesentlich rascher.

Lassen sich diese Geldhaltungsschwankungen

auch langfristig nachweisen? In der Darstellung 26 sind im oberen Teil die Schwankun- gen der liquiden Geldhaltungen in Deutschland ab 1960 wiedergegeben, gemessen in Prozenten des Sozialprodukts. In welchem Maß diese Geldhaltungen durch Veränderun- gen der Inflations- und Zinssatzhöhen beeinflusst wurden, zeigt der Vergleich mit den Zins- und Inflationsschwankun- gen im unteren Teil der Darstellung: Steigen deren Sätze an, werden die liquiden Geldhaltungen abgebaut; fallen die Sätze, nehmen die Geldhaltungen zu. Das wird besonders deutlich bei der bereits beschriebe- nen extremen Zunahme der Geldhaltungen in der zweiten Hälfte der 80er Jahre, der ein ebenso extremes Absinken, Darstellung 26: der Zins- und vor allem der Inflationssätze gegenüber- stand. Wie erkennbar, treffen diese Gegenläufigkeiten nicht nur auf das Bargeld zu, sondern ebenso auf die, ›Geldmenge M1‹ (Bargeld plus gesamte Sichteinlagen) sowie die in Deutschland bis 1987 als Steuerungsgröße benutzte ›Zentralbankgeldmenge‹, die zur Hälfte aus Bar- geld bestand. Wie die ›Parallelität‹ von Bargeld und M1 zeigt, werden die verstärkten Bargeldhaltungen nicht zu Lasten der Sichteinlagen aufgestockt, sondern vielmehr beide gemein- sam zu Lasten längerfristiger Guthaben. Die von der Deutschen Bundesbank als Begründung für den überproportionalen Anstieg der Geldmenge herange- zogenen Hinweise auf die 1988 eingeführte Quellenbe- steuerung der Geldvermögen wie die zunehmenden krimi- nellen Geldhaltungen, mögen die Entwicklungen verstärkt haben. Sie können aber keinesfalls als Erklärung für die sich wiederholenden gegenläufigen Schwankungen zwi- schen Zinshöhe und liquider Geldhaltung herangezogen werden. Denn die kriminellen Geldhaltungen unterliegen bekanntlich einem laufenden Anstieg und keinesfalls einem solchen, der den Schwankungen der Zinshöhen folgt. Im Übrigen bestätigt auch die Schweizerische Natio- nalbank in ihrem Jahresbericht 1990 die Zusammenhänge zwischen Zinshöhe und Geldhaltung, und zwar bezogen auf die Auswirkungen der Zinssatzanstiege ab 1988/89 und die Haltungen der großen Noten: »Der Notenumlauf ging im Jahresdurchschnitt 1990 gegenüber dem Vorjahr um 2,1 Prozent zurück. Die Abnahme ist auf die gestiegenen Zinssätze zurückzu- führen, welche den Anreiz erhöhten, Barbestände abzubauen und zinstragend anzulegen. Weil diese Umlagerungen der Entwicklung der kurzfristigen Zinssätze verzögert folgen, ist der beträchtliche No- tenrückgang im Jahre 1990 Teil einer Spätfolge der Zinserhöhung im Vorjahr. Wie üblich konzentrierte, sich die Zinswirkung auf die großen Notenabschnitte von 500 und 1000 Franken, deren Umlauf um 4,4 Pro- zent abnahm, während die kleineren Abschnitte noch einen Zuwachs um 1,5 Prozent verzeichneten.« Auch diese Aussage zeigt noch einmal, dass die Notenban- ken die Geldversorgung und Geldmengensteuerung heute gar nicht optimal regeln können. Sowohl die Nachfrage nach Geld wie die Nichtnachfrage wird letztlich von den Marktteilnehmern bestimmt. Dabei ist das Hauptproblem, dass die Marktteilnehmer nicht nur darüber entscheiden, wofür sie das von ihnen nachgefragte Geld ausgeben, son- dern ob sie es überhaupt ausgeben! Vor allem die ständigen Schwankungen dieser Hortungsgrößen gestatten keine wirksame Steuerung der Geldmenge. Die Geldhortungen werden darum so lange ein Problem sein, und das mit zunehmender Brisanz, wie man die geldrechtlichen und umlauftechnischen Voraussetzungen nicht ändert., 10. Kapitel

Das Dilemma der Geldmengen- Steuerung und des Geldumlaufs

»Ich möchte bekennen, dass mich die praktischen Ergebnisse der Geld- mengensteuerung sehr enttäuscht haben ..In der Theorie besteht weiter Einigkeit darüber, dass die Geldmen- ge allein noch nicht alles besagt, son- dern es sehr auch auf die jeweilige Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ankommt. Diese entzieht sich aber bisher einer genauen Berechnung. Bei der Berechnung der zulässigen Geldmengenvermehrung wird die Umlaufgeschwindigkeit .mehr oder weniger geschätzt. Es fehlt also in der Praxis letztlich an einer exakten Geldmengenberechnung.« Karl Klasen*

Warum ist der Geldumlauf so wichtig?

Sinn und Ziel der Geldmengensteuerung ist das Gleichge- wicht zwischen dem Leistungsangebot in der Wirtschaft und der nachfragenden Geldmenge. Steuern kann man aber bekanntlich nur etwas, das sich bewegt. Das gilt nicht nur für Schiffe oder Fahrzeuge, sondern auch beim Geld. * ehemaliger Präsident der Bundesbank, »Die Welt« vom 3. 10. 1983, Das heißt: Will man die Nachfragekapazität über die Geld- menge steuern, muss man sich ihrer Bewegung sicher sein. Trotz dieser logisch-plausiblen Beziehungen kommen die Notenbanken mit der Steuerung der Geldmenge und damit der Stabilerhaltung unserer Währungen immer noch nicht zurecht. Aber das ist leider noch nicht alles. Auch in der Frage, was eigentlich zu der zu steuernden ›richtigen Geldmenge‹ gehört, sind sich die Verantwortlichen nicht einig. Das klingt unglaublich, wird aber von ihnen selbst bestätigt. So z. B. von der Deutschen Bundesbank im Monatsbericht 1/92: »Da Geld nicht eindeutig und einheitlich definiert ist, gibt es analog dazu auch verschiedene Abgrenzungen für die Geldmenge.« Auch bei der zuständigen Wirtschaftswissenschaft ist kein Rat in dieser Frage zu holen. So kann man in einem der ver- breitetsten Lehrbücher, der »Volkswirtschaftslehre« des bekannten US-Ökonomen Paul A. Samuelson, lesen: »Der Versuch, die Geldmenge zu definieren, treibt akribische Experten an den Rand der Verzweiflung. Denn es gibt keine klare Trennungslinie im Kaleido- skop der Anlagen, die es ermöglichen würde, genau den Punkt festzulegen, an dem sich Geld von anderen Anlagen scheidet.« Dabei wäre eigentlich alles so einfach: Um die ›richtige‹ Geldmenge einzukreisen, brauchte man nur zu untersu- chen, was in der Praxis nachfragewirksam ist. Und um den Umlauf zu verstetigen, brauchte man nur den spekulativen Entzug und Missbrauch des Geldes zu unterbinden. Denn, erst wenn der Geldumlauf verstetigt ist, kann über Geld- mengen-Veränderungen die Nachfrage mit dem Angebot in Übereinstimmung gebracht und die Kaufkraft des Gel- des stabilisiert werden. Ist diese Kaufkraftstabilität erreicht, ist zwangsläufig auch die Geldmenge ›richtig‹, gleichgültig wie groß sie jeweils ist. Man braucht dann nur noch den Preisindex zu beobachten und auf dessen Schwankungen mit entsprechenden Mengenkorrekturen zu reagieren. Dazu ein Beispiel: Wenn ein Autofahrer die Aufgabe hat, die Geschwindig- keit eines Wagens stabil zu halten, dann braucht er sich über die dafür erforderliche Treibstoffmenge kaum Gedan- ken zu machen, sondern lediglich den Tachostand zu beob- achten: Sinkt die Tachonadel unter die einzuhaltende Mar- ke, dann führt er dem Motor mehr Treibstoff zu. Schlägt die Tachonadel nach oben aus, drosselt er die Zufuhr. Hält er den vorgegebenen Tachostand ein, dann ist die zugeführte Treibstoffmenge automatisch optimal dosiert. Vorausset- zung dafür aber ist selbstverständlich, dass die Treibstoffzu- fuhr bzw. -reduzierung immer im vollen Umfang wirksam wird. Denn unmöglich wäre für den Fahrer die Einhaltung einer konstanten Geschwindigkeit, wenn ein Dritter die jeweiligen Entscheidungen des Fahrers über Entzug oder Zuführung des Treibstoffs konterkarieren könnte. Genau hier liegt das Problem bei den heutigen Bemü- hungen der Notenbanken: Sie wissen zwar, wie viel ›Treib- stoff‹ – sprich Bargeld – sie jeweils der Wirtschaft zugeführt haben, aber nicht, ob und in welchem Umfang diese Zufüh- rungen bzw. deren Veränderungen wirksam sind oder wer- den. Kurz: Weil die Notenbanken nichts Genaues über den Geldumlauf wissen, tappen sie mit ihren Mengenregulie- rungen im Dunkeln.,

Wie praktizieren die Notenbanken ihre Geld-

mengenregulierungen? Um sich selbst für die Mengenregulierungen einen An- haltspunkt zu geben, haben die meisten Notenbanken in den 70er Jahren damit begonnen, die für das nachfolgende Jahr erwartete bzw. erwünschte Geldmengenausweitung im Voraus festzusetzen. Diese geplante Ausweitungsrate wur- de dann der Öffentlichkeit bekannt gegeben, in der stillen Hoffnung, dass sich der Wirtschaftsteilnehmer, vor allem die Tarifpartner, daran orientieren. Da man sich jedoch – wie bereits erwähnt – über ›die Geldmenge‹ nicht im Klaren ist, hat fast jedes Land mit einem anderen Geldmen- gen-Aggregat diese Steuerung versucht. In dem bereits angeführten Lehrbuch von Paul A. Samuelson liest sich das so: »Die genaue Definition ›der Geldmenge‹ ist ebenso eine Frage des Geschmacks wie der wissenschaftlichen Notwendigkeit. Neben M1 und M2 haben die Ökono- men mehr als ein Dutzend Geldmengenkonzepte defi- niert: M3, M1a, M1b, L ..!« Aus diesem Wirrwarr von ›Geldmengen‹ suchten sich dann die einzelnen Notenbanken die ihnen genehmste Größe aus. Die Deutsche Bundesbank, die Ende 1974 als erste Notenbank eine solche Mengenvorgabe einführte, hatte dafür sogar noch eine weitere, eigene ›Geldmenge‹ kreiert, nämlich die so genannte ›Zentralbankgeldmenge‹ (ZBGM). Diese bestand etwa zur Hälfte aus dem ›umlau- fenden‹ Bargeld, zur anderen Hälfte aus den eingefrore- nen Mindestreserven, die damals – bezogen auf Sicht-, Termin- und Sparguthaben – von den Geschäftsbanken bei der Bundesbank gehalten werden mussten. Andere, Notenbanken, vor allem im angelsächsischen Raum, orien- tierten sich an der von Samuelson genannten Geldmenge M1. Diese ›Geldmenge‹ setzt sich zusammen aus der Bar- geldmenge und den Sichtguthaben der ›Nichtbanken‹, also der Wirtschaftsteilnehmer außerhalb des Bankenappara- tes. Obwohl über die Größe dieser Sichtguthaben nicht die Notenbanken bestimmen, sondern die Wirtschaftsteilneh- mer mit ihren Zahlungsgewohnheiten, ist diese Mischgröße noch halbwegs logisch. Denn immerhin werden die Sicht- guthaben, neben dem Bargeld bzw. an seiner Stelle, zur Nachfrage in der Wirtschaft benutzt. Inzwischen aber sind die Notenbanken in fast allen angelsächsischen Ländern von den Versuchen abgekommen, die Kaufkraftstabilität über Mengenvorgaben in den Griff zu bekommen. Viel- mehr versuchen sie sich direkt an der Inflationsrate zu ori- entieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat, neben der Heranziehung diverser anderer statistischer Merkmale, die so genannte Geldmenge M3 als Hauptorientierungsgröße auserkoren, die auch von der Deutschen Bundesbank in den letzten zehn Jahren benutzt wurde. Allerdings bezeich- net die EZB diese Menge nicht als Orientierungs- sondern als Referenzgröße. Außerdem stützt sie sich bei ihren Men- gensteuerungen auf diese Größe nur als ›zweite Säule‹, während die andere die Beobachtung der Inflationsent- wicklung ist. Die Zusammensetzung der Referenzgröße M3 wurde bereits im 4. Kapitel in der Darstellung 9 wiedergegeben. An den Bestandteilen und Größen lassen sich die unter- schiedlichen Auffassungen über ›Geld‹ ebenso ablesen, wie die Tendenz, die Bargeldmenge – für die die Notenbanken allein verantwortlich sind und die sie auch alleine direkt beeinflussen können – in einem immer größeren Wust von Guthaben untergehen zu lassen. So lag Ende 1999 z. B. die, umlaufende Bargeldmenge bei 350 Mrd. Euro, der Gutha- benbestand in M3 jedoch bei 4 430 Mrd. Euro und damit fast beim 13fachen. Bei diesen Guthabenbeständen handelt es sich jedoch nicht um Geld, sondern um die Bestätigun- gen, dass man sein Geld – und damit seine Nachfragerechte an den Markt – anderen überlassen hat. Der Geldüberlas- ser und Besitzer des Guthabens kann über diese Nachfra- gerechte selbst erst wieder nach Abhebung des Guthabens verfügen. Damit aber entzieht er in gleicher Höhe der Bank die Möglichkeit zur Kreditvergabe und Weiterüberlassung der Kaufkraft an einen Dritten. Weder durch die Ersparnis- und Guthabenbildung noch durch deren Auflösung wird also die Kaufkraft und damit die kauffähige Geldmenge in der Wirtschaft verändert. Sieht man von den als Zahlungsmittel benutzten Sichtgut- haben ab, so ist also die Addition der Bargeldmenge mit weiteren Guthabenbeständen als ›Geldmenge‹ sachlich höchst fragwürdig und irreführend. Ebenso sind auch die Begriffsdefinitionen mehr als willkürlich, bei denen man die den Banken bis zu zwei Jahren überlassene Kaufkraft als ›Geld‹ bezeichnet, längere Überlassungen als ›Kapital‹.

Wie sieht das Ergebnis dieser Stabilitätsbe-

mühungen aus? Die Deutsche Bundesbank hatte schon mit ihrer ersten Geldmengenkreation im Jahr 1975, der Zentralbankgeld- menge, wenig gute Erfahrungen gemacht, vor allem weil diese zur Hälfte aus Bargeld bestand, dessen oft extreme Schwankungen die Zielvorstellungen über den Haufen warfen. Statt jedoch den Ursachen dieser Schwankungen nachzugehen und diese einzuschränken, stieg die Deutsche Notenbank 1988 von der Zentralbankgeldmenge auf die, Darstellung 27: rund fünfmal größere Geldmenge M3 um, in der die Unru- he stiftende Bargeldmenge von der Hälfte auf ein Zehntel zusammenschmolz. Dabei war diese Geldmenge M3 als Orientierungsgröße für die Steuerung des Nachfragepoten-, tials noch weniger geeignet als die vorher benutzte Zentral- bankgeldmenge. Einmal wegen ihrer übergroßen Gutha- benbestandteile, zum anderen wegen ihrer langfristigen Überentwicklung, gemessen an der volkswirtschaftlichen Leistung. Denn in Deutschland stieg die Geldmenge M3 in der Zeit von 1950 bis 2000 von etwa 25 auf rund 60 Prozent des Sozialprodukts an, während sich das Bargeld, schwan- kend zwischen sechs und acht Prozent, weitgehend im Gleichschritt mit der Wirtschaftsleistung entwickelte. Dies geht aus der Darstellung 27 deutlich hervor. Selbst die Geldmenge M1, also die Summe von Bargeld und Sichtguthaben und damit das Nachfragepotential in der Wirtschaft, blieb bis 1985 relativ konstant, schwankend in einem Bereich zwischen 17 und 19 Prozent des BSP. Die Geldmenge M3 wächst jedoch nicht nur langfristig über- proportional, sondern aufgrund der laufenden Ersparnis- bildungen auch weitgehend unabhängig vom Sozialpro- dukt und der von den Notenbanken herausgegebenen Bar- geld- bzw. Zentralbankgeldmenge. Das heißt, innerhalb der Geldmenge M3 kommt es zu deutlichen Größenverände- rungen, ohne dass diese auf die Nachfrage in der Wirtschaft einen nachweisbaren Einfluss haben. Die Deutsche Bun- desbank war darum auch immer häufiger gezwungen, die noch größeren Ausreißer dieses neugewählten Aggregates zu erklären, machmal mit sich widersprechenden Begrün- dungen. In welchem Ausmaß die Geldmengen jeweils aus dem Ruder liefen, zeigt die Darstellung 28 mit den beiden Vierjahresergebnissen. Die EZB hat zwar die Geldmenge M3 als Orientie- rungsgröße übernommen, misst ihr jedoch weniger Bedeu- tung zu, da sie sich bei ihren Geldmengen-Steuerungs- versuchen auch an anderen Größen und Entwicklungen orientiert. Doch gleichgültig welche Aggregate und Me- thoden zur Geldmengensteuerung man wählt: Allen die-, Darstellung 28:, sen Bemühungen kann kaum Erfolg beschieden sein, solan- ge der Geldumlauf weiterhin eine variable Zufallsgröße ist.

Was ist das größte Dilemma der Notenbanken?

Erinnern wir uns an den Autofahrer: Wenn er sich nicht mit Berechnungen der Benzinmengen belastet, sondern ein- fach mit dem Gaspedal auf die Tachonadel reagiert, kann er die gewünschte Geschwindigkeit präzise einhalten. Das allerdings nur dann, wenn niemand ihm dabei ins Hand- werk pfuschen und auf die Benzinzuführung Einfluss neh- men kann. Als Autofahrer braucht man sich über solche ›Einmi- schungen Dritter‹ keine Gedanken zu machen. Anders ist das aber bei den Notenbanken und der Geldmenge: Im Gegensatz zu dem Autofahrer sind die Notenbanken noch nicht einmal in der Lage, dem ›Motor Wirtschaft‹ Treibstoff zuzuführen, wenn sie das für erforderlich halten. Sie kön- nen lediglich versuchen, den Marktteilnehmern die Nach- frage danach durch günstigere Zinskonditionen schmack- hafter zu machen. Aber selbst wenn das gelingt, wissen sie immer noch nicht, ob das abgerufene Geld nun Konjunktur und Kaufkraft stabilisierend in die Nachfrage oder in spe- kulative Anlagen oder Hortungen fließt! Dieses Dilemma hat die renommierte »Frankfurter Allgemeine Zeitung« am 4. 12. 1993 wie folgt beschrieben: »Ihr Ziel, die Sicherung des Geldwertes, kann die Deut- sche Bundesbank nur auf Umwegen angehen: Mit dem Zins steuert sie die Geldmenge und erwartet dann, dass sich aus dem verfügbaren Geld ein Kaufverhalten ergibt, das seinerseits zu einer Nachfrage nach Gütern wird, die, wiederum sich im Gleichklang mit den realen Ange- botsmöglichkeiten der Volkswirtschaft entwickelt.« Und weiter heißt es zu dieser Steuerung um drei Ecken: »Ob die Steuerung der Geldmenge nach Maßgabe des möglichen Güterangebotes gelingt, hängt entschei- dend von einer Bedingung ab: der Stabilität der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes.«

Können die Notenbanken die Geldmenge be-

grenzen? Dass die Notenbanken Geldmenge und Nachfrage nicht nach ihren Vorstellungen ausweiten können, wurde darge- legt. Sie sind aber auch nicht ohne weiteres in der Lage, eine übermäßige Ausweitung der Geldmenge zu verhindern. Konkret: Sie müssen – wie bereits im 8. Kapitel beschrieben – auch dann noch Neugeld nachdrucken, wenn diese Ver- mehrungen weit über die wirtschaftlichen Notwendigkei- ten und sogar ihre selbst gesetzten Ziele hinausgehen. Das heißt, sie setzen selbst dann noch Mehrgeld in Umlauf, wenn sie wissen, dass dies in etwa zwei Jahren zu einem neuen Inflationsschub führen wird! Warum aber tun sie das? – Die Antwort ist einfach: Würden die Notenbanken die Unterfütterung einer überhöhten Bargeldnachfrage mit neuem Geld verweigern, dann müssten die Banken vor ihren Geld nachfragenden Kunden die Schalter schließen. Das aber würde zu panikartigen Geldabhebungen auch jener Sparer führen, die gar kein Geld benötigen. Zu wel- chen Folgen ein solcher Ansturm auf die Banken führen muss, haben wir im letzten Jahrhundert zur Genüge erlebt. Wie gesagt, niemand kann sich vorstellen, dass der Kons-, trukteur eines Motorwagens Dritten die Möglichkeit ein- räumen würde, an dem Fahrer vorbei in die Regelung der Kraftstoffzufuhr und damit der Geschwindigkeit einzugrei- fen. Die Verantwortlichen für unser Geld, die Notenban- ken, bezeichnen diese Eingriffe jedoch geradezu als ein zu verteidigendes Stück persönlicher Freiheit. So schrieb die Deutsche Bundesbank auf die Frage, ob jedermann berech- tigt sei, Geld aus dem Verkehr zu ziehen: »Die Möglichkeit, rechtmäßig erworbenes Geld dem Zahlungsverkehr auf gewisse Zeit zu entziehen, ist Ausfluss des Grundsatzes, dass der Eigentümer be- weglicher Sachen hiermit .nach Belieben verfahren darf .Ein »Horten« von Bargeld kann somit von der Bundesbank nicht verhindert werden. Es sind hier- durch aber bisher praktisch keine ernsthaften wäh- rungspolitischen Probleme entstanden, auch nicht aus der Sicht der Steuerung des Geldumlaufs.« Und auf ein Schreiben mit der Frage nach der Einordnung des Geldes als öffentliches oder privates Gut, antwortete die Deutsche Bundesbank: »Das Geldwesen, die staatlich gelenkte Ordnung der Geldwirtschaft eines Landes, erfüllt zweifelsfrei Funktionen, die allen am Wirtschaftsleben beteiligten Subjekten zugute kommen. Eine Zuordnung des Geldwesens zu Einrichtungen, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen, ist allerdings nicht Bestand- teil allgemeinen Sprachgebrauchs. Es bleibt Ihnen anheim gestellt, dies anzunehmen.« Angesichts der in diesem Buch dargelegten ständigen Pro- bleme bei der Stabilerhaltung der Geldkaufkraft, kann man, über die erste Aussage nur den Kopf schütteln, nicht minder über die Aussage, dass es in das Belieben eines Jeden gestellt ist, das von den Notenbanken herausgegebene Geld als öffentliche Einrichtung oder als beliebig verfügbares Priva- teigentum zu sehen und es entsprechend zu behandeln.

Das bittere Lehrgeld der Notenbanken

Zweifellos haben die Notenbanken im vergangenen Jahr- hundert aus ihren praktischen Erfahrungen viel gelernt. Zum Beispiel, dass man bei steigendem Preisniveau nicht die Geldmenge vermehren darf, dass die Bindung der Geld- menge an irgendwelche Gold- oder Devisenbestände zu großen Problemen führt, dass auch geringe Inflationsraten gefährlich sind oder dass man Wechselkurse und Kaufkraft nicht gleichzeitig stabilisieren kann, usw. Leider waren das aber alles Lernvorgänge im Nachhinein, die von den Bür- gern mit großen Opfern bezahlt werden mussten. Man den- ke nur an die Hyperinflationen dieses Jahrhunderts, welche für die Bevölkerungen oft mit dem Verlust ihrer gesamten Ersparnisse verbunden waren, für Millionen sogar mit dem ihrer Existenz. Oder man erinnere sich der großen defla- tionären Rezession Anfang der 30er Jahre, die Millionen Menschen in aller Welt mit Arbeitslosigkeit und bitterer Not bezahlen mussten. »All die unglückseligen Ereignisse, die Reichtum und Glück auf der ganzen Welt so empfindlich getroffen haben, sind den Leitern der Notenbanken anzukrei- den«, schrieb damals kein geringerer als John Maynard Keynes. Und vielleicht muss man sogar die 50 Mio. Toten des 2. Welt-, kriegs mit auf das Konto unzulänglicher Kenntnisse der Notenbankverantwortlichen verbuchen. Denn ohne die große Rezession in Deutschland mit fast sieben Millionen Arbeitslosen, Folge vor allem der Geldmengenreduzierung durch die damalige Reichsbank, wäre der Welt der Aufstieg Hitlers höchstwahrscheinlich erspart geblieben. Nach dem zweiten Weltkrieg und einer zweiten Enteig- nung fast aller Sparer, ging der Lernprozess im Nachhinein weiter: Festgeschriebene Wechselkurse führten jahrelang zu Ungleichgewichten und zu ungerechten Reichtums- Umverteilungen zwischen den Ländern, außerdem zu erneut auflebenden Inflationen. Auch die Gefährlichkeit dieser relativ geringen Preisauftriebe – lange Zeit von vie- len Fachleuten als Stimulanz der Wirtschaft angesehen – hat man erst begriffen, als die den Inflationen folgenden Zinsauftriebe die Konjunktur mehrmals in die Knie zwan- gen. Auch heute lassen sich die oft schrecklichen sozialen und ökonomischen Folgen fehlerhafter Notenbankpolitik in aller Welt kaum auflisten. Und geht man ihnen nach, dann hängen sie in fast allen Fällen mit jener unzulänglichen Geldmengensteuerung und Umlaufsicherung zusammen, die in diesem Kapitel behandelt wurde., 11. Kapitel

Geldschöpfung und -versorgung

durch die Notenbanken »Die Vorgänge um die Geldschöp- fung und die Zusammenhänge zwi- schen Notenbankgeld und Buchgeld sind sehr komplex und daher schwer verständlich. Darüber hinaus werden in der Literatur sehr unglückliche irreführende Formulierungen ver- wendet, die manche veranlassen zu glauben, dass die Hauptursache für die Probleme in der heutigen Form der Geldschöpfung und insbesondere in der Buchgeldschöpfung durch Geschäftsbanken liegt.« Erhard Glötzl* Erinnern wir uns: Aufgabe der Geschäftsbanken ist in ers- ter Linie die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten. Die Aufgabe der Noten- oder Zentralbanken besteht dagegen in der Versorgung der Wirtschaft mit dem für alle Vorgänge notwendigen Tauschmittel Geld. Dieses gewissermaßen aus dem Nichts geschöpfte Geld bedarf noch nicht einmal – wie immer noch vermutet – einer Deckung durch irgendwelche Werte in den Kellern der Notenbanken. Das hat sich nicht nur bei der Ausgabe * Technischer Direktor der Stadtwerke Linz, Österreich, in »Die Verwir- rungen und die vermeintliche Giralgeldschöpfung durch Geschäftsban- ken«, 2000, der DM durch die Deutsche Bundesbank nach dem Zwei- ten Weltkrieg gezeigt, die sich erst später nach und nach ein Polster von Gold und Devisen mit diesem selbst gedruckten Geld einkaufte. Das beweist auch der Tatbestand, dass eine noch so hohe Deckung durch Gold nicht vor inflationären Kaufkraftverlusten schützen kann, wie wir das z. B. in der Schweiz erlebt haben. Denn seine Deckung erhält das Geld alleine durch die Güter, die man mit ihm auf den Märkten erwerben kann. Deshalb ist für die Stabilität der Kaufkraft des Geldes auch die Abstimmung der Geldmenge auf die Wirtschaftsleistung entscheidend, ebenso aber auch die kontinuierliche und richtig dosierte Versorgung der Wirt- schaft mit Geld. Auch die von den Notenbanken bei der Ausleihe des Geldes an die Banken geforderte Hinterlegung von Wert- papieren dient nicht – wie manche annehmen – der Deckung des Geldes. Vielmehr sind diese nur als eine Art Pfand zu sehen, mit dessen Hilfe sich die Zentralbank das geschöpfte und ausgeliehene Geld auch dann noch zurück- holen kann, wenn Banken nicht mehr rückzahlungsfähig sind.

Wie läuft die Geldversorgung der Wirtschaft mit Geld ab?

Wie schon im 4. Kapitel beschrieben wurde, bezogen auf die Tätigkeit der Deutschen Bundesbank, wird die Geldver- sorgung der Wirtschaft überwiegend über eine leihweise Zurverfügungstellung an die Geschäftsbanken abgewi- ckelt. Dabei hat die Bundesbank einen oberen (Lombard)- Zins und einen unteren (Diskont-)Zins als Begrenzung des Refinanzierungsspielraums festgelegt. Zwischen diesen beiden so genannten Leitzinssätzen gab es dann noch den, Pensionssatz für kurzfristige Ausleihungen, der – wie in Darstellung 14 im 5. Kapitel gezeigt – nach und nach zur Hauptrefinanierungsquelle ausgebaut wurde. Mit diesem flexiblen Ausleihesatz konnte sich die Deutsche Bundes- bank mit ihren Reaktionen besser auf die Entwicklungen an den Märkten und deren Geldbedarf einstellen. Dieses ›Abtasten‹ der Märkte erlaubte also eine präzisere Geld- mengensteuerung, als dies mit den nur ab und zu korrigier- ten beiden anderen Zinssätzen möglich war. Die Darstellung 29 gibt diese Zinssatzkorrekturen für den Zeitraum von 1984 bis 1998 für die DM wieder, danach die ersten Jahre für den Euro. Besonders deutlich zeichnet sich in dem Auf und Ab der Zinssätze die letzte Hochzinsphase ab. Darstellung 29:, Aus dieser Darstellung lässt sich aber auch entnehmen, in welchem Maße die stufenförmigen Veränderungen der so genannten Leitzinsen von den Zinssätzen beeinflusst wur- den und werden, die sich laufend am Geldmarkt bilden: Immer wenn diese Geldmarktzinsen – hier der Tagessatz bzw. der mit ihm sich verändernde Pensionssatz – bei ihrem Anstieg den oberen Lombardzinssatz streiften, musste die Bundesbank die Lombardzinsen anheben, um nicht vom Markt überholt zu werden. Denn hätten die Marktzinsen den Lombardsatz überstiegen, würden die Banken ihren Geldbedarf bei der (dann billigeren) Notenbank stillen, statt erst untereinander ihre Liquiditätsüberschüsse auszu- tauschen. Umgekehrt musste bei fallenden Marktzinssätzen der Diskontzins mit heruntergenommen werden, um dieses Steuerungsinstrument nicht wirkungslos zu machen. Da also der Markt die Zinsbildung der Notenbanken entschei- dend mit beeinflusst, wenn nicht sogar bestimmt, ist der Ausdruck Leitzinsen inzwischen fragwürdig geworden. Auch wenn die Fachpresse dann freundlicherweise schreibt, »der Markt habe die Zinsanhebung (oder -sen- kung) der Notenbank bereits vorweg genommen«. Mögli- cherweise war diese Beeinflussung durch die Marktzinsen ein Grund für die Europäische Zentralbank (EZB), auf den Begriff ›Leitzinsen‹ zu verzichten und stattdessen den Begriff ›Refinanzierungssätze‹ einzuführen.

Die Liquiditätssteuerung durch die EZB

Betrachtet man die in der Darstellung 29 ab 1999 zum Ver- gleich eingetragene Startphase der EZB-Zuständigkeit, dann scheint sich auf den ersten Blick gegenüber der bishe- rigen Praxis nicht viel verändert zu haben. Auffallend sind, lediglich die häufigeren und in kleineren Stufungen vorge- nommenen Veränderungen der Refinanzierungssätze, vor allem im Jahr 2000. Stellt man die Abläufe jedoch einmal vergrößert dar, wie in der Darstellung 30, dann lassen sich die Veränderungen gegenüber der Praxis der Deutschen Bundesbank verdeutlichen. Darstellung 30: Wie aus dieser Darstellung hervorgeht, gibt es bei der EZB drei Zinssätze. Der obere, so genannte Spitzenrefinanzie- rungssatz entspricht im Wesentlichen dem bisherigen Lom- bardsatz. Auch bei der EZB können sich zu diesem Satz die Banken theoretisch unbegrenzt und unbefristet refinanzie-, ren, was sie aber – eben wegen der Höhe dieses Satzes – nur im äußersten Notfall tun. Der unterste Einlagensatz, der optisch dem bisherigen Diskontsatz zu entsprechen scheint, dient jedoch nicht mehr der Refinanzierung, sondern bietet als Guthabenzins den Banken die Möglichkeit, überschüs- sige Zentralbankgeld-Liquidität über Nacht bei der EZB ohne allzu große Verluste zwischenzuparken. Das eigentli- che Refinanzierungsgeschehen spielt sich also auch bei der EZB wieder in jenem Bereich zwischen diesen beiden Sät- zen ab, im Bereich des so genannten Hauptrefinanzierungs- oder Tendersatzes. Über diesen Tendersatz werden rund zwei Drittel der gesamten Zentralbankgeldmenge an die Banken ausgeliehen, und zwar jeweils für 14 Tage. Das übrige Drittel wird als Dreimonatsgeld ausgegeben, zu einem leicht schwankenden Zinssatz, der sich am Markt orientiert. Sein Verlauf entspricht darum auch in etwa dem Verlauf des eingetragenen Einmonatssatzes an den Geldmärkten, also jenen Märkten, an denen die Banken untereinander ihre Zentralbankgeld-Liquiditäten austau- schen.

Was heißt Tendersatz?

Der Begriff Tender besagt, dass bei diesem Refinanzie- rungsweg von der Zentralbank etwas vorgegeben wird, an das sich die Banken mit ihren ›Bietungen‹ bzw. ihrer Nach- frage ankoppeln können. Dabei unterscheidet man zwei Tenderarten, nämlich den Mengen- und den Zinstender. Beim Mengentender gibt die EZB den Zinssatz vor und die bietende Bank dann die Menge an, die sie zu diesem Zins- satz aufnehmen möchte. Beim Zinstender gibt die EZB umgekehrt die auszugebende Menge vor und die Banken bieten den Zinssatz, zu dem sie sich an der Verteilung betei-, ligen wollen (die EZB benutzt übrigens statt Banken den Begriff ›Monetäre Finanzinstitute, MFIs‹, zu denen neben den Kreditinstituten auch die Fonds gehören, die direkt vom Publikum Geld aufnehmen). Die EZB hat vom Start im Jahr 1999 an das Mengenten- der-Verfahren angewandt, also jeweils die Höhe des Zins- satzes festgelegt, während die Menge, die im Wesentlichen mit der fälligen Tilgung identisch war, nicht eingegrenzt wurde. Allerdings heißt das nicht, dass die EZB die von den Banken geäußerten Mengenwünsche erfüllt, sondern sie orientiert sich letztlich an ihren eigenen Vorstellungen über den richtigen Umfang der Neuausgabe. Da als Folge dieser Eingrenzung die Banken meist zu kurz kamen, haben sie ihre Mengenforderungen zunehmend über ihren wirkli- chen Bedarf hinaus erhöht, um wenigstens hinterher einen größeren Anteil der verteilten Summe zu erhalten. Dieses Verhalten schaukelte sich so hoch, dass im Frühjahr 2000 die Banken bis zum Hundertfachen des Betrages nachfrag- ten, den die EZB selbst auszugeben bereit war. Damit war dieses ganze Bietungsverfahren, mit dem die EZB eigentlich den Markt noch differenzierter als bisher abtasten wollte, zu einer Farce geworden. Ende Juni 2000 schaltete die EZB darum vom Zins- auf den Mengentender um, bei dem sie das Zuteilungsvolumen bekannt gibt und die jeweilige Bank die Zinshöhe bietet, die sie für die genannte Menge zu zahlen bereit ist. Dabei können die Banken mehrere Mengen mit verschiedenen Zinshöhen nennen, jeweils ab einer Million Euro aufwärts. Bei der Verteilung werden sie dann, in der Reihenfolge ihrer gebo- tenen Zinsen, so lange bedient, wie der Vorrat reicht. Aller- dings legt die EZB vorher schon einen Mindestzinssatz fest, den die Banken nicht unterschreiten dürfen. Das heißt, im Grunde werden bei diesem Vergabeverfahren beide Tende- rarten kombiniert., In Wirklichkeit sind die Verfahren, mit denen die EZB die Geldversorgung der Wirtschaft betreibt, noch viel kom- plizierter, als hier beschrieben. So gibt es neben den bislang genannten zweiwöchigen und dreimonatigen Krediten auch noch Übernacht- und sogar Innertagskredite, um kurzfristige Liquiditätskalamitäten auszugleichen usw. Doch das alles detailliert zu schildern übersteigt den Rah- men dieses Buches. Es sei hier nur noch einmal daran erin- nert, dass all diese komplizierten und doch nur bedingt funktionierenden Verteilungsverfahren letztendlich nur der Versuch sind, trotz der fehlenden Größe Geldumlauf die Geldmenge irgendwie in den Griff zu bekommen.

Wer kann sich an den Bietungen beteiligen und

wie laufen diese ab? In den 11 Ländern, die sich bislang an der Gemeinschafts- währung Euro beteiligen, gibt es insgesamt – ohne Filialen gerechnet – rund 8 000 Banken. Davon sind die größeren, nämlich rund 2 500 Institute, zu den Bietungen zugelassen, darunter 1 500 aus Deutschland. Für die kleineren Institute ist die Teilnahme an den Bietungen zu aufwändig. Sie kön- nen sich billiger bei den größeren Banken bzw. am Geld- markt refinanzieren, wo die Nachfrage nach Zentralbank- geld täglich ihren Ausgleich findet. Weil sich die Teilnahme an den Bietungen nur für größere Institute lohnt, nehmen auch von den 2 500 zugelassenen Banken nur rund 800 dar- an teil. Insgesamt sind über diese Refinanzierungsgeschäfte der EZB rund 200 Mrd. Euro (Stand Mitte 2000) leihweise an die Banken ausgegeben worden, die wiederum laufend erneut getilgt und vergeben werden müssen. Für die zwei- wöchigen Kredite, auf die zwei Drittel der Gesamtkredite, entfallen, finden diese sich wiederholenden Vergaben jeden Donnerstag statt. Das heißt, an jedem Donnerstag wird rund ein Drittel der gesamten Zentralbank-Geldmen- ge, also rund 70 Mrd. Euro, eingezogen und erneut verteilt, jeweils mit leichten Mengenkorrekturen nach dem Ermes- sen der EZB. Von den Dreimonatskrediten, die bei etwa 60 Mrd. Euro liegen, wird jeden Monat ein Drittel revolvie- rend ausgetauscht, also rund 20 Mrd. Euro. Die verbleiben- de Spitzenrefinanzierungsmöglichkeit, die keinen Eingren- zungen unterliegt, spielt größenmäßig so gut wie keine Rol- le. Die darüber aufgenommenen Mittel, die meist nur über eine Nacht oder innertags beansprucht werden, liegen deutlich unter einer Milliarde Euro.

Warum brauchen die Banken Zentralbankgeld?

Alle Vorgänge zwischen Publikum und Banken wie auch zwischen den Banken selbst, sind direkt oder indirekt auf Zentralbankgeld angewiesen. Das gilt nicht nur für die Ein- zahlungen und Auszahlungen am Bankschalter und damit die Veränderungen des Guthaben- und Kreditpotentials. Das gilt auch – was meistens nicht beachtet wird – für alle bargeldlosen Transaktionen. Wenn jemand beispielsweise von seinem Girokonto 100 Euro an einen Lieferanten überweist, benötigt seine Bank dazu nicht nur den Überweisungsauftrag, sondern in Höhe der überwiesenen Summe auch Zentralbankgeld. Denn die empfangende Bank, die das Konto des Lieferanten betreut, schreibt den angewiesenen Betrag nur gut, wenn auf ihrem Zentralbankgeldkonto in gleicher Höhe ein Zentralbank- geldbetrag eingegangen ist. Die Banken benötigen also für ihre laufenden Geschäfte nicht nur einen bestimmten Bestand an Zentralbankgeld in, barer Form, sondern auch – für die Überweisungszwecke – in Form eines Zentralbankguthabens. So wie jeder Wirt- schaftsteilnehmer normalerweise ein Girokonto als Puffer für seine laufenden Zahlungen oder Abhebungen unter- hält, so auch die Banken für ihre laufenden Geschäfte. Und so wie jeder Wirtschaftsteilnehmer sein Verrechnungskon- to nur mit Bargeld oder einem Kredit auffüllen kann (oder durch Übertragungen von anderen Konten oder Guthaben, die irgendwann einmal mit Bargeld aufgefüllt wurden), so können auch die Banken ihre Verrechnungsguthaben nur mit Bargeld oder Zentralbankgeld auffüllen. Ähnlich wie bei den Verrechnungskonten des Publi- kums, schwanken auch die Bestände auf den Verrech- nungskonten der Banken. Allerdings gibt es hier keine automatischen Überziehungskredite, sondern die Banken müssen notfalls ihre Liquidität am Geldmarkt auffüllen. Andererseits aber sind sie auch bemüht, ihre Zentralbank- geldguthaben möglichst niedrig zu halten, um Kreditzinsen einzusparen. Die von den Banken gehaltenen Puffer in Zentralbank- geld dienen also vor allem dazu, die täglichen Zu- und Abgänge an Überweisungen durchzuführen bzw. auszu- gleichen. Dabei können die Banken diese Zu- und Abgän- ge nach dem so genannten Nettoverfahren abends so mit- einander verrechnen, dass sie nur die Salden mit Zentral- bankgeld ausgleichen. Oder sie können, nach dem Brutto- verfahren, jede einzelne Überweisung direkt mit Zentral- bankgeld begleiten. Letzteres geschieht vor allem im Groß- zahlungsverkehr, also bei den Endabrechnungen der Bank- zentralen und Clearingstellen, die von dem System der europäischen Zentralbanken vor allem für die länderüber- greifenden Vorgänge eingerichtet sind.,

Wie kommt es zu Übernacht- und Innertags-

krediten? Banken, bei denen die Abgänge im Tagesverlauf die Ein- gänge so übersteigen, dass ihr Puffer an Zentralbankgeld nicht mehr ausreicht, müssen umgehend bzw. spätestens vor Bankenschluss diese Lücke schließen. Ansonsten ris- kieren sie die Zurück-Überweisung ihrer getätigten Ge- schäfte bzw. sogar die Zahlungsunfähigkeit. Diese erforder- liche Lückenschließung ist über den Geldmarkt möglich, an dem andere Banken oder Fonds ihre überschüssigen Zen- tralbankgeldbestände anbieten. Schafft eine Bank diese Lückenschließung nicht rechtzeitig, hat sie als letzte Ret- tung bis 18 Uhr die Möglichkeit, dies durch eine Refinan- zierung bei der EZB zu tun. Im Hinblick auf die relativ hohen Kosten dieser Spitzenrefinanzierung und der Erwar- tung, dass ihr am nächsten Tag wieder genügend Zentral- bankgeld zufließen wird, nehmen Banken diese Notkredite im Allgemeinen nur über Nacht auf. In besonders dringen- den Fällen können die Banken ihre Zahlungsfähigkeit aber auch tagsüber für einige Stunden durch eine Refinanzie- rung bei der EZB absichern, vor allem wenn sie erwarten können, in kurzer Zeit über zugehende Gelder zu verfü- gen. Umgekehrt können Banken evtl. Überschüsse an Zen- tralbankgeld, die sie auf dem Geldmarkt bis Bankenschluss nicht los geworden sind, bei der EZB als Einlage über Nacht verzinst zwischenparken., 12. Kapitel

Die ›Geldschöpfung‹ durch die Geschäftsbanken

»Es kann an sich kaum bezweifelt werden, dass das Bankensystem ins- gesamt keine größere Geldmenge schaffen kann, als mit der von der Zentralbank geschaffenen Zentral- bankgeldmenge vereinbar ist.« Deutsche Bundesbank, Juli 1971 Mit dieser fast schon sibyllinischen Aussage zieht sich die Deutsche Bundesbank gewissermaßen aus der Schlinge. Denn würde sie die Geldschöpfungsmöglichkeit der Ban- ken bejahen, wäre ihr Geldschöpfungsmonopol dahin und alle Geldmengensteuerungs-Bemühungen letztlich sinnlos. Würde sie jedoch die Geldschöpfungsmöglichkeit der Banken klar bestreiten, käme sie mit der herrschenden Wissenschaft in Konflikt. Außerdem würde sie sich die Möglichkeit nehmen, ggfs. die Banken als Sündenböcke bei inflationären Auswüchsen und anderen monetären Fehl- entwicklungen mit einzubeziehen.

Was ist von Theorien zu halten?

Theorien sind hilfreich und nützlich, wenn man Vorgänge in der Wirklichkeit nicht überprüfen oder Abläufe ohne sie nicht verstehen kann. Doch selbst wenn diese Möglichkei- ten gegeben sind und andere Ergebnisse zeigen, haben, Theorien oft noch ein langes Leben. Man denke nur an jene von der Mittelpunktfunktion der Erde. Fast jahrhunderte- lang hat man versucht, diese falsche Vorstellung mit immer neuen Theorien und Berechnungen am Leben zu halten. Ähnlich scheint es bei der Theorie von der Geld- bzw. Kre- ditschöpfung durch die Banken zu sein. In aktuellen Fach- artikeln und Fachbüchern der Bankbetriebswirtschaft ist davon zwar kaum noch die Rede, in den volkswirtschaftli- chen Lehrbüchern aber wird sie immer noch ausführlich behandelt, oft mit unterschiedlichen Erklärungen. Manche Lehrbuchdarlegungen räumen z. B. nur jeder einzelnen Bank die Möglichkeit zur Geldschöpfung ein, andere setzen umgekehrt das Zusammenwirken mehrerer Banken voraus. Die einen ziehen zur Erklärung Kreislauf- modelle heran, andere begnügen sich mit Buchungs- und Bilanzmodellen. Wieder andere sehen in der Höhe der Bankgewinne einen Schöpfungsbeweis oder in der Exis- tenz und Größe der Sichtguthaben. Dabei bleibt es häufig unklar, ob mit der Schöpfung nun diese Sichtguthaben gemeint sind – meist als Giral-, Buch- oder Bankengeld bezeichnet – oder ob sie sich auf die Kreditgewährungen bezieht. Doch so verschieden die Aussagen und Beweisfüh- rungen auch sind, in einigen Punkten stimmen sie alle über- ein: Sie bewegen sich immer nur im theoretischen Raum und machen kaum einmal den Versuch, die vertretenen Auffassungen anhand der wirtschaftlichen Realitäten zu überprüfen. Außerdem wird fast immer nur die Aktivseite des Bankgeschehens betrachtet, also die Kreditvergabe, nicht aber die Passivseite, die über die Herkunft der verge- benen Kreditmittel Auskunft gibt. Ab und zu wird die Wirkung der Geldschöpfung in den Lehrbüchern auch etwas bagatellisiert. Zum Beispiel mit dem Hinweis, dass jede geschöpfte Kaufkraft irgendwann auch wieder zu einer Einlage wird, womit sich die Schöp-, fung gewissermaßen selbst abdeckt. Diese Argumentation ist allerdings so wenig überzeugend wie die eines Ge- schäftsmannes, der reinen Gewissens Falschgeld produ- ziert, weil irgendwann die Kunden mit dem Falschgeld auch wieder in seinem Laden einkaufen werden. Dass mit beiden Schöpfungen – dem Falschgeld wie den Krediten ohne Ersparnis – das Nachfragepotential unge- deckt vermehrt wird, dürfte einleuchtend sein. Denn nur Kredite, die aus leistungsbezogenen Ersparnissen stam- men, sind durch reale Gegenwerte gedeckt. Wenn also die Banken tatsächlich ohne Einlagen der Sparer Kredite schöpfen oder aus einem Dollar an Kaufkraft ein Mehrfa- ches machen würden, wäre das genauso ein Fall für den Staatsanwalt wie die Inumlaufsetzung von Falschgeld.

Wie funktioniert die ›multiple Geldschöpfung‹?

Nach den meisten Lehrbuchaussagen sind die Geldschöp- fungsmöglichkeiten der Banken im Prinzip unbegrenzt. Ein- geschränkt werden sie lediglich durch die Kassenhaltung und jene Bankreserven, die sie bei den Zentral- bzw. Notenban- ken freiwillig oder gezwungenermaßen halten. Und diese Beziehung zwischen der Höhe der Reserven und der Geld- vermehrung wird in der Theorie von der multiplen Schöp- fung sogar mathematisch exakt vorgerechnet: Liegen diese Rücklagen insgesamt bei fünf Prozent der Einlagenbestände, dann können die Banken aus jeder getätigten Bankeinlage das 19fache an Kredit schöpfen, bei Rücklagen von zehn Pro- zent das Neunfache und bei einer Rücklage von 20 Prozent das Vierfache. Das Schöpfungsergebnis ergibt sich also immer reziprok zur Höhe der einbehaltenen Reserven. Diese sich wiederholenden Einlage- und Kreditgewäh- rungsmöglichkeiten, aus denen man eine Schöpfung ablei-, tet, werden in den Fachbüchern meist noch mit Darstellun- gen untermauert. Nachfolgend wird in Darstellung 31 einmal ein solches schematisches Durchlaufmodell wiedergegeben, das sich an ein einfacheres aus dem Buch von Bernhard Lie- taer, »Das Geld der Zukunft«, anlehnt. Dazu heißt es erläu- ternd in dem Buch, dass »aus ursprünglich 100 Millionen Zentralbankgeld 900 Millionen als ›Kreditgeld‹ entstehen«. Darstellung 31: Addiert man bei diesem Schema die laufend gewährten Kredite zusammen, dann kommt man bereits nach drei Sta-, tionen auf einen Betrag von 244 Millionen. Weiter fortge- setzt – in einer allerdings unendlichen Reihe mit immer kleineren Werten – kommt man rechnerisch am Ende tat- sächlich zu einer Summe von 900 Millionen und damit zu einer Verneunfachung der Ersteinlage von 100 Millio- nen. Geht man jedoch den Vorgängen, unbelastet von der Theorie, einmal Schritt für Schritt nach, dann zeigt sich 1., dass jeder erneuten Verwendung der anfänglichen 100 Millionen für Kreditzwecke jedesmal auch eine erneute Einlage irgendeines Bankkunden vorausgegangen ist, dass also von den Banken gar nichts geschöpft wird. 2., dass die beschriebene Kette der Kreditgewährungen und Reservebildungen durch die Banken überhaupt nur möglich ist, wenn und solange keiner der Einleger über sein Gutha- ben durch Abhebung oder Überweisung verfügt. 3., dass es bei dem ganzen Ablauf zu keiner wie auch immer gearteten Vermehrung der im Umlauf gegebenen Geld- menge kommt, die sich auf jeder Stufe immer wieder aus den bislang gebildeten Reserven und dem zuletzt gewähr- ten Kredit auf 100 Millionen addiert. 4., dass es nicht nur zu keiner Vermehrung der Geldmenge kommt, sondern – bezogen auf die aktive nachfragende – sogar zu einer ständigen Verringerung, da die gesamten 100 Millionen nach und nach in den Reserven der Banken ver- schwinden. 5., dass sich durch eine wiederholte Verwendung von Geld, ob zum Kaufen, Verleihen oder Schenken, niemals das Geld vermehrt, sondern lediglich die damit getätigten, Kauf-, Verleih- und Schenkungsvorgänge, die sich natürlich zu immer größeren Summen addieren lassen (s. umgekehr- tes Clown-Beispiel im 3. Kapitel). Diese hier aufgelisteten Tatbestände werden besonders deutlich, wenn man statt der Ablaufkette über Banken ein- mal eine über Geschäfte annimmt und statt der sich wieder- holenden Verleihvorgänge Verkaufsvorgänge. Auch hier kann man annehmen, dass jeder Geschäftsinhaber zehn Prozent der Einnahme in die Reserve nimmt und der jewei- lige Rest – direkt oder indirekt – in einem weiteren Laden erneut kaufend eingesetzt wird. Am Ende würde sich die gleiche Summe an Kaufvorgängen addieren lassen wie bei der ›multiplen Kreditschöpfung‹ an Kreditvorgängen. Dennoch käme wohl niemand auf die Idee, dass dabei aus 100 Million Zentralbankgeld 900 Millionen Kaufgeld ent- standen sind und sich damit das Geld vermehrt hat.

Wo liegt der Denkfehler in der Theorie?

Der Fehler in dieser klassischen Geldschöpfungstheorie ist darin zu sehen, dass man die sich laufend erneut bildenden Guthaben bzw. Kreditposten mit dem eingangs eingespeis- ten Geld zusammenaddiert und aus dem Ergebnis dieser Addition eine Geld- bzw. Kreditschöpfung ableitet. Oder anders ausgedrückt: dass man die mehrfache Verwendung des Geldes mit seiner Vermehrung gleichsetzt, also das Transportmittel mit den Transportvorgängen. Sowenig aber wie es durch eine wiederholte Verwendung von Wag- gons für Transportzwecke zu einer Vermehrung der Wag- gons kommt, sowenig kommt es bei einer wiederholten Verwendung von Geld für Kauf- oder Verleihzwecke zu einer Vermehrung des Geldes., Der Denk- und Auslegungsirrtum der Geldschöpfungs- theorie ist sicher nicht zuletzt auf den Tatbestand zurückzu- führen, dass man alle Guthaben- und Kreditbestände immer noch als Geld ansieht. Dabei handelt es sich in Wirk- lichkeit bei diesen Beständen nur um Buchungsposten, die – wie schon mehrfach angeführt – den Umfang der Überlas- sungen von Geld und die daraus resultierenden Rückzah- lungsverpflichtungen dokumentieren, ohne dass sich die umlaufende Geldmenge vergrößert. Deshalb sind auch alle Zusammenfassungen von Geld und Guthaben als ›Geld- menge‹ so fragwürdig. Das gilt vor allem für die Additionen der so genannten Geldmengen M2 und M3.

Welche Argumente für die Geldschöpfung wer-

den sonst noch vorgebracht? Als Begründung für die Existenz der Geldschöpfung wer- den häufig vor allem folgende Argumente eingebracht: ■ »Die Goldschmiede im Mittelalter haben auch bereits für hinterlegte Goldmünzen mehrere umlauffähige Quittun- gen ausgestellt, ausgehend von der Erfahrung, dass diese nicht gleichzeitig zur Einlösung vorgelegt werden.« Hier bleibt wieder unbeachtet, dass die Banken – wie im Kapitel 11 beschrieben – nicht nur bei einer Inanspruch- nahme des Kredits durch Barabhebungen über Zentral- bankgeld verfügen müssen, sondern auch bei allen Über- weisungen. Das bestätigt auch die Aussage von Wendelin Hartmann, Direktoriumsmitglied der Deutschen Bundes- bank, aus dem Jahr 1994: »Die Banken untereinander akzeptieren kein Giralgeld, sondern erwarten den Aus- gleich ihrer Geldmarktforderungen in Zentralbankgeld.«, ■ »Durch die Umwandlung von Bargeld in Giralgeld erhöht sich die gesamte Geldmenge, da ja das Geld jetzt zweimal da ist, als Giralgeld und Bargeld.« Hier wird übersehen, dass das bei einer Bank eingezahlte und in der Bankkasse liegende Bargeld nicht mehr zur umlaufenden und nachfragewirksamen Geldmenge gezählt wird. Erst durch die Abhebung eines anderen Bankkun- den, dessen Sichtguthaben sich damit entsprechend verrin- gert, wird dieses Bargeld wieder als Tauschmittel aktiv. Darum ist es auch völlig gleichgültig, ob man die multiplen Schöpfungsmodelle mit Bar- oder Giralgeld durchspielt oder zwischenzeitlich die Zahlungsmittelform wechselt. Denn durch die Einzahlung von Bargeld auf ein Girokonto »ändert sich die Gesamtgeldmenge nicht, da hier lediglich eine Umwandlung einer Geldart in eine andere vorgenom- men wird.« (Otmar Issing, Chefvolkswirt der EZB, in sei- nem Lehrbuch »Einführung in die Geldtheorie«). ■ »Über die Sichtguthaben können sowohl die Einleger als auch die Banken verfügen, womit sich die Nachfra- gemöglichkeit in der Wirtschaft verdoppelt.« Hier bleibt unbeachtet, dass die Banken nur zwischen- zeitlich über die Einlagen verfügen können, also bis die Einleger das selbst tun. Es gibt also keine gleichzeitige Nut- zung durch zwei Beteiligte, sondern nur eine nacheinander stattfindende. Damit aber kommt es zu keiner Ausweitung der Geldmenge, sondern nur zu einer effektiveren Nutzung bzw. Erhöhung der Einsatzhäufigkeit (Umlaufgeschwin- digkeit). ■ »Die multiple Geldschöpfung ist zwar nicht mit Bargeld möglich, wohl aber mit Giralgeld.« Hier wird wieder außer Acht gelassen, dass die Überwei- sungen der Kunden von ihrem Girokonto gewissermaßen, nur der Schatten der ablaufenden Vorgänge mit Zentral- bankgeld-Übertragungen sind. Konkret: Wenn die Bank A in der Darstellung 31 im Auftrag ihres Kreditkunden an die Bank B 90 Millionen überweist, werden diese dem Empfänger nur dann gut geschrieben, wenn bei der Bank B ein gleichhoher Betrag in Zentralbankgeld eingegangen ist. ■ »Das Übersteigen der Sichtguthaben über die Bargeld- menge ist ein Beweis für die Geldschöpfung durch Ban- ken.« In Wirklichkeit ist die Zunahme der Sichtguthaben nur ein Beweis dafür, dass das Publikum aus praktischen Grün- den den unbaren Zahlungen immer mehr den Vorzug gege- ben hat, ähnlich wie einst bei der Verschiebung zwischen Münzen und Banknoten. Würden sich die Zahlungsge- wohnheiten morgen umkehren, gingen die Sichtguthaben- bestände wieder zurück und die Zentralbanken müssten mehr Bargeld drucken. Sowenig aber bei diesem Rückgang der Giralgeldnutzung Geld vernichtet wird, sowenig ist es umgekehrt vorher entstanden. ■ »Der Dissens in der Geldschöpfungsfrage resultiert aus den unterschiedlichen Auffassungen, was als Geld gese- hen werden muss.« In Wirklichkeit ist die Wahl des Geldbegriffs für das anstehende Problem ohne Belang. Denn gleichgültig zu welcher Geldmenge man die nacheinander entstehenden Guthaben zählt: Entscheidend für die Schöpfungsfrage ist alleine, ob die Banken aus den Einlagen ihrer Kunden das Doppelte oder sogar ein Mehrfaches an Kaufkraft schaffen können! Im Übrigen gehören Kredite – ob geschöpft oder nicht – niemals zu irgendeiner Geldmenge. Dazu zählen allenfalls die Guthaben. Dass diese aber nicht von den Ban-, ken ›geschöpft‹ werden, sondern – wenn schon einer etwas schöpft – alleine von den Einlegern, macht das Durchlauf- beispiel in der Darstellung 31 deutlich. ■ »Die Banken können durch buchhalterische Bilanzver- längerungen ihre Kreditvergabemöglichkeiten erwei- tern.« Hier ist zuerst einmal festzuhalten, dass mit Buchungen, auch in Bilanzen, nie etwas Reales geschöpft, sondern nur etwas real Entstandenes festgehalten werden kann. Aber auch mit Krediten, die man ohne Einlagen aus dem Nichts schöpfen würde, kann man in der Praxis nichts anfangen, denn gleichgültig ob der Kreditnehmer seine geliehene Kaufkraft abhebt oder überweist, benötigt die ausführende Bank in gleicher Höhe Zentralbankgeld. ■ »Die Schöpfung ist zwar nicht zwischen den Banken möglich, wohl aber innerhalb einer Bank, weil dort bei einer Überweisung innerhalb des Hauses keine Über- tragung von Zentralbankgeld erforderlich ist.« Auch diese Vermutung geht ins Leere. Denn in diesem Fall ändert sich auch nichts an den Guthabenbeständen in der Bank: Das Konto des Überweisenden vermindert sich im gleichen Umfang, wie das des Empfängers ansteigt! Auch die heute oft herangezogenen Überschussreser- ven-Theorie hat mit Schöpfung nichts zu tun. Sie besagt lediglich, dass Überschüsse an Zentralbankgeld die Ban- ken befähigen, auch ohne Kundenersparnisse zusätzliche Kredite zu vergeben. Das aber ist eine Selbstverständlich- keit. Solange Banken noch Kreditinteressenten haben, werden sie diese Überschüsse an Zentralbankgeld also für Kredite einsetzen oder sehr schnell an andere Banken oder die Zentralbank zurückgeben, alleine schon, um Zinsen einzusparen. Das zeigt sich auch daran, dass die Über-, schussreserven – die von der Bundesbank wie heute von der EZB als Überschüsse über die Mindestreserven gemes- sen werden – fast bei Null liegen. Wären diese Überschussreserven tatsächlich der Schlüs- sel für eine mehrfache Schöpfung, dann würden die Banken diese Reserven gewiss nicht so klein halten, sondern mög- lichst ausweiten. Denn sie könnten ja über diese angeblich möglichen Schöpfungen ein Mehrfaches jener Zinsen erwirtschaften, die sie an die Notenbank für das zusätzlich erforderliche Zentralbankgeld zahlen müssen.

Gibt es Indizien für die Geldschöpfung der Banken?

Der Fahndung nach Beweisen für die Geldschöpfung ist in der Empirie kein Erfolg beschieden. Ähnlich erfolglos ist auch die Suche nach Indizien. Wohl aber sprechen viele Indizien für das Gegenteil. So zum Beispiel der Tatbestand, dass die Industrieländer, trotz riesiger Kreditbestände, meist geringere Inflationsraten haben als Länder mit gerin- geren Banktätigkeiten. Gäbe es in den Industrienationen eine Geld- oder Kreditschöpfung durch die Banken, dann müssten die Ergebnisse eher umgekehrt sein. Ein weiteres Indiz gegen die Theorie ist, dass sich aus den Gewinnberechnungen der Banken keinerlei Anhaltspunk- te für Schöpfungen ergeben. Denn solche Vermehrungen müssten sich auch in den Gewinnen niederschlagen, da ja die Zinsen aus den geschöpften Krediten in vollem Umfang den Banken zugute kommen. Zieht man zur Überprüfung der Gegebenheiten die von der Deutschen Bundesbank laufend veröffentlichten Betriebsergebnisse der gesamten deutschen Banken heran, dann ergibt sich z. B. für das Jahr 1995 folgendes Bild:, Gesamte Zinserträge: 499 Mrd. DM = 100 % − Zinsaufwendungen: 365 Mrd. DM = 73 % = Zinsüberschuss: 134 Mrd. DM = 27 % Das heißt, die Banken haben rund drei Viertel der einge- nommenen Zinsen an die Sparer und sonstigen Geldgeber ausgezahlt und ein Viertel für sich behalten. Diese Vertei- lung entspricht in etwa auch dem langfristigen Durch- schnitt. Die aus dem verbleibenden Viertel sich ergeben- den Bankgewinne berechnen sich wie folgt: Zinsüberschuss: 134 Mrd. DM = 27 % + Provisionsüberschuss: 27 Mrd. DM − Verwaltungskosten u. a.: 123 Mrd. DM = Überschuss vor Steuern: 38 Mrd. DM − Steuern: 19 Mrd. DM = Gewinn: 19 Mrd. DM = 4 % Nach Steuern verblieben den deutschen Banken also – trotz zusätzlicher Provisionsüberschüsse – nur 19 Mrd. = 4 Prozent der Zinserträge. Bezieht man diesen Gewinn auf das Eigenkapital der Banken in Höhe von 317 Mrd. DM im Jahr 1995, ergibt sich eine Verzinsung dieses Eigenkapitals vor Steuern von zwölf und nach Steuern von sechs Prozent. Sicherlich ist das eine gute Quote, aber irgendwelche Bank- gewinne, die sich nur durch Schöpfungen erklären ließen, kann man daraus kaum ableiten. Weiter spricht gegen die Schöpfungstheorie, dass selbst signifikante Veränderungen der Bank- bzw. Mindestreser- ven, zu denen sich die Schöpfungen angeblich reziprok ent- wickeln, keine Spuren bei den Kreditgewährungen hinter- lassen. So wurde beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland die Höhe der Mindestreserve von 1973 bis 1981 halbiert und in den 90er Jahren noch einmal um zwei, Drittel gekürzt, ohne dass es zu jener Kreditexplosion gekommen wäre, von der die multiple Geldschöpfungs- theorie ausgeht. (s. Darstellung 8 im 4. Kapitel) In der Schweiz wurden diese Mindestreserven sogar vor einigen Jahrzehnten völlig abgeschafft, ohne entsprechende fest- stellbare Folgen. Ein weiteres Indiz ist, dass sich die Banken gewiss nicht so sehr um die Sparerkunden bemühen würden, wenn sie deren Geld für die Kreditausweitung gar nicht brauchten. Und schließlich wäre noch zu fragen, warum sich die US- und andere Regierungen zur Schließung ihrer Defizite Kre- dite aus aller Welt zusammenholen, obwohl die nationalen Banken diese Etatlücken durch eigene Schöpfungen schlie- ßen könnten. Vor allem vor dem Hintergrund, dass dann nicht nur die Bankgewinne im Lande bleiben, sondern auch die zu zahlenden erheblichen Zinsbeträge, die jetzt ins Aus- land fließen und die Leistungsbilanz belasten. Doch auch hier sind die Dinge letztlich ohne jeden mysteriösen Hinter- grund. Dafür soll noch einmal Otmar Issing Zeugnis geben, veröffentlicht 1995 in der »Frankfurter Allgemeinen Zei- tung«: »Deutschland ist in den Jahren nach der Vereinigung zu einem Kapitalimporteur geworden. Zwischen den Ersparnissen der Deutschen und der Nachfrage nach Finanzmitteln klafft eine Lücke, die durch ausländi- sche Kapitalgeber geschlossen werden muss.« Die Liste der Gegenindizien ließe sich fortsetzen. So z. B. mit dem Tatbestand, dass man in den 50er Jahren in Deutschland oft Wochen oder Monate auf die Auszahlung zugesagter erststelliger Hypotheken warten musste, obwohl die Restfinanzierung stand und die Absicherung durch Grundstück und Rohbau gegeben war. Begründung, der Banken: »Wir haben zur Zeit keine Mittel.« Konkret: Sie waren auf neue Einlagen, rücklaufende Kredite oder die Überlassung von Überschüssen anderer Banken ange- wiesen. Heute ›schwimmen‹ die Banken eher in Geld und haben Schwierigkeiten, seriöse Kreditnehmer zu finden. Doch auch das ist nicht die Folge von ›Geldschöpfungen‹, sondern die der Geldguthaben-Überentwicklungen, be- dingt vor allem durch den Zinseszinseffekt. Die daraus resultierenden Probleme, mit denen wir uns im nachfolgen- den Buchteil eingehender befassen werden, sind völlig unabhängig von der Geldschöpfungsfrage existent und ste- hen auch unabhängig davon zu einer Lösung an., Teil III Die problematischen Folgen im Geldbereich, 13. Kapitel

Die Überentwicklung der Schulden

»Ein immer größerer Teil unserer Arbeit wird von bestehenden Ver- pflichtungen absorbiert, denen wir nicht ausweichen können. Dies erklärt vieles, was uns bisher rätsel- haft war: Den steigenden Stress am Arbeitsplatz; die Querelen in den Familien wegen Geld .die um sich greifende Umweltvernichtung.« Paul C. Martin* Von Überentwicklung spricht man, wenn sich etwas rascher entwickelt als normal. Wenn z. B. bei einem heranwachsen- den Menschen die Leber oder die Gliedmaßen rascher wachsen als der gesamte Organismus. Oder wenn bei einem ausgewachsenen Menschen einzelne Körperteile alleine weiterwachsen. Entsprechend kann man von einer Über- entwicklung der Schulden sprechen, wenn diese rascher anwachsen als der gesamte Wirtschaftsorganismus, also rascher als das Sozialprodukt. Ein solches Überentwicklungsproblem machte Anfang der 80er Jahre zum ersten Mal Schlagzeilen, als einige Ent- wicklungsländer ihre Schulden nicht mehr bedienen konn- ten. Doch bei diesen damals viel diskutierten Verschuldun- gen der Entwicklungs- und Schwellenländer handelte es sich nur um die sichtbar gewordene Spitze eines weltweit * Wirtschaftsjournalist, »Zahlmeister Deutschland«, 1991, eskalierenden Schulden-Eisbergs. So war allein die öffentli- che Verschuldung in der Bundesrepublik schon Mitte der 80er Jahre größer als die gesamte Außenschuld Lateiname- rikas, die der USA sogar um ein Mehrfaches. Das zeigt auch die Darstellung 32, in der die Entwicklungs- und Größen- relationen in den Jahren 1975, 1980, 1987 und 1995 mitein- ander verglichen werden. Wie ersichtlich, nahm die Auslandsverschuldung in den Entwicklungsländern aufgrund der geringen Ausgangsgrö- ße zwar rascher zu, die gesamte Inlandsverschuldung in Deutschland aber lag 1995 fast beim Dreifachen und die in den USA beim Achtfachen. Natürlich kann man Inlands- und Auslandsverschul- dung nicht ohne weiteres vergleichen. Während die Aus- landsverschuldung bei den Industrienationen nur eine untergeordnete Rolle spielt, dominiert sie in den Entwick- lungsländern. Das hängt hauptsächlich mit den geringen Ersparnissen und dem wenig entwickelten Bankwesen zusammen. Und die wenigen Reichen in diesen Ländern legen ihr Geld meistens im Ausland an, allein schon we- gen der oft instabilen politischen Verhältnisse und der in- flationären Inlandswährungen. Als Folge dieser Erspar- nisverlagerungen ins Ausland gehen dem Inland auch noch die daraus resultierenden Zinsen als Kaufkraft ver- loren. Neben den ungerechten Austauschverhältnissen liegen also in diesen monetären Transfers die hauptsächli- chen Gründe für den Zwang zur Kreditaufnahme im Aus- land. Erschwerend kommt noch hinzu, dass all diese Transfers in harten Devisen gezahlt werden müssen, die nur durch Exporte verdient werden können. Für die Normalbürger im Land, die am Ende der Kette letztlich alle Lasten tragen müssen, ist dieser Aspekt allerdings zweitrangig: Sie wer- den auf jeden Fall in Höhe der aufzubringenden Schulden-, zinsen ärmer, ganz gleich ob diese einem Geldgeber im Inland oder im Ausland zufließen. Darstellung 32:,

Wie muss man Verschuldungen bewerten?

Schulden muss man immer an den Verdienst- und Lei- stungsgrößen des Kreditnehmers messen. Wenn ein Nor- malverdiener 50 000 Dollar oder Euro Schulden hat, dann drückt ihn das wesentlich mehr als einen Spitzenverdiener mit einem gleich hohen Kredit. Genauso muss man auch die Verschuldungen in und zwischen den Ländern an den jewei- ligen Einkommen und Leistungsfähigkeiten der Volkswirt- schaften messen. Das ist in der Darstellung 33, bezogen auf die Gegebenheiten des Jahres 1987, geschehen. Darstellung 33: Für die Entwicklungsländer wurden hier die 15 höchstver- schuldeten Volkswirtschaften herangezogen und deren Auslandsschuld mit dem Sozialprodukt verglichen. Bei der BRD und den USA steht jeweils die gesamte Inlandsschuld, der Wirtschaftsleistung gegenüber. Wie aus der Grafik ersichtlich, lagen die Auslandsschulden der Entwicklungs- länder mit 46 Prozent knapp unter der Hälfte ihres Sozial- produkts. Aufschlussreich ist auch die Umrechnung der jeweiligen Schuldengrößen auf die betroffene Bevölkerung. Danach ergab sich z. B. 1987 für die Entwicklungs- und Schwellen- länder ein Pro-Kopf-Anteil an Auslandsschulden von etwa 350 Dollar, während jeder Bundesbürger damals schon mit 36 000 Dollar und jeder US-Bürger mit rund 45 000 Dollar Inlandsschulden belastet war. Zieht man neuere Zahlen heran, dann ergab sich für 1995 in den Entwick- lungsländern ein Pro-Kopf-Anteil von etwa 640 Dollar, in Deutschland von 58 000 und in den USA von 90 000 Dol- lar.

Wer sind die Schuldenmacher in den Industrie-

nationen? Im Allgemeinen unterscheidet man in den Statistiken drei Wirtschaftssektoren, nämlich die privaten Haushalte, die Unternehmen und den Staat. Auf diese Sektoren bezogen werden meist auch alle Einkommen, Ausgaben, Vermögen usw. ermittelt und ausgewiesen, ebenso die Verschuldun- gen. Wie sich die Gesamtschulden auf die genannten Sekto- ren verteilen und im Laufe der Zeit entwickelt haben, geht am Beispiel Deutschland aus der Tabelle I hervor. In ihr wird außerdem ein Vergleich gezogen mit der Entwicklung des Sozialprodukts., Tabelle I: Entwicklung und Verteilung der Verschuldung in Deutsch- land von 1950 bis 2000, nominelle Größen in Mrd. DM 1950 1960 1970 1980 1990 1998 Anstieg private Haushalte: 1 9 33 141 271 417 × 417 Produktionsunternehmen: 39 168 468 1 124 2 003 5 173 × 133 Wohnungswirtschaft: 5 71 222 599 1 013 1 925 × 385 öffentliche Haushalte: 21 53 124 483 1 057 2 394 × 114 Gesamtverschuldung: 66 301 847 2 348 4 344 9 902 × 150 BSP zum Vergleich: 105 303 676 1 485 2 426 3 649 × 23 Die am Ende der Zeilen ausgewiesenen Anstiegsfaktoren machen nicht nur die erheblichen Größen- und Entwick- lungsunterschiede in den einzelnen Schuldensektoren deutlich, sondern vor allem auch die Überentwicklung der Gesamtschulden gemessen an der Wirtschaftsleistung. So lag 1998 die Gesamtverschuldung der deutschen Volkswirt- schaft bei 270 Prozent des BSP. In den USA hatte sie im glei- chen Jahr bereits die Grenze von 300 Prozent überschrit- ten. Natürlich ist es etwas fragwürdig, eine sich ansammelnde Bestandsgröße wie die Schulden mit der sich jährlich erneuernden Flussgröße des Sozialprodukts zu verglei- chen. Wenn man jedoch bedenkt, dass aus diesem Sozial- produkt die überproportional wachsenden Schulden jedes, Darstellung 34:, Jahr mit Zinsen bedient werden müssen, dann wird die enge Beziehung zwischen der Schulden- und der Leistungsgröße erkennbar. Die aus der Tabelle hervorgehende Überentwicklung der Gesamt- und Einzelschulden gegenüber der Wirt- schaftsleistung wird in der Darstellung 34 noch einmal gra- fisch umgesetzt, und zwar jeweils in Fünfjahresabständen und in Prozenten des BSP. Während die Gesamtverschuldung in Deutschland 1950 noch bei 63 Prozent des BSP lag und 1975 fast 140 Prozent erreichte, wird sie Ende 2000 etwa bei 275 Prozent der Wirt- schaftsleistung liegen. Aus den Sektorenmarkierungen lässt sich entnehmen, dass die Staatsverschuldung anfangs eher rückläufig war und die Zunahme erst ab 1970 einsetzte. Bezogen wiederum auf die gesamte Schuldenmasse, liegt der Staatsanteil im Jahr 2000 mit etwa 24 Prozent sogar etwas niedriger als im Schnitt der letzten Jahre. Da die pri- vaten Konsumentenschulden mit vier Prozent kaum zu Buche schlagen, liegt das Gros der Schulden auf dem Unternehmenssektor, in den allerdings auch die privaten Baukredite einbezogen sind. Leichter nachvollziehbar wird die gesamte Schuldenpro- blematik, wenn man ihre Relationen einmal auf eine einzel- ne Person bezieht. Nehmen wir dazu an, dass ein Normal- bürger 1950 Privatschulden in Höhe seines Jahreseinkom- mens hatte. Nehmen wir weiter an, dass sein Einkommen seitdem jedes Jahr um vier Prozent zugenommen hat, seine Verschuldung jedoch um sieben Prozent. Unter diesen Bedingungen ist sein Jahreseinkommen in 50 Jahren auf das rund Siebenfache angestiegen, seine Verschuldung jedoch auf das 29fache. Das heißt, die Verschuldung nimmt in der gesamten Zeit viermal so rasch zu wie sein Einkommen. Die Folge ist, dass dieser Normalbürger auch laufend über- proportional steigende Zinsen tragen muss. Wenn er z. B., bei einem Zinssatz von sechs Prozent im ersten Jahr ebenso viel Prozente seines Einkommens für die Bedienung seiner Schulden abzweigen musste, sind es nach 50 Jahren schon 24 Prozent, also ein Viertel seiner Einnahmen. Es bedarf keiner Erklärung, dass eine solche Auseinan- derentwicklung zwischen Einkommen und Schulden auf Dauer untragbar wird. Denn rechnerisch ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Betroffene nur noch für die Schul- denzinsen arbeiten muss. Da er nicht von der Luft leben und schließlich alles Einkommen abgeben kann, bricht diese Auseinanderentwicklung bereits lange vorher zusam- men.

Hat dieses Einzelbeispiel mit der Wirklichkeit zu

tun? Das vorbeschriebene Beispiel und die darin gewählten Größenrelationen entsprechen ziemlich genau der bundes- deutschen Wirklichkeit. Das zeigt sich, wenn man – wie in der Darstellung 35 geschehen – die Entwicklung der ver- fügbaren Einkommen mit dem auf jeden Erwerbstätigen rechnerisch entfallenden Anteil der Gesamtverschuldung vergleicht. Wie die zusätzlich unter den Säulen eingetragenen nomi- nellen DM-Beträge zeigen, sind in Deutschland die verfüg- baren Einkommen je Erwerbstätigen in den 50 Jahren zwar nominell erheblich angestiegen, nämlich von 3 300 DM auf 71 300 DM pro Kopf und damit auf das 22fache. Die auf jeden entfallenden Schuldenbeträge nahmen jedoch gut viermal so schnell zu, nämlich von 3 300 DM auf 309 000 DM und damit auf das 94fache. Rechnet man die Schuldenzinsen in Arbeitszeiten um, dann musste 1950 jeder Erwerbstätige etwa drei Wochen, Darstellung 35: für diesen Posten arbeiten, 1970 waren es etwa sieben Wo- chen und 2000 rund 14 Wochen, also ein gutes Vierteljahr. Da mit den hier dargelegten Größen jedoch nur die schul- denbezogenen Zinsen erfasst sind, kommen in Wirklichkeit noch diejenigen für das schuldenfreie Sachkapital hinzu, deren Größenordnung den Statistiken allerdings nicht zu entnehmen ist. Zusammen mit der Verzinsung des wirt- schaftlich eingesetzten Bodens dürften die hier angeführten Größen mindestens noch einmal um die Hälfte steigen., Die in der Grafik dargelegten Zahlen und Säulenhöhen lassen schon optisch erkennen, dass die bisherige Entwick- lung nicht mehr lange weitergehen kann. Irgendwann müs- sen entweder die arbeitenden Menschen unter der ständig steigenden Schuldendienstbelastung zusammenbrechen oder das im Übermaß wachsende monetäre System., 14. Kapitel

Staatsverschuldungen

»Die Verschuldung der öffentlichen Hände beginnt zu einer wirklichen Bedrohung unseres Gemeinwesens zu werden. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeit, die immer weiter ausufernde Staatsver- schuldung zu bändigen, ist praktisch geschwunden.« Kurt Biedenkopf* Als Ronald Reagan Anfang 1981 Präsident der USA wur- de, hat er den Bürgern die Schwere seines Amtes vor der Fernsehkamera demonstriert. Er zeigte ihnen ein Paket Dollarnoten im Wert von einer Million und verwies darauf, dass die gesamte Staatsverschuldung aufeinander getürmt eine Höhe von siebzig Kilometern habe. Als er acht Jahre später sein Amt verließ, hat er diese Show aus gutem Grund nicht wiederholt: Die aufeinander geschichteten Dollarno- ten der Staatsschuld hatten nämlich inzwischen eine Höhe von über 200 Kilometern erreicht. Da von der gleichen Par- tei, musste sich sein Nachfolger Bush diese Demonstration natürlich verkneifen. Und dessen Nachfolger Clinton war so klug, sich nicht vorschnell festzulegen. Zu dieser Schuldenentwicklung in den USA schrieb bereits am 6. Februar 1991 die deutsche Wirtschaftszeitung »Handelsblatt«: * Ministerpräsident in Sachsen, »Die Welt«, 28. 11. 1989, »Als die Reagan-Bush-Administration 1981 antrat, um die »fiskalpolitische Verantwortungslosigkeit« der Demokraten zu beenden und den Haushalt bis 1984 auszugleichen, hatten alle Präsidenten seit George Washington insgesamt Staatsschulden in Höhe von 925 Milliarden Dollar aufgehäuft. Sie haben sich seit- her in etwa vervierfacht, und mit rund 200 Milliarden liegt der Netto-Zinsaufwand pro Jahr mittlerweile fast so hoch wie die gesamten Kosten des Staatsbetriebs ohne Militär und Transferzahlungen.« Rechnet man den Zuwachs der öffentlichen Schulden in den USA einmal auf die 80er Jahre um, dann lag die Zunah- me p.a. bei rund 300 Mrd. Dollar, pro Banktag also bei 1,25 Mrd. Alleine von der staatlichen Schuldenverwaltung mussten also täglich Kreditausweitungen in dieser Größen- ordnung geordert werden, und zwar zusätzlich zu der noch größeren Nachfrage durch Unternehmen und Privathaus- halte. Und da in den USA diesem steigenden Kreditbedarf keine ausreichenden Ersparnisse gegenüberstanden, muss- te man die benötigten Mittel zunehmend im Ausland auf- nehmen, vor allem in Ländern wie Japan, die über hohe Ersparnisbildungen verfügten. Die öffentlichen Haushalte in den Vereinigten Staaten leben also nicht nur über ihre Verhältnisse, sie müssen auch noch jedes Jahr höhere Zins- zahlungen an ausländische Gläubiger leisten. Das aber ist mit entsprechenden Reichtumsabflüssen aus den USA ver- bunden. Verhindern könnten die USA diesen Abfluss nur, wenn sie im Umfang der wachsenden Auslandsverschul- dung ihre Exportüberschüsse steigern würden. In Wirklich- keit aber werden die Folgen der Überschuldung noch durch ein Außenhandelsdefizit verschärft. Was die Eskalationen der Staatsverschuldung betrifft, so sieht es in den übrigen Industrienationen nicht viel anders, aus. Auch was die Reaktionen der Politiker auf den jeweils übernommenen Schuldenstand betrifft. So hat auch der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regie- rungserklärung am 13. 10. 1982 laut geklagt: »Ende dieses Jahres wird sich der Schuldenstand des Bundes auf über 300 Milliarden DM erhöhen; bei Bund, Ländern und Gemeinden zusammengenom- men auf über 600 Milliarden DM; mit Bahn und Post zusammen addiert auf rund 700 Milliarden DM. Allein der Zinsendienst der öffentlichen Hand wird Ende dieses Jahres rund 60 Milliarden DM betragen .Die Neuverschuldung reicht kaum noch aus, um die jährli- che Zinslast zu bezahlen.« Liest man den letzten Satz, dann hätte man eigentlich schon damals stutzig werden müssen. Denn er besagt genau das, was die Geld gebenden Industrienationen den überschul- deten Entwicklungsländern seit 1981 ständig vorgeworfen haben, nämlich die Bedienung der vorhandenen Schulden durch die Aufnahme neuer. Und hätte Kohl – ähnlich wie Reagan – die Schulden mit Geldscheinbündeln von 1 000- DM-Noten demonstriert, dann wäre in seiner Regierungs- zeit von 16 Jahren die Säule sogar von 70 auf 230 km Höhe angewachsen. Dies zeigt auch die Darstellung 36, in der die Entwicklung der gesamten öffentlichen Verschuldungen in Deutschland von 1970 bis 1998 wiedergegeben ist – im Ver- gleich mit den gesamten Staatseinnahmen. Wie daraus ersichtlich, nahmen Anfang der 70er Jahre die Schulden noch im Gleichschritt mit der Wirtschaftsleis- tung zu. Ab 1974 aber ging die Schere zwischen beiden Grö- ßen immer mehr auseinander und der einst so fette Bundes- adler droht immer mehr zu einem Pleitegeier zu verkom- men. Dies zeichnet sich auch deutlich ab, wenn man – wie in, Darstellung 36:, den Kreissegmenten – die öffentlichen Schulden an der Wirtschaftsleistung misst. Diese ausufernde Staatsverschuldung ist jedoch keines- falls nur eine Frage der Belastung des Staatshaushalts oder der schwindenden Bewegungs- und Gestaltungsfreiheit von Politikern und Regierungen. Sie hat auch andere schwer wiegende Folgen, die meist nicht genügend beachtet werden, z. B. im ökologischen Bereich. Darauf hat u. a. der Bundes-Arbeitskreis Wirtschaft und Finanzen des größten deutschen Umweltverbandes, BUND, in einer Analyse des Bundeshaushaltsplans 1992 einmal hingewiesen: »Der Anstieg der Staatsverschuldung ist aus mehreren Gründen bedenklich. Erstens bewirkt eine Auswei- tung der Staatsnachfrage grundsätzlich eine Zurück- drängung privater Investitionen bedingt durch stei- gende Zinssätze. Zweitens sinkt die Flexibilität der Haushaltspolitik, da ein immer größerer Teil für Zins- zahlungen und Tilgung aufgebracht werden muss. Und drittens ist der Staat wegen der zunehmenden Ver- schuldung gezwungen, an seiner an Wachstum orien- tierten Politik festzuhalten, um den Schuldenberg mit wachsendem Steueraufkommen zu bewältigen. Wirt- schaftswachstum ist jedoch mit schwer wiegenden Fol- gen für die Umwelt verbunden. Durch Wirtschafts- wachstum werden erhebliche ökologische Folgekos- ten produziert, die die Mehreinnahmen überkompen- sieren können und gleichzeitig zu irreparablen Umweltschäden führen.«,

Warum sind Staatsverschuldungen besonders

folgenschwer? Wer einen Kredit aufnimmt, schafft damit normalerweise Dauerwerte, mit deren Hilfe er den Kredit mit Zinsen bedienen und eines Tages zurückzahlen kann. Diese Dauer- werte, z. B. Gebäude oder Produktionsanlagen, dienen gleichzeitig der Absicherung des Geldgebers bzw. der geld- gebenden Bank. Denn notfalls, wenn der Schuldner zah- lungsunfähig ist, kann der Kreditgeber auf diese Werte zurückgreifen. Natürlich ist diese Absicherung selbst bei Immobilien keine volle Garantie. Denn werden viele Schuldner zeitgleich zahlungsunfähig, kann aufgrund des Überangebots an Objekten der Tageswert unter die Ver- schuldungshöhe fallen. So gingen beispielsweise die Immo- bilienpreise in Großbritannien von 1988 bis 1991 um 25 Prozent zurück, weil aufgrund der Rezession Zehntausen- de von Häusern versteigert werden mussten. Bei Staatsverschuldungen ist die Lage, zumindest anfangs, günstiger. Staaten sind die einzigen Schuldner, die eine dauernd sprudelnde Geldquelle haben, auf die sie nach Bedarf zurückgreifen können, nämlich den Steuer- zahler. Wie fragwürdig allerdings auch diese Quelle werden kann, zeigt uns die Geschichte. Zu diesen Sackgassenent- wicklungen, aus denen auch ein Staat sich nicht mehr her- ausmogeln kann, kommt es schneller, als man denkt. Vor allem, wenn verantwortungslose Politiker im Hinblick auf Wahlen (und solche stehen immer an!) lieber neue Schul- den machen, als an das Portemonnaie der Bürger heranzu- treten. Dass es diese Probleme nicht erst seit unseren Tagen gibt, zeigen die Zitate aus den vergangenen Jahrhunderten in dem separaten Kasten J. Selbst die Deutsche Bundes- bank äußerte schon vor Jahren mit vorsichtigen Worten ihre Sorge:, »Der durch Wahltermine ›verkürzte Zeithorizont‹ und die mangelnde politische Repräsentanz künftiger Generationen sind zwei der Hauptfaktoren, die in der Demokratie eine .Tendenz zur überhöhten Staats- verschuldung bewirken.« So Prof. Dr. Otmar Issing in einem Vortrag in Innsbruck, am 6. 3. 1992. Was bei öffentlichen Schulden als Sicherheit für die Geldgeber verbleibt, sind zwar auch überwiegend Dauer- werte. Aber was können Gläubiger mit den Dauerwerten des Staates anfangen? Zum Beispiel mit einer Turnhalle oder einem Stück Autobahn? Mit einer Kaserne, Kanone oder Kläranlage? Kasten J: – Aussagen zur Staatsverschuldung »Wenn Staatsschulden einmal bis zu einem gewissen Grad angehäuft sind, so lässt sich, glaube ich, kaum ein einziges Beispiel für ihre richtige und vollständige Bezahlung anführen.« Adam Smith, 1776 »Es leuchtet ein, wo mit der Anleihe nicht gleichzeitig eine Steuererhöhung stattfindet, kann der Zins der gemachten Anleihe nur noch durch neue Anleihen gedeckt werden.« Lorenz von Stein, 1860 »Nichts ist richtiger, als dass jeder Staat, der immerfort borgt, der nie die vorher gemachten Schulden abzahlt, endlich untergehen muss.« Karl August von Struensee, 1800, So pünktlich und zuverlässig die staatlichen Schuldenma- cher auch über Jahre und Jahrzehnte hinweg die Zinsen zahlen mögen: An irgendeiner Stelle platzt einmal der immer weiter aufgeblasene Schuldenballon, mit oder ohne Revolution und Bürgerkrieg. Und was dann die Gläubiger noch zurückerhalten, bzw. was durch die letzte Notbremse des Staates, nämlich die inflationäre Entwer- tung des Geldes und damit aller Ansprüche, von ihren ganzen Ersparnissen noch übrig bleibt, wissen wir aus der Geschichte.

Was ist mit der Staatsverschuldung in den Indus-

trienationen? Zieht man zur Beantwortung dieser Frage einmal die so ge- nannten G7-Länder heran und drückt deren öffentliche Verschuldungen in Prozenten des jeweiligen Sozialpro- dukts aus, dann ergibt sich für den Zeitraum 1975 bis 1995 das in der Darstellung 37 wiedergegebene Entwicklungs- bild. Wegen der besseren Übersicht wurden die sieben Län- der auf zwei Grafiken verteilt und in der linken Grafik, neben den drei größten Industrienationen, auch die durch- schnittliche Schuldenentwicklung der sieben Länder einge- tragen. Der jeweilige Verschuldungsstand in den fünf Stich- jahren, kann an der linken Skala abgelesen werden. Was zuerst ins Auge springt, ist der Tatbestand, dass in sechs der sieben Länder die Verschuldungen in den 20 Jah- ren deutlich zugenommen haben, besonders stark in Itali- en, Kanada und Japan. Wie aus den jeweils eingetragenen Zunahme-Prozentwerten neben den Länderbezeichnun- gen zu entnehmen, schneiden die USA und Deutschland insgesamt noch am besten ab. Letzteres ist umso erstaunli-, cher, als Deutschland die nicht unerheblichen Kosten der Wiedervereinigung zu verkraften hatte. Darstellung 37: Als einziges Land konnte Großbritannien seine öffentli- chen Schulden zwischen 1975 und 1990 relativ verringern. Allerdings z. T. mit fragwürdigen Methoden, wie dem Aus- verkauf staatlicher Versorgungseinrichtungen, vor allem, von Elektrizitäts- und Wasserwerken. Zum Teil wurde die Sanierung der öffentlichen Haushalte auch auf Kosten der sozial schwachen Bevölkerungsschichten durchgeführt. Nicht zuletzt als Folge dieser Maßnahmen sind für rund 30 Prozent der Briten die Realeinkommen in den letzten zehn Jahren stagniert bzw. abgesunken, und das trotz allgemei- nen Wirtschaftswachstums. Sieht man sich die Entwicklungsschübe in der Darstel- lung genauer an, dann fällt auf, dass sich der Schuldenan- stieg in der zweiten und vierten Fünfjahresperiode jeweils beschleunigte. Das geht auch aus dem Durchschnittswert hervor. Diese schubartigen Zunahmen hängen jeweils mit den Hochzinsphasen Anfang der 80er und 90er Jahren zusammen, in deren Folge jeweils mit der Konjunktur auch die Staatseinnahmen zurückgingen, bei gleichzeitigem Anstieg der Sozialkosten. Als Ausweg verbleibt den Staa- ten dann oft nur noch die Ausweitung der Kreditaufnah- men.und in den Euroländern? Wie hier die Schuldenhöhen auseinander liegen und wie sie sich von 1992 bis 1997 entwickelt haben, geht aus der Dar- stellung 38 hervor. Bekanntlich wurde in den Maastricht-Kriterien für die Teilnahme an der gemeinsamen Währung u. a. eine Ver- schuldungsgrenze von 60 Prozent des BIP festgelegt. Deut- lich wird aus der Darstellung, wie alle darüber liegenden Staaten versucht haben, zumindest ihre Verschuldungszu- nahmen abzubremsen bzw. sogar die Bestände etwas abzu- bauen. Am erfolgreichsten war damit Irland, das 1993 noch bei 96 Prozent lag und bis 1999 die Marke von 60 Prozent sogar unterschritt., Darstellung 38:, Die Erfolge der drei Spitzenschuldner waren allerdings – wie kaum anders zu erwarten – höchst bescheiden. Selbst im Jahr 2000 lagen ihre Sätze noch über 100 bzw. 110 Pro- zent und man fragt sich, wie und bis wann sie das gesteckte Ziel eigentlich erreichen sollen. Dass Belgien und Italien trotz dieser signifikanten Zielüberschreitungen aufgenom- men wurden und Griechenland wohl ebenfalls die gleiche Großzügigkeit erfahren wird, ist überraschend. Und wie lange sich die anderen Länder an die Zielgröße gebunden sehen, ist abzuwarten. Interessant ist jedenfalls, dass die Länder unterhalb der Marke die Zeit bis zum Eintritt nutzten, um noch etwas zuzulegen, wobei Spanien, 1992 noch bei 48 Prozent, sogar deutlich über das Ziel hinaus- schoss.

Wie war das mit der Verschuldung in Osteuropa?

Auch wenn die Vorgänge in den 80er Jahren bereits Ge- schichte sind, lohnt sich ein kurzer Rückblick. Das zu- mindest bezogen auf die Auslandsverschuldungen dieser Länder, die bei dem Zusammenbruch eine entscheidende Rolle gespielt haben dürften. In der Darstellung 39 sind die Entwicklungen dieser Auslandsschulden von 1980 bis 1989 in Milliarden Dollar wiedergegeben. Wie erkennbar, war Polen der Spitzenreiter in Sachen Westverschuldung. Die so genannte Schuldenkrise brach auch nicht erst 1982 in Lateinamerika aus, sondern bereits 1981 mit der Zahlungsunfähigkeit dieses Landes. Rückbli- ckend schrieb dazu das Handelsblatt am 14. 11. 1991: »Obgleich zahlungsunfähig und von den internationa- len Kapitalmärkten verdrängt, stieg die polnische Auslandsverschuldung von 1981 bis 1990 von 26 auf 48, Milliarden Dollar. Die Verdoppelung der Auslands- schuld resultierte ausschließlich aus der Nichtbezah- lung fälliger Zinsen; es wurde kein einziger Dollar getilgt oder als Realkapital zur Stärkung der polni- schen Exportwirtschaft importiert.« In diesen wenigen Sätzen zeichnet sich das Schicksal eines Staates ab, der sich zur Bedienung seiner Schulden immer wieder neu verschulden muss. Dieses Hineingeraten in die Schuldenfalle dürfte auch den meisten anderen Ostblock- Staaten den Todesstoß gegeben haben. Auffallend ist in der Grafik, dass die Verschuldungsent- wicklung bei den meisten Staaten in der ersten Hälfte der 80er Jahre deutlich nach unten zeigt. Das mag mit der Zurückhaltung westlicher Banken zusammenhängen, die- sen Ländern nach den Erfahrungen mit Polen weitere Kre- dite zu gewähren. Möglicherweise war es aber auch ein (vielleicht abgesprochener) letzter Versuch der Länder, sich aus den Fesseln westlicher Verschuldung zu befreien. Doch angesichts der maroden Wirtschaftsverhältnisse bestand dazu kaum eine Chance. Durchgehalten hat das allein Rumänien. Es konnte nach den RWG-Statistiken sei- ne Schulden von nahe zehn Mrd. Dollar 1981 bis 1989 auf eine Milliarde herunterfahren. Aber unter welchen Opfern für die Bevölkerung: Regelmäßige Stromabschaltungen, Reduzierung der Fernheizung auf zehn Grad, Einschrän- kung der Versorgung, auch im Nahrungsmittelbereich, ver- bunden mit Billigstexporten in alle Welt, um Devisen zur Schuldentilgung ins Land zu holen. Ohne dem Weltwährungsfond anzugehören, hat also Rumänien in extremer Weise jene Rezepte angewandt, die diese Institution im Allgemeinen den überschuldeten Ent- wicklungs- und Schwellenländern empfiehlt., Darstellung 39: Auch in der ehemaligen DDR wurde die Westverschuldung von 12 Milliarden Dollar Anfang der 80er Jahre auf knapp, sieben Milliarden 1985 zurückgefahren, um anschließend in wenigen Jahren auf vorher nicht erreichte Größen hochzu- schießen. Hier spielte sich im Prinzip das Gleiche ab wie in Polen. Das geht aus den Worten des ehemaligen DDR- Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski hervor, den »Die Zeit« am 11. 1. 1991 zitiert: »Der Präsident der Außenhandelsbank, Professor Pol- ze, musste jährlich, allein um die Zahlungsfähigkeit des Staates zu sichern, neue Kredite in Höhe von fünf bis sechs Milliarden D-Mark aufnehmen. Wir hatten ja nicht nur die laufenden Einfuhren zu bezahlen, son- dern auch die Zinsen für die Schulden und die Zurück- zahlung aufgenommener Kredite. Uns haben die Zin- sen erdrückt, die Zinslast war gewaltig.« Den absolut wie relativ stärksten Anstieg der Westschulden hatte die damalige UdSSR zu verzeichnen. Über die dama- lige Situation in diesem Land mag ein Auszug aus der Bör- senzeitung vom 25. 8. 1989 Auskunft geben, also noch vor dem eigentlichen Zusammenbruch des Ostblocks, auch wenn sich die darin erwähnten Problementwicklungen inzwischen mehrfach überschlagen haben: »Der Staatshaushalt der UdSSR weist nach Berechnun- gen des DIW 1989 ein Rekorddefizit von 100 Mrd. Rubel oder etwa 10 Prozent des Bruttosozialproduktes auf. Seine Finanzierung erfolgte überwiegend durch die Notenpresse, so dass die Inflation zugenommen hat. Der Geldüberhang wird offiziell auf 70 bis 80 Mrd. Ru- bel geschätzt, inoffiziell ist von der doppelten Summe die Rede. Die Auslandsverschuldung der UdSSR von 54 Mrd. Dollar und ihr Schuldendienst von 19 Mrd. Dollar im Jahr liegen erheblich höher, als angenommen.«, Wie glücklich wären die Regierenden in den GUS-Staaten, wenn diese Sätze heute noch Gültigkeit hätten! Das gilt vor allem für die Inflation, in deren Folge der Wert des Rubels schon 1992 auf 0,2 US-Cent abgesunken war, von den nach- folgend wiederholten so genannten Währungsreformen nicht zu reden, bei denen jeweils die Bevölkerung ihrer Ersparnisse enteignet wurde. Dass unter solchen Gegeben- heiten nicht nur die Zahlungsunfähigkeit des Staates auf der Strecke bleibt, sondern auch die Arbeitsmoral und das ganze Wirtschafts- und Gesellschaftsgefüge zusammenbre- chen, liegt auf der Hand., 15. Kapitel

Unternehmensschulden, Privatschulden, Schuldenüberwindung

»Kreditfinanzierte Unternehmen machen meist erst andere kaputt, bevor sie selber dran sind.« Lothar Späth* Vergleicht man anhand der deutschen Zahlen einmal die Verhältnisse im Unternehmenssektor, dann zeigt sich im Prinzip das gleiche Bild wie bei den Staaten: Die Schulden nehmen rascher zu als die Leistung, aus der sie alleine bedient werden können. Dies zeigt die Darstellung 40, in der die Verschuldungszunahme der westdeutschen Unter- nehmen mit ihrer Bruttowertschöpfung verglichen wird. Während 1950 die Verschuldung der Unternehmen erst bei 50 Prozent ihrer jährlichen Wertschöpfungsgröße lag, hatte sie 1990 bereits 150 Prozent erreicht. Mit einem realen Anstieg auf das 19fache nahm die Verschuldung in den 40 Jahren genau dreimal so rasch zu wie die Unterneh- mensleistung, die real auf das 6,3fache gesteigert werden konnte. Die Folge dieser Schulden-Überentwicklung schlägt sich auch hier in immer größeren Zinsanteilen nie- der, die aus dem wirtschaftlichen Ergebnis an die Geldge- ber abzuführen sind. Dazu schrieb Carl Zimmerer bereits 1990 in Nr. 13 der Zeitschrift »Kreditwesen«: * früherer Ministerpräsident von Baden-Württemberg, 1982, Darstellung 40: »Im Durchschnitt aller Wirtschaftsunternehmen wird jetzt mehr als ein Viertel des Cash-flow durch Zinsver- pflichtungen aufgezehrt. Während der siebziger Jahre hatte sich die Quote noch in einer Spanne zwischen 8 und 13 Prozent bewegt, und selbst Mitte der achtziger Jahre hatte sie erst bei rund 15 Prozent gelegen. So ist es heute treffender als je zuvor, von einer »dept econo- my« – einer zu stark auf Verschuldung basierenden Volkswirtschaft – zu sprechen.«, Der Schweizer Werner Rosenberger, ehemaliger Präsident der Internationalen Vereinigung für Natürliche Wirt- schaftsordnung (INWO), hat für unsere Epoche sogar den Begriff »Schuldenzeitalter« geprägt. Nach seiner Auffas- sung hat es noch nie in der Geschichte der Menschheit eine Verschuldung in dieser Größenordnung gegeben. Ursache dafür ist weniger die weltweite wirtschaftliche Verflechtung als vielmehr die Folge einer fünfzigjährigen Geldvermö- genseskalation und des ständigen Wirtschaftswachstums, mit dem bisher – zumindest in den Industrienationen des Westens – größere ökonomische bzw. monetäre Zusam- menbrüche vermieden werden konnten. Allerdings wird es weltweit immer schwieriger, die Wirt- schaftsleistung wenigstens halbwegs dem Tempo der Über- schuldungsentwicklung anzupassen, und das nicht nur aus ökologischen Gründen. Es bleibt also die Frage, ob und wie lange diese Scherenentwicklung noch ausgehalten bzw. einer Korrektur zugeführt werden kann.

Konsumentenschulden – ein Kredit mit Zukunft?

Wie in den nachfolgenden Kapiteln noch verdeutlicht wird, müssen die Schulden in der Welt im gleichen Umfang zunehmen wie die Ersparnisse. Dabei ist es gleichgültig, wer diese Schulden letzten Endes macht. Da wir die zuneh- mende Überschuldung im öffentlichen und unternehmeri- schen Sektor bereits festgestellt haben und die sich hier abzeichnenden Grenzen, bleibt eigentlich nur noch der Sektor der privaten Haushalte übrig. Wie die Entwicklungen auf diesem Sektor aussehen, zeigt der Vergleich der privaten Verschuldungsentwicklung in der Darstellung 41, dem wieder die Gegebenheiten in den G7-Ländern zugrunde liegen. Dabei sind hier die, Darstellung 41:, gesamten privaten Schulden erfasst, also diejenigen, die für Konsumzwecke aufgenommen wurden wie solche für Zwe- cke des Wohnungsbaus bzw. -erwerbs. Wie aus der Darstellung hervorgeht, lagen die privaten Schulden in Japan, USA, Kanada und Großbritannien bereits 1995 über 75 Prozent des BIP. Das heißt, sie entspra- chen bereits der Wirtschaftsleistung von drei Quartalen. Gemessen an dem verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte überstiegen sie damals bereits den Jahreser- trag. Vergleicht man die Schulden der privaten mit jenen der öffentlichen Haushalte (Darst. 37), dann liegen die Durch- schnittsgrößen fast auf gleicher Höhe. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass die öffentlichen Schulden von der Gesamtheit aller Haushalte bzw. Erwerbstätigen gemein- sam zu bedienen sind, während die privaten Schuldenlasten sich nur auf diejenigen verteilen, die selbst Kredite aufge- nommen haben. Das aber ist – zumindest in den meisten europäischen Staaten – bislang nur eine Minderheit. Umge- legt auf diese verschuldeten Haushalte liegen die Lasten also deutlich über den Jahreseinkommen bzw. z. T. beim Mehrfachen derselben. Interessant ist bei diesem Vergleich der beiden Schuld- nergruppen, dass die öffentlichen Schulden in den hoch- zinsbedingten Flautezeiten der ersten 80er und 90er Jahre jeweils beschleunigt anstiegen, während das bei den priva- ten Schulden eher umgekehrt ist. Das heißt, bei steigenden bzw. höheren Zinsen lässt die private Aufnahmebereit- schaft für Kredite nach.,

Welche Folgen hat der Kauf auf Pump?

Während mit dem Bau oder Kauf eines Hauses ein notfalls veräußerbarer Gegenwert für den aufgenommenen Kredit geschaffen wird, besteht die Deckung von Konsumenten- schulden praktisch nur aus dem laufenden Einkommen des Kreditnehmers. Bis zu einer gewissen Höhe sind jedoch auch solche Kreditaufnahmen für Konsumzwecke sicher- lich problemlos, solange sie in einem gesunden Verhältnis zum Einkommen stehen. Kritisch wird es aber, wenn zu ihrer Bedienung die laufenden Einkünfte nicht mehr rei- chen und die entstehenden Zinslöcher mit neuen Schulden geschlossen werden müssen. Das mag in vielen Fällen das Resultat leichtfertiger Ausgaben sein. Meist jedoch ist es die Folge plötzlicher Einkommensrückgänge durch Arbeitslo- sigkeit, Krankheit oder unvorhergesehener anderer finanzi- eller Belastungen. Obwohl die Anzahl der Haushalte mit Konsumentenschulden in Deutschland z. B. nur bei etwa zwölf bis fünfzehn Millionen liegt, gelten bereits 2,5 Millio- nen – also jeder sechste – als überschuldet. Darunter sind besonders viele junge Familien und Alleinerziehende. Da in unseren Gesellschaften, auch in den reichen Indus- trienationen, Kinder fast immer zu einem deutlichen Eng- pass bei den Familieneinkommen führen, versuchen allzu viele, diesen plötzlichen Einkommensrückgang durch Kre- ditaufnahmen auszugleichen. Der überall präsente Lebens- standard der Kinderlosen (die sich später ihre Rente von den Kindern der anderen verdienen lassen!) verführt zusätzlich zu dieser Flucht in die Verschuldung. Denn wer möchte in unseren Prestigegesellschaften schon seinen sozialen Abstieg sichtbar werden lassen! Wie so ein Abstieg abläuft, konnte man in einem Zei- tungsbericht aus dem Jahr 1990 lesen:, »Am Anfang stand ein Kredit von 10 000 Mark. Bei der Rückzahlung gab es Schwierigkeiten. Der Kredit- vertrag wird gekündigt, hohe Verzugszinsen werden fällig, Bearbeitungsgebühren, Pfändungskosten usw. Neue Kredite zum Tilgen der Zinsen und des alten Darlehens werden aufgenommen. Am Ende die glei- chen Schwierigkeiten – ein Teufelskreis. Zehn Jahre später hat der Kreditnehmer zwar insge- samt 10 000 Mark zurückgezahlt, blickt aber auf einen noch abzutragenden Schuldenberg von gut 32 000 Mark. Aus anfangs 10 000 Mark, die man einmal aus- geben konnte, ist eine Belastung von 42 000 Mark her- angewachsen.« Was den auf diese Weise Überschuldeten oft bleibt, ist weni- ger als die Sozialhilfe. Alles andere wird gleich vom Lohn gepfändet. Das Interesse an jeder Arbeit erlischt. Der wei- tere Abstieg ist in vielen Fällen vorgezeichnet: Zerrüttete Ehen, Alkohol, Drogen oder gar Kriminalität. Opfer sind in den meisten Fällen die Kinder. Die in fast aller Welt zuneh- menden Zahlen obdachloser Jugendlicher hängen sicherlich nicht zuletzt mit diesen Abstiegen in Armut und Verschul- dung zusammen. Hans Tietmeyer, der vormalige Präsident der Deutschen Bundesbank, hat 1991 dazu angemerkt: »Ein wichtiger Faktor für das Konsumverhalten scheint auch die Verführung zum Gegenwartskonsum zu sein .Gleichzeitig erweckt die Kreditwerbung den Eindruck zusätzlicher Ausgabenspielräume. Die- ser Eindruck wird wohl auch unterstützt durch die zunehmende Verbreitung bargeldloser Zahlungssy- steme, welche den Zugang zu Krediten erleichtert und erweitert haben.«,

Kann man die Überschuldung überwinden?

Dass ständig zunehmende Verschuldungen, die rascher als die Wirtschaftsleistung wachsen, auf Dauer zum Zusam- menbruch der Gesellschaft führen müssen, liegt auf der Hand. Das vor allem, wenn man an die Zinslasten denkt. Natürlich ist – wie allzu oft gehabt – auch eine ›Lösung‹ des Problems über eine entsprechend hohe Geldinflationie- rung möglich: Die Schuldner können sich dann mit wertlo- sem Geld der Verpflichtungen entledigen, auf Kosten der Geldgeber, die auf diese Weise ihrer Ersparnisse beraubt werden. Aber diese Art der Entschuldung, auf die vor allem überschuldete Staaten zurückgreifen, endet erfah- rungsgemäß ebenfalls in einem Zusammenbruch. Entkom- men kann man der ganzen Misere nur durch einen Abbau der Schulden. Aber das ist graue Theorie. Um beispielsweise nur die öffentliche Verschuldung in Deutschland auf Null zu bringen, müsste der Staat jedem Bürger, vom Baby bis zum Greis fast 30 000 DM aus der Tasche ziehen. Dieser Weg würde uns zwar billiger kom- men als das Stehenlassen der Schulden, ist aber kaum prak- tikabel. Selbst wenn sich alle Arbeitleistenden in Deutschland verpflichten würden, ohne Lohnerhöhung jede Woche zehn Stunden zusätzlich zu arbeiten, um damit dem Staat im Jahr 500 oder 600 Milliarden für Zusatztilgungen zukommen zu lassen, wäre eine solche Lösung nicht reali- sierbar. Denn das würde erfordern, dass jene Leute, die mangels Verwendungsmöglichkeit über Jahrzehnte Geld angesammelt und an den Staat verliehen haben, dieses Geld für diese zusätzlichen Leistungen auch ausgeben. Lassen sie das vom Staat zurückgezahlte Geld aber wei- ter bei den Banken stehen, müssen diese versuchen, neue Schuldner für diese Geldersparnisse zu finden. Das heißt, jedoch, die Staatsverschuldung würde zwar verschwinden, aber dafür müssten an anderer Stelle – wo auch immer – neue Schulden in gleicher Höhe gemacht werden. Eine wirkliche Reduzierung der öffentlichen Verschul- dung wäre nur möglich, wenn der Staat alle Geldvermögen mit einer Sondersteuer in Höhe der staatlichen Zins- und Tilgungszahlungen belasten würde. Das heißt, er müsste einen entsprechenden Anteil der Gesamtersparnisse bzw. deren Zuwächse gewissermaßen konfiszieren. Diese ›ele- ganteste‹ Lösung, die man mit Freibeträgen für die kleinen Sparer garnieren könnte, dürfte in einem Rechtsstaat jedoch schwerlich umzusetzen sein. Und da sich Politiker sehr schwer tun, wenigstens die Neuverschuldung durch höhere Steuern oder Ausgabenreduzierungen des Staates abzufangen, bleibt uns nur der bittere Marsch in die weitere Überschuldung. Denn ohne Korrektur unseres heutigen Geldsystems werden die Geldvermögen weiter eskalieren und damit die Volkswirtschaften zu immer größeren Ver- schuldungen zwingen.

Verringern sich die Schulden durch Zahlungs-

unfähigkeiten? Kann jemand seinem Nachbarn einen Kredit nicht zurück- zahlen und verzichtet dieser großzügig darauf, dann ver- schwindet selbstverständlich mit der Schuld auch eine gleich hohe Forderung aus der Welt. Diese gleichzeitige ›Vernichtung‹ von Forderungen und Schulden war früher bei den Direktvergaben von Krediten die Regel: Gleichgül- tig, ob an einen Privatmenschen oder ein Unternehmen verliehen, musste der Geldgeber seine Ansprüche bei der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners meist in den Schorn- stein schreiben., Mit dieser gleichzeitigen Vernichtung von Geldschulden und Geldvermögen wurde ungewollt erreicht, dass beide Größen ›nicht in den Himmel‹ wuchsen. Überschuldungs- entwicklungen in den heutigen Größenordnungen kamen also kaum zustande. Vielmehr regulierte sich auf diese Wei- se der Markt gewissermaßen selbst, wenn auch für den Ein- zelnen oft auf brutale Weise. Das aber ist heute bei der all- gemeinen staatlich sanktionierten Eigentumsgarantie und vor allem bei den bankvermittelten Krediten anders: Muss eine Bank auf eine Forderung verzichten, dann merkt der Sparer davon nichts. Auch bei großen Verlusten hat bislang noch keine Bank die Einlegerguthaben zum Ausgleich gekürzt. Selbst dann nicht, wenn die Verluste, wie beispiels- weise bei den Schulden der Dritten Welt oder den Pleiten großer Unternehmen, Milliardenhöhen erreichen. Solche ausgleichenden Kürzungen der Einlagen sind den Banken nicht gestattet. Ihnen bleibt also nur der Weg, die Verluste anderweitig auszugleichen. Das geschieht vor allem durch bankinterne Rückversicherungen. Aber auch durch ent- sprechend höhere Risikoaufschläge, die in unsicherer wer- denden Zeiten zunehmend in die Zinsmargen eingerechnet werden. Das heißt, die gesamten Kreditkunden, auch die pflichtbewußten pünktlichen Zahler, werden entsprechend höher belastet. Rund die Hälfte dieser Verluste zahlt im Übrigen in den meisten Ländern jeweils der Steuerzahler. Denn die Ban- ken können ihre abgeschriebenen Forderungen von den zu versteuernden Einkommen absetzen, auch wenn Missma- nagement oder Leichtfertigkeit der Banker die Verlustur- sache sind. Statt diejenigen zur Kasse zu bitten, die seit Jah- ren über die Zinserträge von den Krediten profitieren (und möglicherweise durch diese Zinsen den Kreditnehmer in den Ruin getrieben haben!), zahlt die Allgemeinheit die Zeche.,

Lässt sich das Schuldenproblem durch Tilgungen

lösen? Selbstverständlich kann jede einzelne Schuld durch Rück- zahlung aus der Welt geschafft werden. Versilbert beispiels- weise ein privater Schuldner sein Hab und Gut und trägt die Einnahme zur Bank, dann ist er seine Schulden los. Würden allerdings alle privaten Schuldner das versuchen, ginge der Preis für Häuser, Hausrat und gebrauchte Autos so in den Keller, dass die Schulden nur noch zu einem Bruchteil abge- tragen werden könnten. Außerdem kämen die Banken in die größten Schwierigkeiten. Sie müssten nämlich für die zurückgezahlten Milliarden schnellstens neue Schuldner fin- den. Das gilt z. B. auch für die Sondertilgung, die der deut- sche Finanzminister mit der 98-Mrd.-DM-Einnahme aus der UMTS-Versteigerung vornehmen will. Hier haben es die Banken relativ einfach, weil die Mobilfunk-Unternehmen den Kauf der Funklizenzen weitgehend in gleicher Höhe mit Kreditaufnahmen bei den Banken finanzieren müssen. Die Banken brauchen diese neuen Schuldner alleine schon, um ihren laufenden Zinszahlungs-Verpflichtungen gegen- über den Guthabenbesitzern nachkommen zu können. Und da diese Zinsgutschriften die bereits vorhandenen Ersparnis- se laufend erhöhen, bleibt die Gesamtverschuldung nicht nur erhalten, sondern sie steigt zwangsläufig weiter an. Diese Kreditgewährung aus den anwachsenden Gelder- sparnissen ist jedoch nicht nur wegen der Zinszahlungen an die Sparer erforderlich. Sie ist auch erforderlich – und das ist ein ganz entscheidender Grund für die zunehmenden mone- tären Miseren –, um die sich sonst bei den Banken ansam- melnden Geldüberschüsse wieder in die Nachfrage zurück- zuführen. Denn ohne diese Rückführung würden sich Nach- frageunterbrechungen im Wirtschaftskreislauf ergeben, mit schweren Folgen für Konjunktur und Geldwert., Das heißt, mit dem Anwachsen der Ersparnisse sind nicht nur immer größere Kredite möglich, sondern erfor- derlich. Die Folge ist, dass mit den wachsenden Geld- Ersparnissen in jeder Volkswirtschaft und Gesellschaft auch der Zwang zu einer wachsenden Verschuldung ver- bunden ist. Der deutsche Wirtschaftsprofessor Rüdiger Pohl, über viele Jahre Mitglied des Sachverständigen-Gremiums, das die Bundesregierung berät, hat das in einer Veröffentli- chung in der »Zeit« vom 11. 12. 1987 deutlich gemacht: »Wohlgemerkt: Staatliche Kreditaufnahme ist kein Selbstzweck. Aber wenn – wie heute in der Bundesre- publik – das Kapitalangebot aus privaten Ersparnissen steigt, gleichzeitig die Kapitalnachfrage .der Unter- nehmen wegen der schwachen Investitionsneigung gering bleibt, dann muss der Staat das am Markt ent- stehende Kapitalüberangebot aufnehmen, weil ande- renfalls eine deflationäre Wirtschaftsentwicklung ein- setzen würde.« Selbstverständlich sollte der Staat nach Möglichkeit ganz auf Kreditnachfrage verzichten, da dieser Finanzierungs- weg – auch für die sozialste Maßnahme – langfristig immer der unsozialste ist. Denn mit jedem Kredit werden die bereits Reichen auf Kosten der anderen noch reicher. Aber wie das Zitat zeigt, kann der Staat in bestimmten Situatio- nen, die Folge unserer geldbezogenen Fehlstrukturen sind, zur Schuldenaufnahme geradezu gezwungen sein. Denn das Risiko eines deflationären Konjunktureinbruchs ist so groß, dass daneben eine höhere Verschuldung nur als klei- neres Übel erscheint. Und wie schwer es ist, eine einmal ins Stocken geratene Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, haben wir in den letzten Jahren in Japan erleben müssen., 16. Kapitel

Überentwicklung der Geldvermögen

»Es sind gar nicht primär Konsum- und Gewinnsucht, die den Kapitalis- mus rastlos vorwärtstreiben, sondern die durch Zins und Zinseszins lawi- nenartig wachsenden Geldvermögen und ein unerbittlicher Zwang, unter dem die Schuldner stehen, nämlich mit jeder Produktion auch den Zins erwirtschaften zu müssen.« Josef Hüwe* Der Begriff Geldvermögen ist verbunden mit der Vorstel- lung von Reichtum und Wohlstand. Man denkt dabei an Truhen voller Geldstücke oder Tresore voller Geldschein- bündel. Zum Geldvermögen gehören aber nicht nur solche Bargeldbestände, sondern auch die Ansprüche auf Rücker- halt von Geld, das man anderen geliehen hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Geldüberlassungen länger- oder kurzfristig getätigt sind, ob an einen Nachbarn oder eine Bank. Unter Geldvermögen versteht man also die Summe von Geld und Geldguthaben. Trotz dieser üblichen Zusammen- fassung muss man jedoch zwischen beiden Bestandteilen präzise unterscheiden. Denn Geld ist immer das Primäre, die Voraussetzung dafür, dass man Geld überhaupt verlei- * Wirtschaftspublizist, »Zinswirtschaft heute – Zum veränderten Erscheinungsbild des Kapitalismus«, Nov. 1991, hen und somit Geldguthaben erwerben kann. Außerdem kann das Geld und damit die Geldmenge nur von der dafür zuständigen Notenbank vermehrt werden, die Geldgutha- ben jedoch von jedem Wirtschaftsteilnehmer. Und sowenig die Guthaben durch die Vermehrung der Geldmenge zunehmen, so wenig nimmt die Geldmenge durch die Ver- mehrung der Guthaben zu. Auch die Auswirkungen der jeweiligen Vermehrungen sind völlig unterschiedlich. So führt die Übervermehrung der Geldmenge zur Inflation, die der Guthaben zur Überschuldung.

Wie setzen sich Geldvermögen zusammen?

Welche Posten unter dem Begriff Geldvermögen üblicher- weise erfasst werden, geht aus der Darstellung 42 hervor. Ausgehend von den Veröffentlichungen der Bundesbank, sind darin die deutschen Geldvermögen des Jahres 1998, die damals bei 9 492 Mrd. DM lagen, in Milliardenbeträgen wiedergegeben und aufgeschlüsselt: Auf der Basis einer Bargeldmenge von 242 Mrd. DM, baut sich also ein vielmals größeres Geldvermögen auf, zu dem sogar die Aktien gezählt werden. Sicher ist das für vie- le Leser überraschend, denn Aktien sind weder Geld noch ein Anspruch auf Rückerhalt von Geld. Sie dokumentieren vielmehr die Beteiligung an einem Unternehmen, also an Sachvermögen, in das man sich eingekauft hat. Die offiziel- le Begründung für die Einbeziehung der Aktien in die Geldvermögen ist, dass diese ähnlich wie Wertpapiere gehandelt und leicht in Geld umgewandelt werden können. Diese Begründung ist sachlich höchst fragwürdig. Denn diese Möglichkeit zur Rückverwandlung in Geld trifft ebenso auf Gold, Edelsteine und letztlich sogar auf alle Handelsgüter zu. Sogar die jeden Morgen neu gebackenen, Darstellung 42: Brötchen werden bis zum Mittag zu Geld gemacht, ohne dass man sie zu den Geldvermögen zählt. Ebenso fragwürdig ist, dass diese Aktien inzwischen sogar zum Tages- bw. Kurswert in die Geldvermögen auf- genommen werden. Denn im Gegensatz zu den Geldgutha- ben, die einen fest umgrenzten Anspruch auf die Erfüllung einer Geldforderung darstellen, ist bei den Aktien nie- mand zu einer Rückgabe des dafür hergegebenen Geldes verpflichtet. Deshalb sind die Tageskurse nichts anderes als Hoffnungswerte und allenfalls die Nennwerte akzepta- bel.,

Wem gehören die Geldvermögen?

Wie die Schulden werden auch die Geldvermögen stati- stisch den drei Sektoren Privathaushalte, Unternehmen und Staat zugeordnet. Dabei werden allerdings häufig nur die Guthaben erfasst, die durch Ausleihungen zwischen den drei Sektoren entstehen, Geldüberlassungen innerhalb dieser Sektoren jedoch nicht. Kredite eines Unternehmens an ein anderes Unternehmem oder eines Bürgers an seinen Nachbarn finden also in der Statistik keinen Niederschlag. Ebenfalls nicht die Direktkredite von Kaufhäusern oder Autohändlern an ihre Kunden oder die Vermittlungen pri- vater Geldverleiher. Als konkretes Beispiel für die Entwicklungen und Ver- teilungen der Geldvermögen sollen – wie bei den Schulden – wieder die deutschen Gegebenheiten in Form einer Ta- belle K herangezogen werden: Tabelle K: Verteilung der Geldvermögen Deutschland 1950 bis 1998, ab 1991 Gesamtdeutschland (nominelle Größen in Mrd. DM) 1950 1970 1990 1998 Anst. 1950–98 private Haushalte 25 518 2 900 5 683 × 227 Unternehmen 20 211 1 410 3 179 × 159 öffentl. Haushalte 15 191 515 630 × 42 gesamtes Geldver- 60 920 4 825 9 492 × 158 mögen BSP zum Vergleich 105 676 2 426 3 769 × 36, Vergleicht man die absoluten Größen, dann verfügen die privaten Haushalte in Deutschland über den Hauptanteil der Geldvermögen. Ebenfalls verzeichnen sie den schnells- ten Anstieg ihrer Bestände in den dargestellten 48 Jahren. Die Zunahme der Geldvermögen bei den Unternehmen entsprach dagegen dem allgemeinen Durchschnitt, wäh- rend die öffentlichen Geldvermögen deutlich zurückfie- len. Vergleicht man die Anstiegsfaktoren der Geldvermögen mit denjenigen des BSP, dann zeigt sich auch hier wieder die Scherenöffnung, die wir bereits bei den Schulden festge- stellt haben.

Wie haben sich die Anteile der Sektoren verän-

dert? In Prozenten des BSP aufgetragen, wie in Darstellung 43 geschehen, wird die übermäßige Entwicklung der Geldver- mögen in Deutschland besonders anschaulich. So mussten 1950 mit jeder Mark Sozialprodukt erst 57 Pfennig Geld- vermögen mit Zinsen bedient werden, im Jahr 2000 sind es bereits 260 Pfennig. Das heißt, genauso wie die Schulden, haben auch die Geldvermögen etwa 4,5-mal rascher zuge- nommen als die Wirtschaftsleistung! Deutlich werden aus der Darstellung auch die Verschie- bungen zwischen den Sektoren. Während Anfang der 50er Jahre alle drei Sektoren mit etwa einem Drittel an dem Gesamtbestand beteiligt waren, verfügten die Privathaus- halte 2000 über rund 60 Prozent. Die Unternehmen konn- ten ihren Drittelanteil halten, während der Staat der große Verlierer war. 1960 noch auf 40 Prozent liegend, fiel sein Anteil bis 1990 auf elf und bis 2000 auf sieben Prozent zurück. Besonders stark haben dabei die Privathaushalte, Darstellung 43:, ihre Position in den 70er Jahren ausweiten können, wäh- rend in den letzten 20 Jahren vor allem die Unternehmen zulegten, beide praktisch auf Kosten des Staates. Grundsätzlich könnte man diese Konzentration der Geldvermögen in den Händen der privaten Haushalte posi- tiv bewerten. Denn in einer Demokratie soll nicht der Staat wohlhabend und damit übermächtig sein, sondern die Bür- ger, die letztlich auch alle Werte schaffen. Problematisch ist bei diesen Verschiebungen nur, dass diesen großen Geld- vermögen der Privathaushalte entsprechend große Ver- schuldungen im Bereich der Wirtschaft und des Staates gegenüberstehen. Noch problematischer aber ist, dass sich diese Geldvermögen innerhalb der Privathaushalte immer extremer verteilen und sich dabei keinesfalls bei den Wer- teschaffenden konzentrieren.

Wie verteilen sich die privaten Geldvermögen?

Über diesen interessanten Bereich gibt es seltsamerweise in kaum einem Land offizielle fortgeschriebene Statistiken. Während man jeden Monat mit Bergen oft unwichtiger Daten eingedeckt wird, z. B. über die Anzahl der ausgebrü- teten Eier und geschlüpften Küken, ist das Thema Vermö- gensverteilung fast so unbekannt wie ein unentdeckter Erdteil. Das gilt nicht nur für die Geldvermögen, sondern genauso für die Sachvermögen, vor allem für die Boden- werte und deren Verteilung. Bezogen auf die Geldvermögen wird den deutschen Bür- gern zwar vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden jedes Jahr mitgeteilt, in welchem Maße alle gemeinsam wie- der reicher geworden sind. Ebenso werden auch die Durch- schnittswerte ausgewiesen. So entfielen beispielsweise 1998 rechnerisch auf jeden Bürger rund 116 000 DM und auf, jeden Beschäftigten bzw. Haushalt sogar rund 280 000 DM, wenn man die gesamten Geldvermögen von 9 492 Mrd. DM heranzieht. Verteilt man die privaten Geldvermögen in Höhe von 5 683 Mrd. auf die Beschäftigten bzw. Haushalte um, dann liegen die Beträge bei 167 000 DM, verteilt auf alle Bürger bei 69 000 DM. Rechnet man von diesen Beträgen jeweils die Konsu- mentenkredite ab, dann erhält man das so genannte Netto- geldvermögen. Diese Nettogeldvermögen, umgerechnet in Prozent des verfügbaren Einkommens, werden in der Dar- stellung 44 für die G7-Länder und die Stichjahre 1985 und 1995 wiedergegeben. Darstellung 44:, Betrachten wir zuerst die Situation im Jahr 1985, dann dürften die hohen Vermögensbestände in den USA, in Großbritanni- en und Kanada wahrscheinlich mit den langfristigen Erspar- nisbildungen zusammenhängen, die – im Gegensatz zu den übrigen Ländern – durch den letzten Weltkrieg kaum dezi- miert wurden. Dagegen hängt der hohe Bestand in Deutsch- land wie auch in Japan wohl eher mit den hohen Sparquoten zusammen. Diese unterschiedlichen Sparquoten dürften auch die Ursache für die unterschiedlichen Entwicklungen zwi- schen 1985 und 1995 sein. Der aus dem Rahmen fallende geringe Anstieg der Bestände in Deutschland in den zehn Jah- ren ist wahrscheinlich mit den deutlich geringeren Haushalts- vermögen in den neuen Ländern zu erklären, die zu einer Ab- senkung des gesamtdeutschen Durchschnitts geführt haben.

Gibt es Anhaltspunkte für die Verteilung der

privaten Geldvermögen? Sollte aufgrund der angeführten Größen ein deutscher Bür- ger seine Sparbücher überprüfen und dort nichts Nennens- wertes entdecken, dann kann er davon ausgehen, dass sein Nachbar das Doppelte des ihm statistisch Zustehenden haben muss, also – bezogen auf das Haushaltsvermögen – etwa 340 000 DM. Sind auch dessen Konten recht beschei- den, müsste beim nächsten Nachbarn zwangsläufig fast das Dreifache der Durchschnittssumme zu finden sein, also etwa eine halbe Million. Dabei müssten wir bei diesen Beträgen eigentlich auch noch das Gros der Geldvermögen in den Unternehmen hinzuzählen, da diese ja letztlich fast alle wieder privaten Haushalten gehören. Doch mit diesen ganzen Durchschnittswerten und Extrembeispielen kom- men wir immer noch nicht dahinter, wie die Geldvermögen tatsächlich verteilt sind., Selbstverständlich gibt es einige Statistiken, aus denen gewisse Anhaltspunkte für die Vermögensverteilung zu entnehmen sind, z. B. die Erklärungen zur Einkommen- oder Vermögenssteuer. Allerdings kann man mit diesen Besteuerungsgrundlagen nicht allzu viel anfangen. Denn einmal gibt es bei diesen Erfassungen erhebliche Freigren- zen und Absetzungsmöglichkeiten, zum anderen sind die Grauzonen der Vergesslichkeit zu berücksichtigen, gerade wenn es um die Angaben zum Geldvermögen geht. Und das geheiligte Bankgeheimnis in den meisten Ländern sorgt dafür, dass es sich bei diesen Grauzonen um keine Bagatellen handelt. Der Wirklichkeit näher – zumindest relativ – kommt man in Deutschland mit den Ergebnissen der so genann- ten ›Einkommens- und Verbrauchstichprobe‹. Diese Erhebung wird alle fünf Jahre vom Statistischen Bundes- amt auf freiwilliger Basis bei rund 50 000 Haushalten durchgeführt. Die jeweiligen Haushalte müssen dabei ein Jahr lang Aufzeichnungen über ihre Einkommen und Aus- gaben machen, eine Arbeit, für die sie ein kleines Entgeld bekommen. Beim Schlussgespräch dieser Untersuchung werden die Haushalte dann von ihrem Betreuer, unter dem Verspre- chen der Verschwiegenheit gegenüber dem Finanzamt, auch nach ihren wesentlichsten Geldvermögensarten sowie ihren Konsumentenschulden befragt. Aus diesen angege- benen Größen errechnet man dann für jeden Haushalt das Nettogeldvermögen.,

Was kann man den Stichprobenerhebungen ent-

nehmen? Die sich aus der Erhebung ergebende Verteilung der deut- schen Nettogeldvermögen ist in der Darstellung 45 für das Jahr 1983 wiedergegeben. Dieses Jahr wurde für die Dar- stellung herangezogen, weil man damals die Auswertung der Ergebnisse besonders differenziert auf 26 Haushalts- gruppen verteilt hat. Bei den späteren Erhebungen hat man diese Verteilung nur noch auf eine geringere Zahl von Gruppen bezogen, womit die besonders interessanten Spit- zengrupppen, sowohl der Vermögenden als auch der Schuldner, in größeren Gruppen untergingen. Wie die Darstellung zeigt, hatten 1983 acht Prozent der Privathaushalte ein ›negatives Nettogeldvermögen‹ (wie die Statistiker das so rücksichtsvoll nennen!), also mehr Schulden als Vermögen bzw. nur Schulden. Bei der Spitzen- gruppe dieser Schuldenmacher lag der Minussaldo damals bereits bei 72 000 Mark. Wohlgemerkt: Nur für Konsumen- tenschulden! Also für Möbel, Reisen und natürlich die Autofinanzierung, mit der auch heute noch die Konjunktur (auf Pump) angeheizt wird. Fünf Prozent aller Haushalte hatten nach der Auswer- tung einen Nullsaldo, das heißt, entweder so viel Schul- den wie Vermögen oder von beidem nichts. Die restli- chen 87 Prozent der Haushalte waren besser dran. Sie verfügten über ein ›positives Nettogeldvermögen‹. Aller- dings stiegen auch bei dieser Mehrheit die Geldvermögen anfangs nur sehr zögerlich an, um gegen Ende umso kräf- tiger in die Höhe zu schießen, nämlich bis zu 340 000 DM in der damaligen Spitzengruppe. Da sich inzwischen die Geldvermögen in Deutschland verdreifacht haben, muss man auch die angegebenen Werte entsprechend hoch- rechnen., Darstellung 45:, Teilt man einmal die Haushalte in zwei Hälften und rechnet bei jeder Hälfte die jeweiligen Nettogeldvermögen zusam- men, dann hatte nach dieser Erhebung die ärmere linke Hälfte gerade vier (!) Prozent des gesamten Geldvermö- gens in der Hand, die andere Hälfte den ›Rest‹ von 96 Pro- zent! Dabei konzentriert sich allerdings das Gros der gesamten Vermögen in dieser reicheren Hälfte nochmals bei den letzten zehn Prozent der Haushalte. Doch auch die- ses detaillierte Verteilungsbild ist relativ geschönt, da in dieser Erhebung die Haushalte mit einem Monatseinkom- men von mehr als 25 000 Mark nicht in Erscheinung treten. Das heißt, dort wo die Statistik besonders interessant zu werden beginnt, hört sie leider vorher auf. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes wurde diese Einkommensgruppe nicht mit aufgenommen, weil sich daraus zu wenige an der Erhebung beteiligt hatten. Das ist aber auch verständlich. Denn einmal sprechen diese Superreichen nicht gerne über ihr Vermögen und zum anderen dürfte sie ein Honorar von ein paar Mark kaum verlocken, für die Statistiker ein ganzes Jahr lang über alle Einkommen und Ausgaben Buch zu führen. Nicht zuletzt als Folge dieser fehlenden Spitzenzahlen bewegt sich auch das Gesamtergebnis dieser Befragungen weit unter jenen Größen, die von der Bundesbank als Geld- vermögensbestände der privaten Haushalte ausgewiesen werden. So lagen diese laut Bundesbank 1983 bei 1 824 Mrd. DM, während sich aus den Befragungen des Statisti- schen Bundesamtes nur 504 Mrd. DM ergaben. Die in der Grafik wiedergegebene Spitzengruppe mit einem Vermögen von 340 000 DM sagt also über die tat- sächlichen Spitzenvermögen so gut wie gar nichts aus. Schon ein einfacher Millionär hat eine dreimal so hohe Ver- mögenssäule, ein Milliardär eine dreitausendmal so hohe!,

Wie sieht es mit den Vermögensverteilungen in

der Welt aus? Neben dem Tatbestand, dass die zunehmenden Geldver- mögen die Ursache und das Spiegelbild der im Gleich- schritt wachsenden Überschuldung sind, ist auch die Zunahme der Verteilungsdiskrepanzen bedenklich. Dies gilt nicht nur für die hier geschilderten Verhältnisse in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. So hieß es z. B. Anfang 2000 in einem Bericht über die Entwicklungen in den USA, der sich auf die Aussagen des MIT-Professors Lester C. Thurow stützte, »dass das Gehaltniveau von lei- tenden Geschäftsführern und Vorstandsvorsitzenden in den letzten 30 Jahren vom 44fachen auf das 212fache des amerikanischen Durchschnittseinkommens angestiegen ist«. Außerdem war in dem Bericht zu lesen, dass die Zahl der Milliardäre in den USA von 13 im Jahr 1982 auf 218 im Jahr 1998 zugenommen habe und dass das Vermögen von Bill Gates, des reichsten Mannes in den Staaten, dem Ver- mögen von 40 Prozent der Amerikaner entspricht, also dem der 110 Millionen am Ende der Reichtumspyramide. Die- ser Vergleich erinnert an jene Meldung der UNO, nach der bereits 1996 die 358 reichsten Menschen auf der Erde ein Vermögen auf sich konzentriert hatten, dass dem Jahresein- kommen von 45 Prozent der Menschheit entsprach. Und die Kluft zwischen den ärmsten 20 Prozent der Menschheit und den reichsten 20 Prozent hat sich nach der gleichen Aussage seit 1960 mehr als verdoppelt, und zwar von 30 : 1 auf 78 : 1. Aber nicht nur in den USA hat sich der Reichtum über- proportional entwickelt. Auch in der kleinen Schweiz nahm die Zahl der Milliardäre in den letzten zehn Jahr auf das Fünffache zu und – wie die »Süddeutsche Zeitung« am 22. Oktober 1999 schrieb – besitzen drei Prozent der, Schweizer Bevölkerung 374 Mrd. Franken an zu versteu- erndem Reinvermögen und damit fast ebenso viel wie die übrigen 97 Prozent der Steuerpflichtigen. Gehen wir noch einmal nach Deutschland zurück, dann haben sich dort von 1990 bis Ende 1999 die Geldvermögen knapp verdoppelt, mit einem durchschnittlichen Zuwachs von 7,5 Prozent. Dies teilte die Deutsche Bundesbank in ihrem Monatsbericht vom Juni 2000 mit, in dem sie auch anführt, dass dieser Zuwachs zu einem Viertel aus Kursstei- gerungen von Wertpapieren stammt und der Rest aus nor- malen Ersparnissen. Nach einer Meldung der Bundesbank aus dem Jahr 1997, schlagen dabei die Zinsgutschriften mit 80 Prozent der Neuersparnisse zu Buche.

Wie entstehen Geldvermögen und woher kommt

das Überwachstum? Wie jeder von uns weiß, kommt man normalerweise nur zu Geldvermögen, wenn man von seinem Einkommen etwas auf die Seite legt. Mit Glück kann man natürlich auch beim Lotto oder Toto zu ansehnlichem Vermögen kommen. Doch wenn man bedenkt, dass z.B. die Geldvermögen in Deutsch- land in den 90er Jahren im Durchschnitt p.a. um 500 Mrd. DM zugenommen haben, tagtäglich also um 1370 Millionen, dann schmelzen die paar Hundert Lottomillionäre im Jahr zu einer unerheblichen Größe zusammen. Vergegenwärtigt man sich jedoch, dass allein die deutschen Banken in den 90er Jahren täglich Zinsen in Höhe von mehr als 1000 Millio- nen an die Sparer ausgeschüttet haben, dann kommen wir der Sache näher: Geldvermögen entstehen bzw. vermehren sich nicht nur aus zurückgelegten Arbeitseinkommen oder Lotteriegewinnen, sondern vor allem durch die Zinsgut- schriften auf die bereits vorhandenen Geldvermögen. Das, heißt, sie vermehren sich gewissermaßen ›von alleine‹! Und diese wundersame Selbstvermehrung nimmt mit dem Über- wachstum der Geldvermögen immer rascher zu, beschleu- nigt noch bei steigenden Zinssätzen. Da aber auch in der bes- ten Wirtschaft nichts vom Himmel fällt und alle zur Vertei- lung kommenden Einkünfte nur aus Arbeit entstehen, müs- sen die Arbeitleistenden im gleichen Umfang relativ ärmer werden, wie die bereits Reichen relativ reicher. Der Zins- und Zinseszinseffekt, der die vorhandenen Geldvermögen mit Verdoppelungsraten wachsen lässt, bewirkt also eine ständige Einkommensumschichtung von der Arbeit zum Besitz, die sich nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten beschleunigt. Dabei sammeln sich auf den Konten der Vermögensbesitzer nicht nur die Zinsen aus den Geldvermögen an, sondern auch die Renditen aus den Sachvermögen, die sich in ihrer Höhe tendenziell an den Geldzinssätzen orientieren. Auf dieses Überwachstum der Geldvermögen hat Rüdi- ger Szallies, Geschäftsführer der Gesellschaft für Konsum- forschung in Nürnberg, bereits 1991 in der Zeitschrift »Sparkasse«, hingewiesen: »Während sich das Nettoeinkommen der Bundesbür- ger in den letzten 25 Jahren vervierfacht hat, stieg die Sparquote .um den Faktor 8. Das private Geldvermö- gen .wuchs um den Faktor 16. Bereits Anfang dieser Dekade wird das private Geldvermögen die 3-Billio- nen-DM-Grenze überschreiten und sich bis zum Jahr 2000 auf ca. 5 Billionen DM hinaufkatapultiert haben.« Die Wirklichkeit hat diese Prognose allerdings noch über- holt. Denn die 5-Billionen-Grenze wurde bereits Anfang 1997 überschritten und Mitte 2000 sind bei den privaten Geldvermögen bereits 7 Billionen fällig!, Darstellung 46: Mit diesen immer höheren Geldvermögen nimmt jedoch nicht nur die Möglichkeit zu erhöhter Verschuldung zu, son- dern auch der Zwang dazu. Denn im gleichen Umfang, in dem sich bei den Geldvermögensbesitzern neue Über- schüsse an Kaufkraft sammeln, fehlt diese in der Wirt- schaft. Da diese Lücke nur in einem geringen Umfang durch die Geldvermögensbesitzer selbst geschlossen wird, gleichgültig ob über Ausgaben oder Investitionen, muss das Gros dieser Überschüsse durch zusätzliche Kredite in den Kreislauf zurückgeschleust werden. Diese Zurückschleu- sungen sind jedoch wieder mit Zinsen verbunden, die ein weiteres noch beschleunigteres Wachstum der Geldvermö-, gen bewirken, woraus sich erneut ein entsprechend vergrö- ßerter Verschuldungszwang ergibt. Die Darstellung 46 gibt diese sich selbst nährende Pro- blementwicklung wieder, die im Prinzip einem positiven Rückkopplungsprozess entspricht. Alle Systeme und Pro- zesse aber, die nach diesem Prinzip funktionieren, sind zum Zusammenbruch verurteilt. Aufgrund der gegebenen Geldstrukturen befinden sich die heutigen Volkswirtschaften also in einem mehrfachen Dilemma: Schleusen sie die sich ansammelnden Geldver- mögen nicht in die Wirtschaft zurück, droht eine geldman- gelbedingte Rezession oder gar Depression. Führen sie die Geldvermögensausweitungen jedoch über Kredite in den Kreislauf zurück, droht eine Überschuldung mit zuneh- menden sozialen Spannungen. Und versuchen sie diesen sozialen Spannungsgefahren durch ständiges Wirtschafts- wachstum aus dem Weg zu gehen, beschleunigen sie den ökologischen Zusammenbruch.

Was sagt die Wissenschaft zur Geldvermögens- Überentwicklung?

Während die Geldvermögensexplosionen und -konzentra- tionen wenigstens in den Schlagzeilen der Printmedien ab und zu Spuren hinterlassen, sind sie für die Wissenschaft bislang kaum ein Thema. Allenfalls einige Außenseiter streifen es einmal. So z. B. der US-Ökonom Ravi Batra, der sich mit seinem Titel »Die große Rezession von 1990« zwar aufs Prognose-Glatteis wagte, doch zumindest einmal auf die zunehmenden Reichtumskonzentrationen als Auslöser ökosozialer Spannungen und damit einer möglichen Krise hingewiesen hat:, »Nach einem Bericht der New York Times hat sich die Zahl der Milliardäre in den Vereinigten Staaten im Jahre 1986 von 14 auf 26 erhöht und damit innerhalb eines Jahres nahezu verdoppelt. Sie nehmen damit einen immer größeren Anteil des Volkseinkommens auf Kosten der Armen für sich in Anspruch. Von den superreichen Amerikanern verfügen fünf Prozent über mehr Einkommen als 40 Prozent der Gesamtbevölkerung. Und unter den Allerreichsten der Reichen verfügt ein Prozent über ein größeres Vermögen als 90 Prozent der Bevölkerung.« Wie fragwürdig jedoch selbst die geldbezogenen Kenntnis- se eines sozial engagierten Wirtschaftswissenschaftlers sind, kommt am Ende seines Buches zum Vorschein. Vor den Folgen der von ihm erwarteten Rezession warnend, erteilt er den Lesern Verhaltenshinweise, die diese Rezessi- on geradezu erzeugen müssen. Das trifft z. B. auf seinen Vorschlag zu, bei beginnendem Zusammenbruch der Aktienmärkte sämtliche Wertpapiere abzustoßen, ein Ver- halten, das den Supercrash an der Börse erst recht garantie- ren würde. Und im fortgeschrittenen Stadium der angelau- fenen Krise rät er den vermögenden Lesern, als »vernünfti- ge Strategie .ein Drittel auf dem Bankkonto, ein Drittel im Safe und ein Drittel zu Hause« aufzubewahren. Dass es mit der Befolgung dieses Rates zu einem panikartigen Run auf die Banken kommen würde und damit erst recht zu einer Beschleunigung des Zusammenbruchs, ist ihm offen- sichtlich nicht bewusst. Ebenso, dass alle Dollars in den USA nicht reichen würden, wenn auch nur ein Bruchteil der Bürger ein Drittel ihrer Vermögen zu Hause deponieren wollte! Im Übrigen bedarf es gar nicht einer solchen großen Kri-, se. Wenn eines Tages die Banken die Verschuldungsrisiken nicht mehr auffangen können und dem Staat nur noch die Flucht in eine inflationäre Geldvermehrung übrig bleibt, dann werden schließlich auch die Geldbesitzer Opfer ihres Vermögens-Überwachstums. Dazu schrieb der in Aachen lehrende Ökonom Karl-Georg Zinn bereits im »Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik 1986«: »Die Wachstumsrate des Geldvermögens der privaten Haushalte der Bundesrepublik betrug seit 1980 im Jahresdurchschnitt über 12 %. Entsprechend hoch lag auch der Anstieg der Zinseinkommen, damit war eine starke Zunahme der Zinseinkommensquote verbun- den. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, wie lange sich die Zunahme des Zinseinkommensanteils fortset- zen kann und welche Konsequenzen für Inflation und Beschäftigung aus dem Zinsquotenanstieg resultie- ren. Da die starke Geldvermögensbildung nicht mit einem entsprechenden Zuwachs des Realvermögens verbunden war .stellt sich weiterhin das Problem einer möglichen (wachsenden) Diskrepanz von Geld- und Realvermögensbeständen.«, 17. Kapitel

Die Überentwicklung der Zinsströme

»Die weltweit überproportional wachsenden Zinsströme, der sich dar- aus ergebende Zwang zum Wirt- schaftswachstum und die damit ein- hergehende ökologische Katastrophe zwingen uns ..bereits aus purem Eigeninteresse zum Umdenken.« Hugo Godschalk* Dass mit der Überentwicklung der Geldvermögen und Schulden auch die Zinsströme überproportional ansteigen, ist verständlich. Die Größen der Zinsströme werden jedoch nicht nur vom Umfang der Vermögens- und Schuldenbe- stände bestimmt, sondern auch von den schwankenden Zinssätzen. Bevor wir diesen Zinssatzschwankungen genauer nachgehen, vorab zur besseren Übersicht erst ein- mal eine Tabelle der langfristigen Entwicklungen der Zins- stromgrößen, bezogen auf die Verhältnisse in Deutschland. Dabei werden, mangels anderer Zahlen, die Zinserträge und -aufwendungen der Banken herangezogen, die von der Deutschen Bundesbank jährlich als Zusammenfassung ver- öffentlicht werden. Als Differenz zwischen diesen beiden Größen verbleibt die Bankmarge, mit der die Vermittlungs- kosten der Bank abgedeckt werden. Dabei sind die Perso- nalausgaben mit rund 50 Prozent der größte Einzelpos- ten. * Ökonom in »Gerechtes Geld – gerechte Welt«, Tabelle L: Entwicklung der Bankzinserträge und -aufwendungen in Deutschland, im Vergleich mit Geldvermögen, Schulden und BSP, 1950 bis 1998, in Mrd. DM 1950 1960 1970 1980 1998 Anstieg Geldvermögen 59 337 926 2 390 9 492 × 161 Schulden 66 303 852 2 327 9 902 × 150 Bruttosozialpro- 105 303 676 1 485 3 727 × 35 dukt Zinserträge der 3,0* 12 49 172 603 × 201 Banken (in % BSP/BIP 3 % 4 % 7 % 12 % 16 %) Zinsaufwendungen 2,2* 8 35 132 455 × 207 der Banken Zinsüberschuss 0,8 4 14 40 148 × 185 *) eigene Ansätze Dass die bankbezogenen Zinsertrags- und -aufwandsgrö- ßen stärker angestiegen sind als die Bestandsgrößen der Geldvermögen und Schulden, hängt vor allem mit der zunehmenden Einschaltung der Banken bei allen Erspar- nisbildungen und Kreditvergaben zusammen. So wurden in Deutschland in den ersten Nachkriegsjahrzehnten noch viele Kredite, vor allem für Hypotheken, direkt zwischen Privatpersonen und Unternehmen vergeben. Es sei noch einmal daran erinnert, dass es sich bei den hier angeführten Zinsen nur um jene handelt, die mit dem Geldkapital verbunden sind. Die Verzinsungen des schul- denfreien Sachkapitals – also des wirtschaftlich eingesetz- ten Eigenkapitals – sind mit den obigen Zahlen also nicht, erfasst. Aber auch die den Statistiken zu entnehmenden geld- bzw. bankbezogenen Zinsgrößen geben nicht den vol- len Umfang der Zinslasten und -einkommen wieder. Denn die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) ent- halten im Allgemeinen nur die Zinsströme zwischen den drei Wirtschaftssektoren, also zwischen Unternehmen, Staat und Privathaushalten. Die innerhalb der Sektoren anfallenden Verleihvorgänge und Zinsen werden dagegen nicht erfasst, ebenso wenig alle Zinsen, die mit direkt einge- räumten Kaufkrediten u. ä. zusammenhängen. Rechnet man die bankbezogenen Zinswerte einmal auf die Arbeitstage um, dann haben die deutschen Kreditinsti- tute im Jahr 1998 an jedem der etwa 240 Bank- und Werkta- ge rund 1 650 Millionen DM an Zinsen eingezogen und rund 1 250 Millionen DM den Geldgebern gutgeschrieben. Zwar muss man von den ganzen bankbezogenen Zinsgrößen in der Tabelle rund ein Viertel für die bankinternen Kreditge- währungen abziehen, wenn man die volkswirtschaftlich relevanten Größen erhalten will. Dafür aber muss man min- destens in gleicher Größenordnung jene geldbezogenen Zinsströme hinzurechnen, die nicht mit Bankeinlagen und -krediten zusammenhängen. Neben den Zinseinkünften aus Versicherungsanlagen gehören hierzu vor allem die Erträge aus Wertpapieren, Schuldverschreibungen und Investmentfonds, aber auch die oben genannten Zinsen aus Kreditgewährungen innerhalb der Sektoren.

Wie verändern sich die Zinsströme in der Volks-

wirtschaft? Wie aus der Tabelle L hervorgeht, entwickeln sich die Geld- vermögen und Schulden zwar deutlich rascher als das Sozialprodukt, langfristig aber relativ kontinuierlich. Ent-, sprechend kontinuierlich würden auch die Zinsbelastungen wachsen, wenn die Zinssätze auf gleicher Höhe blieben. Diese Zinssätze unterliegen jedoch in ihrer Entwicklung ständigen Schwankungen, die vor allem in Hochzinsphasen bzw. Zins-Anstiegsphasen gravierende Folgen haben. Denn dann addieren sich die Wirkungen der steigenden Zinssätze mit jenen aus den sowieso gegebenen Überan- stiegen der Geldvermögen und Schulden auf. Diese fast explosiven Anstiege gehen aus der Tabelle M hervor, in der mit der Zeitspanne von 1988 bis 1992 die letzte Hochzins- phase erfasst wird. Tabelle M: Veränderung der Zinsstromgrößen im Vergleich mit ande- ren realwirtschaftlichen Größen in der Hochzinsphase 1988–1992, Westdeutschland, Werte in Mrd. DM 1988 1992 Veränderungen: A: Gesamtwirtschaft: Bruttoinlandsprodukt: 2 096 2 794 698 + 33 % Bruttolöhne und -gehälter: 949 1 226 277 + 29 % Nettolöhne und -gehälter: 648 816 168 + 26 % B: Produktionsunternehmen: Nettowertschöpfung: 1 350 1 780 430 + 32 % Brutto-E. unselbst. Arb.: 847 1 116 269 + 32 % aus Unternehmertätigkeit: 316 380 64 + 20 % bezahlte Schuldenzinsen: 131 252 121 + 92 % C: Banken: Kontokorrent-Zinssätze: 6,1 % 12,0 % + 96 % Kapitalmarktzinsen: 6,0 % 8,1 % + 35 % Zinserträge der Banken: 243 445 202 + 83 % Zinsaufwend. der Banken: 171 344 173 + 101 % Bankmarge: 72 101 29 + 40 %, Wie daraus hervorgeht, schlagen die Zinsanstiege im ersten Stadium vor allem bei den Unternehmereinkommen zu Buche. In der Hochzinsphase 1978 bis 1982, in der die Kapi- talmarktzinsen von sechs auf zehn Prozent kletterten, gin- gen diese Einkommen aus Unternehmertätigkeit sogar absolut zurück, gefolgt – wie auch nach 1992 – von einem steilen Anstieg der Firmenpleiten. Aus diesen Vergleichen geht hervor, dass die Zinsbelas- tungen der Wirtschaft innerhalb von vier Jahren zweiein- halbmal so schnell zunahmen wie die Wirtschaftsleistung, die Zinseinkommen der Geldgeber (Zinsaufwendungen der Banken) sogar dreimal so schnell.

Wie sieht die langfristige Auseinanderentwick-

lung aus? So problematisch und fragwürdig die Größe Sozialprodukt auch in vieler Hinsicht ist: im Vergleich mit seiner Entwick- lung lassen sich die Veränderungen anderer Größen und deren Abweichungen deutlich machen. Das zeigt auch die Darstellung 47, in der zur Ergänzung der vorstehenden Tabelle die prozentualen Entwicklungen des nominellen BSP und der Bankzinserträge sowie einiger lohnbezogener Größen in Westdeutschland gegenübergestellt werden. Die Grafik lässt auf den ersten Blick erkennen, in wel- chem Maß Zinsbelastung und Sozialprodukt in dem darge- stellten Zeitraum auseinander gedriftet sind. Während das BSP ›nur‹ auf das 4,2fache zunahm, stieg die Verzinsung in drei Schüben auf das Zehnfache an. Das heißt, gemessen an der Leistung der Volkswirtschaft war die bankbezogene Schuldenzinsbelastung 1993 fast 2,5-mal so hoch wie 1970. Deutlich sichtbar werden hier vor allem auch die Wir- kungen der Zinsanstiegsphasen, die aus der zusätzlich ein-, Darstellung 47:, geblendeten Zinskurven und den Schraffuren zu ersehen sind. Sinken die Zinssätze wieder, bricht zwar auch der Zinslast-Anstieg ab, jedoch ohne wieder auf den alten Stand zurückzugehen. Ursächlich dafür ist der zwischen- zeitliche weitere Anstieg der Verschuldung: So wie dieser ständige übermäßige Schuldenanstieg die Zinslastkurve in Zinsanstiegsphasen beschleunigt ansteigen lässt, so verhin- dert er bei fallenden Zinssätzen deren Rückgang. Bei den Zinssatzanstiegen addieren sich also die Anstiegseffekte, während die Entlastungseffekte der sinkenden Zinssätze durch die steigende Schuldenmasse aufgezehrt werden. Das wird vor allem in der langen Zinssenkungsphase von 1980/81 bis 1988 deutlich, in der es nur zu einem geringfügi- gen relativen Rückgang der Zinsbelastung kam. Aufschlussreich sind auch die beiden zusätzlich eingetra- genen Lohnkurven, die beide gegenüber der Wirtschafts- entwicklung deutlich zurückgeblieben sind. Aufgrund der zugenommenen Zahl der abhängig Beschäftigten ist die Diskrepanz bei den Pro-Kopf-Einkommen besonders groß. Und diese gemessen an der Wirtschaftsentwicklung zu niedrigen Pro-Kopf-Einkommen werden dann beim Aus- geben nochmals durch die steigenden Zinsanteile in allen Preisen in ihrer realen Kaufkraft geschmälert!

Die geldbezogenen Zinsen beim Staat

Ziehen wir wieder die Gegebenheiten in Deutschland her- an, dann lagen dort die gesamten Zinslasten der öffentli- chen Haushalte 1998 bei 134 Mrd. DM. Umgerechnet waren das pro Tag 367 Millionen und pro Stunde gut 15 Mil- lionen. Diese täglich gezahlten 367 Millionen DM entsprechen etwa dem Gegenwert von rund 1 000 großen Etagenwoh-, nungen. Mit den öffentlichen Zinszahlungen eines Jahres ließen sich also rund 370 000 Wohnungen finanzieren, was dem durchschnittlichen Wohnungsbauvolumen eines Jah- res oder fast der Wohnsubstanz einer Großstadt mit einer Million Einwohnern entspricht! Dieses Bauvolumen eines Jahres verschenkt der Staat gewissermaßen jedes Jahr auf Kosten seiner Steuerzahler. Allerdings nicht an sozial schwache Bürger oder Familien mit Wohnbedarf, sondern in Form der Zinsen eher an solche, die meist schon über ein Haus oder sogar mehrere verfügen, zumindest aber über ein größeres Geldvermögen. Noch griffiger werden die vom Staat eingezogenen und gezahlten Zinsen, wenn man sie einmal auf die Bürger umrechnet. Pro Kopf ergibt sich dann für 1998 ein Betrag von rund 1 700 DM, umgerechnet auf jeden Beschäftigten bzw. jeden Haushalt von rund 4 000 DM. Das heißt, jeder Erwerbstätige in Deutschland musste 1992 rechnerisch fast einen Monat lang nur für die Schuldenzinsen von Bund, Ländern und Gemeinden arbeiten. Da die Gesamtver- schuldung der deutschen Volkswirtschaft jedoch fast vier- mal so groß wie die der öffentlichen Haushalte ist, liegt die gesamte geldbezogene Zinsbelastung je Erwerbstätigen sogar bei 16 000 DM! Das Thema Zinsendienst des Staates ist zwar erst nach der Wiedervereinigung stärker in die Schlagzeilen gerückt, wie aus der Zinszahlungskurve in der folgenden Darstel- lung 48 hervorgeht, jedoch bereits seit Anfang der 70er Jah- re ein wachsendes Problem. Vor allem vermitteln die zusätzlich in der Grafik einge- tragenen jährlichen Kreditaufnahmen bereits optisch, dass während der ganzen Jahrzehnte die Neukreditaufnahmen den Zinszahlungen entsprochen haben müssen. Das zeigt sich auch, wenn man die jeweiligen Beträge in den letzten 30 Jahren addiert., Darstellung 48: Anfang der 70er Jahre musste man den Posten Schulden- zinsen in den deutschen Staatsausgaben noch ›unter ferner liefen‹ suchen. Anfang der 80er Jahre hatte er beim Bund bereits den dritten Platz im Etat erobert, gleich hinter den Ausgaben für Arbeit und Soziales und jenen für die Vertei- digung. Mitte der 80er Jahre zogen die gesamten öffentli- chen Zinszahlungen bereits an den Verteidigungsausgaben, vorbei, inzwischen belegen sogar die Bundeszinsen alleine den zweiten Platz. Und schon 1999 musste der deutsche Finanzminister rechnerisch jede vierte Steuermark für die Bedienung der Schulden zurücklegen. Der Tatbestand der Übereinstimmung von Neukredit- aufnahmen und Zinszahlungen wurde inzwischen auch von offizieller Seite bestätigt, nämlich durch den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Manfred Overhaus. Nach einem Bericht in der Wochenzeitung »Die Zeit« vom 14. 1. 1999, sagte er auf einer Tagung zum Thema Staatsver- schuldung in Berlin: »In einer langfristigen Betrachtung kann man also ganz klar sagen, dass sich diese ganze Veranstaltung nicht gelohnt hat. Denn hätten wir dauerhaft auf Kredite ver- zichtet, müssten wir heute keine Zinsausgaben leisten und hätten keine Zinsrisiken zu fürchten. Wir hätten aber für Investitionen genauso viel ausgegeben wie bis- her, denn in dieser Rechnung sind die Investitionsaus- gaben voll aus Steuermitteln finanziert worden, weil die Krediteinnahmen für die Zinsausgaben verbraucht wurden.«

Wie sieht das in den anderen Staaten aus?

Wie jeder andere, können auch Staaten jede Mark nur ein- mal ausgeben. Das gilt auch für die Zinsen: In dem Maße, wie sie hierfür mehr zu zahlen haben, müssen andere Aus- gaben eingeschränkt, die Einnahmen erhöht oder noch mehr Schulden gemacht werden. Gottfried Bombach, Prof. für Nationalökonomie an der Universität Basel, hat schon Anfang 1991 in der Zeitschrift »Der Monat« des Schweizerischen Bankvereins geschrieben:, »Das eigentliche Problem liegt nicht in der Existenz ei- ner Staatsschuld .sondern im Zwang ihrer Verzinsung. Eine hohe Zinslastquote kann den Handlungsspielraum von Regierungen entscheidend einschränken.« Da diese Gefahr immer deutlicher zu Tage trat, hat man bereits mit der Einführung des Euro versucht, die Länder an die Leine zu legen. Denn da man zur Schließung der Löcher im Etat auch noch die Ausgaben im Arbeits- und Sozialbereich zu kürzen begann, drohte in einigen Ländern die Zinslast auf den ersten Rang der Staatsausgaben zu rücken. Bezogen auf die gesamten Staatsausgaben mussten die EWU-Länder 1980 sieben Prozent für den Zinsendienst aufwenden, 1995 waren es bereits elf Prozent. Dabei gibt es gravierende Unterschiede. Während in Deutschland, Frankreich und Irland diese Größe 1995 bei knapp acht Prozent lag, erreichte sie in Irland und Portugal bereits 14 bzw. 15 Prozent. In Belgien lag sie sogar bei 18 und in Italien bei 24 Prozent. Kein Wunder, dass auch die Politiker in den anderen Ländern es seit 30 Jahren ähnlich gemacht haben wie in Deutschland und wie es sonst nur in Bananenrepubliken üblich ist: Man leiht sich, statt die Bürger zur Kasse zu bit- ten, einfach neues Geld! Das bestätigte im Frühjahr 1999 der Landeszentralbank-Direktor von Nordrhein-Westfa- len, Prof. Reimut Jochimsen: »Für die Gesamtheit der elf EWU-Länder gilt, dass die Neuverschuldung gerade ausgereicht hat, die Zinslast aus der Verschuldung zu decken. Im Zeitraum 1970 bis 1998 war die Defizitquote mit 3,57 Prozent des BIP praktisch genauso hoch wie die Zinslastquote mit 3,63 Prozent.«, Um die Verschuldungen nicht noch mehr eskalieren zu las- sen, haben sich die Verantwortlichen in fast allen Ländern durch den Verkauf staatlicher Einrichtungen, des so ge- nannten Tafelsilbers, etwas Luft für die Zinszahlungen ver- schafft. Aber solche Ausverkäufe öffentlicher Güter (die eigentlich den Bürgern gehören, weil von diesen bezahlt), sind nur ein Mal möglich. Außerdem sind sie in den meisten Fällen auch noch mit anschließenden Einnahmeverlusten verbunden. Weil man trotzdem immer mehr ins Schleudern kommt, beabsichtigen inzwischen einige Regierungen, die Kredit- aufnahmen abzubremsen. Die Regierungen in Deutsch- land und in den USA wollen sogar die Schuldenbestände dezimieren. Angesichts der guten Konjunktur und der der- zeit hohen Staatseinnahmen, könnte das zumindest in den nächsten Jahren auch gelingen. Allerdings können all diese Entschuldungspläne morgen schon wieder Makulatur sein, wenn sich die Inflation belebt und damit die Zinsen – wie bereits der Fall – wieder nach oben gehen. Schon ein Anstieg der Zinssätze um zwei Prozentpunkte würde die heutigen Zinslasten der Staaten um rund ein Drittel anstei- gen lassen. Außerdem würde mit den steigenden Zinslasten die allgemeine Konjunkturlage beeinträchtigt und in der Folge die Steuereinnahmen sinken. Und wenn dann an den Börsern noch die Spekulationsblase platzt, mit deren Hilfe sich die Konsumenten reich gerechnet und auf großem Fuß gelebt haben, sind die Folgen noch katastrophaler. Das gilt angesichts des riesigen Außenhandelsdefizits gerade auch für die USA. Obwohl dieses Land als einziges in der Welt seine Auslandsschulden mit selbst gedruckten Dollarschei- nen abbauen kann, würde das auch dort nicht ohne Folgen bleiben. Allerdings auch nicht für jene Länder, deren Wirt- schaft von Exporten in die USA abhängig sind.,

Was wäre, wenn der Staat die Bürger direkt zur Kasse bitten würde?

Man stelle sich einmal vor, der Staat würde dem Bürger das Geld für die Bedienung der öffentlichen Schulden direkt aus der Tasche ziehen. Dann müsste er sich z. B. in Deutsch- land, zur Bedienung der jährlich fälligen 140 Mrd. DM Zin- sen, bei jedem Erwerbstätigen mit rund 4 000 DM refinan- zieren. Oder der Staat müsste die Steuern entsprechend erhöhen, z. B.: die Lohnsteuern um 40 Prozent oder die Mehrwertsteuer von derzeit 16 auf 32 Prozent. Schon die Ankündigung einer solchen Maßnahme würde die Öffent- lichkeit Kopf stehen lassen. Wahrscheinlich würden dann sogar die Gewerkschaften wach werden und den Politikern vorrechnen, dass die ganzen mühsam erkämpften Lohner- höhungen der letzten 25 Jahre futsch sein würden. Doch gegen die versteckte Beutelschneiderei durch immer höhe- re Schulden und Zinsen, die uns alle vielmals mehr kostet und noch die zukünftigen Generationen in einem unvor- stellbaren Maße belastet, wird kaum einer laut. Die ver- steckte Ausbeutung nehmen wir sogar schicksalsergeben hin. »In Deutschland ist eine Zinsspirale in Gang gekom- men, die jeden Bankkaufmann frösteln lässt. In den Berufsschulen wird die brutale Dynamik von Zins und Zinseszins gern am Beispiel der Seerosen erklärt: In einem Teich verdoppelt sich die Zahl der Seerosen mit jedem Tag. Nach einem Jahr ist das Gewässer zur Hälf- te bewachsen. Die Preisfrage lautet: Wann ist der Teich zu 100 Prozent dicht? Antwort: Einen Tag später.« Das schrieb der »Spiegel« 1992 einmal. Aber er irrte sich zumindest in einem Punkt: Bisher haben kaum Bankkauf-, leute ihr Frösteln irgendwo zum Ausdruck gebracht. Sie machen vielmehr betont in Optimismus und freuen sich über die Zuwachsraten ihrer Bankgeschäfte. Warnungen hört man allenfalls einmal aus dem Lager der Notenban- ken. Doch was nützen solche Warnungen der zuständigen Geldbehörden, wenn auch sie gegen die Ursachen der Überschuldung, nämlich das Überwachstum der Geldver- mögen, nichts unternehmen! Vor allem nichts gegen die Ursache der Geldvermögenseskalation: der Zinshochhal- tung durch künstliche Verknappung des Geldes., 18. Kapitel

Zinsgrößen im Unternehmenssektor

»Der Unternehmer ist ein Arbeiter, der im Unternehmergewinn seinen Arbeitslohn verdient, der ihm vom Gewinn bleibt, nachdem ihm die Banken den Zins abgenommen haben, den der Unternehmer erst aus den Arbeitern herauswirtschaften muss. Insofern bildet der Unterneh- mergewinn keinen Gegensatz zur Lohnarbeit, sondern nur zum Zins.« Karl Marx* Auch bei den Unternehmen steigen, im Gleichschritt mit den Schulden, die Zinsbelastungen überproportional an. Nicht nur gemessen an der Leistung, sondern auch im Ver- hältnis zu den mit den Krediten geschaffenen bzw. durch sie abgesicherten Sachvermögenswerten (s. 15. Kapitel). So lag nach den Unterlagen des Statistischen Bundesamtes die Zinsbelastung der westdeutschen Produktionsunterneh- men im Jahr 1970 mit 37 Mrd. DM noch bei acht Prozent der Nettowertschöpfung, 1993 mit 272 Mrd. DM aber bereits bei 15 Prozent. Legt man die Zinslast von 272 Mrd. DM einmal auf die knapp 23 Mio. Beschäftigten im Unternehmenssektor um, dann war 1993 jeder Arbeitsplatz im Durchschnitt mit rund 12000 DM Zinsen belastet, 1988 – also fünf Jahre früher und zu Beginn der Hochzinsphase – war es erst die Hälfte. * »Das Kapital«, 3. Band, In welchem Maße die Schere zwischen der Wertschöp- fung und den geleisteten Zinszahlungen bei den westdeut- schen Unternehmen in der Zeit von 1970 bis 1993 auseinan- der gegangen ist (danach wurden die westdeutschen Werte nicht mehr separat veröffentlicht), geht aus der Darstellung 49 hervor. Ähnlich wie bei der gesamten Volkswirtschaft (Darstel- lung 47) wirken sich für die Unternehmen also die kurzfris- tigen Veränderungen der Zinssätze besonders gravierend aus. Wie die BSP-Entwicklung zeigt auch die der Wertschöp- fung in den Unternehmen einen relativ gradlinigen Verlauf. Umso stärker – und zwar gegenläufig zueinander – schwan- ken auf Grund der Zinssatzveränderungen die beiden anderen Kurven, nämlich die der geleisteten Zinsen und der Einkommen aus Unternehmertätigkeit. In welchem Maße dabei die Zinslasten eskalieren, zeigen einige Zah- len: In der Hochzinsphase 1978–1982 stiegen sie von 72 auf 138 Mrd. DM an, in der Phase 1988–1992 von 147 auf 272 Mrd. DM, also jeweils fast auf das Doppelte. Umgerechnet pro Kopf der Beschäftigten war das von 1988 auf 1992 ein Anstieg von 6 400 DM auf 11 800 DM. Dabei geben solche Durchschnittszahlen, die auch die unverschuldeten Betrie- be mit erfassen, die Realitäten in den verschuldeten kaum wieder. So musste z. B. die Deutsche Telecom Ende der letzten Hochzinsphase je Arbeitsplatz 36 000 DM Zinsen aufbringen, was etwa zwei Drittel der Lohnkosten ent- sprach. In den anschließenden Zinssenkungsphasen erholen sich zwar jeweils die Unternehmereinkommen und nähern sich wieder der Leistungsentwicklung. Da sich jedoch die zwi- schenzeitlichen Gewinneinbrüche bzw. Kostensteigerun- gen auf den weitgehend gesättigten Märkten kaum noch über Preiserhöhungen ausgleichen lassen, bleiben den, Darstellung 49:, Unternehmen fast nur Rückstellungen von Investitionen bzw. Kürzungen im Lohnsektor übrig. Diese Maßnahmen, wie auch die den Zinsanstiegen nachfolgenden Insolvenz- zunahmen, verstärken noch die negativen Folgen des zins- bedingten Konjunktureinbruchs.

Wie wirken sich Zinsanstiege in der Wohnungs-

wirtschaft aus? Der Wohnungsbau ist traditionell ein besonders schulden- belasteter und damit zinsempfindlicher Sektor. Kaum ein Mietshaus oder Eigenheim wird ohne Fremdmittel erstellt. So lag die Verschuldung der gesamten Wohnungswirtschaft (in die statistisch auch die Privathypotheken einbezogen werden) in Deutschland Ende 1998 bei 1 925 Mrd. DM (s. auch Tabelle I). Geht man von einer Verzinsung von sechs Prozent aus, dann hatte der Wohnungsbausektor 1998 für die Fremdfi- nanzierungen eine Zinslast von 116 Mrd. DM zu verkraften, was auf jede der rund 37 Millionen Wohnungen im Durch- schnitt p.a. mit rund 3 100 DM zu Buche schlug, pro Monat also mit knapp 260 DM. Bei der Mietberechnung kommt zu dieser Verzinsung des Fremdkapitals selbstverständlich auch noch jene für das Eigenkapital hinzu. Zusammenge- nommen ergeben sich daraus Zinslasten in mindestens doppelter Höhe, also von 500–700 DM je Wohneinheit und Monat. Bezogen auf die Kostenmiete ergibt sich so ein Kos- tenanteil von etwa 70 bis 80 Prozent. In der Schweiz sind die Wohnungen in einem besonders extremen Umfang mit Hypotheken belastet. Das hängt wahrscheinlich mit den dort üblichen langfristig laufen- den Wohnungsbau-Krediten zusammen, die häufig keinen regelmäßigen Tilgungen unterliegen. Bei einer Bevölke-, rung von 7,3 Millionen, 3,5 Millionen Wohnungen und einer hypothekarischen Gesamtbelastung von rund 600 Mrd. Schweizer Franken, entfallen auf jeden Bürger also etwa 80 000 SF Hypothekenschulden und auf jede Woh- nung 170 000 SF. Bei einer Verzinsung von vier Prozent (die Schweizer Sätze liegen durchweg zwei Prozentpunkte unter den deutschen) wären das 6 800 SF im Jahr und 570 SF im Monat alleine für die Hypotheken. Wegen dieses großen Zinsanteils in den Mieten haben Veränderungen der Zinssätze in der Wohnungswirtschaft auch besonders schwer wiegende Folgen. Schon ein Anstieg der Hypothekenzinssätze von einem Prozentpunkt bewirkt nach einer bekannten Faustregel eine Erhöhung der Kostenmiete von 10 bis 14 Prozent. Das heißt, ein Anstieg der Hypothekenzinsen von beispielsweise sechs auf neun Prozent, wie von 1988 bis 1990 in Deutschland der Fall, führte bei den Neubauwohnungen zu einem Anstieg der Zinsanteile in den Kostenmieten von 50 Prozent! Sol- che Mieterhöhungen können aber auch bestehende Miet- verhältnisse treffen, dann nämlich, wenn das Kapital mit flexiblen Zinssätzen aufgenommen wurde. Welche Auswirkungen Zinssatzänderungen auf die Qua- dratmetermiete haben, geht auch aus der Darstellung 50 hervor, ebenso aus den Berechnungen im 8. Kapitel, Kas- ten H. An den heutigen hohen Zinsanteilen in den Mieten kom- men wir unter den gegebenen Verhältnissen nicht vorbei. Denn wenn mit einer Erzielung der kostendeckenden Mie- te nicht gerechnet werden kann, wird die Wohnung nicht gebaut. Auch von keinem genossenschaftlichen oder gewerkschaftlichen Wohnungsunternehmen! Es sei denn, der Staat schließt auf irgendeine Weise die Kostenlücke bei der Kapitalbedienung. Die ganzen öffentlichen Wohnungs- bauförderungen, mit denen heute die Mieten verbilligt wer-, Darstellung 50: den, laufen darum im Grunde nur darauf hinaus, die Zins- ansprüche der Geldgeber bzw. der Gebäude- und Boden- besitzer staatlicherseits sicherzustellen.

Was ist mit den gesamten Zinsbelastungen?

Bisher haben wir uns nur mit den geldbezogenen Zinslas- ten befasst. Zinsen fallen aber nicht nur bei kreditfinanzier- ten Objekten an, sondern ebenso bei eigenfinanzierten. Denn wer sein Geld in eine Sachanlage investiert – ob in eine Produktionsanlage oder ein Miethaus – tut dies nur, wenn das damit geschaffene Sachvermögen mindestens den gleichen Zins erbringt wie das Geld bei der Bank. Man, kann sogar davon ausgehen, dass bei jeder Investition ein höherer Zinssatz als bei den Banken üblich einkalkuliert wird, da man zumindest für das unternehmerische Risiko einen Aufschlag erwartet. Wenn wir also die gesamten Zinslasten in einer Volks- wirtschaft ermitteln wollen, müssen wir zusätzlich zu den Schuldengrößen auch die der unverschuldeten zinstragen- den Sachvermögen kennen. Konkret: Das gesamte in der Wirtschaft eingesetzte Sachvermögen, einschl. des Bodens, muss als Grundlage der volkswirtschaftlichen Zinsstrom- berechnungen herangezogen werden. Der Geldzins dik- tiert nur die Höhe, mit der das Sachvermögen mindestens zu verzinsen ist. Das heißt, die gesamte Zinslast in einer Volkswirtschaft resultiert aus dem gesamten wirtschaftlich eingesetzten Sachvermögen, multipliziert mit dem gelten- den Zinssatz, gleichgültig ob verschuldet oder nicht. Im Gegensatz zu den geldbezogenen Zinsen, gibt es über die des schuldenfreien Sachvermögens jedoch im Allge- meinen keine statistischen Unterlagen. Selbst für den Gesamtbestand aller wirtschaftlich eingesetzten Sachver- mögen findet man nur unzulängliche Ausgaben. Außerdem werden in den Statistiken im Allgemeinen nur die so ge- nannten »reproduzierbaren Sachvermögen« ausgewiesen. Über die nicht reproduzierbaren, das sind vor allem der Boden und die Bodenschätze, gibt es so gut wie gar kein Zahlenmaterial. Da jedoch auch der wirtschaftlich genutzte Boden der Verzinsung unterliegt, ist man bei den heranzu- ziehenden Gesamtgrößen weitgehend auf Schätzungen angewiesen.,

Wie groß ist das zu verzinsende Gesamtver-

mögen? In Deutschland wurde das reproduzierbare Anlagevermö- gen (Gebäude und Ausrüstungen) zum Netto-Wiederbe- schaffungswert (Tageswert!), für Ende 1996/Anfang 97 mit rund 10 300 Mrd. DM ausgewiesen. Zusammen mit den Vorratsbeständen in der Wirtschaft und dem öffentlichen Tiefbau ergibt sich ein Betrag von rund 12 500 Mrd. DM. Rechnet man jetzt noch den Boden und die wirtschaftlich ausgebeuteten Bodenschätze mit einer Summe von 3 500 Mrd. DM hinzu (allein der Verkehrswert der Grundstücke in den Händen der Privathaushalte wurde für 1997 von der Deutschen Bundesbank mit 2 500 Mrd. DM angeführt!), dann kommt man auf rund 16 000 Mrd. für den Gesamtwert des volkswirtschaftlichen Sachvermögens. Ausgehend von diesen Werten ergibt sich für das Jahr 1997 eine Situation, wie sie in der Darstellung 51 grafisch wiedergegeben ist. Um die Relationen anschaulicher zu machen, sind in der Darstellung die Flächengrößen den jeweiligen DM-Werten in etwa angepasst. Der Wert der gesamten Sachvermögen in Deutschland ist dabei als rechteckiger Block dargestellt, das Sozialprodukt als Kreisfläche. Ein Viertel des Vermö- gensblocks wird als privatgenutzter Teil – hauptsächlich Wohnungseigentum – mit 4 000 Mrd. DM in Abzug ge- bracht. Der übrige Teil des Blocks in einer Größe von 12 000 Mrd. DM, entspricht dann dem wirtschaftlich einge- setzten und zu verzinsenden Sachvermögen. Über beide Teile hinweg ist nach dem Stand von 1996 die Gesamtver- schuldung in Höhe von 8 500 Mrd. DM punktiert eingetra- gen. Die gesamte zur Verzinsung anstehende Größe setzt sich demnach aus der wirtschaftlich eingesetzten Gesamtver- schuldung in Höhe von etwa 8 500 Mrd. DM (von der etwa, Darstellung 51: 1,500 Mrd. in den Privatsektor übergreift) und dem schul- denfreien Teil des wirtschaftlich eingesetzten Sachvermö- gens in Höhe von 5 000 Mrd. DM zusammen. Nach dieser Überschlagsrechnung stand also Ende 1996 ein Betrag von 13 500 Mrd. zur Verzinsung an. Legt man eine durchschnittliche Verzinsung aller Kapi- talien von sieben Prozent zugrunde (Sollzins), dann ergibt sich eine gesamte Bruttozinslast von rund 945 Mrd. DM, die in der Säule rechts wiedergegeben ist. Nach Abzug der, Bankmarge und ähnlichen Kostenanteilen verbleibt eine Nettozinslast von 800 Mrd. DM, die wiederum etwa mit den Zinserträgen der gesamten Geld- und Sachkapitalbesitzer identisch ist. Bezieht man den Bruttozinsbetrag von 945 Mrd. DM auf das Bruttosozialprodukt, dann ergibt sich ein Gesamtzins- last-Anteil von rund 26 Prozent. Rechnet man die Zinslast von 945 Mrd. auf jeden Haus- halt bzw. jeden Erwerbstätigen um, dann ergab sich 1997 für jeden eine Gesamtzinslast von etwa 25 000 DM, wovon wiederum etwa 15 000 DM auf die Verschuldung entfielen, davon knapp 4 000 DM auf die des Staates.

Sind die Zinslasten auch auf andere Weise zu

ermitteln? Natürlich kann man bei solchen Überschlagsrechnungen mit teilweise geschätzten Zahlen manches anzweifeln. Ver- suchen wir darum noch mal auf einem anderen Weg, der für jeden sicher überschaubar ist, der Wirklichkeit auf die Spur zu kommen: In Deutschland gab es 1997 rund 34 Millionen Haushalte bzw. Beschäftigte. Das heißt, auf jeden Haushalt kam eine Wohnung bzw. Eigenheim und ein Arbeitsplatz. Nehmen wir für beide Investitionen – also Wohnung und Arbeits- platz jeweils einschließlich Boden – je einen Tageswert von nur 180 000 DM an und für den Wert der öffentlichen Infra- strukturen – von den Straßen über Schulen, Krankenhäu- sern und Kasernen bis hin zu den Versorgungssystemen – 120 000 DM, dann kommen wir auf durchschnittliche Inves- titionen je Haushalt in Höhe von insgesamt 480 000 DM. Multipliziert mit den 34 Mio. Haushalten ergibt sich auf die- se Weise wieder ein gesamtes Sachvermögen von gut 16 000, Mrd. DM. Der aus der Grafik zu entnehmende und zu ver- zinsende Gesamtbetrag kann also kaum als zu hoch einge- schätzt werden. Sicher kann man auch über die Höhe der durchschnittli- chen Zinssätze streiten. Aber bei den öffentlichen Kalkula- tionen in den Gemeinden werden seit Anfang der 80er Jah- re im Allgemeinen Verzinsungen in Höhe von 7,5 Prozent zugrunde gelegt. Und das Eigenkapital in der Wirtschaft strebt bekanntlich sogar zweistellige Rendite an! Auch der Tatbestand, dass alleine die Zinserträge der Banken inzwischen über 600 Mrd. DM lagen, ist ein Indiz dafür, dass die hier errechnete Gesamtzinsbelastung nicht zu hoch gegriffen sein dürfte.

Wie hoch sind die Gesamtzinsen in den Einzel-

preisen? Bezogen auf das Volkseinkommen, das in Deutschland 1997 eine Größe von 2 750 Mrd. DM hatte, lagen die Brutto- zinslasten mit ihren 945 Mrd. bei 34 Prozent. Bezieht man die Zinslast auf das verfügbare Einkommen in Höhe von 2 350 Mrd. DM, dann lagen sie bei 40 Prozent. Umgelegt auf die Ausgaben der Haushalte in Höhe von 2 200 Mrd., ergibt sich sogar ein Anteil von 43 Prozent. Bezieht man also die gesamten Zinsen auf die Ausgaben der Haushalte, die letzt- lich als Endverbraucher alle Lasten zu tragen haben, dann kann man davon ausgehen, dass die Haushalte im Schnitt, direkt oder indirekt, mit jeder ausgegebenen Mark inzwi- schen etwa 40 Pfennig Zinslasten tragen. Diese 40 Pfennig, bezogen auf jede ausgegebene Mark, geben natürlich einen Durchschnittsbetrag wieder. Die tat- sächlichen Zinsanteile in den einzelnen Preisen sind – wie bereits im 5. Kapitel beschrieben – selbstverständlich sehr, unterschiedlich. Sie werden nicht nur von den eingesetzten Kapitalgrößen und Zinssätzen beeinflusst, sondern auch von dem jeweiligen Verhältnis der Kapitalkosten zu den Personal- und Materialkosten sowie allen anderen Posten in den Kalkulationen, z. B. der Abschreibung. Da man private Kalkulationen nur selten einsehen kann, sind in der Darstellung 52 als Beispiele einmal die Berech- nungen einiger öffentlicher Preise aus dem Haushalt der Stadt Nürnberg von 1991 wiedergegeben. Sind Lohnkosten und Abschreibung besonders gering, dann dominieren – wie bei der Mietberechnung – die Zins- lasten die Preisgestaltung in einem besonders hohen Maße. Geht man von einer Verzinsung von nur 5 Prozent und einer Abschreibung über hundert Jahre aus (wie bei Wohn- gebäuden in etwa üblich), dann müssen die Nutzer oder Mieter – zu der einmaligen Abschreibung über die hundert Jahre hinweg – die Baukosten gewissermaßen über die Zin- sen noch fünfmal zusätzlich bezahlen. Oder anders ausge- drückt (und das gilt für sämtliche Sachvermögen!): Alle in einer Volkswirtschaft genutzten Sachgüter werden alle zwanzig Jahre über die Zinsen erneut finanziert. Und das neben der in allen Preisen enthaltenen Abschreibung, mit der die Ersatzbeschaffung der Objekte abgesichert ist! Wenn also z. B. die Mieten im Allgemeinen als zu hoch empfunden werden, dann liegt das nicht an der Skrupello- sigkeit der Vermieter (die Wohnungen der ehemaligen gewerkschaftseigenen »Neuen Heimat« waren auch nicht billiger!), sondern an dem Tatbestand, dass alle Sachvermö- gen in unserem Wirtschaftssystem während ihrer Lebens- dauer laufend mit Zinsen bedient werden müssen. Zu beachten ist bei allen bisher angeführten Berech- nungsbeispielen noch, dass dabei nie die darin enthaltenen gesamten Zinskosten ausgewiesen werden, sondern immer nur diejenigen, die auf der letzten Kalkulationsebene hin-, Darstellung 52:, zugekommen sind. Denn die in diese Kalkulationen einge- henden Sachkosten bestehen wiederum – siehe Darstellung 19 – aus Arbeits- und Kapitalkosten unterschiedlicher Zu- sammensetzung, die sich jeweils auf den Vorstufen gebildet haben. Im Gegensatz zur Mehrwertsteuer, bei der die auf den Vorstufen angefallenen Beträge jeweils abgezogen werden, kommt es bei den versteckten Zinsen also zu einer ständig wachsenden Akkumulation. Daraus ergeben sich dann auch die in der Gesamtberechnung der Zinslasten ausgewiesenen Zinsanteile in den Endverbraucherpreisen von durchschnittlich 40 Prozent., 19. Kapitel

Zinslasten und Zinseinkünfte

der Privathaushalte »Der Zins ist ein Tribut, den der Schaffende – vom Industriearbeiter bis zum Bauern und Unternehmer – dem Geldleiher entrichten muss, damit überhaupt gearbeitet werden kann. Der Zins wird in den Preis aller Waren eingerechnet und dadurch auf die Konsumenten abgewälzt. Er ist eine erdrückende Last für die große Mehrheit und eine mühelose Einnah- mequelle für eine kleine Minderheit der Bevölkerung. Der Zins ist arbeits- freies Einkommen und daher ethisch nicht zu verantworten.« Hansjürg Weder*

Was ist mit den direkten Zinsen?

Bisher haben wir uns nur mit den Zinslasten beschäftigt, die wir alle als Endverbraucher über Preise, Steuern und Gebühren auf versteckte Weise zahlen, fast immer ohne es zu wissen. Darin enthalten sind aber auch diejenigen, die von den Haushalten direkt gezahlt werden. Das sind vor allem die Zinsen, die mit den Krediten zur Finanzierung des Eigenheims oder der Eigentumswohnung zusammen- * Schweizer Nationalrat, 1990, hängen. Sie werden meist über gleich bleibend hohe Monats- oder Jahresraten gezahlt, die neben den (abneh- menden) Zinsen eine (zunehmende) Tilgung enthalten. Das Risiko solcher Investitionskredite ist relativ gering, da sie durch die geschaffenen Gebäude und meistens auch noch durch das Grundstück abgesichert sind. Kritischer, weil nicht durch langlebige Sachvermögen gedeckt, sind jedoch die Zinsbelastungen durch Konsumentenkredite. Die Entwicklung dieser Lasten geht aus der Darstellung 53 hervor, in der sich auch wieder die explosiven Veränderun- gen in den Hochzinsphasen abzeichnen. Gerade diese plötzlichen Belastungsanstiege zwingen manche Haushalte zu noch höheren Kreditaufnahmen. Umgekehrt sehen sich die Banken in Hochzinsphasen zu erhöhter Werbung für Konsumkredite gezwungen, einmal weil auf Grund der hohen Zinsen die Geldeinlagen bei ihnen rascher wachsen, zum anderen weil die Kreditauf- nahmen der Unternehmen dann tendenziell zurückgehen. Als Folge solcher Entwicklungen, oft aber auch aus Leicht- fertigkeit, geraten immer mehr Familien in ausweglose Situationen. Vergleicht man auch hier die Zinskurve mit dem (ver- kleinert dargestellten) relativ linearen Verlauf der Löhne, dann werden sowohl in der Scherenöffnung zwischen bei- den wie den eingetragenen Multiplikatoren die auseinan- der driftenden Entwicklungen seit 1960 überdeutlich. Ende 1997 mussten die privaten Konsumentenkredite in Deutschland in Höhe von 370 Mrd. DM mit 39 Mrd. DM Zinsen bedient werden. Für die Baukredite in Höhe von 1 420 Mrd. DM fielen etwa 100 Mrd. DM Zinsen an. Aller- dings hat nur rund ein Viertel der Haushalte mit Baukredi- ten zu tun und der Anteil der Haushalte mit Konsumenten- krediten ist noch geringer. Im Gegensatz zu den Bürgern in den USA haben sich die Haushalte in Deutschland – wie, Darstellung 53: auch in den meisten anderen europäischen Ländern – trotz aller Werbung bisher erst in begrenztem Umfang in den Sog der Konsumkreditaufnahmen ziehen lassen. Wie Meldun- gen aus dem Frühjahr 2000 zu entnehmen ist, sind in Deutschland nur etwa 4,5 Millionen = 12 Prozent der Haus-, halte mit solchen Krediten belastet, allerdings gelten bereits zwei Millionen als überschuldet. Das heißt, sie sind nicht mehr in der Lage, ihren übernommenen Verpflichtun- gen nachzukommen.

Wie groß sind die Zinseinkünfte der Privathaus-

halte und wie verteilen sie sich? Mit rund 5 400 Mrd. DM verfügten die deutschen Privat- haushalte 1997 über den größten Teil der gesamten Geld- vermögen, während ihre Verschuldungen für Hypotheken und Konsumzwecke – wie oben angeführt – nur bei 1 800 Mrd. DM lagen. Entsprechend waren die den Privathaus- halten zufließenden Zinserträge auch deutlich höher als die direkt aufzubringenden Zinslasten. Nun kann man zwar für statistische Zwecke die Lasten von den Erträgen abziehen und auf diese Weise eine Netto-Zinslast errechnen. Aber in der Praxis der einzelnen Haushalte sieht das völlig anders aus, da die Netto-Zinszahler nicht mit den Netto-Zinsemp- fängern identisch sind. Darauf hat auch die Münchener »Abendzeitung« bereits 1991 hingewiesen: »Im vergangenen Jahr kassierten die privaten Haus- halte in den alten Bundesländern 136 Mrd. DM, für die sie nicht zu arbeiten brauchten. Sie ließen ihr Geld für sich arbeiten. Genauer: Sie ließen jene für sich arbei- ten, die Kredite aufgenommen haben und dafür Zin- sen zahlen mussten.« In Wirklichkeit flossen also diese Zinsen schwerpunktmä- ßig an einen kleinen Teil der Haushalte, während die ande- ren überwiegend dafür arbeiten mussten. Das rechnete auch die »Abendzeitung« ihren Lesern vor:, »Allerdings – nicht jeder Haushalt hat Vermögens- einkommen, und wenn, dann oft nur in bescheidener Höhe. Das Gros der privaten Haushalte – 80 Prozent – bekam nämlich nur 26 Prozent vom Vermögens-Ein- kommenskuchen; die übrigen 74 Prozent vom Kuchen – das sind rund 100 Milliarden DM – gingen an nur 20 Prozent der Haushalte.« Rechnet man diese Prozentanteile in DM-Beträge um, dann mussten sich damals vier Fünftel der Haushalte mit 35,4 Mrd. DM Zinseinnahmen begnügen, während ein Fünftel 100 Mrd. DM unter sich verteilen konnte. Für die erstgenannten 22 Millionen Haushalte ergaben sich damit im Durchschnitt Zinseinnahmen von 1 640 DM im Jahr, während die übrigen 5 Millionen durchschnittlich 18 630 DM kassierten, also mehr als das Elffache. Unter der Über- schrift: »Die Kluft wird immer breiter! – 20 Prozent der Haushalte gehören 80 Prozent des Volksvermögens«, berichtete die Presse 1995 über ähnliche Verhältnisse aus den USA.

Was sind die niedrigsten und höchsten Zinsein-

kommen? Die niedrigsten Zinseinkommen liegen verständlicherwei- se bei Null. Die Größe dieser Haushaltsgruppe ohne Zins- einkommen ist nicht genau zu quantifizieren. Geht man von Darstellung 45 im 16. Kapitel aus, dann sind das etwa 13 Prozent der Haushalte. Noch schwerer als die Zinseinkommen der unteren Gruppen sind die der wohlhabenden Haushaltsminderheit zu erfassen, vor allem weil deren Zinseinkünfte überwie- gend aus Sachvermögen stammen. Schon 1990 konnte man, in deutschen Tageszeitungen lesen: »600 Superreiche sitzen auf 300 Milliarden.« Obwohl die Zahl der Superreichen und ihrer Milliarden sich inzwischen längst verdoppelt und verdreifacht haben dürften, lohnt sich eine nähere Betrach- tung: Im Schnitt verfügte jeder der 600 reichsten Deutschen bereits 1990 über 500 Mio. DM. Legt man eine durch- schnittliche Verzinsung dieses Vermögens in Höhe von nur sechs Prozent zugrunde, dann hatte jeder dieser 600 Haus- halte damals schon ein jährliches Zinseinkommen von 30 Mio. DM, ein monatliches von 2,5 Mio. DM. Im Dezember 1992 berichtete das Wirtschaftsmagazin »forbes« von 95 bundesdeutschen Milliardären, die zusam- men über ein Vermögen von 233 Mrd. DM verfügten. Die- ses Vermögen entsprach – um es fassbarer zu machen – dem Lebensarbeitsverdienst von etwa 150 000 Normalverdie- nern, wenn man für jeden anderthalb Millionen ansetzt. Wohl gemerkt: Dem Verdienst, nicht den viel geringeren Ersparnissen dieser Arbeitleistenden! Nehmen wir auch bei diesen 95 Milliardären eine bescheidene Verzinsung von nur sechs Prozent an, dann wurden sie im Jahr 1992 gemeinsam um 14 Mrd. DM rei- cher. Pro Kopf waren das rund 147 Mio., pro Woche 2,8 Mio. und pro Tag 400 000 DM. Geht man davon aus, dass jeder Erwerbstätige inzwischen jede dritte Stunde für die Kapitalrenditen arbeitet, dann mussten 1992 allein für die- se 95 Milliardäre rund eine Million Arbeitnehmer jede Woche 13 Stunden Arbeit leisten! Besonders problematisch ist, dass die Superreichen nur einen Bruchteil ihrer Zinserträge verkonsumieren können. Selbst beim großzügigsten Lebenswandel kann man tagtäg- lich kaum 400 000 DM ausgeben. Die Folge ist, dass das Gros der Zinseinnahmen erneut gegen Zinsen angelegt werden muss, wodurch sich bereits bei sechs Prozent Ver-, zinsung die Vermögen alle zwölf Jahre verdoppeln. Das heißt, in 24 Jahren kommt es zu einer Vervierfachung, in 36 Jahren zur Verachtfachung und in 48 Jahren zur Versech- zehnfachung der Vermögen! In Wirklichkeit liegen die Ver- zinsungen solcher großen Vermögen natürlich höher, was das Tempo der heutigen Vermögenszunahmen und -kon- zentrationen erklärt.

Woher erhält Fräulein Quandt täglich 650000 DM?

Einen besonders exemplarischen Fall schilderte »Bild« am 27. Juli 1990 unter der Überschrift: »Fräulein Quandt, 3 Milliarden, heiratet Herrn Klatten, 4 600 brutto«, um dann im weiteren Text aufzudecken, dass Fräulein Quandt – Tochter des damals noch lebenden Hauptaktio- närs von BMW und von ihm mit den drei Milliarden ausge- stattet – inkognito jenen Jan Klatten kennen lernte, weil sie nicht ihres Geldes wegen begehrt werden wollte. Bei der schließlich anstehenden Hochzeit lüftete sie dann das Geheimnis und Herr Klatten hat sie trotzdem geheiratet. Das würdigt auch die »Bild«-Zeitung, und schreibt: »Der gebürtige Hamburger hat die Liebesprobe bestan- den und braucht nicht mehr für 4 600 Mark brutto im Monat zu arbeiten. Er hat schließlich im Nobel-Ort Kitz- bühel (Österreich) ein scheues Mädchen geheiratet, das alleine an Zinsen täglich über 650 000 Mark verdient.« Beim Einkommen des Herrn Klatten ist das Wort »verdie- nen« sicher angebracht. Allerdings fragt man sich, ob das, auch für die 650 000 DM zutrifft, die das bisherige Fräulein Quandt gewissermaßen jeden Tag auf ihrem Konto als Gut- schrift erhält. Denn diese 650 000 DM pro Tag stammen – wie alle zu verteilenden Werte – zwar auch aus Arbeitsleis- tungen, aber eben nicht aus solchen von Fräulein Quandt. Das ist auch dem cleveren Journalisten aufgefallen, der ergänzend schreibt: »Jan hätte sich zwölf Jahre als Angestellter abplagen müssen, um die Tageseinnahmen seiner Frau zu ver- dienen.« Da jedoch der Betrag nicht alle zwölf Jahre, sondern täglich fällig ist, müssen in Wirklichkeit 12 × 365 = 4 380 Normal- verdiener à la Klatten jeden Tag ihren vollen Verdienst an Fräulein Quandt abliefern. Da aber auch Normalverdiener nicht nur von Luft und Liebe leben können und mindestens zwei Drittel ihres Lohns für sich selbst benötigen, sind in Wirklichkeit dazu dreimal so viele ›Klattens‹, nämlich 13 140 erforderlich, die jeden Tag ein Drittel ihres Tagesver- dienstes hergeben. Und da auf die gleiche Weise wie die 650 000 DM für Fräulein Quandt auch die damals aktuellen 500 bis 600 Mrd. DM an gesamten Zinseinkommen erwirt- schaftet werden mussten, galt und gilt das ebenso für alle anderen Arbeitleistenden in der Volkswirtschaft. Konkret: 30 bis 40 Prozent seines Einkommens zahlt inzwischen jeder Arbeitleistende in den Topf der Zinslotterie!, 20. Kapitel

Die Überentwicklung der Spekulationen

»Spekulanten mögen unschädlich sein als Seifenblasen auf einem steten Strom der Unternehmungslust. Aber die Lage wird ernsthaft, wenn die Unternehmungslust die Seifenblase auf einem Strudel der Spekulation wird.« John Maynard Keynes* In einer jungen Volkswirtschaft, das heißt in einer Volks- wirtschaft, die nach einem Zusammenbruch mit neuem Geld neu begonnen hat, sind Spekulationen anfangs so gut wie unbekannt. Alle Einkommen fließen wieder in den Konsum, überschüssige Einkommen direkt oder über Bankeinlagen in die dringend notwendigen Investitionen. Dieser Zustand verändert sich im Laufe der Jahre, bedingt vor allem durch zwei Entwicklungen, die sich gegenseitig verstärken: Einmal geht mit den eintretenden Sättigungsprozessen der Bedarf an notwendigen Investitio- nen zurück. Zum anderen sammeln sich bei Minderheiten immer größere Einkommensüberschüsse als Geldvermö- gen an. Sowohl diese Geldvermögensakkumulationen als auch die nachlassenden Anlagemöglichkeiten und die damit sinkenden Renditen verführen dann dazu, mit sei- nem Geld auch in riskantere Geschäfte einzusteigen. Man- * John Maynard Keynes, »Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes«, Darmstadt 1974, S. 134, che begnügen sich dabei mit den vom Staat zunehmend zugelassenen Spielcasinos, andere setzen bei Lotto und Toto ihr Geld aufs Spiel und wieder andere finden es inter- essanter und vor allem sicherer, an den Börsen zu spekulie- ren. Mit immer neuen und immer komplizierteren Variatio- nen werden diese Börsen schließlich selbst zu einer Art Spielcasino. Und damit sich an diesem Börsen-Monopoly nicht nur ein paar Superreiche beteiligen können, sondern auch der ›kleine Mann‹, bieten clevere Finanzmakler und -agenturen mit ›Investmentfonds‹ und ähnlichen Einrich- tungen auch diesem eine Möglichkeit, mit bescheidenen Einsätzen mitzuspielen. Dass so was auch bei breit gestreutem Risiko danebenge- hen kann, erlebten Hunderttausende bei einem der ersten weltweit agierenden Fonds, der von dem fast schon legen- dären Bernie Cornfield in den 60er Jahren gegründet und keine zehn Jahre später in die Zahlungsunfähigkeit gema- nagt wurde.

Wie verhalten sich die Banken?

Anfangs skeptisch und die Fonds als Konkurrenz betrach- tend, sind die Banken schließlich selbst in immer größerem Umfang in diese Geschäfte eingestiegen. Alleine schon, um die Kunden und deren Geld nicht an andere zu verlieren. So bieten inzwischen sogar die kleinsten Sparkassen ihren weni- ger betuchten Kunden die Möglichkeit, sich an diesem Spiel zu beteiligen. Außerdem konnten die Banken auf diese Wei- se die sich bei ihnen anhäufenden Ersparnisse wieder rendi- teträchtiger unterbringen und darüber hinaus waren sie bei jedem Spielvorgang als Provisionskassierer mit dabei. Doch damit nicht genug: Schließlich begannen die Ban- ken sogar mit den Kundeneinlagen selbst ›große Räder‹ zu, drehen, um auf diese nicht ganz risikolose Weise die Zinsen für die ihnen anvertrauten Ersparnisse zu erwirtschaften. Dazu wurden besondere Abteilungen mit mehr oder weni- ger versierten Spezialisten eingerichtet, die im Anfang allzu oft (und zu lange unbehelligt) nebenbei einige eigene ›Pferdchen‹ mitlaufen ließen. Nur wenn sie eine Bank in ernsthafte Schwierigkeiten brachten und damit die Sache nicht mehr zu vertuschen war, kam so was einmal an die große Glocke. Man erinnere sich nur an die Pleite der deut- schen Herstatt-Bank mit ihren cleveren Devisenbeschaf- fern, oder an die Geschichte mit jenem angestellten Speku- lanten, der in den 90er Jahren an der Börse von Singapur die alteingesessene britische Baringsbank an den Rand des Abgrunds brachte. Wie viele Millionen und Milliarden auf diese Weise insgesamt in den Sand gesetzt wurden, wird man nie erfahren. Aber nicht nur solche Spezialisten aus der Umgebung der Banken und Börsen wagten sich mit immer größeren Summen in die Spekulationsgefilde. Auch große Unter- nehmen mit übergroßen ›Kriegskassen‹ stiegen in die lukrativen Geschäfte ein, bei denen die kleinen Mitspieler mit weniger Insiderwissen meist den Kürzeren ziehen. Die Provision der Banken einsparend, richteten sich die ganz großen Unternehmen sogar eigene Spekulationsabteilun- gen ein mit Dutzenden von Mitarbeitern, die auf diese Art die überschüssigen Milliarden ›arbeiten‹ ließen. In wel- chem Maße man mit solchen Geschäften Gewinne machen kann, lässt sich z. B. an der ›Explosion‹ der liqui- den Mittel der Firma Siemens ablesen, die seit 1980 von drei auf fast 30 Milliarden DM angestiegen sind. Weniger Glück hatte bekanntlich das VW-Werk mit dieser Masche. Hier verschwand einmal auf nicht ganz legale Weise ein Betrag von einer halben Milliarde, was fast nicht bemerkt worden wäre., Die Folge solcher Entwicklungen war und ist, dass unser Geld, einmal als Tauschmittel erdacht, immer mehr zu einem Spekulationsmittel verkommt. Je mehr jedoch diese falsch verstandene Freizügigkeit des Geldverkehrs zunimmt, desto gefährlicher und explosiver wird die gesam- te Situation.

Welche Folgen haben Aktienspekulationen?

Während Aktien früher oft als eine Art Lebensversiche- rung angesehen wurden – manchmal sogar über Generatio- nen hinweg wie z. B. bei den legendären Suezkanal-Papie- ren –, sind sie heute fast nur noch Spekulationsobjekte. Zwar bieten auch die Dividenden einen Kaufanreiz, doch angesichts des Auseinanderdriftens zwischen Kurs- und Nennwert sind die Kursgewinne immer entscheidender. In der inzwischen erreichten Börseneuphorie werden sogar Aktien von Unternehmen zu Phantasiepreisen gehandelt, die seit Jahren nur Verluste schreiben und noch nie eine Dividende ausgeschüttet haben. Da zu jedem Kaufvorgang an den Börsen jeweils zwei gehören und beide jeweils glauben richtig zu handeln, ist das Ende offen. Wer tatsächlich die richtige Nase hatte, zeigt sich erst hinterher. Normalerweise sind – wie bei einer Spielbank – von Spekulationsverlusten nur andere Mitspieler betroffen. Kommt es aber zu einem überzogenen Börsenboom und irgendwann zu einem Platzen des Ballons, dann wird von den davon ausgehenden Irritationen und Störungen auch das normale Wirtschaftsgeschehen erreicht. Das vor allem im Bereich der Banken, wenn diese allzu leichtfertig Bör- senkäufe mit Krediten finanziert haben. Allerdings kommt es bei diesen Kurseinbrüchen nicht zu ›vielstelligen Milliar-, denverlusten an Geld‹, wie machmal selbst in Wirtschafts- journalen zu lesen ist. Verloren gehen dabei weitgehend nur hochgerechnete Gewinnhoffnungen, also spekulative Luft, die man selbst in den Ballon hineingeblasen hat. Und zu diesen Verlusten kommt es nur dann, wenn man a) die Aktien zu einem höheren Wert gekauft hat und b) sie nach dem Kurseinbruch zu einem niedrigeren Preis verkauft. Doch da in solchen Situationen auch die Notenbanken manchmal den Kopf verlieren und – mangels funktionie- render Umlaufsicherung – die Notenpresse laufen lassen, kann ein solcher Crash ggfs. sogar die Geldkaufkraft und damit die gesamte Wirtschaft gefährden. Welche vielfältigen Auswirkungen spekulative Überent- wicklungen haben, hat Wilhelm Hankel schon vor Jahren in seinem Buch »Vorsicht unser Geld« dargelegt: »Wenn der Kapitalumschlag das 15 bis 20fache des Güterumschlages per Zeitperiode erreicht, dann schlägt dieser ›spekulative Faktor‹ auch 15 bis 20-mal stärker zu Buche als .die in Inlandswährung faktu- rierten Export- und Importpreise. Man verdient am reinen Geldhandel mehr als am ›ehrlichen‹ Warenge- schäft. Aber nicht nur das. Die einstmals sicheren Geldmaßstäbe und -kosten werden unsicher – insbe- sondere der Zinsmaßstab.« Und die Folge für uns alle hat er ebenfalls beschrieben: »70 Prozent Bezieher fester und von der Konjunktur abhängiger Arbeits- und Leistungseinkommen, vor- nehmlich in der Ersten und industrialisierten Welt, können nur müde oder resigniert lächeln, wenn ihnen die Vorzüge eines freien, deregulierten und gänzlich vaterlandslosen Welt-Kapitalmarktes gepriesen wer-, den. Sie leiden unter den Folgen von Weltdepression, Schuldenkrise, Währungswirrwarr und Zinseskalation und ahnen, dass die hektische und unkontrollierte Roulette- und Kasinoatmosphäre dieser Märkte der eigentliche und tiefere Grund aller hausgemachten Probleme ist: von Arbeitslosigkeit bis Börsenunsi- cherheit und Firmenpleiten.«

Wie groß sind die Aktienbestände in der Welt

und wie verteilen sie sich? Nach Zahlen der Weltbank lag das gesamte weltweite Aktienkapital Ende 1997 bei einem Kurswert von 20 178 Mrd. Dollar. Wie sich diese Milliarden prozentual auf die zwölf aktienreichsten Länder verteilten, geht aus den schwarzen Säulen und der linken Skala in der Darstellung 54 hervor. Mit rund 8 500 Mrd. Dollar und damit fast der Hälfte des Aktien-Gesamtbestandes lagen die USA weit an der Spitze, gefolgt von Japan mit rund 15 Prozent und Großbritannien mit knapp 9 Prozent. Deutschland lag zwar an vierter Stelle, gehörte aber mit 3,3 Prozent bereits in das Verfolgerfeld der übrigen neun Länder, deren Schlusslicht mit einem Pro- zent des Aktienbestandes Brasilien war. Alle anderen hier nicht aufgeführten Länder in der Welt hatten also noch weniger und mussten sich gemeinsam mit 16 Prozent der Aktien zufrieden geben, also etwa so viel, wie Japan alleine besaß. Der erstaunlich niedrige Aktienbestand in Deutschland hat im Wesentlichen zwei Ursachen. Einmal ziehen die deutschen Unternehmen für ihre Finanzierungen durch- weg Bankkredite vor, da sie damit der Offenlegung ihrer Bilanzen ebenso entgehen wie dem Mitspracherecht der, Darstellung 54: Aktionäre. Zum anderen legen auch die deutschen Bürger ihre Ersparnisse lieber gegen feste Zinsen an. Insgesamt sind nur 16 Prozent der gesamten Geldvermögen in Aktien untergebracht, bei den Privathaushalten sogar nur 9 Pro- zent, im Gegensatz zu den USA, wo etwa 40 Prozent der privaten Ersparnisse in Aktien gehalten werden.,

Wie sieht es mit den Pro-Kopf-Anteilen bei den Aktien aus?

Auch die Umrechnung der Aktienbestände auf die Bürger ist – wieder bezogen auf die zwölf aktienreichsten Länder – in Darstellung 54 durch die hellen Säulen wiedergegeben, jeweils in Dollar pro Kopf. Daraus geht hervor, dass bei die- ser Aufschlüsselung nicht die US-Bürger, sondern, mit einem erheblichen Vorsprung, die Bürger Hongkongs und der Schweiz rechnerisch die reichsten sind. Zumindest in Hongkong dürfte allerdings der hohe Kopfbetrag auf aus- ländische Aktieninhaber bzw. ausländische Unternehmen zurückzuführen sein, die dort ihren Firmensitz haben. Auf die Bürger der USA, Japans, Großbritanniens und der Nie- derlande entfallen immerhin noch Anteile zwischen 20 000 und 30 000 Dollar, während sich die deutschen Bürger mit gut 8 000 Dollar als Drittletzte zufrieden geben müssen. Für den ›Rest der Welt‹ sieht die Sache bei der Pro-Kopf- Verteilung noch trostloser aus als bei dem Bestandsanteil. Hier musste sich jeder Bürger mit 613 Dollar Aktien zu- frieden geben, gegenüber dem Durchschnittswert in den zwölf Ländern, der immerhin bei 19 000 Dollar lag, also mit einem Dreißigstel!

Wie sind die Verteilungsrealitäten?

Natürlich sind die hier angeführten Pro-Kopf-Verteilungen auf die Gesamtbevölkerung wiederum mit vielen Fragezei- chen zu versehen. Denn sie sagen nichts über die Anzahl der Bürger aus, die überhaupt über Aktien verfügen, eben- so nicht über deren Bestandskonzentrationen. In Deutsch- land sind das z. B. nur 18 Prozent der Bevölkerung, in Groß- britannien und in den USA dagegen 25 und in Schweden, sogar 35 Prozent. In Japan verfügen dagegen nur 9 Prozent der Bevölkerung über Aktien, was angesichts des hohen Gesamtbestands entweder auf eine Konzentration in den Händen von Banken und Unternehmen schließen lässt oder von einigen Familien. So verfügte beispielsweise in Deutschland die bereits erwähnte Gesamtfamilie Quandt – Hauptaktionär bei BMW – 1997 über ein Aktienpaket von mehr als 9 Mrd. DM, und damit über fast ein Drittel des gesamten Firmen- kapitals. Aber auch diese Familie Quandt ist wiederum relativ arm, wenn sie ihr Aktienvermögen beispielsweise an jenem von Bill Gates misst, der 22 Prozent der Microsoft- Aktien in den Händen hält. Da deren Wert 1997 bei 200 Mrd. Dollar lag, war sein Vermögen mit etwa 44 Mrd. Dol- lar bzw. rund 88 Mrd. DM fast zehn Mal größer als das der Quandts. Und da die Kurse von Microsoft zwischenzeitlich auf 500 Mrd. Dollar angestiegen sind und damit das Aktien- paket von Gates auf 110 Mrd. Dollar, hat sich der Abstand noch vergrößert. Wie fragwürdig allerdings solche heutigen Börsenwerte wirklich sind, wird deutlich, wenn man den Wert von Microsoft von 500 Mrd. Dollar einmal auf die 29 000 Beschäftigten dieses Unternehmens umrechnet. Es ergibt sich dann je Arbeitsplatz ein Betrag von etwa 18,5 Millionen Dollar bzw. gut 34 Millionen DM! Die Irrealität solcher Börsenwerte hat auch der »Spie- gel« Anfang 1999 auf andere Weise vorgerechnet: Mit sei- nen 29 000 Beschäftigten und einem Umsatz von 14,5 Mrd. Dollar war der Börsenwert von Microsoft größer als der von acht deutschen Großkonzernen zusammengenommen, die mit 1,3 Millionen Beschäftigten einen Umsatz von 378 Mrd. Dollar gemacht haben!,

Welche Größen bestimmen das Geschehen an

den Börsen? Bisher haben wir uns nur mit den Aktienbeständen und deren Werten befasst. Das Geschehen an den Börsen wird jedoch entscheidend von dem Umsätzen bestimmt, die mit diesen Aktien abgewickelt werden. Dabei müssen wir zwei verschiedene Umsatzfelder unterscheiden, nämlich den Handel mit neu herausgegebenen Aktien und den Handel mit bereits vorhandenen. Aus der Darstellung 55 gehen die Unterschiedlichkeiten dieser Bestands- und Handelsgrö- ßen hervor, bezogen auf die Vorgänge an den deutschen Börsen im Jahre 1998. Darstellung 55:, Betrachtet man das Geschehen aus der Sicht der Realwirt- schaft, dann hat für diese nur die kleinste Größe in der Dar- stellung eine Bedeutung, nämlich der Absatz neuer Aktien, der für 1998 mit 90 Mrd. DM ausgewiesen ist. Denn nur im Umfang dieser Neuemissionen wurden der Wirtschaft neue Geldmittel zugeführt und der Gesamtbestand der Aktien erhöht. Da dieser Bestand – ausgewiesen mit 1 550 Mrd. DM – im gleichen Jahr jedoch um 300 Mrd. zunahm, resul- tiert die Differenz zu jenen 90 Mrd. DM aus Steigerungen der Börsenkurse. Betrachten wir jetzt den Aktienhandel, dann lag dieser wiederum beim Dreieinhalbfachen des Bestandes, was ver- einfachend besagt, dass alle Aktien im Laufe des Jahres dreieinhalb Mal umgeschlagen worden sind. Die mit 10 700 Mrd. doppelt so hohe Säule des gesamten Umsatzes an den Wertpapierbörsen kommt dadurch zustande, dass dort, neben den Aktien, auch festverzinsliche Papiere gehandelt werden, also Schuldverschreibungen usw. Die in der Dar- stellung 55 rechts eingetragene Säule des Bruttoinlandpro- dukts (BIP) lässt erkennen, dass dieser Gesamtumsatz an den deutschen Wertpapierbörsen 1998 fast drei Mal so groß war wie die Jahresleistung der deutschen Wirtschaft! Neben diesen Wertpapierbörsen gibt es aber auch noch die Termin-, Geld- und Devisenbörsen. Und die Umsätze an all diesen Finanzhandelsplätzen erhöhen sich nicht nur durch die Ausweitung der gehandelten Mengen, sondern auch – zumindest bei den Aktien – durch die mit dem Han- del hochgepuschten Kurswerte. Vor allem aber erhöhen sie sich durch die immer rascher aufeinander folgenden Käufe und Verkäufe der gegebenen Bestände. Diese Umsatzsteigerungen wurden wiederum erst durch die elektronischen Abwicklungen des Handels rund um die Uhr und den Globus möglich. Während früher Aktien oft über Generationen gehalten wurden, wird die Haltedauer, heute immer kürzer. So sind z. B. in Deutschland die Bör- senumsätze von 1980 bis 1998 auf rund das 130fache ange- stiegen. In New York und anderswo haben diese Anstiege sogar Größenordnungen erreicht, die mit den herkömmli- chen Börsen nicht mehr bewältigt werden konnten. Statt des so genannten Parketthandels, der von einem aufgeregt gestikulierenden und schwitzenden Menschengewimmel bestimmt war, hat man dort die Abwicklungen zunehmend auf elektronische Anlagen umgestellt. So wurden an der Hightech-Börse Nasdaq, die 1971 in New York ihre Tätig- keit aufnahm, 1999 an Spitzentagen mehr als eine Milliarde Aktien umgeschlagen, wobei in Einzelfällen neu herausge- gebene Aktien in wenigen Stunden mehrfach ge- und ver- kauft wurden. Das Computernetz dieses elektronischen Aktienmarktes ist insgesamt auf zwei Milliarden Vorgänge täglich ausgelegt – fünf Millionen pro Minute! – und soll im Jahr 2000 auf bis zu acht Milliarden Aktienbewegungen täglich ausgeweitet werden. Alleine für diese Nachrüstung werden 500 Mio. Dollar investiert! Verantwortlichfürdiese immergrößerenundhektischeren Bestandsumschichtungen sind aber kaum die privaten Aktienbesitzer, sondern in erster Linie wenige Dutzend Großbanken, Investmentfonds, Versicherungen und vor allem auch Pensionskassen in der Welt, die über vielstellige Milliardenvermögen aus den Händen von Millionen Anle- gern und Rentensparern verfügen. Allein in den US-Pensi- onskassen waren 1998 Anlagen in Höhe von 7,4 Billionen Dollarzusammengeballt,1970wareneserst200Milliarden. Durch ständige Käufe und Verkäufe dieser Bestände, bei oft nur marginalen Nettogewinnen, versuchen all diese Pla- yer mit ihren Jahresergebnissen die der Konkurrenz zu übertreffen, um noch mehr Kunden für ihr Unternehmen zu gewinnen. Zusätzlich heizen natürlich auch Börsen, Bro- ker und Banken die Geschäfte an, die bei jedem Vorgang, Darstellung 56:, mit Provisionen beteiligt und damit immer Gewinner sind. Auch wenn diese Provisionen nur zwischen 0,2 und 1 Pro- zent der Umsätze liegen, ist dies ein Bombengeschäft. An dem Finanzplatz London lebt davon z. B. ein großer Teil der dort insgesamt im Geldgewerbe beschäftigten 1,2 Millio- nen Leute, die – je nach Abgrenzung – sieben bis zehn Pro- zent des britischen Sozialprodukts erwirtschaften! Alleine im Bereich des Devisenhandels wird in London täglich ein Gegenwert von rund 640 Mrd. Dollar umgesetzt, etwa ein Drittel des globalen Devisenumsatzes. Inzwischen über- steigen die gesamten weltweiten Finanztransaktionen den normalen Welthandel um mehr als das 50fache, und das mit zunehmender Tendenz. 1975 hatten die Transaktionen noch bei einem Viertel des Welthandels gelegen! In welchem Maße sich auf diese wundersame Weise die weltweiten Aktienwerte von der Realität gelöst haben, gibt die Darstellung 56 wieder: Während sie sich bis 1985 noch im Gleichschritt mit der Weltwirtschaft entwickelten, haben sie sich in den anschließenden 15 Jahren geradezu explosiv von dieser realen Basis entfernt. Bedenkt man, dass in den USA die Gewerkschaften et- wa zehn Prozent der gesamten Aktien halten, wird die Gespaltenheit der Interessenlage erklärbar, ebenso bei den Aktienpaketen des Vatikan. Denn bekanntlich lassen sich die höchsten Kurssteigerungen und damit Zugewinne an der Börse bei Rationalisierungen und Entlassungen von Ar- beitskräften einfahren.

Aktienspekulation und Realwirtschaft

Aufgrund der börsenbezogenen Schlagzeilen und seiten- langen Kursnotierungen in den Zeitungen, werden die Vor- gänge an den Börsen bezogen auf die Realwirtschaft oft, überschätzt. Für diese haben Finanzierungen über Bank- kredite und Schuldscheinausgaben immer noch eine größe- re Bedeutung als jene über Aktien. Auch die oft irrealen Kursschwankungen der Aktien haben weder einen direkten Einfluss auf die allgemeine Wirtschaftstätigkeit noch auf die Sachwert- oder Auftragssubstanz der jeweils betroffenen Unternehmen. Allenfalls das Prestige der Firmen wird von solchen Kursveränderungen beeinflusst, was sich mittelfris- tig natürlich auch auf die Auftragslage auswirken kann, vor allem aber auf die Finanzierungsgewinne, die Unternehmen mit der Neuausgabe von Aktien ggfs. machen. Bei Kurseinbrüchen wird auch nicht – wie häufig selbst in Wirtschaftszeitungen zu lesen – realer Reichtum vernichtet und schon gar kein Geld. Denn Aktien sind kein Geld, noch nicht einmal ein Geldguthaben, mit dem man von irgendje- mandem Geld zurückfordern kann. Aktien bestätigen lediglich einen Besitzanteil an einem Firmenvermögen, also an Gebäuden, Maschinen, Lagerbeständen, Patenten usw. Diese aber verändern sich durch Kurseinbrüche nicht und schon gar nicht werden sie dadurch vernichtet. Die den Einbrüchen vorausgehenden oft völlig irrealen Kursanstiege kommen häufig bereits durch Vermutungen, Gerüchte oder Empfehlungen von Analysten zustande. Der daraus resultierende Nachfrageschub löst dann den angekündigten Kursanstieg oft erst aus, und dieser wieder- um einen sich verstärkenden Schneeballeffekt.

Können die Kurse schwanken?

Selbstverständlich können Kurse durchaus um die realen Werte eines Unternehmens pendeln und auch als Folge berechtigter Erwartungen deutlich darüber hinaus steigen. Doch solche Anstiege werden sich nie allzu weit von den, Realitäten abheben. Zu einem solchen Abheben aber muss es zwangsläufig kommen, wenn die Zunahme der Speku- lanten bzw. des für Spekulationen eingesetzten Geldes über die Zunahme der gehandelten Aktien hinausgeht, konkret: wenn die Nachfrage nach Aktien größer ist als das Ange- bot. In solchen Fällen entsteht – genau wie auf den Güter- märkten – ein Preisauftrieb, den man im Grunde als eine Art partieller Inflation bewerten kann. Während solche partiellen Preisauftriebe bei Gütern jedoch die weitere Nachfrage abbremsen, ziehen sie auf den spekulativen Aktienmärkten noch mehr Nachfrager an. Damit verstärkt sich der Schneeballeffekt aus sich selbst heraus. Solche Überentwicklungssysteme können jedoch nur so lange funktionieren, wie sich die Zahl der Mitspieler bzw. deren eingeschossenes Geld ständig erhöht. Da diese Möglichkeit der Ausweitung jedoch irgendwann an natürliche Grenzen stösst, muss es auch irgendwann zu einem abrupten Ende dieser Eskalationen kommen. Im Prinzip handelt es sich also bei diesen Überentwick- lungen an den Börsen – ob in den Zwanziger Jahren oder in unseren Tagen – um eine Art von Kettenbrief- oder Pyra- midenspielsystem, bei dem das Gros der Mitmacher, vor allem die erst in der Schlussphase eingestiegenen, schließ- lich die Zeche bezahlen müssen. Die Vorgänge sind also im Ansatz auch vergleichbar mit jenen groß angelegten Abzo- ckereien, wie sie vor einigen Jahren in Bulgarien und Alba- nien und sogar in Deutschland praktiziert worden sind, mit Gewinnversprechungen von 70 und mehr Prozent. Auch sie funktionierten nach dem Lawinenprinzip so lange, wie immer mehr Teilnehmer immer mehr Geld hineinsteckten, und sie brachen zusammen, als dies nicht mehr gesichert war. Und wie bei diesen Spielen am Ende nicht nur Hoff- nungen, sondern auch Geldvermögen vernichtet werden, so ist das auch bei den Börsenspekulationen bei einem gro-, ßen Crash mit Firmenzusammenbrüchen der Fall. Denn während bei einer festverzinsten Bankeinlage, selbst bei der Pleite einer Bank, die Einlage normalerweise durch Sicherungsfonds und notfalls auch den Staat gesichert ist, gibt es das an der Börse nicht. Dort bleibt nur der reale Restwert des Unternehmens als Deckung übrig. Angesichts der positiven Wirkung einer solchen Ver- nichtung zu viel vorhandener Geldvermögen, könnte man einen solchen Crash also als einen Beitrag werten, mit dem sich das kapitalistische System noch einmal für einige Zeit über die Runden rettet bzw. neu beginnen kann, ohne Revolution und Schlimmeres.

Gibt es auch partielle Kurseinbrüche?

Natürlich können solche massiven Vermögensverluste an den Börsen auch partiell stattfinden, z. B. bezogen auf bes- timmte Branchen. Nach Zeitungsberichten vom Mai 2000 haben z. B. Amerikas Onlineunternehmen fast ausnahms- los zwischen 50 und 90 Prozent ihres Börsenwerts verloren. Und ein Drittel der 272 Internetaktien, die 1999 erstmals gehandelt wurden, sind inzwischen weniger wert als zum Zeitpunkt ihrer Ausgabe (»Die Zeit« vom 11. 5. 2000). Hier haben die Käufer also allesamt durchweg deutliche Verlus- te wegstecken müssen, letztlich zugunsten der ausgebenden Unternehmen, die oft den größten Teil des eingesackten Geldes für Werbung ausgegeben haben. Mit den Geldvermögen der Spekulanten ist aber keines- falls wie manche annehmen – das eingesetzte Geld aus der Wirtschaft verschwunden. Denn das ist ja auf irgendeine Weise ausgegeben worden und jetzt z. B. in den Taschen jener Subunternehmen, die von den Pleitefirmen mit Auf- trägen beschäftigt wurden. Doch selbst wenn die Firmen-, gründer einige Millionen auf die Seite schaffen und auf irgendwelchen Konten unterbringen konnten, ist auch das Geld über die damit getätigten Kreditvergaben der Banken weiterhin im Umlauf. Zu welchen fast schon absurden Zuständen es über die Kurseuphorien an den Börsen kommt, vor allem auf den so genannten Neuen Märkten, wird an den oft völlig irrealen Diskrepanzen zu den tatsächlichen Firmenwerten deutlich. So konnte in den USA eine Firma, die über Internet Flugti- ckets verkaufte, einen größeren Börsenwert verbuchen als mehrere Fluggesellschaften zusammen. Manche Firmen verschenken sogar auf der Straße Gutscheine, um den Umsatz zu fördern, oder kaufen Kundenadressen für Prei- se, die höher sind als der zu erwartende Jahresumsatz, usw. Kurz, die über die Börsen bei Aktionären und Kapitalge- bern eingesammelten Milliarden werden in manchen Fäl- len regelrecht auf den Kopf gehauen.

Derivate und andere Variationen der Spekula-

tion Durch die Geldanlage an den Aktienbörsen wird der nor- male Kreditmarkt von allzu großen Angeboten an Geld entlastet. Das heißt, die Zinsen an den Kapitalmärkten geraten weniger in Gefahr, nach unten in Richtung deflati- onskritischer Grenzen abzusinken. Da aber auch die nor- malen Anlagemöglichkeiten an den Börsen ihre Grenzen finden und man die Kurse nicht ins Endlose hochtreiben kann, werden immer neue Möglichkeiten ausgebrütet, die überschießenden Geldvermögen auf andere Weise ein- und aufzufangen. Dazu gehören z. B. die so genannten Deriva- te, also abgeleitete Finanzprodukte, denen andere Finanz- geschäfte zugrunde liegen. Sie werden zwar unter den ver-, schiedensten Namen wie Futures, Optionen oder Swaps gehandelt, sind aber mehr oder weniger mit Wetten zu ver- gleichen, Wetten auf Veränderungen von Zinsen, Aktien- oder Wechselkursen. Bei diesen Wetten kann man mit klei- nen Einsätzen große Gewinne machen, aber natürlich auch große Verluste. Auch für diese Derivatgeschäfte haben sich nicht nur kaum kontrollierte eigene Märkte entwickelt, sondern auch große spezielle Fonds. Einer der größten dieser so ge- nannten Hedge-Fonds, der allerdings nur für Banken und normale Fonds mit Einlagen in mehrstelligen Milliarden- größen zugänglich war, der LTCM, machte Ende 1998 mit einer Milliardenpleite Schlagzeilen. Und da die Verluste für manche an den Geschäften beteiligten Banken exis- tenzbedrohlich und die daraus möglichen Folgen unabseh- bar waren, hatten sich sogar die amerikanische Zentral- bank und einige Großbanken in der Welt an einer Ret- tungsaktion über Nacht beteiligt. Nach Insiderangaben sol- len dazu mehr als drei Mrd. Dollar erforderlich gewesen sein. Dieses Beispiel zeigt noch einmal, dass am Ende aller Spekulationen allzu oft die Allgemeinheit die Verluste bezahlen muss, und damit auch diejenigen, die an diesen ganzen Börsenlotterien nicht beteiligt waren. Oder anders ausgedrückt: Dass auch hier die Gewinne fast immer priva- tisiert, die Verluste aber oft sozialisiert werden. Besonders peinlich und blamabel war bei der LTCM-Pleite, dass er von zwei Professoren gemanagt wurde, die ausgerechnet für ihre Forschungen in Finanzfragen vor wenigen Jahren den Nobelpreis erhalten hatten! Aber nicht nur solche Derivate haben große Hebelwir- kungen. Auch an den normalen Aktienbörsen kommt es oft durch relativ geringe Umsätze zu ernormen Wertverlusten oder -gewinnen, auch wenn sich diese erst einmal nur auf, dem Papier der Kurstabellen niederschlagen. Wenn z. B. der Kurs von 100 000 Aktien bei 100 steht und heute an der Börse 5 000 dieser Aktien angeboten, aber nur 1 000 nach- gefragt werden, dann wird zwangsläufig – wenn der Handel nicht ausgesetzt wird – der Preis der Aktien an der Börse deutlich unter die bisherige Marke von 100 absinken. Das aber betrifft nicht nur die 1 000 verkauften Papiere, son- dern auch die Kurse der übrigen 99 000 Aktien. Der Gesamtumfang der Verluste ist also auf dem Papier um ein Vielfaches höher als die an der Börse realisierte Diffe- renz.

Das Problem der Wechselkursspekulation

Ein anderes Spielfeld neben den Wertpapierbörsen sind die Devisenbörsen, an denen Währungen ge- und verkauft wer- den. Dabei geben die so genannten Wechselkurse jeweils den Preis einer Währung wieder, ausgedrückt in einer ande- ren. Ein Wechselkurs von 1:2 zwischen Dollar und DM besagt beispielsweise, dass man für einen Dollar zwei Mark geben muss bzw. für einen Dollar zwei Mark erhält. Vor nicht allzu langer Zeit konnte man an den Wechsel- kursen noch die tatsächliche Kaufkraft der verschiedenen Währungen ablesen, denn sie spielten sich tendenziell so ein, dass man mit dem eingetauschten Geld im anderen Land in etwa die gleichen Gütermengen erwerben konnte wie mit dem eigenen Geld im eigenen Land. Solche Kurse, die die ›Kaufkraftparität‹ der Währungen widerspiegeln, veränderten sich entsprechend langsam. Entweder als Fol- ge unterschiedlicher Leistungsentwicklungen in den Volks- wirtschaften oder unterschiedlicher Kaufkraftveränderun- gen der beteiligten Währungen. Diese Zeiten paritätischer Wechselkurse sind jedoch, längst vorbei. Der Kauf und Verkauf von Währungen fin- det heute nur noch zu einem Bruchteil für Handels- oder Urlaubszwecke statt. Vielmehr hat man das dafür benötigte Geld inzwischen selbst zu einem Handelsobjekt gemacht, in das man mit seinen Finanzanlagen laufend ein- und umsteigt. Das heißt, ausländisches Geld wird letztlich nur gekauft, manchmal nur für Tage oder Stunden, um es dann erneut – ohne es genutzt zu haben oder überhaupt nutzen zu wollen – wieder zu verkaufen. Beeinflusst werden diese Ein- und Umstiegsentscheidungen vor allem von Zinssatz- unterschieden oder von erwarteten Wechselkursänderun- gen, die man mit diesen massierten Käufen oder Verkäufen oft erst auslöst.

Was sind die Folgen der Währungsspekulationen?

Eingebürgert hatte sich dieser spekulative Missbrauch der Währungen bereits Anfang der 70er Jahre, als die weitere Aufrechterhaltung der in Bretton Woods festgelegten star- ren Wechselkurse immer fragwürdiger wurde. Denn wer damals die immer notwendiger werdende Abwertung des Dollars durch Käufe der zu niedrig eingestuften Währun- gen vorwegnahm, konnte in kurzer Zeit Gewinne einfah- ren, die alle anderen Möglichkeiten leistungsloser Einkom- men weit in den Schatten stellten. Auch bei den später immer wieder versuchten Fest- schreibungen der Wechselkurse boten sich solche Geschäf- te an. Je größer dabei die zum Einsatz kommenden speku- lativen Geldmassen wurden, umso weniger waren die Staa- ten bzw. Notenbanken in der Lage, die Wechselkurse über längere Zeiträume durch Stützungskäufe oder -verkäufe gegen die Spekulation zu verteidigen. Man denke nur an die Spekulationen gegen Pfund und Lira Anfang der 90er, Jahre, mit denen selbst die Bank von England in die Knie gezwungen wurde. Dabei konnte von einem einzelnen Spe- kulanten namens George Soros in wenigen Tagen ein Gewinn in Höhe von fast einer Milliarde Dollar gemacht werden. Und während im Allgemeinen Gewinne an den Börsen zu Lasten anderer Spekulanten gehen, müssen bei solchen Spekulationen gegen die Notenbanken die Steuer- zahler die Zeche bezahlen. Auch bei diesen Spekulationen an den Devisenmärkten kommt es letztlich immer darauf an, im richtigen Moment ein- und wieder auszusteigen. Verpasst man den richtigen Moment des Umsteigens bzw. vertraut man allzu lange den Versprechungen fester Wechselkurse, wie z. B. in den Tigerstaaten 1998, kann dies zumindest bei längerfristigen Anlagen mit Milliardenverlusten verbunden sein. Deshalb werden solche Anlagen tendenziell mit immer kürzeren Laufzeiten getätigt. Das verringert zwar das Risiko der Anleger, vergrößert aber das der sowieso am kürzeren Hebel sitzenden und fast immer ärmeren Länder. Ein mas- siver Rückzug ausländischen Kapitals hat für die davon betroffenen Länder wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen, die weit über die Verluste der Spekulanten hinaus- gehen. Man denke nur daran, welche gewaltigen Konjunk- tureinbrüche die ostasiatischen Länder 1998 verkraften mussten, bis hin zu Verarmungen und Notlagen in der Bevölkerung, die in einigen Fällen zu gewaltsamen Reak- tionen und fast bürgerkriegsähnlichen Aufständen führten. Die Verluste der Anleger wurden dagegen meist noch durch Maßnahmen der Banken oder Einsätze des Welt- währungsfonds ausgebügelt. Grundsätzlich betrachtet, verhalten sich die Spekulanten in solchen Fällen wie Verkehrsrowdies, die eine Massenka- rambolage mit vielfachen Sach- und Personenschäden aus- lösen und dann mit einigen Kratzern auf der eigenen, Karosserie Fahrerflucht begehen, und das auch noch, ohne eine Bestrafung befürchten zu müssen. Dass auch die Regierungen in den von solchen Kapitalrückzügen betrof- fenen Ländern eine Mitschuld trifft, z. B. durch zu lange Bindungen an nicht mehr realistische Kurse, zu hohe Zins- versprechen oder auch politische Fehler, ist sicher unbe- stritten, aber keine Entschuldigung für die reichen Natio- nen, die in diesen Ländern ihre weiterhin wuchernden Geldvermögens-Überschüsse möglichst ohne eigenes Risi- ko abzuladen versuchen. Schon vor Jahren hat die Weltbank festgestellt, dass etwa 15 bis 20mal so viele Milliarden weltweit über die Grenzen transferiert werden, wie der Welthandel erforderlich macht. Inzwischen sind die Diskrepanzen vielmals größer. Das heißt, unsere Welt ist von gewaltigen Kapitaltransfers belastet, die keine Käufe oder Investitionen im Sinn haben, sondern nur auf Spekulationsgewinne aus sind. Und wie die Geier bei einem verendenden Wild, sammeln sie sich vor allem in der Nähe ›verendender‹ Wechselkurse bzw. Wäh- rungen oder lösen ihr Absterben sogar selbst aus. Dabei pokern manchmal sogar staatliche Banken gegen ihre eige- ne Notenbank. – Der Irrsinn ist nicht mehr zu überbie- ten!

Konsequenzen

Unvorstellbar große und immer größer werdende Milliar- denbeträge an überschüssiger Kaufkraft vagabundieren inzwischen um den Erdball und überrollen Notenbanken und Politiker, die – wenn sie handeln – meist noch das Fal- sche tun. Betrachtet man das Ganze aus der Distanz, dann lassen sich sowohl die Regierungen (die das Wohl des Vol- kes mehren sollen!), als auch die Notenbankverantwortli-, chen (die die Währungen stabil halten wollen!), von den Spekulanten förmlich an der Nase vorführen. Von Speku- lanten, denen sie die Möglichkeit und Genehmigung zu die- sem ›Spiel‹ offiziell eingeräumt haben, bei dem sie selbst aber zunehmend unterliegen. Schon 1992 hatte der Direktor der Rothschild-Bank in Paris und Berater französischer Staatspräsidenten, Bern- hard Esambert, in einer Fernsehsendung die »wahnsinnige Vorherrschaft des Geldes« beklagt, die zu »einem System geführt hat, das absolut nicht mehr demokratisch kontrol- liert werden kann, weder von den Zentralbanken noch von den Nationen«. Und sogar der vormalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer, sah sich auf der Tagung der Weltelite in Davos 1996 zu dem Stoßseufzer genötigt: »Ich habe bisweilen den Eindruck, dass sich die meisten Politiker immer noch nicht darüber im Klaren sind, wie sehr sie bereits heute unter der Kontrolle der Finanz- märkte stehen und sogar von diesen beherrscht werden.« Immer mehr werden also die monetären Märkte zu einer Art von Weltregierung, die die Politiker zu Statisten und Gehilfen degradiert. Und immer mehr werden dabei die Finanzmärkte zu einer Art von Kriegsschauplatz, wie sich an den Schlagzeilen der Zeitungen ablesen lässt. Während anfangs noch locker vom »Dollar-Monopoly« die Rede war, schrieben bereits 1992 die Zeitungen von einem »Gue- rillakrieg am Devisenmarkt«, bei dem »die entscheidende Waffe« der Dollar ist, von einer »Schlacht um das Pfund« oder »Frontalangriffen auf den Franc«, die allerdings noch einmal »zurückgeschlagen« werden konnten. Auch die Einschätzungen dieser Form der Wirtschaft, die vom Spielcasino- über Turbo- und Brutalokapitalismus bis, zum Raubtierkapitalismus reichen, zeigen eine Entwick- lung auf, die sich der Gewalt immer mehr zu öffnen scheint, einer allerdings unauffälligen Art von Gewalt, die sich – ähnlich wie die versteckte Ausbeutung über den Zins (die von manchen als die raffinierteste Sklaverei bezeichnet wird) – auf eine kaum messbare Weise ständig zunimmt. Und trotzdem bleibt die ›weiße Weste‹ der Nutznießer unbefleckt. Und an den ›Hofberichten‹ der ›ehrenwerten Gesellschaft‹ ergötzt sich die Masse unserer Bürger in Dut- zenden von Magazinen auch dann noch, wenn sie selbst den Gürtel enger schnallen müssen. Damit der ›Guerillakrieg zwischen den Währungen‹ auch morgen noch weiter aufgeheizt werden kann, werden die jungen Menschen an den Schulen dazu eingeladen, in die ›Geheimnisse der Börse‹ einzusteigen und mit fiktivem Kapital das Spekulieren einzuüben. Den Erfolgreichsten werden Preise in echtem Geld in Aussicht gestellt. Über die Gefahren dieses ›coolen‹ Spiels hören sie natürlich nichts, noch weniger von seinen Hintergründen. Statt vom Lohn der Arbeit, glauben heute schon immer mehr junge Menschen, morgen durch Spekulationen viel besser leben zu können. Und die Frage, woher ohne Arbeit die Spekulationsgewinne eigentlich kommen sollen, stellt man ebenso wenig wie die nach der Herkunft der Zinsein- künfte. – Geld regiert nicht nur die Welt, es macht sie zunehmend zu einem Irrenhaus!

Darf die Freizügigkeit des Kapitalverkehrs ein-

geschränkt werden? Freiheit und Freizügigkeit können in komplexen Beziehun- gen immer nur im Rahmen einschränkender Regelungen und klarer Grenzen praktiziert werden. Grenzen für die, Freiheit ergeben sich immer dann, wenn ihre Wahrneh- mung für andere mit Einschränkungen, Nachteilen oder Gefährdungen verbunden ist. Totale Freiheiten enden zwangsläufig in Anarchie. Wer z. B. die Freizügigkeit des Straßenverkehrs so ver- steht, dass man mit beliebiger Geschwindigkeit auf jeder Straßenseite in jede beliebige Richtung fahren, alle Vor- fahrtsregelungen usw. außer Kraft setzen und den gesam- ten Verkehr dem ›freien Spiel der Kräfte‹ überlassen kann, wird den Verkehr zum Chaos und die Straßen zu einem Schlachtfeld machen. Genau dieses Freiheitsverständnis aber hält man heute beim Kapitalverkehr für natürlich und notwendig. Und die- se Art von ›Freiheit‹ wird von den Verantwortlichen in der Politik auch noch verteidigt. Selbst die von dem US-Öko- nom James Tobin schon vor Jahrzehnten vorgeschlagene geringe Steuer auf alle Spekulationsvorgänge, mit der zumindest deren Hektik etwas abgebremst werden könnte, wird weitgehend abgelehnt. Statt den Missbrauch der gewährten Freizügigkeit durch sinnvolle Regelungen ein- zuschränken, glaubt man vielmehr, weltweit die letzten noch vorhandenen Reste irgendwelcher Regelungen abbauen zu müssen, damit sich der Markt selbst helfen kann. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: Ein völlig unregulierter Markt zerstört sich selbst, nicht anders als jeder andere ungeregelte Organismus! Was heute an den Börsen abläuft, ob mit Aktien, Devi- sen, Derivaten oder anderen immer neuen Finanzinstru- menten, kommt einem Tollhaus näher als einem Gebäude, das den Menschen Raum und Möglichkeiten zum Leben und Arbeiten gewährt. Hier hat sich etwas verselbständigt, was sich nur noch unter dem Begriff ›Fieberwahn‹ subsum- mieren lässt. Ausgangspunkt und Auslöser all dieser ›Metastasen‹, ist ein Geldsystem, das von seiner Konstruk-, tion her zu einer sich beschleunigenden Selbstvermehrung konzipiert ist und damit – ganz gleich auf welche Art – zu seiner Selbstzerstörung., Teil IV Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen, 21. Kapitel

Geld und Gerechtigkeit - Die soziale Frage

»Es gibt ungerechte Strukturen, die wohl nicht aus bösem Willen entstan- den sind, sondern aus mangelnder Kenntnis der Sachverhalte. Eine sol- che ungerechte Struktur liegt in unse- rem herkömmlichen Geld vor. Unser herkömmliches Geld ist mit einem Systemfehler behaftet, der die freie Marktwirtschaft verfälscht, indem er den Geldbesitzer gegenüber allen anderen Marktteilnehmern in hohem Maße privilegiert.« Peter Knauer SJ*

Wann sind Einkommen ungerecht?

Bei ungerechten Einkommen denkt man meist an einen Ladenbesitzer, der zehnmal so viel verdient wie eine Ver- käuferin, oder an einen Schlagerstar, der für einen Abend 20 000 Dollar oder Euro kassiert. Doch solange mich niemand zwingt, einen bestimmten Laden oder eine bestimmte Veranstaltung zu besuchen, stören mich diese hohen Verdienste nicht. Aufregen kann mich allerdings, wenn der Ladenbesitzer oder der Schlagersänger den größten Teil ihrer Einkommen zur Bank tragen, weil sich * Moraltheologe, in »Gerechtes Geld – gerechte Welt«, 1991, diese Ersparnisse dann, ohne jede zusätzliche Leistung, in zehn Jahren verdoppeln und in zwanzig Jahren vervierfa- chen. Denn bei dieser Vermehrung werde auch ich zur Kasse gebeten, obwohl ich weder den Laden noch die Ver- anstaltungen des Schlagersängers jemals aufgesucht habe! Einkommen, die man ohne jede Leistung erhält, sind also viel ungerechter als alle leistungsbezogenen, auch wenn diese manchmal noch so sehr auseinander klaffen. Außerdem übertrumpfen diese leistungslosen Einkommen die leistungsbezogenen um ein Vielfaches. So beträgt das Einkommen eines Normalverdieners je Arbeitstag z. B. 100, das eines Spitzenverdieners vielleicht sogar 1 000 Dol- lar. Diese 1 000 Dollar pro Tag aber kassiert bei sieben Pro- zent Verzinsung auch ein fünffacher Millionär, und zwar ohne einen Handschlag zu tun. Ein 50facher Millionär kas- siert diesen Betrag sogar alle 144 Minuten und ein 500facher Millionär etwa viermal in der Stunde, womit er in 24 Stunden auf rund 100 000 Dollar kommt. Und einem fünffachen Dollarmilliardär fallen die 1 000 Dollar alle 90 Sekunden in den Schoß, was sich im Tages- und Nachtver- lauf auf rund eine Million Dollar addiert! Seltsamerweise regt sich über solche leistungslosen Mammuteinkommen kaum jemand auf. Vielleicht liegt das daran, dass man sich ein zehnfaches Einkommen noch vor- stellen kann, aber kein hundert-, tausend- oder zehntau- sendfaches. Oder daran, dass jeder davon träumt, selbst einmal zu diesen Zinsgewinnern zu gehören, und sei es auch nur durch einen Lotteriegewinn.,

Welches Unrecht geht von Inflationen aus?

Inflationen bewirken einen Kaufkraftverlust des Geldes. Dieser Kaufkraftverlust lag in Deutschland beispielsweise in den letzten 50 Jahren insgesamt bei fast 80 Prozent. Das heißt, die DM von 1950 war im Jahr 2000 kaum noch 20 Pfennig wert. Geht man vom langfristigen Durchschnitt aus, dann gingen jedes Jahr etwa drei Prozent der Kaufkraft verloren. Im Allgemeinen nimmt man an, dass die Folgen einer solchen Inflation von drei Prozent durch eine Anhebung der Löhne und Gehälter um diesen Satz ausgeglichen wer- den können. Das trifft jedoch nur dann und so lange zu, wie sich der inflationäre Preisauftrieb nur auf die Handels- und Leistungspreise auswirkt. Versuchen jedoch nicht nur die Leistungserbringer, sondern auch die Geldguthabenbesit- zer ihre inflationsbedingten Verluste auszugleichen, dann kommt es zu problematischen Effekten, weil diese Geld- vermögen die leistungsbezogenen Größen inzwischen mehrfach übersteigen. So lagen beispielsweise 1998 die gesamten Geldvermögen bei 9 492 Mrd. DM und damit beim 2,6fachen des Sozialprodukts, beim 3,5fachen des Volkseinkommens, beim 4,5fachen der Haushaltsausgaben und beim Sechsfachen der Bruttolöhne und -gehälter, von 1 600 Mrd. DM. Erhöhen also die Geldguthabenbesitzer zum Inflationsausgleich ihre Zinsforderungen z. B. um drei Prozent, dann schlägt dieser Erhöhungsbetrag mit 297 Mrd. DM zu Buche, während ein dreiprozentiger Inflationsaus- gleich bei den Bruttolöhnen und -gehältern nur eine Erhö- hung von 48 Mrd. erbringt. Das heißt, mit der Lohnanhe- bung von drei Prozent können zwar die inflationsbedingt erhöhten Preise ausgeglichen werden, nicht aber die inflati- onsbedingten Anhebungen der Zinsforderungen. Außer- dem müssen diese zwangsläufig – wenn auch mit Verspä-, tung – in den Preisen durchschlagen oder sie müssen durch Senkungen der Löhne und/oder anderen Arbeitseinkom- men ausgeglichen werden. Im Gleichschritt mit der allgemeinen dreiprozentigen Einkommensanpassung würden sich die Zinserträge und -lasten nur dann erhöhen, wenn sie ebenfalls um drei Pro- zent ansteigen würden. Das heißt, ein Zinsbezieher der über ein Geldvermögen von 10 000 DM verfügt und bei sechs Prozent Verzinsung 600 DM Zinsen erhält, dürfte dann statt der bisherigen 600 DM nur 618 DM verlangen, so wie auch ein Arbeiter mit 600 DM Wochenlohn nur eine Erhöhung um 18 DM als Inflationsausgleich erhält. Der Geldvermögensbesitzer bezieht aber seine Mehrforderung von drei Prozent auf die 10 000 DM Vermögen und bean- sprucht statt der bisherigen 600 DM nun 900 DM, was einer Erhöhung seiner Einnahmen um 50 Prozent entspricht! Aus der Sicht des Sparers, der die inflationsbedingten Kaufkraftverluste seines Guthabens ausgleichen will, erscheint das richtig und gerecht. Man kann aber mit Recht fragen, warum die Sparer diese Absicherung ihrer Vermö- gen zu Lasten der Allgemeinheit durchsetzen können, die dabei der Verlierer ist. Denn da das Gros aller Zinsen letz- tendlich über die Preise an die Endverbraucher weitergege- ben wird, werden dafür alle Bürger herangezogen, auch diejenigen, die selbst keine oder nur geringe Ersparnisse haben. Besonders gravierend wirkt sich dieser Effekt bei den Wohnungsmieten aus, die sich – wie im Kapitel 18 dargelegt – mit jedem Zinsanstieg um einen Prozentpunkt um 10 bis 14 Prozent erhöhen. Diese Anhebung der Mieten ist in der Schweiz sogar gesetzlich geregelt: Bei einem Anstieg der Hypothekenzinsen von 0,5 Prozent, können die Mieten um sieben Prozent angehoben werden.,

Zu welchen Ungerechtigkeiten führt der Zins?

Geht man von den gesamten Zinstransfer-Größen aus, dann stehen allen Zinslasten entsprechend große Zinserträge gegenüber. Das heißt, der Saldo aller Zinsströme ist rechne- risch immer gleich Null. Weiterhin kann man davon ausge- hen, dass fast jeder Bürger sowohl Zinszahler als auch Zin- sempfänger ist. Wären beide Zinsströme bei jedem Haus- halt ausgeglichen, gäbe es durch den Zins kein Gerechtig- keitsproblem. In Wirklichkeit aber stehen den Zinszahlun- gen nur in den seltensten Fällen gleich hohe Zinserträge gegenüber. Diese Asymmetrie der zu tragenden und der erhaltenen Zinsgrößen ist die Ursache der damit verbunde- nen Umverteilung. Da jedoch alle zur Verteilung anstehen- den Einkommen allein aus Arbeit stammen, handelt es sich bei allen Zinsströmen letztlich immer um eine Einkom- mensumschichtung von der Arbeit zum Besitz. Die vom Deutschen Sparkassenverlag herausgegebene Zeitschrift »Wirtschaftsspiegel« hat diesen Tatbestand im Leitartikel ihrer Ausgabe zum Weltspartag 1989 wie folgt bestätigt: »Der Zins hat eine schöne und eine hässliche Seite. Es ist schön, seine Sparguthaben ohne weiteres Zutun vermehrt zu sehen. Die Zinsbelastungen für Bankkre- dite sind aber eine Quelle steten Missvergnügens. Im schlimmsten Falle bedeuten sie den wirtschaftlichen Ruin.« Und weiter heißt es in dem Text: »Zwar kann jeder Geschäftsfähige in den ›Genuss‹ beider Seiten kommen, aber bei einer Gesamtbetrach- tung von Zinsgeben und Zinsnehmen zeigt sich, dass, Freud und Leid recht asymmetrisch verteilt sind. Grund ist die ungleiche Vermögensverteilung.« Diese ungleiche Vermögensverteilung bewirkt, dass zwar jeder Bürger mit allen seinen Aus- und Abgaben Zinsen zahlen muss, dass aber die Höhe der an ihn zurückfließen- den Zinsen von der Höhe seines Vermögens bestimmt wird. Wie im Kapitel 18 dargelegt, kann man als Faustregel inzwischen davon ausgehen, dass im Schnitt 40 Prozent aller Ausgaben in den Zins-Umverteilungstopf fließen. Bei Jahresausgaben eines Haushalts in Höhe von 30 000 Euro sind das z. B. 12 000 Euro. Ausgeglichen werden diese Zins- lasten also nur dann, wenn er in Höhe von 12 000 Euro auch über Zinseinnahmen verfügt. Das aber würde, bei einer Verzinsung von fünf Prozent, ein zinsbringendes Vermögen von 240 000 Euro erfordern, also ein Vermögen, das dem Achtfachen der Jahresausgaben entspricht. Die jeweiligen Relationen zwischen zinsbringendem Vermögen und den jährlichen Ausgaben entscheiden also darüber, ob der Haushalt zu den Gewinnern oder Verlierern des Zins- Monopoly-Spiels gehört. Die Vermutung liegt nun nahe, dass etwa die Hälfte der Haushalte bei diesem Spiel gewinnt und die andere Hälfte verliert. Das wäre auch der Fall, wenn die Verteilung der Vermögen wie der Ausgaben linear bzw. mit gleicher Pro- gressivität ansteigen würde. Das aber trifft nicht zu. Zwar wachsen in der Realität beide Größen mit zunehmender Beschleunigung, aber der Anstieg der Vermögen ist deut- lich steiler als derjenige der Einkommen und Ausgaben. Dadurch verschiebt sich der Umverteilungsschnittpunkt zu den größeren Vermögen hin. Das heißt, die Anzahl der Ver- liererhaushalte ist wesentlich größer als die der Gewin- ner.,

Wie verteilen sich die Vermögen?

Die Größe der Vermögen haben wir am Beispiel Deutsch- land bereits in Kapitel 16 dargelegt, in der Darstellung 45 auch schon etwas über die Verteilung der Geldvermögen. Als Einstieg in die Verteilung der gesamten Privatvermö- gen in Deutschland wird in der Darstellung 57 Zahlenmate- rial verwendet, das vom Deutschen Institut für Wirtschafts- forschung (DIW) in Berlin im Wochenbericht 4/96 veröf- fentlicht worden ist. Daraus geht sowohl die Zusammenset- zung der Vermögen wie deren Verteilung auf sieben Haus- haltsgruppen hervor. Die Zahlen in den Tabellen und vor allem deren grafi- sche Umsetzung lassen die Unterschiedlichkeit der Vermö- gensverteilung innerhalb der Haushalte erkennen. Dabei ist allerdings das Vermögen der reichsten Haushaltsgruppe nur begrenzt darstellbar. Denn setzt man bei der Gruppe B (Durchschnitt 50 000 DM) eine Höhe von zwei Millimetern ein (etwa so hoch wie die Druckbuchstaben dieses Buches), dann entspricht ein Vermögen von fünf Millionen fast der Höhe einer Buchseite. Zur Darstellung eines Vermögens von 5 Milliarden aber müsste man 1 000 Bücher hochkant aufeinander stellen! Würde man die eigengenutzten Immobilien, die ja keine Zinsen erbringen, aus den Gruppen herausrechnen, wäre die Diskrepanz der ersten fünf Gruppen zu den beiden letz- ten und reichsten Gruppen noch gravierender. Denn in die- sen letzten Gruppen konzentrieren sich, neben den Geld- vermögen, vor allem die Zins bringenden Anlagevermö- gen, während die eigengenutzten Immobilien hier nur eine geringere Rolle spielen., Darstellung 57:,

Wie kann man die Größe der Zinsströme ermit-

teln? In der Darstellung 58 sind als Grundlage der Zinsströme die Verteilung der privaten Vermögen und verfügbaren Einkommen der Haushalte in Westdeutschland wiederge- geben, verteilt auf zehn gleich große Haushaltsgruppen. Für diese Darstellung wurden diverse statistische Unterla- gen ausgewertet, unter Hinzuziehung einiger älterer Unter- suchungen der Professoren Engels, Mierheim, Wicke und Miegel, abgestimmt auf die westdeutschen Gegebenheiten des Jahres 1990. Die schwarzen Säulen in der Darstellung stehen für das zinsbringende Vermögen der Haushalte, die hellen für deren verfügbare Einkommen. Die eingetragenen Zahlen geben die Durchschnittswerte für jeden einzelnen Haushalt in den jeweiligen Gruppen in Tausend DM wieder. Um die Ausgaben der Haushalte zu ermitteln, auf die bezogen die jeweiligen Zinslasten nachstehend verteilt werden, wurden bei den Einkommenssäulen die Ersparnis- quoten abgetragen. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Ersparnisbildungen bei den kleinen Einkommem äußerst gering sind und mit den Einkommen überproportional an- steigen. Ähnliches gilt für die Zinserträge, da die großen Vermögen durchweg höher verzinst werden als die kleinen. Diese Zinserträge wurden auf die Vermögenssäulen gestri- chelt aufgesetzt. Wenn man jetzt in einem vergrößerten Maßstab die Zins- erträge der zehn Gruppen grafisch wiedergibt und ihnen die in den Ausgaben enthaltenen Zinslasten gegenüberstellt, dann ergibt sich das in der Darstellung 59 zu sehende Vertei- lungsbild., Darstellung 58:, Darstellung 59: Wie daraus ersichtlich, übersteigen bei den ersten acht Haushaltsgruppen die Zinslastanteile deutlich die Zinser- träge. Innerhalb der neunten Gruppe kommt es dann zu einer Umkehrung der Situation und in der zehnten Haus- haltsgruppe liegen die Zinserträge weit über den zu tragen-, den Zinslasten. Die aus den Zahlen dieser beiden Gruppen zu errechnende positive Differenz entspricht logischerweise der negativen Gesamtdifferenz bei den acht ersten Haus- haltsgruppen. Das heißt, die Nachteile der Zinstransfers bei etwa 85 Prozent der Haushalte schlägt sich in gleicher Höhe als Gewinn bei den reichen 15 Prozent der Haushalte nie- der. Wie sich das für die einzelnen Haushalte auswirkt, geht aus der Saldenberechnung in der Darstellung hervor.

Was ergibt sich aus der Saldenberechnung?

Die Auswirkungen der zinsstrombedingten Umverteilun- gen werden noch deutlicher, wenn man – wie in der Darstel- lung 60 – die positiven und negativen Saldierungsergebnis- se in einem nochmals vergrößerten Maßstab aufträgt. Vergleicht man die Situation in den einzelnen Gruppen, dann zeigt sich, dass in absoluten Zahlen die Haushalts- gruppen 4–6 die größten Negativ-Salden zu verkraften hat- ten. Relativ, also gemessen an dem Verhältnis zum Einkom- men, waren jedoch die ärmsten Haushaltsgruppen 1 und 2 die größten Verlierer, da hier den Zinslasten so gut wie kei- ne Zinserträge gegenüberstanden. Außer den (dunklen) Säulen, die einer angenommenen durchschnittlichen Guthabenverzinsung von 5,6 Prozent entsprechen, sind zusätzlich auch noch die Säulengrößen bei einem Durchschnittszins von 8,4 Prozent eingetragen. Sie lassen erkennen, in welchem Maß mit steigenden Zins- sätzen sowohl die Verluste als auch die Gewinne in die Höhe gehen, konkret: in welchem Umfang die zinsbeding- ten Umverteilungen von den ärmeren zu den reicheren Haushalten zunehmen und welcher soziale Sprengstoff mit Hochzinsphasen verbunden ist. Der Vergleich der unter- schiedlichen Zinssätze lässt aber auch erkennen, welche, Darstellung 60: positiven Effekte von Zinssenkungen unter die heute übli- chen Sätze ausgehen könnten.,

Wie groß sind die gesamten Zinstransfers zwi-

schen Gewinnern und Verlierern? Addiert man bei den ersten acht Haushaltsgruppen die gesamten negativen Salden, dann ergaben sich bei dieser Berechnung für 1990 Verluste in Höhe von rund 116 Mrd. DM. Die gleiche Summe ergab sich als Gewinnsaldo für die letzten beiden Gruppen. Das heißt konkret: 1990 wur- den die acht ärmeren Haushaltsgruppen durch die Zins- transfers netto um 116 Mrd. ärmer und die zwei reichsten Gruppen – weitgehend die zehnte – um die gleiche Summe reicher. Bei einem Durchschnittszins von 8,4 Prozent hätte der Nettoverlust bzw. der -gewinn sogar 174 Mrd. DM betragen. Rechnet man diese Transfergrößen auf die Kalendertage um, dann flossen jeden Tag netto etwa 318 Millionen DM von den acht Verlierergruppen zu den bei- den Gewinnergruppen, in Hochzinsphasen entsprechend mehr. Inzwischen haben sich diese Transferbeträge, verstärkt noch durch die Wiedervereinigung mit der ehemaligen DDR, auf mindestens das Doppelte vergrößert. Und auf- grund des Überwachstums der Geldvermögen und Schul- den nehmen sie zwangsläufig auch weiterhin überpropor- tional zu. Das gilt auch für den durchschnittlichen Zinslast- anteil in allen Preisen, der bereits Ende der 90er Jahre bei 40 Prozent angesiedelt werden musste. Der ehemalige Oberbürgermeister von München, Georg Kronawitter, SPD, hat zu diesen Vorgängen bereits Anfang der 90er Jahre einmal kommentiert: »In der Bundesrepublik ist, binnen zehn Jahren, eine riesige Verschiebung von Vermögen und Reichtum zuwege gebracht worden, die jedes soziale Gleichge- wicht zerstört hat. Ich bin sicher, dass die Verteilungs-, kämpfe heftiger werden, aber immer weniger zu ver- teilen sein wird.« Allerdings hat diese Umverteilung nicht erst zehn Jahre vor diesem Zitat begonnen, sie tritt nur immer deutlicher her- vor., 22. Kapitel

Die Folgen der zinsbedingten Einkommens-Umverteilung

»Die Tatsache, dass ein Fünftel der Menschheit immer reicher und vier Fünftel immer ärmer werden, das liegt natürlich an unserer Wirtschafts- art und ganz speziell an unserem Geldsystem. Ich glaube, dass an die- sem Geldsystem etwas geändert wer- den muss, um zu irgendeiner Art von Gleichgewicht in der Welt zu kom- men.« Michael Ende*

Die Hintergründe der ›Neuen Armut‹

Der frühere deutsche Gewerkschaftsführer Ernst Breit hat bereits Ende der 80er Jahre davon gesprochen, dass in Deutschland einer zunehmenden verschämten Armut ein zunehmender unverschämter Reichtum gegenübersteht. Und in einer süddeutschen Zeitung war nicht viel später davon zu lesen, dass »die Armut in der reichen Republik wächst«, gleichzeitig aber auch die Zahl der Millionäre. In Deutschland hat man für diese Entwicklung den Begriff ›Neue Armut‹ geprägt und in der Schweiz ›Working Poor‹, um zum Ausdruck zu bringen, dass diese Armut nicht nur die Arbeitslosen trifft. Selbst in den Parlamenten hat es * Buchautor, aus einem Programmheft des Münchener Volkstheaters, bereits Debatten zu diesem Thema gegeben und es wur- den so genannte ›Armutsberichte‹ vorgelegt. Die andere Seite der Medaille, die Entwicklung des Reichtums, hat bisher leider weniger Beachtung gefunden, obwohl dessen Zunahme letztlich die Ursache der Armutsentwicklung ist, auch wenn das im ersten Moment widersprüchlich erscheint.

Kann es auch ohne Reichtum Armut geben?

Reichtum ist ohne Zweifel ein relativer Begriff. Achtzig Prozent der Erdbewohner werden z. B. einen Sozialhil- feempfänger in den Industrienationen als reich einstufen und ihn um seinen Wohlstand beneiden. Aus der Sicht eines Managers in den reichen Ländern ist er dagegen arm. Sinn- voll ist es darum, Arm und Reich zuerst einmal vor dem Hintergrund der nationalen Gegebenheiten zu analysieren. Grundlage solcher Analysen könnte zwar auch die Vertei- lung der Vermögen sein, mangels ausreichender Unterla- gen ist es aber einfacher, die Einkommen dafür heranzuzie- hen, aus denen sich letztlich die Vermögen bilden. Um für solche Analysen auch länderübergreifende Anhalts- und Vergleichsgrundlagen zu schaffen, hat man sich in den Sozialwissenschaften auf einen groben Raster geeinigt: Von Armut spricht man, wenn das Haushaltsein- kommen unter 50 Prozent des Landesdurchschnitts liegt, von Reichtum, wenn das Einkommen die doppelte Höhe des Durchschnitts übersteigt. Das heißt, Einkommensun- terschiede im Mittelfeld können bis zum Verhältnis 1:4 aus- einander liegen. Erst darunter bzw. darüber kommt es zu den angeführten Klassifizierungen Arm bzw. Reich. Natürlich kann man über solche Grenzziehungen strei- ten. Aber immerhin erlauben und erleichtern sie sowohl, den Vergleich zwischen Vergangenheit und Zukunft inner- halb der Länder wie auch Vergleiche zwischen ihnen, selbst bei unterschiedlich entwickelten Ländern oder Regionen. Vor allem aber – und damit kommen wir zu dem entschei- denden Thema – wird mit Hilfe dieser Grenzziehungen nachweisbar, dass Armut und Reichtum einander bedin- gen, und das gilt vor allem für deren zunehmende Polarisie- rung.

Wie unterscheidet sich die Armut in Europa?

Legt man den vorgenannten Armutsmaßstab von 50 Pro- zent des Durchschnittseinkommens an die Mehrzahl der EU-Länder an, dann ergeben sich die in der Darstellung 61 veranschaulichten Anteile. Darstellung 61:, Wie ersichtlich, sind die hier ausgewiesenen Unterschiede erheblich. In Portugal, Griechenland und Großbritannien gibt es etwa zwei- bis dreimal mehr arme Haushalte als in Dänemark, Deutschland oder Belgien. Auch wenn die hohe Armut in Großbritannien etwas irritiert, wird man die Gege- benheiten in den südeuropäischen Ländern allzu rasch als eine Bestätigung bekannter Vorurteile deuten. Doch diese Deutung wäre nur zutreffend, wenn für die Einstufung der Armut in den Ländern die europäischen Durchschnittswer- te herangezogen würden. Die in der Grafik wiedergegebe- nen Armutsanteile beziehen sich jedoch immer auf den Durchschnitt des betreffenden Landes. Sie geben also je- weils die relative Armut innerhalb der Grenzen wieder. Die- se aber kann jeweils nur dann größer werden, wenn auch der Reichtum und damit die Diskrepanz zwischen beiden Be- reichen zunimmt.

Wie kommt es zu den Wechselbeziehungen zwi-

schen Arm und Reich? Wie bereits angeführt, wird zur Ermittlung dieser Beziehun- gen das so genannte verfügbare Einkommen der Haushalte als Grundlage herangezogen. Diese Einkommensgröße resultiert aus den Nettoeinkünften aus Arbeit und Vermö- gen sowie den staatlichen Transferzahlungen an die Haus- halte. In Deutschland lag dieses verfügbare Einkommen 1999 bei 2 470 Mrd. DM. Umgelegt auf die etwa 36 Millionen Haushalte bzw. Erwerbstätigen ergab sich ein jährliches Durchschnittseinkommen von rund 70 000 DM, im Monat also von knapp 6 000 DM. Geht man von dieser Durchschnittsgröße von 70 000 DM aus, dann lag die in halber Höhe fixierte Armutsgrenze also bei 35 000 DM, die in doppelter Höhe fixierte Reichtums-, grenze bei 140 000 DM. Haushalte, die diese Grenzen nach unten bzw. oben überschreiten, werden demnach statistisch als arm bzw. reich eingestuft. Aufgrund dieser Schwankungen der Einkommen um den Durchschnittswert, könnte man zuerst einmal anneh- men, dass die eine Hälfte der Haushalte über und die ande- re unter dem Durchschnitt liegt. Wie bei dem Drehpunkt einer Wippe muss dann der Balken auf der einen Seite im gleichen Maß nach unten gehen, wie er auf der anderen Sei- te ansteigt. Da die Summe aller über dem Durchschnitt lie- genden Einkommen immer der Summe aller unter ihm lie- genden entsprechen muss, kann der Drehpunkt auch außer- halb der Mitte liegen. Soll die Verteilung sowohl die Armutsgrenze als auch die (doppelt so weit entfernte) Reichtumsgrenze erreichen, muss der Drehpunkt aus der Mitte nach rechts verschoben werden. Ausgehend von einigen Vorgaben (etwa 25 Prozent der Einkommen liegen über dem Durchschnitt, 5 Prozent über der Reichtumsgrenze und etwa 15 Prozent unter der Armutsgrenze), ergibt sich in Deutschland die in der Dar- stellung 62 wiedergegebene Verteilung. Die schraffierten Flächen lassen erkennen, dass die über dem Durchschnitt liegenden Einkommensanteile auf der rechten Seite immer so groß sein müssen wie die unter dem Durchschnitt liegenden auf der linken Seite. Und je mehr auf der rechten Seite die Einkommen in die Höhe schießen, umso eher fallen auf der linken Seite Einkommen unter die Armutsgrenze. Zunehmende Armut in einem Land ist also immer ein Zeichen überproportional wachsenden Reich- tums! Wenn also in Ländern wie Portugal oder Großbritannien der Armutsanteil besonders groß ist, dann ist das kein Beweis für einen allgemeinen geringeren Wohlstand. Auch dort könnte das Durchschnittseinkommen genau dem, Darstellung 62:, deutschen entsprechen. Die dortige höhere Armutsquote beweist nur, dass der Wohlstand einer extremeren Vertei- lung unterliegt, die Diskrepanzen zwischen Arm und Reich also größer sind als in den Ländern mit geringeren Armuts- quoten. Eine Anhebung der Wirtschaftsleistung würde in den betroffenen Ländern nur dann zu einem Abbau der Armuts- quote führen, wenn die Reicheren ihre Ansprüche an den Zuwachs des Sozialprodukts reduzieren würden. Da die Entwicklungen in der Realität auf Grund des Überwachs- tums der Geldvermögen und der daraus resultierenden Zin- sansprüche jedoch umgekehrt verläuft, erklärt sich das Ent- stehen wie die Zunahme der ›Neuen Armut‹ oder der ›Wor- king Poor‹ auch bei weiterem Wirtschaftswachstum.

Wann hat die Diskrepanzentwicklung eingesetzt?

Wie es in Deutschland gewissermaßen klammheimlich zu der Neuen Armut gekommen ist, ging bereits aus den Darle- gungen im Kapitel 21 hervor. Langfristig lässt sich die Ent- wicklung in der Darstellung 63 nachvollziehen, in der man Verschiebungen der Einkommensanteile innerhalb des ver- fügbaren Einkommens in Westdeutschland verfolgen kann. Demnach sind Einkommen aus Geldvermögen, einschl. der von der Allgemeinheit mitzutragenden Bankmarge, von vier Prozent des Volkseinkommens 1950 auf 23 Prozent 1993 angestiegen. Die übrigen Einkommen, in denen neben den Arbeitnehmer- und Unternehmereinkommen auch die Verzinsung der Sachvermögen stecken, fielen ent- sprechend von 96 auf 77 Prozent zurück. Angesichts der realen Verfünffachung des Volkseinkommens und seines linearen Anstiegs fällt die Verschiebung zwischen den bei- den Einkommensgruppen optisch kaum auf. Sie wird aber, Darstellung 63: deutlich, wenn man einmal an die Grenzlinie zwischen bei- den Einkommen ein Lineal anlegt und den Abwärtstrend der Kurve registriert. Deutlich hervor gehen aus den Kurven auch die Einker- bungen, die – wie die zusätzlich eingetragene Zinskurve zeigt – als Folge der Hochzinsphasen und den daraus resul- tierenden Konjunktureinbrüchen zu erklären sind.,

Welche Folgen hat das weitere Öffnen der Armut-Reichtum-Schere?

Der Bürgermeister der Stadt Hamburg, Ortwin Runde, hat zu seiner Zeit als Sozialsenator bereits beklagt, dass in sei- nem Stadtstaat zwei Bevölkerungsgruppen am raschesten wachsen würden, nämlich die Sozialhilfeempfänger und die Millionäre. Und weiter folgerte er daraus, dass uns – ohne eine Veränderung dieses Trends – »Auseinandersetzungen wie in Lateinamerika« drohen. Nun mag dieses Szenario vielleicht etwas weit gegriffen und alle Prognosen in die Zukunft fragwürdig sein. Dennoch könnte man einmal ver- suchen, die bisherige Entwicklung in die nächsten Jahrzehn- te zu verlängern, nach dem Motto: Was wäre, wenn .Natürlich sind solche Voraussagen letzten Endes spekula- tiv. Das gilt nicht nur für übliche Insiderprophezeiungen, sondern selbst für die jährlichen Prognosen der hoch dotier- ten ›Fünf Weisen‹, die in Deutschland die Regierung in Wirt- schaftsfragen beraten. Ihre dickleibigen Jahresgutachten werden zwar regelmäßig mit viel Publicity dem Bundeskanz- ler überreicht, aber einem »Bon(n)mot« zufolge soll es schon in Bonn von kaum einem gelesen worden sein, nicht zuletzt deswegen, weil die Voraussagen selten zugetroffen haben. Will man Konkretes prognostizieren, ist das allenfalls über die Verlängerung bisheriger, langfristig abgesicherter Entwicklungen möglich, unter Einbezug der vom Geld aus- gehenden Effekte. Zum Beispiel durch die Fortführung der realen Entwicklung unseres Volkseinkommens und der Zinslasten aus der Vergangenheit. In der nachfolgenden Darstellung 64 ist dazu die Darstellung 63 noch einmal ver- kleinert wiedergegeben und – den westdeutschen Erfah- rungen von 1950 bis 1990 entsprechend – um 40 Jahre in die Zukunft verlängert. Dabei wurden zwei mögliche Varian- ten A und B angenommen., Darstellung 64: Bei der Variante A wird von einer weiteren linearen Zu- nahme der volkswirtschaftlichen Leistung ausgegangen. Das heißt, das Sozialprodukt wird jedes Jahr wie bisher um die gleiche reale Leistung aufgestockt. Während für diese lineare Entwicklung in den 50er Jahren noch eine durch- schnittliche Wachstumsrate von 8,5 Prozent erforderlich war, genügte dazu – wie aus den eingetragenen Wachstums- quoten zu entnehmen – in den 80er Jahren eine Rate von 2,1 Prozent und in den 90er Jahren von 1,8 Prozent. In der ersten Dekade unseres neuen Jahrtausends würde sogar schon ein Wachstum von 1,5 Prozent genügen, um das bis- herige Wachstumstempo beizubehalten. Das heißt, 1,5 Pro-, zent Wachstum bedeutet in unseren Tagen mengenmäßig eine gleich hohe Leistungsausweitung wie 8,5 Prozent in den 50er Jahren! Weiter wird angenommen, dass sich auch das Geldver- mögen (und damit auch der geldbezogene Zinstransfer) weiterhin wie bisher entwickeln wird. Da die Geldvermö- gen in den letzten Jahrzehnten im Schnitt real um 4,7 bzw. 4,3 Prozent zunahmen, wurden für die nächsten vier Jahr- zehnte weiter fallende Raten von 4 auf 3 Prozent angenom- men. Wie aus der Darstellung ersichtlich, würden unter diesen Vorgaben die Einkommen der Arbeitleistenden bis zum Jahr 2030 zwar weiter zunehmen, gegenüber dem Zuwachs der geldbezogenen Zinserträge aber immer mehr zurück- fallen. Während 1950 der Verteilungsschlüssel zwischen Geldkapital und den Einkommen aus Arbeit und Sachver- mögen usw. noch bei 4:96 und 1990 bei 18:82 lag, hätte er sich bis 2030 auf 37:63 verändert. Wie die Verteilungskurve erkennen lässt, wird diese jedoch wenige Jahre nach 2030 ihren Scheitelpunkt erreichen und danach ins Negative umkippen, so dass von da ab die Gesamtheit der übrigen Einkommen nicht nur relativ, sondern absolut zurückgehen muss. Allerdings kann diese Variante A, die von einem wei- teren ständigen Anstieg unseres BSP ausgeht, kaum reali- stisch sein. Eine nochmalige Verdoppelung der Wirt- schaftsleistung in den nächsten 40 Jahren ist angesichts der heutigen Umweltschäden und des bereits erreichten Wohlstandsvorsprungs der Industrienationen zu der übri- gen Welt geradezu absurd. Noch unrealistischer wäre der Versuch, die Verteilungsrelation von 1990 mit 18:82 in der Zukunft aufrechterhalten zu wollen. Denn dazu wäre in der Wirtschaft ein Wachstum erforderlich, das mit jenem der Geldvermögen Schritt halten, also mit real drei bis vier Pro- zent p.a. zulegen würde, was bis zum Jahr 2030 einen An-, stieg der realen Wirtschaftsleistung auf das Vierfache des Standes von 1990 bedeuten würde. Im Hinblick auf die Umwelt wird als Alternative in der Variante B eine nachlassende Wirtschaftsleistung und deren Stabilisierung bis zum Jahr 2030 angenommen. Da aber auch bei einer nicht mehr wachsenden Wirtschaft die Geldvermögen durch die Zinseffekte weiter zunehmen und damit auch ihre Ansprüche an das Volkseinkommen, wür- de hierbei die Verteilungskurve zwischen den Einkommen aus Geldvermögen und den übrigen Einkommen bereits in unserem Jahrzehnt umzukippen beginnen. Das heißt, wir hätten dann in zehn bis zwanzig Jahren tatsächlich Umver- teilungsprozesse zu erwarten, die jenen in Lateinamerika entsprechen dürften. Dass dieses ganze Szenario nicht utopisch ist, zeigen bereits die Entwicklungen der letzten Jahre, vor allem in den USA und Großbritannien, in denen die Einkommen der Arbeitnehmer im unteren Drittel bereits deutlich zurückgefallen sind. In Deutschland hat man diese Verar- mungsprozesse nur stärker bei den Arbeitslosen konzen- triert.

Zeichnen sich diese Diskrepanzzunahmen auch

auf andere Weise ab? Zieht man dazu wieder das statistische Zahlenwerk heran, dann ist in Westdeutschland die Wirtschaftsleistung von 1970 bis 1990 real auf das 1,6fache und nominell auf das 3,6fache gesteigert worden. Man sollte annehmen, dass an diesem Wohlstandsanstieg auch alle halbwegs gleichmäßig beteiligt waren. Doch die Arbeitnehmer hatten dabei das Nachsehen. Ihre nominellen Bruttoeinkommen nahmen zwar pro Kopf noch auf das 3fache zu, die Nettogrößen je-, doch – das Geld, mit dem sie nach Hause gehen – nur auf das 2,7fache. Das heißt, gegenüber dem allgemeinen Wohlstand- sanstieg fehlte ihnen ein Fünftel in der Lohntüte. Dafür stie- gen die Zinsausschüttungen der Banken an die Geldgeber auf das 7,3fache an, doppelt so stark wie das Sozialprodukt. Nicht weniger aufschlussreich ist auf der anderen Seite die Sozialhilfestatistik. Hier ist die Zahl der Empfängerhaus- halte von 1970 bis 1990 fast auf das 2,5fache angestiegen, die Aufwendungen sogar auf das 9,5fache. Dieser Trend zur Verschiebung der Einkommen zu Las- ten der Arbeitnehmer wird auch deutlich, wenn man das ver- fügbare Einkommen in Deutschland nach seinen Bestand- teilen aufschlüsselt, wie in der Darstellung 65 geschehen. Darstellung 65:, Wie der Darstellung zu entnehmen, sind die Anteile der Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermö- gen um die Hälfte angestiegen, während die aus den Netto- löhnen und -gehältern resultierenden Anteile um ein Vier- tel zurückgingen. Die öffentlichen Transfers blieben dage- gen – zumindest ab 1975, praktisch gleich. Die Verschiebung zwischen den beiden erstgenannten Einkommensanteilen ist umso schwerwiegender, als in dem dargestellten Zeitraum die Zahl der Selbständigen deutlich ab und die der Arbeitnehmer ebenso deutlich zugenom- men hat. Das heißt, bei einer Umrechnung pro Kopf würde die Umverteilung zu Ungunsten der Arbeitnehmer noch größer sein! Exponentiell beeinflusste Auseinanderentwicklungen haben die Tendenz, sich zu beschleunigen. Das tritt umso deutlicher zutage, je länger eine Wirtschaftsepoche dauert. Wer also etwas über unsere künftigen Gegebenheiten wis- sen will, braucht sich nur in Volkswirtschaften umzusehen, in denen die Entwicklung durch keinen Neubeginn nach dem letzten Krieg unterbrochen wurde. Das ist z. B. in Eng- land und den USA der Fall. Geht man von Zeitungsveröffentlichungen über die Situation in England aus, dann sind dort die Realeinkom- men, trotz eines deutlichen Wirtschaftswachstums, bei einem knappen Drittel der Haushalte in den letzten zehn Jahren gesunken. In den USA hat der Einkommensrück- gang sogar schon den Mittelstand erreicht. Nach einem Bericht der deutschen Wochenzeitung »Die Zeit« vom 26. 11. 1998 müssen in diesem reichsten Land der Welt 14,4 Millionen Menschen mit einem Jahreseinkommen von 5 000 bis 8 000 Dollar auskommen und das oberste Einkom- mens-Fünftel verdient heute elfmal so viel wie das unterste Fünftel, während es 1969 erst das 7,5fache war. Auch in Deutschland liegt die Differenz bereits bei 1:6, mit weiter zunehmender Tendenz. 2,6 Millionen Familien stecken in der Schuldenfalle und in Berlin gibt es bereits 10 000 Obdachlose und zehn Suppenküchen – Entwicklun- gen, die vor 20 Jahren noch unvorstellbar waren. Die Dis- krepanzen zwischen Arm und Reich nehmen also nicht nur zwischen Nord und Süd weiter zu, sondern auch innerhalb der reichen Industrienationen., 23. Kapitel

Geld, Wachstum, Umwelt – Die ökologischen Folgen

»Sie sägten Äste ab, auf denen sie saßen, und schrien sich zu ihre Erfah- rungen, wie man schneller sägen konnte, und fuhren mit Krachen in die Tiefe, die ihnen zusahen, schüttel- ten die Köpfe beim Sägen und sägten weiter!« Bertolt Brecht

Welche Wachstumsregeln sind zu beachten?

Wenn ein Zehnjähriger mit zwanzig Jahren ein Meter achtzig groß sein möchte, ist dagegen nichts einzuwen- den. Will er jedoch mit dreißig Jahren zwei Meter achtzig und mit vierzig drei Meter achtzig groß sein, dann wird die Sache unrealistisch. Und das nicht nur, weil dieser Wachstumsfetischist ständig größere Schuhe, Kleider und Möbel, Wohnungen und Fortbewegungsmittel braucht, sondern weil ganz einfach ein solches Überwachstum an sich selbst zu Grunde gehen muss. Denn für alle gesun- den und natürlichen Wachstumsentwicklungen gibt es eine optimale Größe oder Obergrenze und alles darüber Hinausgehende ist mit zunehmenden negativen Folgen verbunden. Diese Regel gilt nicht nur für Wachstumsvorgänge in der Natur. Auch die Leistungssteigerung eines Motors ist nur bis zu seiner optimalen Drehzahl sinnvoll. Steigert, man sie darüber hinaus, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Motor auseinander fliegt. In diese natürlichen wie naturwissenschaftlichen Gesetz- mäßigkeiten ist auch alles Geschehen in der Wirtschaft einge- bunden. Auch hier ist jedes Überschreiten sinnvoller Gren- zen mit zunehmenden Negativerscheinungen verknüpft.

Gibt es unterschiedliche Abläufe des Wachs-

tums? Ein Wachstumsvorgang kann mit abnehmender, gleich bleibender oder zunehmender Geschwindigkeit ablaufen. In der Darstellung 66 sind diese unterschiedlichen Möglich- keiten als Schema wiedergegeben. Darstellung 66:, Die Kurve a in der Darstellung zeigt einen Wachstums- ablauf, der anfangs sehr rasch beginnt, sich immer mehr verlangsamt und schließlich auf einer bestimmten Höhe stabilisiert. Dieser Verlauf entspricht den meisten Entwick- lungen in der Natur. Denken wir nur an uns selbst: Den größten, fast schon explosiven Wachstumsschub, erleben wir noch im Mutterleib. Auch in den ersten Babyjahren sind die jährlichen Zuwachsraten noch erheblich. Sie lassen jedoch in den anschließenden Jahren nach und kommen im Alter von ca. 18 Jahren zum Stillstand. Diese Stabilisierung des menschlichen Wachstums bei einer optimalen Größe trifft jedoch nur auf die quantitative körperliche Entwicklung zu. Der qualitativen Entwicklung des Menschen, z. B. im geistigen, sozialen und kulturellen Bereich, sind dagegen keine Grenzen gesetzt. Vielmehr entwickeln sich diese spezifisch menschlichen Fähigkei- ten überwiegend erst nach Beendigung des quantitativen Wachstums. Die Kurve b zeigt einen linearen Entwicklungsverlauf. Bei diesem nimmt die Größe in gleichen Zeitabständen mit gleich bleibenden Schritten zu. Es bedarf keiner Erläute- rung, dass ein solches, ständig gleich bleibendes Wachstum in einem begrenzten Raum nicht durchzuhalten ist. Die Kurve c schließlich zeigt eine Entwicklung mit stän- dig größer werdenden Wachstumsschritten. Sie beginnt anfangs kaum merklich, um sich danach immer mehr zu beschleunigen. Bei diesem so genannten exponentiellen Wachstum verdoppeln sich jeweils die Zuwachsraten bei gleich bleibenden Zeitabständen. Dieses exponentielle Wachstum kennen wir bereits von den zinseszinsbedingten Entwicklungen im Geldbereich. Verglichen mit der Kurve a liegt bei diesem Wachstum ein umgekehrter Verlauf vor: Während das natürliche Wachstum fast explosiv beginnt und ständig abnimmt, schießt das anfänglich so harmlos, wirkende exponentielle Wachstum schließlich explosions- artig in die Höhe. Diese Art von Wachstum gibt es in der Natur weitgehend nur bei krankhaften Entwicklungsprozessen, z. B. bei Tumoren. Auch diese wachsen oft über Jahre und Jahrzehn- te, ohne ihren Gastorganismus zu gefährden. Haben sie jedoch eine kritische Größe erreicht und gelingt es nicht, ihr weiteres Verdoppelungswachstum zu stoppen, dann zer- stören sie ihren Gastorganismus und damit ihre eigene Lebensbasis. Auch das Bevölkerungswachstum auf unserem Planeten verläuft nach diesem letztlich tödlichen Konzept und vieles spricht dafür, dass wir die kritische Grenze bereits erreicht, wenn nicht schon überschritten haben.

Wie irreal ist exponentielles Wachstum?

Exponentielle Wachstumsabläufe sind für uns Menschen schwer nachvollziehbar. Wir sind gewohnt, in normalen Zahlenreihen wie 1, 2, 3, 4, 5 zu denken oder 2, 4, 6, 8, 10. Reihen wie 1, 2, 4, 8, 16, 32 usw. sind uns dagegen fremd. So überrascht z. B. immer wieder das Ergebnis des bekannten Schachbrett-Beispiels: Ein König – von dem Spiel begeis- tert – stellte dem Erfinder des Schachspiels einen Wunsch frei. Zur Überraschung des Herrschers wünschte sich die- ser auf das erste Feld des Schachbretts ein Getreidekorn, auf das zweite zwei, das dritte vier usw., also jeweils die dop- pelte Menge des vorhergehenden Feldes. Der König, der glaubte, er könne diesem Wunsch mit einigen Säcken Getreide nachkommen, musste feststellen, dass er unerfüllbar war. Denn rechnet man die erforderli- che Körnermenge aus, wie das Eckard Eilers aus Rastede einmal getan hat, dann ergibt sich eine Körnerzahl von 18,5, Trillionen. In Gewichtseinheiten umgerechnet sind das rund 740 Mrd. Tonnen. Da die heutige Weltgetreideernte bei etwa 1,7 Mrd. Tonnen liegt, hätte der König zur Erfül- lung des Wunsches also rund 440 Jahre lang die Weltgetrei- deernten sammeln müssen! Und verteilt auf eine Fläche von Deutschland oder Frankreich ergäben diese Körner eine Schüttung von fast drei Metern Höhe! – Bereits die 63fache Verdoppelung einer Ausgangsmenge von eins ergibt also kaum noch vorstellbare Größen.

Was ist mit unterschiedlichen Entwicklungen in-

nerhalb eines Organismus? Wenn ein Zehnjähriger bis zum zwanzigsten Lebensjahr sein Gewicht verdoppelt, dann muss nicht nur sein Kno- chengerüst im Gleichschritt größer werden, sondern auch seine Organe. Würden dagegen bei einem Heranwachsen- den die Organe rascher wachsen als der gesamte Organis- mus, dann käme es sehr schnell zu Komplikationen. Noch kritischer wäre es, wenn einzelne Teile des Organismus, nach Erreichen der Normalgröße alleine weiterwachsen würden. Denn ein natürlicher Organismus bleibt nur stabil, wenn sich alle seine Teile im Gleichschritt miteinander ent- falten. In der Darstellung 67 ist diese Regel anhand eines wach- senden Baumes veranschaulicht: Solange er wächst, müs- sen das Wurzelwerk, Stamm und Krone es auch im Gleich- schritt tun. Denn würde die Krone rascher wachsen als die übrigen Teile, dann wäre der Baum zum Absterben verur- teilt: Der Stamm könnte die Krone nicht mehr tragen, die Wurzeln das Blätterwerk nicht mehr versorgen. Darstellung 67: Zusammenfassend ergeben sich folgende Wachstumsre- geln: 1. In einem begrenzten Raum kann es kein grenzenloses Wachstum geben. 2. Für jedes gesunde und natürliche Wachstum gibt es eine optimale Obergrenze., 3. Alle Teile eines Organismus müssen sich in ihrer Entfal- tung am Ganzen orientieren. 4. Alle Entwicklungen, die diese naturgegebenen Gesetz- mäßigkeiten missachten, sind zum Zusammenbruch ver- urteilt. Diese Regeln gelten jedoch nicht nur für natürliche Wachs- tumsvorgänge. Sie gelten auch für das Wachstum der Wirt- schaft. Denn alle auf der Erde stattfindenden materiellen Prozesse können sich den Naturgesetzen nicht entziehen.

Was bedeutet Wirtschaftswachstum?

Der Begriff Wachstum ist für das Geschehen in der Wirt- schaft eigentlich fehl am Platz. Wirkliches Wachstum gibt es nur in der Natur, ausgelöst durch Boden, Licht, Luft und Wasser. Was in der Wirtschaft mit Wachstum bezeichnet wird, sind in Wirklichkeit Vermehrungen der von Men- schen erzeugten Leistungen und Güter. Der Begriff Wirt- schaftswachstum hat sich jedoch so eingebürgert, dass wir mit ihm leben müssen. Dieses Wachstum in der Wirtschaft wird – wie auch ande- re Vermehrungsprozesse – meistens in Prozenten gemes- sen, bezogen auf die jeweilige Vorjahresgröße. Dabei unter- scheiden wir eine nominelle und eine reale Zuwachsrate. Bei der nominellen wird der Zuwachs in Tagespreisen wie- dergegeben, bei der realen in inflationsbereinigten Grö- ßen. Das reale Wirtschaftswachstum gibt also die tatsächli- che Leistungssteigerung wieder. Von 1950 bis zum Jahr 2000 lag z.B das reale Wirtschafts- wachstum in Deutschland im Durchschnitt bei drei Pro- zent. Drei Prozent reales Wachstum bedeutet z. B., dass im folgenden Jahr statt 100 PKW’s 103 produziert werden., Dieser Zuwachs erscheint nicht aufregend. Rechnet man jedoch die Mehrproduktion von drei Prozent auf die PKW-Produktion in Deutschland um, dann ergibt sich daraus eine zusätzliche Autoschlange, Stoßstange an Stoß- stange, von der österreichischen Grenze bis nach Däne- mark. Wie viel Energie und Rohstoffe für eine solche drei- prozentige Produktionssteigerung benötigt werden, kann man sich in etwa vorstellen. Hinzu kommt noch der größe- re Energieverbrauch bei der Benutzung der Fahrzeuge, der beim Wirtschaftswachstum auch noch positiv zu Buche schlägt! Drei Prozent Wachstum p.a. bedeutet jedoch keineswegs eine mengenmäßig ständig gleich bleibende Größe, denn im nachfolgenden Jahr hat sich ja die Messgrundlage um die hinzugekommene Autoschlange vermehrt. Das heißt, die zusätzlichen drei Prozent werden jetzt nicht mehr auf 100, sondern auf 103 Einheiten bezogen. Welche Folgen dieser so harmlos erscheinende Effekt hat, zeigt die Darstellung 68 mit ihren verschiedenen Ent- wicklungskurven. Wie daraus ersichtlich, ist der exponen- tielle Wachstumseffekt umso größer, je höher der Prozent- satz ist und je länger eine Wachstumsperiode anhält. Bei einem Wachstum von drei Prozent verdoppelt sich die Aus- gangsgröße in rund 24 Jahren. Das heißt, in 72 Jahren steigt sie – wie aus der Grafik zu entnehmen – auf das Achtfache an. Bei fünf Prozent Wachstum – eine Größe, die auch heute noch manche Politiker zur Überwindung der Arbeitslosig- keit für erforderlich halten und deshalb anstreben – würden sich die Verdoppelungen alle zwölf Jahre wiederholen und die Wirtschaftsleistung nach 72 Jahren auf das 32fache gestiegen sein! Diejenigen, die ein ständig gleich bleiben- des oder möglichst sogar noch steigendes Wachstum for- dern, wissen offensichtlich nicht, wovon sie reden., Darstellung 68:

Wie wurde die Wirtschaftsleistung seit 1950 tat-

sächlich gesteigert? Wie schon im vorigen Kapitel aus der Darstellung 63 zu ersehen, hat sich die Wirtschaftsleistung in Deutschland tendenziell linear entwickelt. Das heißt, die Wirtschaftsleis- tung ist langfristig nicht mit gleich bleibenden, sondern mit nachlassenden prozentualen Wachstumsraten angestiegen. Gleich bleibend waren jedoch die durchschnittlichen Zu- wachs-Mengen. Das heißt, die jährlich produzierten Pro- dukt- und Leistungsmengen wurden von Jahr zu Jahr im, gleichen Umfang ausgeweitet, wie das aufgrund der großen Zerstörungen und des immensen Nachholbedarfs in den ersten Nachkriegsjahren sinnvoll und erforderlich war! Darstellung 69: Diese lineare Entwicklung ab 1948 geht auch aus der Dar- stellung 69 hervor, in der die Wirtschaftsentwicklung, bezo- gen auf das Gebiet Westdeutschlands, über das ganze Jahr- hundert hinweg wiedergegeben ist. Deutlich werden auch in dieser Anstiegsentwicklung die ›Kerben‹ der hochzins- bedingten Konjunktureinbrüche ab 1950. Noch deutlicher zeichnen sich in der ersten Hälfte des Jahrhunderts die kriegsbedingten Einbrüche im 2. und 5. Jahrzehnt ab, eben- so die große weltweite Rezession um das Jahr 1930. Fast schon erschlagend aber ist der Unterschied der Leistungs-, entwicklungen in den beiden Jahrhunderthälften, vor allem die Verachtfachung der realen Wirtschaftsleistung zwi- schen 1950 und 2000! Es bedarf keiner Erklärung, dass ein solcher ständiger Leistungsanstieg – so notwendig er unter den heutigen Bedingungen zur Bewahrung des sozialen Friedens in unseren Staaten ist – unmöglich immer weiter fortgesetzt werden kann. Interessant sind auch die Angaben über die jeweiligen Exportleistungen in der Grafik und deren bereits vor dem Ersten Weltkrieg erreichten Höhe. Ohne deren ständige Steigerungen nach dem zweiten großen Krieg wären die der Gesamtwirtschaft nicht möglich gewesen. Gehen wir von der ersten Wachstumsregel aus, dann war die anfängliche Leistungssteigerung nach Ende des Zwei- ten Weltkriegs ganz natürlich. Sie hätte sich jedoch, um ein nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen, nach und nach verlangsamen und schließlich auf einer optimalen Höhe stabilisieren müssen. Eine solche Leistungsstabilisierung – abfällig ›Null- wachstum‹ genannt – bedeutet aber keinesfalls einen Still- stand der Wohlstandsentwicklung oder gar einen Rück- schritt, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Viel- mehr kann jeder arbeitende Mensch, bei gleich bleibender Leistung und damit auch gleich bleibendem Realeinkom- men, nicht nur seinen materiellen Wohlstand halten, son- dern ihn von Jahr zu Jahr auch im gleichen Umfang aus- weiten. Verzichtet er auf diese Ausweitung und gibt sich mit der Bestandshaltung zufrieden, dann genügt sogar eine reduzierte Arbeitsleistung. Bei diesen Überlegungen sind die Innovationen und die daraus resultierenden Pro- duktivitätsfortschritte, die selbstverständlich auch bei gleich bleibender Leistung und gleich bleibendem Kapital- stock weiter zunehmen können, noch nicht einmal berück- sichtigt. Sie könnten also bei ›Nullwachstum‹ in zusätzli-, chen Wohlstand oder zusätzliche Freizeit umgesetzt wer- den.

Warum kam es zu dem ständigen Wirtschafts-

wachstum? Eine Wirtschaft, die von den Bedürfnissen der Menschen gesteuert wird und von deren Bereitschaft, für die Erfül- lung dieser Bedürfnisse zu arbeiten, würde immer einen Entwicklungsverlauf nehmen, der den natürlichen Wachs- tumskurven entspricht. So unterschiedlich die Bedürfnisse und Wünsche auch sein mögen: Irgendwann und -wo schlägt dieser Sättigungseffekt bremsend durch. Geht man von diesen Gesetzmäßigkeiten aus, dann hätte sich unsere Volkswirtschaft nach dem letzten Weltkrieg also etwa so entwickeln müssen, wie dies in der Darstellung 66 als Wachstumskurve a wiedergegeben ist. Tatsächlich machten sich in Deutschland im Laufe der 50er Jahre bereits gewisse ›Ermüdungserscheinungen‹ bemerkbar. Die größten kriegsbedingten Mängel waren überwunden, die ›Fresswelle‹, die ›Kleiderwelle‹ und selbst die ›Wohnwelle‹ flachten als Folge zunehmender Sättigun- gen ab und damit auch der Wachstumstrend. Doch statt die- ser natürlichen Entwicklung nachzugeben, schaltete man in der Sinngebung des Wirtschaftens um: Nicht mehr die Bedarfsdeckung – der Sinn allen humanen Wirtschaftens – sondern die Bedarfweckung wurde als Hauptziel dekla- riert. Das heißt, der Mensch, vorher noch bestimmendes Subjekt allen Wirtschaftens, wurde zum Objekt umfunktio- niert und durch zunehmende raffiniertere Werbung, ver- mehrte modische Effekte und sogar eingeplante kürzere Lebensdauer der Produkte immer wieder zum Kaufen und Leisten verführt bzw. gezwungen., Der Mensch, in Jahrmillionen zum Sammler, Bewahrer und Gebraucher der irdischen wie der selbst geschaffenen Güter herangewachsen, wurde systematisch zum Wegwer- fer und Verbraucher umerzogen. Der Begriff ›Normalver- braucher‹ wurde kreiert und das war derjenige, der mög- lichst viele Güter in möglichst kurzer Zeit verbrauchte. Und nach der bereits genannten Fress,- Kleider- und Wohn- welle wurde regelrecht eine ›Wegwerfwelle‹ propagiert. ›Ex und hopp‹ war ein Werbeslogan, mit dem man Ende der 50er Jahre für Wegwerfverpackungen warb, und das alles nur, um den Verbrauch und damit wiederum die Pro- duktion im bisherigen Tempo weiter steigern zu können.

Was wurde noch zur stetigen Wachstumssteige-

rung unternommen? Mit Hilfe dieser Werbungs- und Wegwerfwellen konnte das Wirtschaftswachstum zwar vorübergehend wieder auf Fahrt gebracht werden. Doch auch dieses Umschalten von der Bedarfsdeckung auf die Bedarfsweckung ließ nach etli- chen Jahren in seiner Wirkung nach. Um weiteres Wachs- tum zu garantieren, wurde 1967 der deutsche Staat in die Pflicht genommen, mit dem so genannten »Gesetz zur För- derung des Wachstums und der Stabilität der Wirtschaft«. Dabei ist den Verfassern dieses Gesetzes gar nicht aufgefal- len, dass bereits die Formulierung in sich widersprüchlich ist. Denn etwas ständig Wachsendes muss auf Dauer insta- bil werden. Jedes Kind, das mit Bauklötzen einen Turm gebaut hat, kann das bestätigen: Am Ende genügt das Hin- zufügen eines einzigen Steins, um das ganze Bauwerk zum Einsturz zu bringen. Aufgrund dieses »Stabilitätsgesetzes« wurde nun der Staat, anstelle der konsummüden ›Normalverbraucher‹, in, der Wirtschaft immer aktiver und die Steuerbelastung ent- sprechend höher. Und während die Bürger letztlich immer nur kleckern können, kann der Staat klotzen: Der Export wurde durch staatliche Risikoabsicherungen noch mehr angekurbelt. Milliardenschwere Großtechnologien, wie die Raumfahrt und Reaktortechnik, wurden durch For- schungsgelder angeleiert und/oder über Subventionen den Firmen schmackhaft gemacht. Garantierte Abnahmemen- gen bei garantierten Preisen und Gewinnen, machte die Rüstungsproduktion zu einer Wachstumsbranche erster Klasse. Und für die Industrie wiederum wurde es viel einfa- cher und sicherer, ein Dutzend Politiker für einen neuen Panzer zu gewinnen, als Millionen Verbraucher für ein neu- es Produkt. Aber nicht nur bei der Rüstung trat der Staat als milliar- denschwerer Nachfrager auf. Auch zivile Projekte, wie der Rhein-Main-Donau-Kanal, die Zulassung privater Fernse- hanstalten und die Verkabelung der Städte zur Überschüt- tung der Bürger mit noch mehr Werbung: All das bot nun auch dem Staat die Möglichkeit, das Tempo des Nach- kriegswachstums weiter aufrechtzuerhalten. Vor allem wurde immer mehr auf Pump finanziert. Wie lange das noch weitergehen kann, darüber macht sich kaum jemand Gedanken. Nur ab und zu bricht einmal die Vernunft durch. So hat der frühere Bundesminister Hauff den Rhein-Main-Donau-Kanal als das »dümmste Bauwerk seit dem Turm von Babel« bezeichnet. Und der frühere Wirtschaftsminister Friderichs hat in einer schwa- chen Stunde davon gesprochen, dass es eigentlich drei Arten von Arbeit gibt, nämlich sinnvolle, überflüssige und schädliche. Wer daraufhin einmal die in den letzten Jahr- zehnten hinzugekommenen Arbeitsplätze und Produkte durchleuchtet, der wird feststellen, dass ein großer Teil den beiden letzten Kategorien zuzuordnen ist., Hinter vorgehaltener Hand wird einem zwar hier und da bestätigt, dass ein solches ständiges Wachstum auf Dauer ›natürlich‹ nicht fortzusetzen sei. Aber heute – heißt es im gleichen Atemzug – könne man darauf noch nicht verzich- ten. Fragt man nach den Gründen, kam vor zwanzig Jahren meist der Hinweis auf die Dritte Welt: Wir brauchen das Wachstum, um den Menschen dort helfen zu können! Nachdem die Diskrepanzen zwischen Nord und Süd trotz (oder wegen?) unseres Wirtschaftswachstums immer grö- ßer geworden sind, spielt man jetzt die gleiche Platte mit einem anderen Text: Wir brauchen das Wachstum, um die Umweltschäden zu beseitigen! Dabei weiß jeder, dass diese Umweltschäden in erster Linie Folge des ständigen Wirt- schaftswachstums sind!, 24. Kapitel

Die Ursachen unseres Wachstumszwangs

»Ein funktionierendes kapitalistisches Wirtschaftssystem muss sich ständig ausweiten. Jeder Rückgang in der Pro- duktion löst eine Wirtschaftskrise mit all ihren bedenklichen Folgen aus: Arbeitslosigkeit, sinkende Einkom- men, steigende Staatsverschuldung!« Volker Hauff*

Warum ist ein kapitalistisches Wirtschaftssystem

zur Ausweitung gezwungen? Erinnern wir uns an die zweite Wachstumsregel, nach der ein Organismus nur stabil bleiben kann, wenn sich alle sei- ne Teile im Gleichschritt mit dem Ganzen entwickeln. Wächst ein Teil rascher, kommt es zu Spannungen und Komplikationen, bis hin zum Kollaps. Vermeidbar ist dieses Ende nur, wenn es gelingt, dem Überwachstum Einhalt zu gebieten. Ist das nicht möglich, bleibt als Alternative nur der Versuch, die Entwicklung des gesamten Organismus dem Überwachstum jenes Teiles anzupassen. Johannes Jenetzky, der in Baden-Württemberg Steuer- recht lehrt, hat dafür den Begriff ›Ross-Reiter-Dilemma‹ ge- prägt:WenneinReiter immergrößerundschwererwird,muss * Ehemaliger deutscher Bundesminister, in »Argumente in der Energiedis- kussion«, 1978, das Pferdmitzuwachsenversuchen,wennes nichtzusammen- brechen will. Gibt es denn in unserer Wirtschaft einen ›Rei- ter‹, der immer größer und schwerer wird und der das ›Ross‹ zum Mitwachsen zwingt? Gibt es in unserem Wirtschaftsor- ganismus einenTeil, der rascher als das Ganze wächst? Mögli- cherweise sogar exponentiell, wie die Menge der Getreide- körner bei dem Schachbrettbeispiel im letzten Kapitel? Sehen wir uns die nachfolgende Darstellung 70 an, dann zeigt sich, dass es in unserer Wirtschaft tatsächlich eine Größe gibt, die sich konträr zum natürlichen Wachstums- ablauf – wie dem des dargestellten Baumes – entwickelt. Und zwar nicht nur mit gleich bleibenden Zuwachsraten, wie beim linearen Wachstum unseres Bruttosozialpro- dukts, sondern mit exponentiellen Tendenzen. Die Rede ist vom Geld, richtiger: Von den Geldersparnissen, die gegen Zinsen in der Wirtschaft angelegt sind. Darstellung 70:,

Warum zwingt der Zins zum Wachstum?

Hat jemand einen verzinsten Kredit aufgenommen, muss er mehr zurückzahlen, als er erhalten hat. Um dieses Mehr – den laufend zu zahlenden Zinsbetrag – wird sein Einkom- men bis zur Tilgung des Kredits reduziert. Will er das vermei- den, dann muss er in Höhe dieses Zinsbetrags mehr leisten und diese Mehrleistung zusätzlich auf dem Markt absetzen. Das gilt nicht nur für die einzelnen Kredit aufnehmenden Bürger, sondern genauso für jedes Unternehmen, jede Gemeinde und jeden Staat: Entweder führt der Zins zur Ver- armung der Werteschaffenden oder er zwingt zur höheren Leistung. Auf der anderen Seite wachsen durch den Zins die Ein- kommen entsprechend an. Da dort aber bereits vorher Geld zu viel vorhanden war, nehmen die Geldvermögen durch den Zinstransfer noch weiter zu. Zumindest in dem Maße, wie man die Zuwächse nicht laufend abhebt und ver- konsumiert. Legt man die Zinszuwächse in Sachvermögen an, wird dieser Effekt nur vom Geldkapital ins Sachkapital verlagert. »Die starre Rentabilitätspflicht, infolge deren sich die Geldvermögen stur mechanisch immerfort vermeh- ren, überträgt sich also auf die Wirtschaft insgesamt und erlegt ihr ein andauerndes Wachstum auf. Es ist ein unentrinnbarer Zwang«, heißt es in einem Papier des Arbeitskreises Geld und Finanzen des BUND Baden-Württemberg. Und diese Geldvermögen vermehren sich nicht nachlassend oder line- ar, sondern – wie schon mehrfach dargelegt – durch den Zinseszinseffekt mit zunehmender Beschleunigung. Sollen sich die sozialen Spannungen nicht vergrößern,, dann muss das Wachstum der Wirtschaft also dem der zins- tragenden Kapitalien entsprechen. Kein Wunder, dass den Politikern die Knie weich werden, wenn die Wachstumsrate unserer Volkswirtschaft unter zwei Prozent oder sogar gegen Null zu sinken droht. »Solange die Wachstumsrate des nominalen Bruttoso- zialproduktes das Niveau des Zinssatzes .erreicht, bleibt die Zinslastquote unverändert .Dies ist der Hauptgrund, warum auch umweltbewusste Ökono- men den Standpunkt vertreten, dass wir uns .ein Nullwachstum gar nicht leisten können.« So umschrieb der schweizerische Nationalökonom Gott- fried Bombach Anfang 1991 die dargelegten Zusammen- hänge in einer Zeitschrift des Schweizerischen Bankver- eins. Sein Zitat besagt letztlich nichts anderes, als dass wir uns ein Nullwachstum – Voraussetzung einer Erholung unserer Umwelt – nur bei einem Nullzins leisten können.

Wie sehen die konkreten Wechselwirkungen aus?

Die Beziehung zwischen der Überentwicklung der Geld- vermögen und der Wirtschaftsleistung wird in der Darstel- lung 71 verdeutlicht. Aus dieser Grafik geht zuerst noch einmal das reale und linear verlaufene Wirtschaftswachstum im Nachkriegs- deutschland bis zur Jahrtausendwende hervor. Die einge- tragenen Schübe (die sich in Wirklichkeit natürlich über- lappen und vermengen!) zeigen noch einmal die ständig neuen Bemühungen, das Wachstum immer wieder anzu- kurbeln. Als möglicherweise letzter großer Schub, steht uns in unserem Jahrzehnt die globale Ausweitung des Systems, Darstellung 71:, ins Haus. Danach bleibt nur noch der Weltraum, der bereits von manchen Leuten ernsthaft angepeilt und als Rohstoff- reservoir gesehen wird. In einem proportional angeglichenen Verhältnis ist in der Darstellung außerdem die reale Entwicklung der Geld- vermögen in Deutschland eingetragen, die inzwischen das 2,5fache des Sozialprodukts überstiegen haben. Außerdem sind im unteren Teil die Größen der realen Zinsströme mar- kiert, die aus dem Sozialprodukt bedient werden müssen. Da das Wachstum dieser Zinsströme an das der Geldver- mögen gekoppelt ist, sind deren Ansprüche nur zu befriedi- gen, wenn auch die Wirtschaftsleistung ausgeweitet wird. Wie bereits im Teil III des Buches dargelegt ist und auch aus der Darstellung wieder hervorgeht, nehmen diese Geldver- mögen wesentlich rascher zu als die volkswirtschaftliche Leistung, so dass die Scherenöffnung zwangsläufig zu immer größeren Problemen führen muss. Nun werden manche vielleicht darauf verweisen, dass man die Flussgröße Sozialprodukt nicht ohne weiteres mit den sich ansammelnden Beständen der Geldvermögen und der ihnen gegenüberstehenden Schulden vergleichen kann. Aber man kann und muss jedoch die Belastungen, die sich aus diesen monetären Größen für die Wirtschaft ergeben, also die eingetragenen Zinsen, mit dieser Leistungsgröße vergleichen. Denn in der Größenordnung dieser Belastun- gen müssen die Arbeitleistenden, also Arbeitnehmer, Selb- ständige und Unternehmer, Teile der von ihnen erwirt- schafteten Einkommen hergeben, was nur bei ständiger Leistungssteigerung noch eine Weile möglich ist. Solange wir ständig positive Zinssätze haben, sind wir also zum Wachstum verdammt, auch wenn die Umwelt dabei auf der Strecke bleibt.,

Welche Umweltfolgen hat das dauernde Wirt-

schaftswachstum? Alle Ausweitungen der Wirtschaftsleistung sind zwangsläu- fig auch mit Ausweitungen des Ressourcenverbrauchs, der Abfallberge und der Gesundheitsbelastung verbunden. Das gilt selbst für die meisten Investitionen im Umwelt- schutzbereich. Ob Lärmschutzwände, Schallschluckfens- ter, ob Klärwerke oder Filteranlagen: Sie alle binden Roh- stoffe und Energie nicht nur bei ihrer Erstellung, sondern häufig auch bei ihrer laufenden Nutzung. Geht man von solchen ökologischen Bilanzierungen aus, wie in der folgen- den Abbildung schematisch dargestellt, dann wird die Frag- würdigkeit unseres Wirtschaftswachstums noch deutli- cher. Die lineare Entwicklung unserer inflationsbereinigten Wirtschaftsleistung ist hier einmal nach ihrem Nettonutzen und den Folgekosten aufgeteilt, angelehnt an eine Darstel- lung aus dem »Nawu-Report« von Hans-Christoph Bins- wanger. Im Anfang unserer Wirtschaftsentwicklung haben die negativen Folgekosten unseres Produzierens den anfangs hohen Nettonutzen kaum beeinträchtigt. Im Laufe der Zeit nahmen jedoch diese Folgekosten rascher zu als der Netto- nutzen. Wachsen die Folgekosten aber schneller als die Wirtschaftsleistung, dann kommt es schließlich – ähnlich wie bei der Verteilung des Einkommens zwischen Arbeit und Kapital – zu einem Umkippen der Entwicklung. Kon- kret: Trotz des weiteren linearen Leistungsanstiegs geht der Nettonutzen zurück. Addiert man einmal die gröbsten Schäden unserer Umwelt, dann kann man davon ausgehen, dass wir diesen Punkt des Umkippens schon eine ganze Weile überschrit- ten haben und die Schemagrafik in etwa dem heutigen, Darstellung 72: Stand entspricht. Das aber heißt mit anderen Worten: Die weitere Steigerung unserer Leistung wird nicht nur immer fragwürdiger, sie wird für die Natur und damit auch uns selbst immer gefährlicher.

Gibt es Wachstum ohne Umweltbelastung?

Bei der Ermittlung des Sozialprodukts, an dem das Wirt- schaftswachstum gemessen wird, werden neben den Pro- duktionsleistungen auch die Dienstleistungen mit ihren Einkommensgrößen einbezogen. Die Vermutung liegt nahe, man brauche zukünftig nur die Dienstleistungen statt der Produktion auszuweiten, um die ökologischen Pro- blemzunahmen beim Wirtschaftswachstum zu verringern. Ebenso wird häufig angenommen, mit einer solchen Aus- weitung der Dienstleistungstätigkeiten könne man der, Zinsbedienung ein Schnippchen schlagen, da hier weniger Kapital benötigt wird. Dazu ist einmal zu sagen, dass Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft immer nur dann ausgebaut werden kön- nen, wenn der materielle Gesamtbedarf abgesichert ist und darüber hinaus Überschüsse zur Verfügung stehen. Diese Überschüsse, mit denen die Beschäftigten im Dienstleis- tungsbereich materiell versorgt werden, können jedoch nur im Produktionsbereich erwirtschaftet werden. Das heißt, der Ressourcenverbrauch mit all seinen Folgen verringert sich nicht, sondern konzentriert sich nur. Konkretes Beispiel: Wenn zehn Familien auf einer Insel stranden und zu Selbstversorgern werden, können sie nur dann eine Person als Lehrer für ihre Kinder freistellen, wenn die restlichen neun entsprechende Überschüsse produzie- ren. Das heißt, je größer der Dienstleistungssektor in einer Volkswirtschaft wird, umso intensiver und effektiver muss im Produktionssektor gearbeitet werden. Effektivitätsstei- gerungen je Beschäftigten aber setzen im Allgemeinen noch höheren Kapital-, Material und Energieeinsatz voraus. Man denke nur an die Roboterstraßen in der Automobilproduk- tion. Außerdem wird diese Intensivierung auch von den wachsenden Geldvermögen erzwungen, die über Kredite in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt und durch Sachver- mögen abgesichert werden müssen. Der Kapitaleinsatz im Dienstleistungssektor ist zwar in den meisten Fällen gerin- ger als im Durchschnitt aller Arbeitsplätze, dafür muss er aber im Produktionsbereich umso höher sein. Das Gleiche gilt auch für den Ressourceneinsatz. Im Übrigen sorgt der technische Fortschritt wie auch der Druck des Anlage suchenden Kapitals dafür, dass auch im Dienstleistungsbereich die Investitionen ständig größer werden und damit auch der Material- und Energiever- brauch. So liegen die Investitionen in modernen Arztpra-, xen kaum unter einer Million DM und solche Millionenin- vestitionen werden in den neuen Kliniken fast schon je Bett erreicht.

Zu welchen Fragwürdigkeiten hat die staatliche Wachstumsförderung bisher geführt?

Dass der Staat im Gegensatz zu privaten Unternehmen auch unrentable Wachstumsinvestitionen tätigen kann, erleben wir seit Jahrzehnten. Das gilt nicht nur für die Rüs- tung, sondern auch für viele Raumfahrtausgaben oder Technologieruinen, in denen Milliarden aus den Taschen der Steuerzahler regelrecht in die Luft geschossen, vergra- ben oder in Beton gegossen wurden. Aber auch die Bürger wurden um des Wachstums willen vom Staat regelrecht zu Umwelt gefährdendem Handel ani- miert. Man denke nur an den Individualverkehr, den man umso mehr förderte, je weniger andere Produktbereiche noch Wachstumschancen boten. Ohne diese enorme staatli- che Förderung wäre das Auto niemals zu jener ›unheiligen Kuh‹ geworden, die das Gros der Menschen wie nichts ande- res in der Welt mit Hunderttausenden von Menschenopfern verehrt. Das trifft nicht nur auf den überdimensionalen Aus- bau des Autobahn- und Straßennetzes zu, sondern auch auf viele hinausgezögerte umweltschützende Maßnahmen in Bezug auf Lärm- und Luftbelastung. So hat man z. B., im Gegensatz zu allen anderen Ländern in Europa, in Deutsch- land bislang keine Tempolimits auf den Autobahnen einge- führt. Alles vor dem Hintergrund, die Lust der Bürger am Fahren und Rasen möglichst nicht zu beeinträchtigen, da das Auswirkungen auf den Kauf schneller Autos und damit das Wirtschaftswachstum haben könnte. Ein besonders wirkungsvoller Dauerbrenner staatlicher, Wachstumsförderung ist auch der EG-Agrarmarkt mit sei- nen Lagerhaltungen, Produktionsvernichtungen und Umwegtransporten. Während sich beispielsweise früher das Kalb bei der Mutterkuh trinkend ernährte, hat man für diese Primitivmethode in der EG längst einen kapitalinten- siven Ersatz gefunden: Heute wird der Mutterkuh die Milch maschinell abgesaugt, gekühlt vorgelagert, über durchweg 100 Kilometer mit Kühlwagen zur Molkerei gefahren, nach Entsahnung in eine noch weiter abgelegene Milchpulverfabrik geschafft, dort mit großem Energieein- satz getrocknet, um anschließend – wieder über große Ent- fernungen – in einer temperierten Lagerhalle für Jahre zu verschwinden. Ist das Milchpulver eines Tages für mensch- liche Ernährung nicht mehr geeignet, kann der Bauer es verbilligt beziehen, mit Wasser vermischen und dem Kalb zu trinken geben. Die Erklärung für solchen Irrsinn findet man, wenn man nach seinen Nutznießern fragt. Kuh und Kalb gehören ganz gewiss nicht dazu. Ob für den Bauern zwischen dem höhe- ren Milch- und dem niedrigeren Milchpulverpreis viel her- ausspringt, hängt von seinem zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwand ab. Ohne Zweifel aber nutzt der ganze Unsinn mit seinen vielen Stationen dem Kapital. Denn sowohl bei der Milchaufbereitung, den Lagerstätten als auch den Transportvorgängen lassen sich Millionen und Milliarden investieren. Kapital, das in diesem Fall auch dann garantiert Zinsen bringt, wenn die ganzen Vorgänge volkswirtschaftlich fragwürdig und unnötig sind. Und nicht nur als Kapitalanlage erfüllen diese überflüssigen Investi- tionen auf Kosten der Steuerzahler und Verbraucher ihren Zweck, sie tragen auch noch dazu bei, das Kapital auf ele- gante Weise zu verknappen und damit die Zinsen hoch zu halten.,

Sind die umweltbezogenen Probleme mit Öko-

steuern zu lösen? Wenn unsere Kinder eine Überlebenschance haben sollen, müssen wir zu einem sorgsameren Umgang mit den Schät- zen dieser Erde kommen. Ein sorgsamerer Umgang ist nur zu erreichen, wenn wir den natürlichen Gütern einen Preis geben, der ihrem Wert und ihrer Knappheit entspricht. Das gilt nicht nur für die Rohstoffe in der Erde, sondern auch für den Boden selbst, ebenso wie für die Luft und das Was- ser. Ökosteuern, -gebühren und -abgaben zur Verwirkli- chung dieses Ressourcenschutzes sind zwar seit Jahren im Gespräch, bislang aber kaum ausreichend umgesetzt wor- den. Die Erklärung für diese unverantwortliche Verzöge- rung der notwendigen politischen Entscheidungen liegt wieder einmal beim Geld. Weniger daran, dass dieses Geld zum Schutz der Umwelt fehlt, sondern aus Angst, das Wirt- schaftswachstum könnte unter solchen Umweltschutzabga- ben leiden. In diese Wachstumszwänge sind in einem ganz besonde- ren Maß alle verschuldeten Staaten verquickt. Denn lässt das Wirtschaftswachstum nach und damit auch die Steuer- einnahmen, wird die hohe und meist steigende Belastung für den Schuldendienst zu einem Problem. Allein schon aus diesem Grund kann sich heute kein Staat die Einführung von wirklich wirksamen Ökosteuern erlauben, also von Steuern, die den Ressourcenverbrauch tatsächlich sen- ken. Der Traum von einem nachhaltigen Wirtschaften, von ökologischer Kreislaufwirtschaft und sanften Technolo- gien, wird darum so lange unerfüllbar bleiben, wie die Geldvermögen weiter wachsen und über immer neue und höhere Kreditaufnahmen in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden müssen. Und die Geldvermögen, werden so lange weiterwachsen, wie die Zinsen nicht wie andere Knappheitspreise den Sättigungsgesetzen der Märkte unterliegen. Der Schweizer Hans-Christoph Binswanger, einer der wenigen Ökonomen, die sich überhaupt mit Umwelt- und Geldfragen eingehender befassen, hat vor wenigen Jahren in einem Interview die Sache einmal auf den Punkt gebracht: »99 Prozent der Menschen sehen das Geldproblem nicht. Die Wissenschaft sieht es nicht, die Ökonomie sieht es nicht, sie erklärt es sogar als »nicht existent«. Solange wir aber die Geldwirtschaft nicht als Problem erkennen, ist keine wirkliche ökologische Wende möglich.«, 25. Kapitel

Geld und Krise –

die ökonomischen Folgen »Immer dann, wenn es in der ökono- mischen Realität anders zugeht, als es die Modelle der Wirtschaftslehrbü- cher vorschreiben, sollten die Ökono- men, statt in der Rumpelkammer überholter Theorien herumzustö- bern, nach den monetären Ursachen der Krise fahnden.« Wilhelm Hankel* Versucht man, die Ursachen der Krisenentwicklungen in der Welt einzugrenzen, dann kann man das auf verschiede- ne Weise tun. So kann man sie z. B. von ihren geographi- schen, politischen, ökonomischen oder historischen Gege- benheiten her untersuchen. Geht man den geographischen Gegebenheiten nach und markiert die von Krisen beson- ders betroffenen Länder auf dem Globus, dann würde man mit diesem Ansatz nicht weit kommen. Denn wirtschaftli- che Krisen gibt es überall auf der Welt, in Nord und Süd, in Ost und West. Dass sie auf der Südhalbkugel durchweg gra- vierender sind, hängt unter anderem damit zusammen, dass der Norden es verstanden hat, manche Krisenursachen und ihre Folgen in die südlichen Länder abzuschieben. Denn wer anderen wirtschaftlich und politisch überlegen ist, kann nicht nur Güter exportieren, sondern auch Armut, Arbeits- losigkeit und Umweltzerstörung. * Wirtschaftswissenschaftler, »John Maynard Keynes«, 1988, Prüft man den politischen oder den ökonomischen Ansatz, dann kommt man auch nicht viel weiter. Denn Wirtschaftskrisen treffen wir in Demokratien ebenso an wie in Diktaturen; in kapitalistisch geprägten Volkswirt- schaften ebenso wie in sozialistischen: Alle werden – wie die Erfahrung des letzten Jahrhunderts zeigt – immer wie- der von schweren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen heimgesucht. Dabei fallen rohstoffreiche Länder ebenso darunter wie rohstoffarme, industrialisierte wie mehr landwirtschaftlich orientierte. Fündig wird man bei der Suche nach den auslösenden Ursachen der Krisen eher, wenn man dem historischen Ansatz folgt und die großen Krisen der Vergangenheit näher unter die Lupe nimmt. Vor allem wenn wir uns dabei auf den Raum der Industrienationen beschränken, werden wir schnell feststellen, dass fast alle großen Krisen des ver- gangenen Jahrhunderts, wie auch die zwischenzeitlichen Aufstiegsphasen, in auffallender Weise mit dem Geld zusammenhängen, genauer: mit bestimmten Vorgängen und Entwicklungen im monetären Bereich.

Was waren die großen Krisen des letzten Jahr-

hunderts? Dass die wohl größte wirtschaftliche Krise des letzten Jahr- hunderts, die 1929 ihren Anfang nahm, mit bestimmten Vor- gängen im Geldbereich zusammenhing, wird jedem Leser geläufig sein. Gerade im Zusammenhang mit dem Börsen- geschehen unserer Tage wird darauf immer wieder Bezug genommen. Aber auch die daraus hervorgegangenen Defla- tionsentwicklungen werden angesichts niedriger Zinsen heute manchmal wieder beschworen, nicht zuletzt im Hin- blick auf die Entwicklungen in Japan in den letzten Jahren., Auch die weltweiten Wirtschaftskrisen nach den beiden Weltkriegen hingen nicht nur mit den Zerstörungen der Infrastrukturen zusammen, sondern ebenfalls mit jenen der Währungen, die man zur Kriegsfinanzierung maßlos ausge- weitet hatte, so dass sie in vielen Ländern ihre Aufgabe nicht mehr oder nur bedingt erfüllen konnten. Die Auswirkungen solcher deflationär wie inflationär verfälschten Währungen kann man besonders deutlich in Deutschland verfolgen. Ebenso aber auch die positiven Wirkungen eines Umtauschs der ruinierten Währungen gegen eine neue, fälschlicherweise als ›Währungsreform‹ bezeichnet. Dabei wurde in Wirklichkeit mit dem Um- tausch gar nichts reformiert, sondern lediglich die von Regierungen und Notenbanken in den Bankrott getriebene überzogene Geldmenge gegen eine reduzierte ausgewech- selt. Das galt nicht nur für den Umtausch der ins Astrono- mische vermehrten Reichsmark Ende 1923 gegen die Ren- tenmark, sondern ebenso für den Umtausch 1948: In beiden Fällen lebte die Wirtschaft fast schlagartig wieder auf. Zu einer umgekehrten Erscheinung kam es in der großen Wirtschaftskrise nach 1929. Auslöser dieser Depression, in der die Arbeitslosigkeit in Deutschland in kurzer Zeit auf über sechs Millionen anstieg, waren vor allem die durch die Börsenkrise ausgelösten Bankenzusammenbrüche. Diese hatten insofern besonders gravierende Auswirkungen für die Weimarer Republik, weil die in Schwierigkeiten gerate- nen Banken in den USA, aufgrund der eigenen Zahlungs- engpässe, ihre kurzfristigen Kredite zurückforderten. Weil diese länderübergreifenden Kredite in Gold abgewickelt wurden, verringerten sich die entsprechenden Reserven der Reichsbank. Da aber die herausgegebene Geldmenge in Deutschland wiederum an diese Goldreserven gebunden war, reduzierte der damalige Reichsbankpräsident Luther pflichtgemäß die umlaufende Geldmenge., Man hatte zwar unter großen Opfern Anfang der 20er Jahre gelernt, dass man die Geldmenge auf keinen Fall über die Wirtschaftsleistung hinaus vermehren darf, aber offen- sichtlich nicht gewusst, dass eine Geldmengenverminde- rung zu einem depressiven Zusammenbruch der Wirtschaft führt. Diese deflationär wirkende Geldverknappung wurde durch Kürzungen der Beamtengehälter noch verschärft. So verstärkte die Reichsregierung noch die Wirkungen der Geldpolitik der damaligen Reichsbank, die »in autonomer Erhabenheit die Weimarer Republik exekutierte«, wie der Bundesminister Ehrenberg in seinem Buch »Zwischen Marx und Markt« 1973 schrieb. Da ohne die daraus resul- tierenden Arbeitslosenheere Hitler kaum an die Macht gekommen wäre, muss man wahrscheinlich auch das »Drit- te Reich« und damit den zweiten großen Krieg im letzten Jahrhundert auf das Konto jener falschen geldbezogenen Entscheidungen buchen. Auf diese fatalen Beziehungen zwischen Geld und Krise hatte auch die deutsche Gewerkschaftszeitschrift »Metall« im Jahr 1953 hingewiesen: »Zweimal wurde das soziale Gefüge des deutschen Volkes in den Grundfesten erschüttert: während der großen Inflation des Jahres 1923 und nach dem Aus- bruch der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929. Ohne diese Katastrophen wäre der Nationalsozialismus nie- mals eine Macht geworden.«

Was könnte auch in unseren Tagen zu einer gro-

ßen Krise führen? Erinnern wir uns noch einmal an die zweite Wachstumsre- gel. Danach kann ein Organismus nur stabil bleiben, wenn, sich alle seine Teile im Gleichschritt mit dem Ganzen entwi- ckeln. Wie hier bereits verschiedentlich dargelegt wurde, wach- sen in unserem Wirtschaftsorganismus die monetären Bes- tandsgrößen Geldvermögen und Schulden jedoch schneller als die Wirtschaftsleistung, aus der sie bedient werden müs- sen. Diese langfristig zunehmende Auseinanderentwick- lung konnte bislang in den meisten Ländern durch ständi- ges Wirtschaftswachstum in erträglichen Grenzen gehalten werden. Dieser Ausweg wird jedoch immer weniger gang- bar, da die Natur einer ständigen Leistungssteigerung Ein- halt gebietet. Außerdem muss das noch mögliche Wirt- schaftswachstum immer mehr zur Behebung der bereits erzeugten Naturzerstörungen eingesetzt werden. Diese ›Umweltreparaturen‹ erbringen jedoch nur dem eingesetz- ten Kapital weitere Einkommenszugewinne. Denn die Arbeitenden müssen – wie bei den Rüstungsausgaben – neben der Leistung für diese vermeidbaren Reparaturen auch noch die Kosten über Steuern und Preisaufschläge tra- gen. Das heißt, die Arbeitleistenden zahlen sich gewisser- maßen selbst ihre Löhne, allerdings verkürzt um die Ver- zinsung des Kapitals, das bei diesen Umweltschutzmaßnah- men zusätzlich erforderlich wird.

Ist der Kapitalismus selbst die Krisenursache?

»Der Kommunismus ist tot – der Kapitalismus todkrank«, hat Anfang der 90er Jahre einmal jemand formuliert. Die Krankheit selbst, der Kapitalismus, lässt sich an vielen Sym- ptomen festmachen, am deutlichsten an den monetären Wucherungen und ihren Metastasen, zu denen nicht zuletzt die immer größeren Einkommensumschichtungen von der Arbeit zum Besitz gehören. Deren Größenordnungen und, Folgen für die Bürger wurden in den Kapiteln 21 und 22 dargelegt. Aber nicht nur für die Bürger, auch für den Staat haben diese Diskrepanzentwicklungen schwerwiegende Folgen. Denn aufgrund der zunehmenden Staatsverschuldungen bluten die öffentlichen Kassen aus. Die entstehenden Defizi- te können nur mit verringerten Ausgaben, zusätzlichen Schulden oder höheren Steuern geschlossen werden. Alles in allem wird der finanzielle Spielraum der Regierungen klei- ner. Während Städte und Gemeinden beispielsweise in den 60er und 70er Jahren Schulen, Büchereien und Schwimmbä- der bauen konnten, sind sie heute oft nicht mehr in der Lage, diese Einrichtungen zu unterhalten. Und das trotz des zu- nehmenden Reichtums in den Industrienationen! Der Sozialstaat konnte zwar lange Zeit das Auseinan- derdriften von Arm und Reich durch Rückverteilungen in tragbaren Grenzen halten, das aber wird zunehmend schwieriger. Das ›soziale Netz‹ reißt nicht nur an vielen Stellen weil es allzu oft als ›soziale Hängematte‹ miss- braucht wird, es reißt vor allem, weil der Staat immer weni- ger in der Lage ist, die zunehmenden Löcher in diesem Netz zu flicken. Die immer höheren Sozialabgaben und der dar- aus resultierende Rückgang der Nettolöhne, treffen immer mehr jene Schichten, die der Staat eigentlich unterstützen müsste. Vor allem wächst die Zahl der Langzeitarbeitslo- sen, der Sozialhilfeempfänger und jener Menschen, die durch das soziale Netz hindurchfallen.

Wie erklären sich die dauernden Konjunkturein-

brüche? Wenn ein Automotor ziemlich regelmäßig nach einigen hundert Kilometern Fahrstrecke in der Leistung abfallen, und erst nach einiger Zeit wieder auf volle Touren kommen würde, dann würden sich alle Kfz-Ingenieure Gedanken über die Ursache und deren Abstellung machen. Wenn aber unser Wirtschaftsmotor alle paar Jahre zu stottern beginnt, ist das für die Mehrzahl der Wirtschafts- wissenschaftler kaum ein Anlass, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Vielmehr werden diese Störungen im All- gemeinen als unabänderlicher Tatbestand bzw. sogar als natürliche Erscheinung einer lebendigen Wirtschaft hinge- nommen. Manche erklären sie auch ganz einfach mit der Unberechenbarkeit menschlichen Verhaltens, andere sehen sogar Beziehungen zu den periodisch auftretenden Sonnenflecken usw. Ernst Helmstädter, ehemals Leiter des Instituts für industriewirtschaftliche Forschungen an der Uni Münster, hält sogar eine Untersuchung der Störungsur- sachen für überflüssig. So schrieb er am 18. 9. 1987 in der Wochenzeitung »Die Zeit«: »Die Konjunktur bezeichnet ein wirtschaftliches Auf und Ab. Es gibt die Hochkonjunktur, in der alles bes- tens läuft, und das Konjunkturtief, in dem die Aktivitä- ten erlahmen. Eine Erklärung des Wellenmusters selbst ist gar nicht nötig. Es genügt, einen solchen Pulsator der Wirtschaft einfach als beobachtendes Faktum von ver- lässlicher Regelmäßigkeit nachzuweisen.« Auch die Info-Zeitschrift der Sparkasse, »Kleiner Wirt- schaftsspiegel«, wiegelte 1985 noch ab: »Das Auf und Ab der Konjunktur ist eigentlich nichts Besonderes. Jedem Aufschwung mit stärkerem Wirt- schaftswachstum folgte eine Phase schwächerer Wirt- schaftstätigkeit. Das ist das Kennzeichen jeder Markt- wirtschaft. Bemerkenswert ist aber, dass nahezu jeder, Konjunkturaufschwung in der Bundesrepublik schwä- cher ausfiel als der vorhergehende und dass sich die Konjunkturtäler immer tiefer einkerben.« Immerhin kann man dem letzten Satz entnehmen, dass mit diesen sich wiederholenden Konjunkturschwankungen ein negativer Trend verknüpft ist.

Was sind die Ursachen der Konjunktureinbrüche?

Sucht man für die Konjunktureinbrüche eine plausible Erklärung, dann müsste sich etwas finden, was den Einbrü- chen jeweils zeitlich vorausläuft. Denn zwischen Ursache und Wirkung gibt es bei komplexen Organismen zwangs- läufig mehr oder weniger lange Verzögerungen. Unter- sucht man daraufhin die Schwankungen wirtschaftlich rele- vanter Daten und zieht dabei auch die Entwicklungen im monetären Bereich mit heran, dann zeichnet sich nur eine Größe als vorauslaufend ab, nämlich die der Zinssätze bzw. der daraus resultierenden Lasten. Dass die Schwankungen der Zinssätze ihrerseits wiederum entscheidend von den Inflationsraten beeinflusst werden, wurde bereits mehrfach dargelegt. Diese Beziehung zwischen Zinshöhe und Konjunktur- entwicklung geht aus der Darstellung 73 hervor. Wie auf einen Blick erkennbar, gibt es eine enge Bezie- hung zwischen den Ausschlägen der Zinssätze und der diversen Wirtschaftsindikatoren. Diese Beziehung wird durch die vertikalen Linien, die von den Zinsgipfeln ausge- hen, noch verdeutlicht. Vor allem zeigen diese Hilfslinien, dass fast alle Wirtschaftsdaten mit etwa einem Jahr Verzö- gerung auf die Zinssatzveränderungen reagieren, entweder gleich gerichtet, wie oberhalb der Zinskurve, oder gegen-, Darstellung 73:, läufig, wie unterhalb. Diese Zeitverzögerungen sind ver- ständlich und ein Beweis dafür, dass die Zinsschwankungen Auslöser der Konjunkturschwankungen sind und nicht etwa umgekehrt. Vergleicht man die einzelnen Kurven, dann ergeben sich aufschlussreiche Unterschiede. So verläuft die Sparquote (und damit die Ersparnis der Privathaushalte) weitgehend parallel mit dem Auf und Ab der Zinsen. Das spiegelt den Tatbestand wider, dass das Gros der Ersparnisse immer mehr aus Zinsgutschriften resultiert. Die Ersparnisse der Unternehmen gehen dagegen mit steigendem Zins zurück und umgekehrt. Hier zeichnet sich der Tatbestand ab, dass bei höheren Schuldenzinsen die erwirtschafteten Über- schüsse und damit die Ersparnismöglichkeiten reduziert werden. Auch die ›Risikoprämie‹ – Differenz der Nettoei- gen- und Fremdkapitalrendite – verändert sich gegenläufig zum Zins, ebenso die Veränderungsrate des Sozialprodukts und der Beschäftigung. Aufschlussreich ist weiterhin die Gegenläufigkeit der Schulden-Zuwachsraten des Staates gegenüber jenen der Unternehmen. Während diese ihre Neuverschuldungen in Hochzinsphasen reduzieren, ist es beim Staat umgekehrt: Aufgrund der rückläufigen Steuereinnahmen und erhöhten Sozialkosten während der hochzinsbedingten Konjunktur- einbrüche ist er zu verstärkter Kreditaufnahme gezwun- gen.

Sind die Zusammenhänge zwischen Zins und Konjunktur allgemein bekannt?

Jeder weiß, dass höhere Zwangsabgaben den Freiraum für die normalen Ausgaben einschränken. Da auch Zinsen für jeden Schuldner eine Zwangsabgabe sind, muss er den Gür-, tel enger schnallen, wenn die Zinssätze steigen. Das gilt nicht nur für die verschuldeten Privathaushalte, sondern ebenso für jedes Unternehmen, jede Kommune und den Staat. Da diese letztgenannten Schuldenmacher jedoch ihre Zinslasten über Preise, Steuern und Gebühren an die Endverbraucher weiterwälzen, sind auch die Nichtver- schuldeten in der Wirtschaft von diesen Lastenanstiegen betroffen. Das führt vor allem in Hochzinsphasen zu ent- sprechend steigenden Problemen, wie der Zusammen- schnitt von Zeitungsüberschriften aus der Hochzinsphase in den 80er Jahren zeigt. Man sollte meinen, dass solche Überschriften die Zeitungs- leser nachdenklich machen. Doch kaum einer fragt, warum, wir mit einer solchen – Zins genannten – Einrichtung leben müssen. Mit einer Einrichtung, die in einem so extremen Maß unser Wirtschaftsleben belastet und gefährdet. Denn beim Zins handelt es sich ja nicht um irgendwelche unab- wendbaren Naturereignisse wie Erdbeben oder Sturmflu- ten, gegen die man machtlos ist. Vielmehr ist der Zins ein Phänomen unserer Geldordnung, das – wie immer auch entstanden – von uns Menschen veränderbar ist. Und auch die inflationsbedingten Schwankungen der Zinssätze, denen wir unsere konjunkturellen Wechselbäder entschei- dend verdanken, haben keine natürlichen oder übernatürli- chen Ursachen, sondern letztendlich immer solche, die wir Menschen selbst zu verantworten haben.

Warum sind auch niedrige Zinsen Krisen auslö-

send? Bekanntlich sorgen Zins und Inflation heute dafür, dass Wirtschaftsteilnehmer mit Einkommensüberschüssen die- se wieder in den Umlauf geben. Dabei wirkt der Zins, als Belohnung für die leihweise Freigabe von Geld, gewisser- maßen wie ein Lockmittel oder Zuckerbrot. Die Inflation dagegen wirkt wie eine Peitsche, die das Geld beschleunigt in die Nachfrage oder in Sachanlagen treibt. Kurz: Zins und Inflation sind in unseren heutigen Volkswirtschaften die Instrumente, die für den Umlauf des Geldes sorgen. Je höher sie sind, umso größer ist ihre Umlauf sichernde Wir- kung, allerdings auch ihre destruktiven Auswirkungen. Diese destruktiven Auswirkungen verringern sich zwar mit einem Absinken der Zins- bzw. Inflationsraten, jedoch lässt mit diesem Absinken auch die Umlauf sichernde Wirkung nach. Läuft Geld aber nicht mehr regelmäßig um, dann kommt, es zu Stockungen und Unterbrechungen im Nachfrage- kreislauf. Die Folgen sind Absatzkrisen und Arbeitslosig- keit. Da bei Nachfragemangel und übervollen Läden die Preise fallen, kommt es zu einer deflationären Kettenreak- tion. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine Deflation als Folge einer konkreten Verringerung der Geldmenge durch die Notenbank, wie sie z. B. Anfang der 30er Jahre in Deutschland ausgelöst wurde, sondern um eine Deflation als Folge von Geldzurückhaltungen durch Verbraucher. Deshalb ist auch die Bezeichnung ›Überangebotskrise‹ für diese Situation falsch, da es sich um eine Unternachfrage handelt. Überproduktionskrisen kann es unter normalen Marktbedingungen mit ungestörtem Geldkreislauf niemals geben, da jeder Produktion ein entsprechendes Einkom- men gegenübersteht, mit dem das Angebot vom Markt genommen werden kann. Zur Krise kommt es nur, wenn diese Einkommen nicht in voller Höhe zur Markträumung eingesetzt werden.

Was löst die deflationären Krisen aus?

Solange ein Konsument sein Einkommen zur Nachfrage ausgibt und überschüssige Einkommensanteile an andere verleiht, kann es zu keinen Störungen des Nachfragekreis- laufs kommen. Vielmehr kommen sie zustande, wenn jemand sein Geld nicht im vollen Umfang ausgibt und Überschüsse nicht verleiht. Diese Zurückhaltung über- schüssiger Einkommen nimmt im Allgemeinen in dem Maße zu, wie die Zinsen sinken, das heißt, wie ihre ›Zucker- brotwirkung‹ nachlässt. Man ist dann ganz einfach weniger motiviert, seine Ersparnisse zur Bank zu bringen als bei höheren Zinsen. Als Folge dieser Geldverknappung und der daraus resultierenden Unternachfrage kommt es zu, Preissenkungen, auf die die Verbraucher mit Nachfrage- aufschiebungen reagieren: Man hofft auf noch stärker fal- lende Preise und wartet ab. Diese Unterbrechung des Geldkreislaufs bewirkt jedoch nicht nur einen Rückgang des Konsums und als Folge wei- tere Preissenkungen, sondern auch einen Rückgang der Investitionen, da sich diese aufgrund der Unternachfrage – trotz der niedrigen Zinsen – immer weniger lohnen. Die Konjunktur bricht also in Niedrigzinsphasen gewisserma- ßen von zwei Seiten her ein: Von der Nachfrageunlust der Konsumenten, die auf weiter fallende Preise hoffen, und von der Investitionsunlust der Unternehmer, die auf höhe- re Nachfrage warten. Noch mehr als eine inflationäre Krise nährt sich also eine deflationäre selbst. Es ist darum verständlich, dass die Regierungen und Notenbanken vor einer solchen Krise größten Respekt haben und sie mit allen Mitteln zu verhin- dern suchen: Die Regierungen durch die verschiedensten Maßnahmen der Wirtschaftsförderung und -belebung, die Notenbanken mit einer ständigen leichten Überausweitung der Geldmenge, mit der sie schon im Vorfeld das Absinken der Inflation auf Null oder gar darunter zu vermeiden suchen, wie im 8. Kapitel bereits beschrieben.

Welche Wirkungen haben Geldzurückhaltungen

auf die Beschäftigung? »Millionen Menschen hungern nicht weil es zu wenig Lebensmittel in der Welt gibt, sondern weil ihnen das Geld fehlt, sie zu kaufen.« – Das hat bereits vor etlichen Jahren der ehemalige Präsident des IWF, Camdessus, gesagt. Bezieht man den Satz auf unsere Wirtschaftskrisen und hier speziell auf die Arbeitslosigkeit, dann könnte man ihn, so umformulieren: Millionen Menschen sind nicht arbeits- los weil es zu wenig Arbeit in der Welt gibt, sondern weil das Geld fehlt, sie zu bezahlen. Geld ist also nicht nur das viel gelobte Tauschmittel, das Angebot und Nachfrage in Deckung bringt, sondern allzu- häufig auch ein Tauschverhinderungsmittel, das Angebot und Nachfrage nicht zusammenkommen lässt. Es ist also nicht nur ein ›Schlüssel zum Markt‹, sondern in vielen Fäl- len auch ein ›Riegel‹, der ihn verschließt. Und diese Riegel- funktion nimmt mit sinkenden Zinsen zu. »Wer Geld einsperrt, sperrt Arbeiter aus«, schrieb bereits in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die schweizerische Zeitschrift »Nebelspalter«. Und ein anderes Schlagwort aus jener Zeit besagt: »Kein Zins – kein Geld, kein Geld – keine Arbeit, keine Arbeit – kein Lohn«, womit wir wieder an das Zitat des IWF-Präsidenten anknüpfen können. Während Themen wie ›Geldstreik‹ und ›Deflation‹ fast aus dem Vokabular der Tagespresse verschwunden waren, lebten entsprechende Befürchtungen Ende des 20. Jahrhun- derts wieder auf. Vor allem im Zusammenhang mit der Kri- se in Japan, die ursprünglich von den Hyperspekulationen mit dem Boden Ende der 80er Jahre und dem schließlichen Platzen des Spekulationsballons ausgegangen war. Die dar- aus resultierende kalte Dusche aus Wertverlusten und Bankzusammenbrüchen hatte erhebliche Auswirkungen auf Nachfrage und Wirtschaftstätigkeit. Aufgrund der dar- aus resultierenden niedrigen Zinsen, aber auch aus Furcht vor weiteren Bankenpleiten, ging die Spartätigkeit bei den Banken zurück und die Verbraucher begannen immer mehr, ihr Geld zu Hause zu horten. In welchem Umfang das geschah, zeigt die Hochkonjunktur der japanischen Safe- und Panzerschrankproduzenten in den sonst so schwachen Konjunkturjahren. Auch die staatlichen Konjunktur-Bele-, bungsversuche in vielstelligen Billionen-Yen-Beträgen konnten die Wirtschaft nicht in Gang bringen. Auch ein Versuch mit Kaufgutscheinen, die man an die Bevölkerung verschenkte, führte nur zu einem Drittel ihres Kaufwertes zu einer Ausweitung der Nachfrage. Zwei Drittel wurden indirekt zur Erhöhung der Geldhortungen benutzt. Selbst im Umfeld der US-Notenbank machte man sich bereits Gedanken über Gegenmaßnahmen zu solchen Geldzurückhaltungen. So fand im Oktober 1999 in Woods- tock eine Konferenz zum Thema »Geldpolitik im Falle niedriger Zinsen« statt. Dabei wurde von dem stellvertre- tenden Direktor der Federal Reserve Bank Richmond, Marvin Goodfriend, u. a. auch die von Silvio Gesell und John Maynard Keynes vorgeschlagene Umlaufsicherung detaillierter behandelt. Und bezüglich der Umsetzung die- ser Durchhaltekosten bzw. Durchhaltesteuer beim Bargeld brachte Goodfriend den Vorschlag ein, die Geldscheine mit Magnetstreifen zu versehen, mit denen man die zwischen- zeitlichen Geldhaltungsintervalle erfassen und belasten könne. Auch wenn in den übrigen Industrienationen bislang ein deflationärer Preisniveaueinbruch vermieden werden konnte, so wurden die Schleifspuren zu niedriger Zinsen hier und da bereits sichtbar. Doch statt dafür zu sorgen, dass das vom Staat herausgegebene Geld seine Funktion als Umlaufmittel auch bei niedrigeren Zinsen erfüllt, hilft man lieber dem Zins wieder auf die Beine, notfalls durch kreditfinanzierte staatliche Investitionen oder Subventio- nen privater Unternehmungen oder auch durch Eingriffe der Notenbanken. Das heißt, die Zinserträge der Geld- überschussbesitzer werden mit staatlicher Hilfe weiter garantiert, auch wenn der Zins den Marktgesetzen folgend weiter sinken müsste., 26. Kapitel

Krisenerscheinungen

in Planwirtschaften »Wir stehen am Rand eines Bank- rotts. Warum? Das könnte man mit verschiedenen Faktoren erklären: Inflation, zunehmende Unausgegli- chenheit von Angebot und Nachfra- ge, Haushaltsdefizit, fieberhafte Geldemission. Das alles bedeutet nur eins: zunehmende Zerrüttung unseres Geld- und Finanzsystems und eine herannahende Krise, ähnlich wie wir sie Anfang der zwanziger Jahre und gleich nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt haben.« Nikolai Schmeljow* Der Zusammenbruch der Planwirtschaftsländer mag Ge- schichte sein. Dennoch ist es nicht uninteressant noch einmal zurückzublicken, vor allem bezogen auf die Auswirkungen der dort gemachten Fehler im monetären Bereich. Die grundlegenden Ursachen des Zusammenbruchs waren in diesen Ländern zweifellos durch die Wirtschafts- strukturen nach Plan und auf Kommando vorprogram- miert. Einmal lassen sich die Befriedigungen menschlicher Bedürfnisse niemals zentral auf optimale Weise planen. Unzureichende Versorgungen und/oder nicht absetzbare Überproduktionen sind die unvermeidbare Folge. Zum * russischer Ökonom, »Politik und Zeitgeschichte«, 4. Mai 1990, anderen lähmen Plan- und Kommandowirtschaft die Eigeninitiative und verordnete festgeschriebene Löhne die Leistungsmotivation. Diese Mängel können allenfalls vor- übergehend durch ideologische Massenpsychosen und pro- pagandistisches Getrommel ausgeglichen werden. Doch auch die schönsten Blechorden für die Arbeitshelden oder rote Fahnen für die besten Brigaden sind auf Dauer kein Ersatz für eine leistungsgerechte Entlohnung. So erzwingt die Kommandowirtschaft immer größere Aufsichts-, Kon- troll- und Funktionärskader, die mit ihrer Drohnentätig- keit einen wachsenden Teil der Leistung schlucken. Selbst mit einer Ausweitung der dort praktizierten Zwangsar- beitsmethoden hätten diese Planwirtschaften auf Dauer niemals wettbewerbsfähig sein können, da man zumindest allgemeine Kreativität und geistige Leistungen nicht befeh- len und erzwingen kann. Aber nicht nur das Leistungsin- teresse wird durch Planwirtschaften weitgehend zerstört, sondern auch die pflegliche Einstellung zu allem Geschaf- fenen. Wer einmal längere Zeit in solch einem System gear- beitet hat, ist entsetzt über die Verschwendung von Resso- urcen und die Verantwortungslosigkeit, mit der man Güter dem Zerfall preisgibt: Wenn alles allen gehört, fühlt sich niemand mehr dafür zuständig! Auch falsche Preissignale, die mit allen Planwirtschaften zwangsläufig verbunden sind, führen zu problematischen Verhaltensweisen. Wenn Brot billiger ist als Futtermittel, dann wird man Hühner und Schweine damit füttern. Und wenn die Wohnungsheizung kaum etwas kostet oder als Pauschale in der Miete enthalten ist, dann reguliert man die Temperatur übers Fensteröffnen. Das vor allem in solchen Wohnungen, in denen man zur Baukostensenkung – wie in vielen Plattenbauten der ehemaligen DDR – gleich die Ventile weggelassen hat. Auch aus der Sicht des Umweltschutzes ist persönliches, Eigentum wie kostengerechte Preise ein Garant für Pflege und Erhalt von Gütern. Vor allem dann, wenn man sie durch eigene Leistung erworben hat. An dem pfleglichen Umgang der ehemaligen DDR-Bewohner mit ihrem ›Trabbi‹ oder der ›Datscha‹ im Schrebergarten konnte man das gut studie- ren.

Hatten die Krisen im Ostblock auch mit Geld zu

tun? Obwohl man dem Geld im Ostblock einiges von seiner Bedeutung genommen und es mehr zu einem Bezugsschein umfunktioniert hatte, blieb es auch dort prinzipiell mit den gleichen Fehlern behaftet wie in den westlichen Marktwirt- schaften. Überschüssige Geldbestände in den Händen der Privathaushalte oder Betriebe konnten auch in den sozia- listischen Planwirtschaften nur durch das Lockmittel Zins wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeholt werden. Damit der Rubel rollte, musste der russische Staat den Geldanlegern – nicht anders als im Westen – sogar das Bankgeheimnis garantieren. Das vor allem, wenn er an die größeren Ersparnisse der Gutverdienenden herankommen wollte. Doch trotz dieser kapitalismusverdächtigen Metho- den klappte es mit der Geldzurückführung nur bedingt. Allzu viele trauten den Regierungen nicht und bewahrten die Ersparnisse lieber zu Hause auf. Natürlich konnte auch jeder sozialistische Staat das dem Kreislauf entzogene Geld durch neu gedrucktes ersetzen. Damit aber bauten sich – nicht anders als bei uns – Doppel- ansprüche an eine gleich bleibende Leistung auf. Solche stillgelegten Inflationspotentiale müssen dann irgendwann, wenn sie zur Nachfrage werden, die Preise nach oben trei- ben. Und schreibt man diese Preise – wie im Ostblock, üblich – über Jahre und Jahrzehnte hinweg fest, dann kommt es zu einer immer größer werdenden aufgestauten Inflation, die einer Zeitbombe gleicht. Kommt diese eines Tages zum Durchbruch, dann sind die Folgen mit einem Dammbruch vergleichbar. In der ehemaligen UdSSR zum Beispiel war die heraus- gegebene Bargeldmenge Ende der 80er Jahre etwa zehn- mal größer als die monatliche Endnachfrage auf den Märk- ten, was den dortigen Rubelüberhang erkennen lässt.

Was sind die konkreten Folgen eines Geldüber-

hangs? Solange es einem Staat gelingt, das Preisniveau festzu- schreiben und Schwarze Märkte zu verhindern, ist das zu viel vorhandene Geld für das wirtschaftliche Geschehen bedeutungslos. Kommt es jedoch zu ungewöhnlichen politi- schen Entwicklungen oder verbreiten sich Gerüchte über Preisanstiege oder sogar Geldeinzug und -umtausch, dann nimmt die Aktivierung solcher Geldüberhänge zu. Das heißt, man steigt aus der Hamsterung von Geld in die von Gütern um. Normalerweise wird eine solche Übernachfrage durch steigende Preise abgebremst. Da aber die Preise in den staatlichen Läden festgeschrieben waren, kam es zu einer Hamsterung langlebiger Güter, wie z. B. Textilien und Hausrat, Zucker, Waschpulver usw. Aufgeschreckt durch die sich leerenden Regale kam es dann zu allgemeinen Panikkäufen. Die Schlangen vor den Läden wurden länger, immer häufiger auf Kosten der Arbeitsleistung und sogar der Arbeitszeit. Dadurch verschlechterte sich die Versor- gungslage noch mehr. Die Folge war, dass vor allem die ärmere Bevölkerung, die sich keine Hamsterkäufe leisten, konnte, mit ihrem Arbeitslohn vor leeren Regalen stand. So kam es schließlich zu ersten Protestaktionen und Streiks, wobei es – wie in den Kohlerevieren am Ural – anfangs nicht einmal um höhere Löhne ging, sondern nur um feh- lende Seife oder Handtücher. Verschärft werden solche Entwicklungen noch durch die Entstehung Schwarzer Märkte, auf denen die inflationären Kaufkraftverluste der Währung sichtbar werden. Eine sol- che einmal in Gang gesetzte Entwicklung, ist kaum noch zu bremsen. Vor allem, wenn sie durch den Staat selbst noch beschleunigt wird, der angesichts der explodierenden Preise und der damit größer werdenden Löcher im Etat diese mit neu gedrucktem Geld zu schließen versucht. Auf diese Weise wird aus der schleichenden und trabenden Inflation schließ- lich eine galoppierende, ganz gleich ob sich das Ganze in einem planwirtschaftlichen Ostblockland, einer Diktatur in Lateinamerika oder einer westlichen Demokratie abspielt.

Wusste man im Sozialismus vom Geldproblem?

»Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss man ihr Geldwesen ruinieren«, soll Lenin einmal gesagt haben. Dass dieser Satz nicht nur auf bürgerliche Gesellschaften zutrifft, wissen wir inzwischen. Vielleicht hat es sogar Lenin gewusst. Doch statt die mit dem Geld verbundenen Fehl- mechanismen abzubauen, hatte er bekanntlich nach der Revolution den Versuch gemacht, das Geld ganz abzu- schaffen und durch Eintragungen in Arbeitsbüchern zu ersetzen. Dass dieser radikale ›Geldreformversuch‹ (den Pol Pot in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts noch einmal wiederholte!) zu einem totalen Zusammen- bruch der Wirtschaft und zu Millionen Hungertoten führte, hat man leider allzu oft vergessen., Leider hatte auch Karl Marx zu dieser Nichtbeachtung der monetären Problemursachen erheblich beigetragen. Nicht nur durch seine Annahme, dass die Ausbeutung des Menschen mit dem Produktionsmitteleigentum zusam- menhängt, sondern vor allem durch seine Einschätzung des Geldes als ein Äquivalent der damit einzutauschenden Leistungen und Güter. Beides ließ ihn die Überlegenheit des Geldes über diese Güter und die daraus resultieren- den Folgen nicht erkennen. Im dritten Band seines Haupt- werkes »Das Kapital«, stößt man zwar auf weiter gehende Erkenntnisse. Wahrscheinlich aber stammen sie von En- gels, der den Band zusammenstellte und dem auf Grund seiner Wirtschaftspraxis die Realitäten geläufiger waren. Engels war es auch, der in seinem »Anti-Dühring« auf die krisenauslösende Wirkung der Geldzurückhaltung hinge- wiesen hat. Auch in dem 1955 vom SED-Verlag Berlin herausgege- benen »Lehrbuch politische Ökonomie« wird die Proble- matik beschrieben, die in der Geldwirtschaft durch die Trennung von Verkauf und Kauf entsteht: »Der Warenproduzent kann seine Ware verkaufen und das erlöste Geld zeitweilig zurückhalten. Sobald viele Warenproduzenten verkaufen, ohne zu kaufen, kann eine Absatzstockung eintreten. Somit schließt bereits die einfache Warenzirkulation die Möglichkeit der Krisen ein.« Hätte man hier statt Waren- Geldzirkulation geschrieben, wäre man vielleicht selbst auf die eigentliche Störungsursa- che gekommen. Dass der ursächliche Fehler unserer wirtschaftlichen Strickmuster in der Zirkulations- und nicht in der Produkti- onssphäre liegt, bestätigte rund hundert Jahre später auch, Gorbatschow in seiner weltweit beachteten Rede vom 25. Juni 1987: »Große Aufgaben gibt es im Bereich der Geldzirkula- tion zu lösen. Ohne dies kann kein neuer Wirtschafts- mechanismus geschaffen werden .Hauptmangel auf diesem Gebiet ist heute die Loslösung .der Geldmit- tel von der Bewegung materieller Werte und die Über- sättigung der Volkswirtschaft mit Zahlungsmitteln .Der jetzige Rubel wird seiner Rolle als aktives Mittel der finanziellen Kontrolle über die Wirtschaft nicht gerecht.«

Wie war das in Jugoslawien?

Als Folge zerfallender Währungen kommt es überall zu einem Erlahmen der Wirtschaftstätigkeit. Not und Mangel nehmen zu, desgleichen die sozialen Spannungen, nicht nur zwischen Arm und Reich, sondern auch zwischen ärmeren und reicheren Volksgrupppen und Nationalitäten innerhalb des Landes. Solche Spannungen wiederum arten allzu leicht in Gewalt aus, bis hin zu Aufständen und Bürgerkriegen. Der Sozial- und Geldreformer Silvio Gesell hat diese Beziehungen zwischen Geldzerstörung und Gewalt bereits 1918 gekennzeichnet: »Die Währung hält den Staat zusammen oder sprengt ihn – je nachdem. Wird hier gepfuscht, so löst er sich in kleine Teile auf, in Atome, die sich gegenseitig absto- ßen: Stadt gegen Land, Beruf gegen Beruf, Volksstamm gegen Volksstamm, Norden gegen Süden, Festbesolde- te gegen Lohnarbeiter, bis schließlich Arbeiterbatail- lone gegen Arbeiterbataillone marschieren.«, Vor dem Hintergrund der Vorgänge in Jugoslawien ge- winnt diese Aussage geradezu eine beklemmende Be- deutung. Allzu leicht vergisst man angesichts der dortigen Ereignisse nämlich, dass es ohne die vorausgegangene monetäre Destabilisierung kaum zu dieser Gewalteskala- tion gekommen wäre. Diese monetäre Destabilisierung wurde im ersten Schritt durch eine explodierende Aus- landsverschuldung ausgelöst, die 1987 bereits bei 20 Mrd. Dollar lag. Dies hatte zur Folge, dass damals schon jeder Jugoslawe etwa jeden siebten Tag für die ans Ausland zu zahlenden Zinsen arbeiten musste. Da man die sozialen Folgen dieser Reichtumsabflüsse durch Geldvermehrung zu vertuschen suchte, kam es zu einer zunehmenden infla- tionären Entwertung des Dinar. Wegen dieser Entwertung wiederum begannen die Bürger, ihre Ersparnisse in DM zu horten, womit sowohl die Devisenreserven als auch die internen Kreditgewährungsmöglichkeiten zurückgingen und der Staat verstärkt auf die Notenpresse zurückgreifen musste. Mit den zunehmenden sozialen Erschütterungen und Verarmungen bei einer Arbeitslosigkeit von 20 Pro- zent, brachen dann auch wieder die alten Spannungen zwi- schen dem reichen Norden und dem armen Süden Jugosla- wiens auf, bis hin zu gewaltsamen Entladungen, die durch die sprachlichen, völkischen und religiösen Unterschiede noch verstärkt wurden. Die wesentliche Rolle der Inflation bei diesen Vorgän- gen bestätigte der slowenische Ökonom Marjan Senjur im März 1990 in der »Zeitschrift für Sozialökonomie«: »Seit 1980 steckt Jugoslawien in einer immer größer werdenden wirtschaftlichen Krise, die inzwischen zu einer generellen gesellschaftlichen Krise geworden ist .Meiner Meinung nach ist die Inflation das größte gesellschaftliche Problem Jugoslawiens.«,

Welche Rolle spielte das Zinsproblem in den

ehemaligen Ostblockstaaten? In Ost und West sind es also vergleichbare Unzulänglich- keiten der Geldmengenregulierung und des Geldumlaufs und allzu häufig auch eine vergleichbare leichtfertige Bedienung der Notenpresse, die inflationäre Folgen zeiti- gen müssen. Und auch den Geldumlauf versuchte man – wie im Westen – weitgehend durch Zinsversprechen in Gang zu halten. In der UdSSR war diese Zinsbelohnung sogar recht attraktiv: Drei Prozent für kurzfristige Einlagen und fünf Prozent für mittelfristige. Und angesichts der über Jahrzehnte festgeschriebenen Preise handelte es sich dabei um reale Zinsen. Damit lag die Belohnung für die langfristi- ge Freigabe von Geld noch über den in Deutschland gezahl- ten Zinsen, die in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahr- hunderts im Schnitt real bei etwa vier Prozent gelegen haben. Natürlich waren die Folgen dieser Zinsbelohnungen im Osten nicht anders als bei uns: Diejenigen, die bereits zu viel Geld hatten und es verleihen konnten, bekamen noch mehr Geld dazu. Denjenigen, denen Geld fehlte und die es sich leihen mussten, wurde noch mehr genommen. Und da auch im Ostblock nur verteilt werden konnte, was erwirt- schaftet wurde, mussten die Arbeitleistenden auch hier die Rechnung begleichen. Schon in den 70er Jahren soll es in der UdSSR Zehntau- sende von Rubelmillionären gegeben haben, die von ihren Zinseinnahmen leben konnten. Da den hoch bezahlten Spitzenfunktionären, Spitzenwissenschaftlern, -künstlern und -sportlern oft die Möglichkeit zum Ausgeben ihrer Ein- kommen fehlte, bildeten diese besonders hohe Sparrückla- gen. Und nach dem Zinseszinsprinzip verdoppelten sich auch im Ostblock Bankeinlagen bei fünf Prozent Verzin-, sung alle 14,5 Jahre. Damit war auch ohne Neuersparnisse die Wucherung der Geldvermögen gesichert. Natürlich waren, gemessen an westlichen Maßstäben, die Ersparnisse in den ehemaligen Ostblockländern insge- samt geringer. So lagen z. B. die nominellen Pro-Kopf-Be- stände in der ehemaligen DDR 1991 etwa bei 40 Prozent der westdeutschen Ersparnisse. Doch die ungleiche Vertei- lung dieser Ersparnisse auf die Haushalte war durchaus vergleichbar: Trotz der propagierten Solidarität im ›Arbei- ter- und Bauernstaat‹ hatten in der DDR 80 Prozent der Haushalte nur ein Fünftel der gesamten Geldvermögen von rund 170 Mrd. DM in der Hand, also 34 Mrd., während die restlichen 20 Prozent der Haushalte über Guthaben von rund 136 Mrd. Mark verfügten. Rechnet man das auf jeden Haushalt um, dann hatten vier Fünftel der Haushalte im Schnitt 6 500 Mark auf der hohen Kante, ein Fünftel, – also die wohlhabendere Minderheit – im Schnitt dagegen rund 105 000 Mark. Dabei kam dieser überhöhte Durchschnitt nur zustande, weil in dem reicheren Fünftel auch die Millio- nenvermögen von Funktionären und anderen Bevorzugten ›versteckt‹ waren.

Gibt es noch andere Krisenprobleme im Osten,

die mit dem Geld zusammenhängen? Da Übervermehrungen der Geldmenge auch in sozialisti- schen Staaten zu Instabilitäten führen, versuchte man, den dadurch ausgelösten Preisauftrieb durch Festschreibung aller oder einzelner Preise einzuschränken. Dadurch kommt es nicht nur zu leeren Läden und Schwarzen Märk- ten, sondern auch zu völlig irrealen Tauschverhältnissen mit dem Ausland. Das heißt, die Wechselkurse haben mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun. Das wiederum eröff-, net Spekulanten ungeahnte Möglichkeiten zu Millionenge- schäften, die letztlich immer zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung gehen. Schon eine Reise mit einem Koffer voller Produkte nach Berlin oder Wien, konnte mehr ein- bringen als ein ganzer Monat Arbeit. Auch aufgrund sol- cher Gegebenheiten leidet die normale Arbeitsleistung und wird für viele sogar völlig nebensächlich. Auch durch Arbeitsaufnahmen im Westen kam es zu völ- lig verrückten Einkommenssituationen. So konnte 1989/90 ein Pole, der nach einem halbjährigen Job in Deutschland mit 5000 DM Ersparnis nach Hause fuhr, diese offiziell gegen drei Millionen Zloty umtauschen. Da ihm die Bank damals neun Prozent Zinsen zahlte, hatte der Heimkehrer nun zu Hause ein größeres Einkommen ohne Leistung als die Ar- beiter vor Ort. Doch da auch in den Ostblockstaaten nichts vom Himmel fällt, wurden die Zinseinkünfte jenes Zloty- Millionärs seinen arbeitenden Genossen abgezwackt. Ein weiteres geldbezogenes Problem ist, dass in allen Ostblockländern, als Folge der Währungsruinierung, die Menschen zunehmend in kaufkraftstabile Westwährungen flüchten. Sieht man von Schenkungen ab, so können diese Westdevisen letztlich nur aus Exporten oder Westkrediten stammen. Das heißt, mit dieser Hortung von Devisen, wird das Land erneut geschädigt. Und soweit diese Devisen als Zweitwährung im Land kursieren, was zunehmend der Fall ist, werden die Bemühungen der jeweiligen Notenbank zur Geldmengensteuerung zusätzlich erschwert. »Der Rubel ist derzeit auf dem Schwarzmarkt für einen guten Pfennig zu haben. Längst gibt es zwei Währungskreisläufe: den durch die unter Hochdruck laufende Notenpresse entwerteten Rubel, dem die Menschen und Betriebe durch Tauschwirtschaft aus- weichen, und Devisen, für die man alles bekommt«,, schrieb Peter Gillies in der Tageszeitung »Die Welt« vom 2. 1. 1992. Noch ein weiteres geldbezogenes Thema darf natürlich nicht vergessen werden: Die Auslandsverschuldung der ehemaligen Ostblockländer, mit der man versuchte, die Folgen der Misswirtschaft noch eine Weile erträglicher zu machen (s. auch 14. Kapitel). »Die Schulden fressen den Sozialismus«, konnte man Ende der 80er Jahre in der Zeitschrift »Junge Kirche« lesen. Das ist sicher etwas verkürzt gesehen, da – wie gesagt – die- se Verschuldung im Westen ein letzter Versuch war, das bereits gescheiterte Sozialismusmodell noch ein paar Jahre über die Runden zu retten. Dass dieses Verschuldungsmit- tel die ganze Misere noch vergrößern musste, haben offen- sichtlich auch die marxistischen Ökonomen verdrängt. Denn durch die schuldenbedingten Zinstransfers flossen nun noch mehr Arbeitseinkünfte in den Westen ab und ver- ringerten noch die unzureichenden Devisenreserven, die man für dringende Einkäufe in den kapitalistischen Län- dern brauchte. Polen musste schon Anfang der 80er Jahre jeden Monat rund 250 Mio. Dollar Zinsen an den Westen zahlen. Das waren damals, bei noch halbwegs überschaubaren Verhält- nissen in diesem Land, umgerechnet etwa 14 Dollar je Beschäftigten im Monat, was einem Lohnanteil von 15 Pro- zent entsprach. Und da entsprechende Lohnkürzungen oder Preisanhebungen nicht durchsetzbar waren (zwei Regierungen wurden Opfer dieses Versuchs!) bezahlte man die Zinsen für die alten Schulden mit neuen Schulden im Westen, womit man immer mehr in die Schuldenfalle geriet.,

Was wäre heute zu tun?

Da ohne ein geordnetes Geldwesen kein Staat über längere Zeit funktionieren kann, mussten in allen Ostblockländern zuerst einmal die Währungen in Ordnung gebracht werden. Das heißt, als Erstes musste der inflationäre und die Wirt- schaft destabilisierende Geldüberhang abgeschöpft wer- den. Das war und ist auch erforderlich, um zu halbwegs realistischen Wechselkursen zu kommen, die erst Geschäf- te mit dem Ausland ermöglichen., Schon zu Zeiten Gorbatschows wurde dieser Geldum- tausch und die Ausgabe eines neuen Rubels von einzelnen Fachleuten angeraten. Doch man hat diesen unausweichli- chen Einschnitt in die Währung immer wieder aufgescho- ben. Stattdessen versuchte man, vor allem bis Ende der 90er Jahre in den GUS-Staaten, die Flucht nach vorn. Das heißt, man ließ die Notenpresse immer schneller laufen. Doch mit jedem zusätzlich gedruckten Rubel nahmen die Instabilitä- ten zu. »Der Rubel hat innerhalb weniger Wochen ›hunder- te Prozente‹ seines Wertes verloren. Vor zwei Wochen wur- de er im Verhältnis von 40 Rubel pro Dollar gehandelt, jetzt muss man über 115 Rubel pro Dollar zahlen«, zitierte bereits am 14. 11. 1991 das »Handelsblatt« einen russischen Wirtschaftsprofessor. Doch danach kam es nur noch zu einem Stillstand der Notenpresse, wenn der Papiernach- schub nicht funktionierte. Der vorstehende Schlagzeilen- Zusammenschnitt spiegelt das Schicksal des Rubels und damit der gesamten Gesellschaft im Zeitraffer wider.

Wie hat sich die Vereinigung von Ost- und West-

deutschland geldbezogen ausgewirkt? An der geldbezogenen Verteilungs- und Umverteilungs- problematik innerhalb der ehemaligen DDR hat sich durch die Vereinigung nichts geändert. Die großen Geldvermö- gen wurden unbesehen eingetauscht, ganz gleich, woher sie stammten. Auch mit der Geldumtauschquote haben die dafür verantwortlichen Politiker wieder einmal bewiesen, wie wenig sie vom Geld und seinen Wirkungsmechanismen verstehen: Allenfalls ein Verhältnis von 5 : 1 wäre sachlich gerechtfertigt gewesen und sicher auch akzeptiert worden. Denn der freie Umtauschkurs lag in den Tagen des Um- bruchs bekanntlich bei 10 : 1 bis 20 : 1., Schon mit dem begrenzten Kopfgeldumtausch 1:1 hatte man einen weitgehend ungedeckten Kaufkraftschub ge- schaffen, der vor allem der westdeutschen Autoindustrie zugute kam. Noch bedenklicher aber war der uneinge- grenzte Umtausch aller darüber hinaus gehenden Ost- mark-Ersparnisse im Verhältnis 2:1, mit dem man gerade den Privilegierten des Systems zu noch mehr unverdientem Reichtum in harter Währung verhalf. Geradezu unverant- wortlich aber war dieser Umtauschkurs vor dem Hinter- grund, dass damit auch alle Schulden der neuen Länder auf dieser Basis umgerechnet werden mussten. Dieser Tatbe- stand trieb unzählige Unternehmen in die Zahlungsunfä- higkeit oder zwang den Staat zur Übernahme der selbst ge- schaffenen DM-Schulden. Da man die Geldbesitzer mit dem Umtauschkurs über- reich beschenkte, konnte man verständlicherweise bei den Rentnern nicht knausern. Die Folge der schnellen Renten- anpassungen wiederum war ein entsprechender Druck auf die Anpassung der Löhne, was die Unternehmen nicht ver- kraften konnten und zu Betriebsschließungen und Entlas- sungen führte. Mit der Regelung Rückgabe vor Entschädi- gung bei den Immobilien, hatten die Politiker ein weiteres Selbsttor geschossen. Ebenso bei dem großzügigen Ver- zicht, die vorhandene Bereitschaft zum Teilen bei den Bür- gern Westdeutschlands aufzugreifen. Sicher ist eine solche Zusammenführung zweier Länder unterschiedlicher Wirtschafts- und Leistungsstrukturen keine einfache Sache und sicher wären auch bei einem realistischen Wechselkurs die Vereinigungsschwierigkeiten groß genug gewesen. Doch die Wissenslücken der Verant- wortlichen bezogen auf den monetären Bereich und ihre wahlenbezogene Großzügigkeit hat uns eine Kette von Problemen beschert., 27. Kapitel

Das Problem der Arbeitslosigkeit

»Die Produktionsfaktoren Arbeit und Umwelt werden vom dritten, dem Kapital, gleichsam ausgesaugt. Seine ungezügelte Expansion schnürt ihnen die Luft ab. Wenn das verstanden würde, käme man nicht auf die Idee, die Verminderung des Umweltschut- zes könnte Arbeitsplätze sichern. Arbeitsplatzvernichtung und Umweltzerstörung haben die gleiche Ursache, das müssen wir erst einmal erkennen.« Prof. Dr. Gerhard Scherhorn* Bei der Arbeitslosigkeit unterscheidet man im Allgemei- nen zwischen konjunkturellen und strukturellen Ursachen. Konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit entsteht, wenn sich die Marktlage negativ entwickelt, das heißt die Nach- frage sinkt und in deren Folge die Produktion. Strukturell bedingte Arbeitslosigkeit ist die Folge von Produktivitäts- steigerungen oder auch Produktionsverlagerungen. In bei- den Fällen ließe sich theoretisch der Beschäftigungsrück- gang durch Arbeitszeit- und/oder Lohnsenkungen ausglei- chen, was aber auf den Widerstand derjenigen trifft, die noch Arbeit haben. Darüber hinaus gibt es natürlich noch eine freiwillige Arbeitslosigkeit, wenn man sich mit der * in »Wuppertal Spezial Nr. 7«, 1997, Sozialhilfe zufrieden gibt oder – aufgrund von Vermögens- einkommen – gar nicht auf Arbeit angewiesen ist. Geht man den Ursachen der Arbeitslosigkeitsentwick- lungen in den letzten Jahrzehnten tiefgreifender nach, bie- tet sich dazu als erster Schritt die Analyse der unterschiedli- chen Beschäftigungsschwankungen an, wobei man zwi- schen den kurz-, mittel- und langfristigen Veränderungen der Beschäftigung bzw. der Arbeitslosigkeit unterscheiden muss. Das ist erforderlich, weil die unterschiedlichen Schwankungen auch unterschiedliche Ursachen haben. Vergleichen kann man diese Unterschiede in etwa mit jenen der Temperatur: Die kurzfristigen Schwankungen hängen mit dem Tag-Nacht-Wechsel zusammen, die mittel- fristigen mit der Großwetterlage und die langfristigen mit den Jahreszeiten. Und wie bei der Temperatur nur die mit- telfristigen Veränderungen nicht voraussehbar sind, so ist das auch bei der Arbeitslosigkeit der Fall. Diese verschiedenen zeitbezogenen Beeinflussungen der Arbeitslosigkeit werden in der Darstellung 74 verdeut- licht. Langfristig zeigt sich in dem dargestellten Zeitraum ein langes tiefes Tal: Einem raschen, etwa zehnjährigen Abbau der Nachkriegsarbeitslosigkeit folgte eine ähnlich lange Phase der Vollbeschäftigung, danach ging es mit der Ar- beitslosigkeit wieder aufwärts. Auf diese Kurve der lang- fristigen Entwicklung satteln sich, wie die Grafik weiter zeigt, immer höhere mittelfristige Ausreißer auf, auf diese wiederum die sich jährlich wiederholenden kurzfristigen Schwankungen. Diese kurzfristigen Schwankungen der Beschäftigung sind jahreszeitlich bzw. saisonal bedingt, also auf natürliche Ursachen zurückzuführen. Trotzdem wären auch diese kurzfristigen Entlassungen und Wiedereinstel- lungen, die für Unternehmer wie Arbeitnehmer gleicher- maßen belastend sind, in ihrem Umfang reduzierbar, zum, Darstellung 74: Beispiel durch die Verrechnung der Überstunden in der Sommerzeit mit ›Unterstunden‹ bzw. Kurzarbeit in der Winterzeit. Doch interessanter und für die Konjunkturlage weitaus wichtiger sind die mittel- und langfristigen Veränderungen der Beschäftigung.

Was sind die Ursachen der langfristigen Verän-

derungen? Langfristige Veränderungen der Beschäftigung haben auch langfristig wirkende Ursachen. Ursache für den Abbau der hohen Arbeitslosigkeit nach 1950 waren die Wiederbele- bung der Nachkriegswirtschaft und der zerstörungbedingte große Nachholbedarf in Deutschland. Diese Wiederbele- bung und das so genannte Wirtschaftswunder begann aber, nicht nach dem Kriegsende 1945, sondern erst Ende der 40er Jahre, nach dem Umtausch der inflationär zerrütteten Kriegswährung gegen neues Geld, der so genannten Wäh- rungsreform. Ähnlich bedeutsam für den schnellen Abbau der Arbeitslosigkeit war aber auch die damalige Arbeits- zeitpolitik der Gewerkschaften. Wie aus der Darstellung 75 ersichtlich, hatten die Ge- werkschaften trotz der ungeheuren Kriegszerstörungen und des aufgestauten Nachholbedarfs den Mut, die durch- schnittliche Wochenarbeitszeit in den ersten 25 Jahren um mehr als acht Stunden herunterzufahren, die Vorreiterge- werkschaft IG Metall mit ihren Tarifvereinbarungen sogar in zehn Jahren. Mit Hilfe dieser radikalen Arbeitszeitver- kürzung konnten nicht nur die Millionen rückkehrender Kriegsgefangener und Ostflüchtlinge in den Wirtschafts- prozess integriert werden. Auch die Position des Arbeit- nehmers erfuhr eine Aufwertung, da er aufgrund der so erreichten Arbeitskräfteknappheit gewissermaßen ›König‹ am Arbeitsmarkt war. Er konnte sich die Stellen fast nach Belieben aussuchen und wurde in der Mehrzahl aller Fälle über Tarif bezahlt! Durch den festgelegten und für das Ausland günstigen Dollar-Wechselkurs, kam es darüber hinaus zu einem Exportboom, dem man schließlich nur mit Millionen Gast- arbeitern nachkommen konnte. Rechnet man die durchschnittlichen Reduzierungen aus, dann wurden die Wochenarbeitszeiten in den 50er Jahren jährlich um fast 30 Minuten gekürzt, in den folgenden zehn Jahren um rund 20 Minuten. Dann aber ruhte man sich – wie die Kurve zeigt – auf dem Erreichten aus. Besonders krass zeigt das die in der Grafik eingetragene Treppe der meist federführenden IG-Metall-Tarifabschlüsse, die ab 1966 über 19 Jahre bei 40 Stunden eingefroren blieben. Betrachtet man nun die Kurve der Wochenlohnentwick-, Darstellung 75: lungen, so zeigt sich zu jener der Arbeitszeiten ein umge- kehrter Trend: Während die Löhne in den ersten beiden Jahrzehnten gemäßigt anstiegen, nahmen sie ab 1968 deut- licher zu. Das heißt, in den ersten beiden Jahrzehnten hatte man die Produktivitätsfortschritte sowohl in steigende Löhne als auch in sinkende Arbeitszeiten umgesetzt. In den anschließenden Jahren aber wurde der Leistungszugewinn, bei gleich bleibender Arbeitszeit, voll den Löhnen zuge- schlagen. Diese Änderung der Gewerkschaftspolitik – aus welchen Gründen auch immer – hatte natürlich auch Fol- gen für den Arbeitsmarkt: Die verstärkt zunehmenden Produktionsmengen und Einkommen beschleunigten die Sättigungsentwicklungen und ließen einen zunehmenden, Überhang an Arbeitskräften entstehen, der vorher durch die regelmäßigen Arbeitszeitverkürzungen kompensiert worden war. Außerdem reagierten die Unternehmen auf die Sättigungsentwicklungen mit verringerten Kapazitäts- ausweitungen. Diese Folgen für die Beschäftigungslage konnten auch durch ein Anheizen des Wirtschaftswachs- tums mit Hilfe einer massiven Werbeflut sowie einer ständi- gen Ausweitung der Exporte nur zum Teil ausgeglichen werden. Hätten die Gewerkschaften ihre Arbeitszeitpolitik aus den 60er und 70er Jahren fortgeführt, z. B. mit weiteren Reduzierungen der Wochenarbeitszeiten um durchschnitt- liche 15 Minuten, dann wäre die 1970 bei 41 Stunden liegen- de Arbeitszeit bis 1985 auf 37,25 Stunden zurückgegangen und bis zum Jahr 2000 auf 33,5 Stunden. Damit hätte in den letzten 30 Jahren die ständig steigende Produktivität eben- so aufgefangen wie die zunehmende Sockelarbeitslosigkeit vermieden werden können. Natürlich wären dann auch die Bruttolöhne entsprechend weniger angestiegen, jedoch bei fast gleich bleibenden Nettolöhnen. Denn mit der immer größeren Differenz zwischen den Brutto- und Nettolöhnen müssen die noch Beschäftigten nicht zuletzt die Kosten für die von der Arbeit Ausgeschlossenen tragen. Vollbeschäftigung ist also immer möglich, wenn man die vorhandene Arbeit (und natürlich auch den daran ge- koppelten Lohn) flexibel auf alle Arbeitswilligen verteilt. Arbeitslose wird es immer geben, wenn man bei einem Rückgang der notwendigen Arbeitsmenge die Zahl der Arbeitleistenden statt der Arbeitsstunden reduziert! An dieser Stelle soll auch einmal die Frage aufgeworfen werden, ob im Zuge des Produktivitätsfortschritts nicht ein Absenken der Preise statt die Umsetzung in höhere Löhne besser gewesen wäre. Denn sinkende Preise wären allen Menschen zugute gekommen, also auch den Menschen in, den Entwicklungsländern. Sicherlich wäre in diesem Fall der heutige Wohlstandsvorsprung der Industrienationen geringer, aber auch die Probleme, die wir inzwischen mit den Wohlstandsdiskrepanzen haben und in der Zukunft noch mehr bekommen. Und auch das problematische Gefälle der Einkommen zwischen Industrie und Landwirt- schaft in unseren eigenen Ländern hätte niemals die heuti- ge Größenordnung erreicht.

Gibt es weitere Gründe für die langfristige Zu-

nahme der Arbeitslosigkeit? Neben den Folgen der veränderten Gewerkschaftspolitik haben seit Anfang der 70er Jahre in Deutschland noch wei- tere Ursachen zu dem langfristigen Anstieg der Arbeitslo- sigkeit beigetragen. Hier ist als Erstes die überproportiona- le Zunahme der Geldvermögen und der daraus resultieren- de Druck auf kapitalintensivere und lohnreduzierte Pro- duktionsmethoden zu nennen. Die damit verbundene Umschichtung der Einkommen von der Arbeit zum Besitz hatte zur Folge, dass die Beschäftigten immer weniger in der Lage waren, die Produkte ihrer eigenen Arbeit auch selbst zu kaufen. Außerdem kam es durch den höheren Kapitaleinsatz verstärkt zur Bildung von Großunterneh- men und Firmenkonzentrationen, womit immer mehr mit- telständige und arbeitsintensivere Unternehmen ausge- schaltet wurden. Die Folgen solcher Reduzierungen menschlicher Arbeit könnten zwar beschäftigungspolitisch durch Arbeitszeitverkürzungen und Umverteilungen der Arbeit verhindert werden. Was aber nicht verhindert wer- den kann – ob mit oder ohne Arbeitszeitverkürzungen –, ist ein zunehmender, anfangs relativer und schließlich absolu- ter, Rückgang der Arbeitseinkommen, wenn die Kapitalan-, sprüche – wie seit Jahrzehnten der Fall – rascher zunehmen als die Wirtschaftsleistung. Ein weiterer wichtiger Grund für die zunehmende Aus- grenzung der Menschen hängt mit den Strukturen der öffentlichen Abgaben zusammen: Da die Arbeitseinkom- men in den Industrienationen durchweg mit hohen Steuern und Sozialabgaben belastet sind, wird die Tendenz zur Ein- sparung von Arbeitskräften und damit dem Abbau von Arbeitsplätzen verstärkt. Würde man dagegen die Arbeits- einkommen von diesen Abgaben entlasten und sie stattdes- sen auf die Produkte verlagern, so würde sich dieser Trend umkehren. Außerdem würde ein Steuersystem, bei dem nicht die Einkommen sondern die Ausgaben besteuert wer- den – statt des Verdienstes also der Verbrauch – mit vielen weiteren Vorteilen verbunden sein. Das trifft nicht nur auf die möglichen ökologischen Komponenten solcher ver- brauchsbezogenen Steuern zu, sondern auch auf die enor- me Vereinfachung des Steuereinzugs: Die Selbständigen brauchten keine Steuererklärungen mehr abzugeben und Ordner voller Belege zu sammeln (die ihnen heute viele Hintertürchen bieten!) und es gäbe keine Probleme mehr mit der Schwarzarbeit, da alle Arbeitleistenden über Mate- rial- und Energieausgaben gleichermaßen zur Kasse gebe- ten würden. Häufig werden auch die geburtenstarken Jahrgänge oder Zuwanderungen von Arbeitskräften aus dem Ausland als Grund für die zunehmende Arbeitslosigkeit genannt. Diese Ursachenerklärung ist aber mehr als fragwürdig, da jeder hinzukommende Mensch nicht nur Arbeit sucht, sondern auch zusätzliche Bedürfnisse hat, die durch Arbeit befrie- digt werden müssen. Dabei sind die Bedürfnisse der jungen oder zugewanderten Menschen sogar durchweg größer als die der älteren und bereits im Lande wohnenden. Und die eingesparten Kosten für Erziehung und Ausbildung der, Einwanderer schlagen sogar als Vorteil für das Einwande- rungsland zu Buche. Doch noch wichtiger als die Eingrenzung der Ursachen für die langfristigen Beschäftigungsveränderungen ist die Untersuchung der mittelfristigen, denn den langfristigen Ursachen kann mit langfristig wirkenden Gegenmaßnah- men begegnet werden. Die fast immer überraschend eintre- tenden mittelfristigen Schübe lassen dagegen nur nachträg- liche Maßnahmen zu. Zumindest so lange, wie man sich nicht eingehender mit den Ursachen befasst.

Die Ursachen der mittelfristigen Ausreißer in

der Entwicklung der Arbeitslosigkeit Wie schon die Darstellung 74 erkennen lässt, haben in der Vergangenheit die mittelfristigen fast eruptiv ansteigenden Arbeitslosigkeitsschübe ständig an Höhe zugenommen. Diese plötzlichen Einbrüche in der Beschäftigung sind ein wesentliches Kennzeichen jener Konjunkturkrisen, die sich – nach Ansicht der meisten Wirtschaftswissenschaftler und -politiker – unvermeidlich wiederholen und die man hinnehmen muss wie Ebbe und Flut oder Naturkatastro- phen. In der folgenden Darstellung 76 ist noch einmal die Ent- wicklung der Arbeitslosigkeit in Westdeutschland von 1950 bis 1985 aufgezeigt, jedoch ohne die jährlich sich wiederho- lenden Schwankungen. Damit heben sich die mittelfristi- gen Veränderungsschübe (hier mit 1 bis 4 gekennzeichnet), noch deutlicher ab. Zusätzlich ist im oberen Teil der Grafik die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen eingetragen, also jener Zinsen, die man für die langfristige Überlassung von Geld erhält und an denen sich Investoren bei ihren Ent- scheidungen orientieren., Verzieht man – wie in der Grafik geschehen – die Zinsen parallel zu der langfristigen Entwicklungskurve, um deren Wirkungen zu neutralisieren, dann springt die Wechselwir- kung zwischen den Zinssatzveränderungen und den mittel- fristigen Ausreißern am Arbeitsmarkt förmlich ins Auge: Etwa zwei Jahre nach dem Anstieg der Zinssätze schießt jeweils auch die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in die Höhe, um dann nach dem Zinsgipfel ebenfalls abzustop- pen. Darstellung 76: Wie erkennbar, führte schon die geringe Zinsanhebung 1957 um einen Prozentpunkt ein Jahr später zu einer Unter- brechung der langfristigen Arbeitslosigkeitsabnahme und einem leichten Wiederanstieg (1). Noch deutlicher war die, Wirkung des Zinsanstiegs von 6 auf 7,8 Prozent mitten in der Vollbeschäftigungsphase der 60er Jahre, die zu einer Verdreifachung der damals geringen Arbeitslosigkeit führ- te (2). Noch gravierender in ihren Folgen waren dann die beiden letzten Hochzinsphasen, in denen die Zinssätze am Kapitalmarkt jeweils bis auf die 10,6-Prozentmarke kletter- ten: Bei der ersten Hochzinsphase stieg die Zahl der Arbeitslosen auf rund eine Million (3), in der zweiten wur- de sie auf mehr als 2 Millionen hochkatapultiert (4). Wie die zusätzlich eingetragene Kurve zeigt, laufen auch die Fir- menpleiten hinter den Zinssätzen her, jedoch verzögerter in ihren Abschwüngen.

Welche Rolle spielen die Verschuldungen?

Bei den hier dargelegten Zinsbelastungen sind jene für die Schulden aus mehreren Gründen problematisch. Einmal stellen sie eine Belastung dar, die auf jeden Fall erwirtschaftet werden muss, während die Eigenkapitalver- zinsung vorübergehend auch mal absinken kann, in extre- men Fällen sogar unter Null. Zum zweiten nimmt diese Fremdkapitalbelastung im Gleichschritt mit der Entwick- lung der Geldvermögen und Schulden zu, die seit 1950 deutlich rascher ansteigen als die wirtschaftliche Leistung. Vor allem aber – und hier sind wir wieder bei den Ursachen der mittelfristigen Ausreißer – verändern sich die Zinslas- ten für das Fremdkapital schlagartig mit den Zinssätzen. Dieser Doppeleffekt trifft in einem besonderen Maße hoch verschuldete Unternehmen. Das gilt nicht nur für kleinere und mittlere Betriebe, wie das im Kasten ange- führte Beispiel des deutschen Elektro-Konzerns AEG zeigt. Der darin zitierte Text erfordert allerdings einige Klarstellungen: Wie die meisten Bürger und selbst viele, Zinsen Die Arbeitnehmer des AEG-Konzerns haben nach Ansicht der IG-Metall- Mitgliederzeitschrift »Metall« seit 1970 »wie wild für die Banken geschuftet«. In einer jüngsten Ausgabe wirft das Blatt den Banken vor: Obwohl die Pro- duktivität jedes AEG-Mitarbeiters über dem Branchendurchschnitt gelegen habe, sei eine Sanierung unmöglich gewesen, weil jeder AEG-Beschäftigte, seit 1970 allein 29 000 DM Zinsen habe erarbeiten müssen. Die Banken hätten insgesamt »3,9 Milliarden DM aus dem Konzern gesaugt«. Das sei dreimal soviel wie der Staat in der gleichen Zeit an Steuern von der AEG erhalten habe. Nordwest-Zeitung vom 1. September 1982 Wirtschaftler, verfolgen auch die Gewerkschaftler offen- sichtlich den Zinsfluss nur vom Schuldner bis zur Bank. Dabei bleiben bei der Bank nur die Kreditvermittlungskos- ten hängen. Die eigentlichen Zinsen fließen dagegen durch die Bank hindurch zu den Geldguthabenbesitzern. Für die- se Geldgeber wurde also von den Banken den allergrößte Teil der »3,9 Milliarden DM aus dem Konzern gesaugt«. Die Arbeitnehmer haben demnach auch nicht »wie wild für die Banken geschuftet«, sondern für jene, die ihr übriges Geld den Banken überlassen haben. Außerdem haben die Arbeitnehmer bei AEG nicht wilder geschuftet als z. B. bei dem Konkurrenzunternehmen Siemens oder anderen Kon- zernen. Denn sowohl die Löhne als auch die Arbeitszeiten entsprachen bei beiden Unternehmen den gleichen Tarifen. Das heißt, die Schuldenzinsen eines Unternehmens werden nicht durch unbezahlte Überstunden oder Lohnkürzungen finanziert, sondern letztlich durch Umlagen auf die Preise. Alle Bürger, ob in den verschuldeten Betrieben beschäftigt oder nicht, werden also für die Zinszahlungen zur Kasse gebeten, letztlich auch für die Verluste an Sachkapitalsub- stanz, die mit solchen Pleiten verbunden sind. Bezeichnend war bei AEG, die mit mehr als sechs Milli- arden Schulden zahlungsunfähig wurde, dass die Banken, auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichteten, um das Unternehmen nicht völlig in den Bankrott zu treiben. Sol- che Großzügigkeit kommt kleineren Unternehmen äußerst selten zugute. Allerdings stehen die Banken bei dieser Großzügigkeit kaum mit ihrem Eigenkapital grade. Viel- mehr gleichen sie die Verluste etwa zur Hälfte durch Ver- lustabschreibungen bei der Steuer aus und zur anderen Hälfte mit Hilfe des Risikoanteils in ihrer Bankmarge. Das heißt, die Allgemeinheit kommt für diese Verluste auf, während die Einlagen und Einkünfte der Geldgeber unbe- helligt bleiben.

Kommt es nur in verschuldeten Unternehmen zu Entlassungen?

Nicht nur verschuldete Unternehmen tragen in Hochzins- phasen durch Pleiten, Entlassungen oder Investitionsrück- stellungen zur Vergrößerung der Arbeitslosenzahlen bei, sondern auch unverschuldete, selbst solche mit großen liquiden Geldbeständen. Verschuldete Unternehmen unterlassen bei hohen Zin- sen fast alle Investitionen, weil es fraglich ist, ob sie die Kre- ditkosten über die Preise an den Markt weitergeben kön- nen. Das vor allem, wenn sie in Konkurrenz zu unverschul- deten Unternehmen stehen, die ihre Preise nicht anheben müssen. Für die liquiden Firmen, die mit eigenem Geld Investitionen finanzieren könnten, ist es dagegen in Hoch- zinsphasen durchweg attraktiver, ihr Geld auf dem Kapital- markt anzulegen. So kommt es, dass manche Firmen in sol- chen Zeiten mehr durch das Verleihen ihrer überschüssigen Geldmittel verdienen als durch ihre Produktion. Das gilt nicht nur für Daimler-Benz, wie im Kasten bestätigt, son- dern z. B. auch für die Firma Siemens und einige andere, Konzerne. Gerade diese Firmen haben vor allem in Hoch- zinsphasen aus dem Verleihen ihrer liquiden Mittel oft über Jahre hinweg mehr Gewinn gezogen als aus ihrer Produkti- on. Wegen dieser Finanzgewinne wird z. B. Siemens scherz- hafterweise als ›Bank mit angeschlossener Elektroabtei- lung‹ bezeichnet. »Die Firma Daimler-Benz hat im Jahre 1981 an ihren Einnahmen aus Vermö- gen, vor allem an Zinseinnahmen, mehr verdient als am Verkauf ihrer Lkw- und Pkw-Produktion. Ähnliches gilt für andere Großunternehmen.« Prof. Dr. Horst Ehmke vor dem Deutschen Bundestag am 13. Oktober 1982 (»Das Parlament« vom 23. 10. 1982, Nr. 42, S. 7)

Was sind die Folgen dieser Diskrepanzen?

Während verschuldete Firmen in Hochzinsphasen verstärkt in die roten Zahlen geraten oder gar das Handtuch werfen müssen, gehen die Firmen mit großem Geldvermögen rei- cher daraus hervor. Das heißt, die Liquiditätsunterschiede zwischen den Unternehmen vergrößern sich. Und da die Geldvermögen der einen die Schulden der anderen sind, und die Zinseinkünfte der einen die Zinslasten der anderen, schaukeln sich diese Diskrepanzen immer höher. Als Folge davon kommen die angeschlagenen Firmen auch nach der Konjunkturkrise nur schwer wieder in Fahrt. Den finanz- starken Unternehmen dagegen ist es ein Leichtes, die ange- schlagenen Firmen gleich aufzukaufen oder durch Preisun- terbietungen am Markt dafür gefügig zu machen. Liquide Großunternehmen, die spielend ›aus der Westentasche‹ Tausende von Arbeitsplätzen schaffen könnten, unterlassen das aus Renditegründen also nicht nur in den Hochzinspha- sen, sondern immer häufiger auch im anschließenden Kon- junkturaufschwung. Und aus den aufgekauften Unterneh-, men, mit denen sie sich gleichzeitig die Konkurrenz vom Halse schaffen, werden oft nur die ›Rosinen‹ herausgepickt und die übrigen Produktionsbereiche stillgelegt, was wie- der mit entsprechenden Entlassungen verbunden ist. Die Fusionen und damit die Konzentrationen der Macht neh- men in solchen Zeiten darum beschleunigt zu.

Wodurch kommt es zu den Hochzinsphasen?

Hochzinsphasen, die schließlich zum Abwürgen der Kon- junktur führen, sind fast immer die Folgen vorausgegan- gener Geldmengenausweitungen durch die Notenbanken. Nicht die Anpassung der Leitzinsen an den inflationären Auftrieb der Markt- bzw. Geldmarktzinsen ist also die eigentliche ›Sünde‹ der Notenbanken, sondern die etwa zwei Jahre vorher zu großzügig gehandhabte Geldmen- genpolitik. Mit der Anhebung der Leitzinsen versuchen die Notenbanken meist nur nachträglich das gutzuma- chen, was sie vorher bei der Geldmengensteuerung ver- säumt haben. Der frühere Präsident der Schweizerischen National- bank, Fritz Leutwiler, hat bei seiner letzten Rede vor der Generalversammlung der Bank 1984, diese Zusammen- hänge beim Namen genannt: »Eine starke Geldmengenexpansion bleibt nicht ohne Inflationsfolgen, was wiederum die Zinssätze in die Höhe treibt. Früher oder später schließt sich der Teu- felskreis mit dem Zwang zu einer antiinflationären Politik, deren Wirkungen heute nur allzu bekannt sind: hohe Zinssätze, Rezession und Arbeitslosig- keit.«, Den Versuch der Notenbanken, die zinstreibende Inflation durch hohe Leitzinsen zu bekämpfen, muss also fast als Verzweiflungstat eingestuft werden. Denn damit wird zwar der Markt tatsächlich zu Preissenkungen gezwungen und der inflationäre Preisauftrieb gestoppt. Aber diese Rosskur wird mit Zehntausenden von Firmenpleiten und Hundert- tausenden von zusätzlichen Arbeitslosen teuer bezahlt. Überprüft man die entsprechenden Entwicklungen, dann zeichnen sich diese engen Beziehungen zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit mehr oder weniger deutlich in fast allen Ländern ab. Das ist bereits der Darstellung 23 im 8. Kapitel zu entnehmen. Die in den 80er Jahren noch von manchen Ökonomen und Politikern vertretene Auffas- sung, fünf Prozent Inflation seien besser zu ertragen als fünf Prozent Arbeitslosigkeit, lag also voll daneben: Inflationen vermeiden keine Arbeitslosigkeit, sondern führen dazu. Darum müssten sich Gewerkschaften und Politiker eigent- lich in einem besonderen Maße gemeinsam für stabile Währungen einsetzen. Doch wie die Unternehmer meist nur über die hohen Löhne klagen, so die Gewerkschaften über die hohen Gewinne. Von den hohen Zinsen, die mit den Inflationsraten ansteigen und damit die eigentliche Ursache sowohl der Arbeitslosigkeit wie der zunehmenden Verteilungskämpfe sind, reden beide kaum., 28. Kapitel

Die Arbeitslosigkeit

bei fallenden Zinsen »Allein ein Prozent Zinssenkung übertrifft die Wirkung milliarden- schwerer Beschäftigungsprogramme bei weitem.« Peter Gillies* Wenn steigende Zinsen die Arbeitslosigkeit nach oben zie- hen, dann müssten fallende Zinsen eigentlich das Gegenteil bewirken. Wie wir in der Darstellung 76 gesehen haben, war das nach dem zweiten Zinsanstieg auch noch der Fall: 1969 hatte die Arbeitslosigkeit wieder ihren vorherigen Tiefstand erreicht. Nach der zweiten und dritten Hochzins- phase brach jedoch nach dem Zinsgipfel jeweils lediglich der Anstieg ab, so dass der Stand der Arbeitslosenzahlen nur stagnierte, um erst nach einigen Jahren leicht zurückzu- gehen. Das heißt, in Deutschland ist nach 1975 mit jeder Hochzinsphase der Arbeitslosensockel auf ein höheres Niveau gestiegen. Das kann man auch der Darstellung 77 entnehmen, in der die Entwicklung der Arbeitslosigkeit noch einmal für den Zeitraum von 1970 bis 2000 wiederge- geben ist. * »Die Welt«, 1985, Darstellung 77:,

Wie erklärt sich der Anstieg der Sockelarbeits-

losigkeit? Die Zinsbelastung in einer Volkswirtschaft hängt nicht allein von den Zinssätzen ab, sondern – wie bereits darge- legt – auch von der Entwicklung der Verschuldung. So wie die Wirkung steigender Zinssätze durch einen allgemeinen Verschuldungsanstieg überkompensiert wird, so kann die Wirkung fallender Zinssätze durch steigende Verschuldung neutralisiert werden. Konkret: Der Tatbestand des jeweils verbleibenden höheren Sockels, hängt zu einem guten Teil mit der überproportional gestiegenen höheren Verschul- dung zusammen. Dabei wirkt sich dieser vom Verschul- dungsanstieg ausgehende Effekt umso stärker auf das Kon- junkturgeschehen aus, je höher der Verschuldungsgrad einer Wirtschaft bereits ist. Dieser überproportionale Anstieg der Schulden spiegelt sich in der Darstellung 78 vor allem bei den Bankzinserträgen wider, die bereits von 1970 bis 1998 auf das zwölffache angestiegen sind, während das Sozialprodukt in der gleichen Zeit ›nur‹ auf das 5,5fache zunahm. Oberhalb der Entwicklung der Bankzinserträge in Milli- arden DM sind in der so genannten Zinslastkurve diese Erträge noch einmal in Prozenten des Sozialprodukts wie- dergegeben. Die daraus zu entnehmende Verdopplung in dem dargestellten Zeitraum ist wieder auf das übermäßige Wachstum der Verschuldung zurückzuführen, während die Schwankungen im Verlauf der Kurve durch die Verände- rungen der Zinssätze ausgelöst werden. In der unteren separaten Grafik erscheinen dann die Bankzinserträge zum dritten Mal, nämlich ausgedrückt in Prozenten des Geschäftsvolumens aller Banken. Dass sich die Zinssatz-Ausschläge, sowohl bei dieser Kur- ve als auch der Zinsertragskurve, relativ moderat abzeich-, nen, hängt mit den überlappenden Laufzeiten der Kredite zusammen. Durch diese Überlappungen können die verän- derten Zinsen immer nur auf neu herausgegebenen Kredit angewendet werden, während sie sich bei allen anderen Kre- ditbeständen nur nach und nach umsetzen lassen. Dass im Gegensatz zu diesen moderaten Schwankungen die der Zinslastquote besonders deutlich ausschlagen, hängt mit sinkenden Wachstumsraten zusammen. Konkret: Den steigenden Zinslasten steht eine langsamer wachsende und schließlich sogar stagnierende bzw. einbrechende Wirt- schaftsleistung gegenüber. Dieser Wirkungsmechanismus ist auch die entscheidende Ursache für die abrupten Anstiege der Arbeitslosenzahlen in jeder Zinsanstiegsphase. In der Zinssenkungsphase kommt es dann, zumindest theoretisch, zu einem umgekehrten Effekt, der jedoch – wie bereits dar- gelegt – durch die steigenden Schuldenmassen neutralisiert wird. Erst wenn das Wirtschaftswachstum diesen Effekt überspielt und die Zinslastquote wieder sinkt, kann es – trotz der bereits vorab gesunkenen Zinssätze – zu einer Wieder- belebung der Konjunktur und in deren Folge nach und nach auch zu mehr Beschäftigung kommen. Ansonsten ist das nur möglich, wenn die erhöhten monetären Kosten in der Wirt- schaft durch Senkungen der Arbeitskosten – gleichgültig ob durch Rationalisierungen, Entlassungen oder Kürzungen im Lohnbereich – ausgeglichen werden.

Wie verändert sich die Zinsbelastung zum Sozialprodukt?

Wie dargelegt, treffen steigende Zinsbelastungen mit einer von diesen ausgelösten nachlassenden Leistungsentwick- lung zusammen. Umgekehrt treffen fallende Zinslastquo- ten auf eine sich durch den Zinslastrückgang wiederbele-, bende Wirtschaftstätigkeit. Dadurch ging beispielsweise in der langen Zinssenkungsphase von 1982 bis 1988 – trotz steigender Verschuldung – die relative Zinsbelastung der Wirtschaft von 14,4 auf 11,5 Prozent zurück, obwohl sie in absoluten Größen von 229 auf 243 Mrd. anstieg. Aufgrund der weiter steigenden absoluten Größen nach 1993 sowie der zögerlich anspringenden Konjunktur, ist dieser Entlas- tungseffekt bislang ausgeblieben. Im Gegenteil: Trotz sin- kender Zinssätze kam es sogar zu einem weiteren Anstieg der Zinslastquote 1998 auf ein neues Rekordniveau, bezo- gen auf die westdeutschen Größen von 17,3 Prozent, bezo- gen auf Gesamtdeutschland von 16,0 Prozent. Wenn der Zinsanstieg ab 1988 erst 1992 bei den west- deutschen Arbeitslosenzahlen Spuren hinterlässt, so hängt das mit dem vereinigungsbedingten Nachfrageboom der Ostdeutschen in Westdeutschland zusammen. Dafür aller- dings nahm die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern umso stärker zu. Nimmt man die Arbeitslosigkeit in Ost- deutschland mit in die Grafik auf, dann ergibt sich die glei- che ›Parallelität‹ zu den Zinslastkurven wie 1978/82. Für die Rezessionen Mitte der 70er und Anfang der 80er Jahre werden auch heute fast immer nur die Veränderun- gen der Erdöl-Importpreise angegeben. Sicher haben die beiden ›Ölpreisschocks‹ die Konjunktur belastet und wahr- scheinlich auch die Zinsentwicklung beeinflusst. Ange- sichts der vielmals höheren Anstiege der Zinsbeträge wird ihre Rolle jedoch überschätzt. So waren die Anstiege der Mineralölimporte von 1970 bis 1982, also über beide Kon- junktureinbrüche hinweg, mit insgesamt 60 Mrd. DM drei- mal geringer als die der Bankzinserträge mit 180 Mrd. Dass die schwankenden Erdölpreise nicht die entschei- dende Rolle bei den Konjunkturschwankungen gespielt haben, zeigt sich auch daran, dass das erneute Hochschie- ßen der Zinsbelastung und der Arbeitslosigkeit ab 1988 von, keinem Ölpreisanstieg begleitet wurde und umgekehrt der steile Rückfall der Erdölpreise 1985 keine entsprechend positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hatte. Hinzu kommt noch, dass die Wirtschaft bisher die Erhöhungen der Mineralölpreise immer sehr schnell an die Endverbrau- cher weitergeben konnte, während die Überwälzung der erhöhten Zinsbelastung kaum oder nur mit großer Verzö- gerung möglich war. Das heißt, die Unternehmen wurden durch die gestiegenen Zinsbelastungen wesentlich stärker zu Einsparungen gezwungen als durch die Anstiege der Mineralölpreise.

Treffen die Effekte von Zinsveränderungen auch

auf andere Länder zu? Wie vor allem aus der Darstellung 77 ersichtlich, geht in Deutschland die Arbeitslosigkeit, trotz der sinkenden Zins- sätze, erst mit einer immer größeren Verzögerung wieder zurück. In den USA dagegen sinken die Arbeitslosenzahlen mit den Zinssätzen fast so rasch ab, wie sie vorher angestie- gen sind. Das geht aus der Darstellung 78 hervor, in der die Entwicklungen der Inflations-, Zins- und Arbeitslosenquo- ten in den Vereinigten Staaten wiedergegeben sind. Vergleicht man die Kurve der Zins- und Arbeitslosen- quote, dann kann man – wie schon bei den Darstellungen der deutschen Entwicklungen – fast von einer Parallelität sprechen. Das trifft nicht nur auf das langfristige Auf und Ab in den herangezogenen 35 Jahren zu, sondern auch auf die zwischenzeitlichen mittelfristigen Schwankungen in den einzelnen Hochzinsphasen. Auch die Wirkungen der Inflationsschübe auf die Zinsen werden fast überdeutlich. In der allgemeinen Anstiegspha- se von 1965 bis 1983 hat die kurzfristig extrem ausschlagen-, Darstellung 78: de Inflationsquote die längerfristig festgelegten und verzö- gert reagierenden Kapitalmarktzinsen sogar zweimal über- troffen und damit den Realzins eliminiert. Dafür folgte dann nach 1983 der Kapitalmarktzins mit Verzögerung und entsprechend höherem Realzinsanteil der absteigenden Preisentwicklung. Die Parallelität der geldbezogener Quo- ten zu jener der Arbeitslosigkeit wird besonders deutlich, wenn man die Verzögerungszeit zwischen beiden verkürzt und den oberen Teil der Grafik – wie aus den Jahreszahlen ersichtlich – um ein Jahr nach rechts verschiebt. Wie aber kommt es nun, dass sich die Wirtschafts- und Beschäftigungslage in den USA rascher erholt als in, Deutschland? Dass der Abstieg der Arbeitslosenquote fast so rasch verläuft wie ihr Aufstieg? Mit einer geringeren Verschuldungszunahme der US-Volkswirtschaft können die Unterschiede nicht erklärt werden, im Gegenteil. Die Gesamtverschuldung von Staat, Wirtschaft und Privathaus- halten ist in den USA noch höher als in Deutschland. Sie liegt dort bereits beim Dreifachen des BIP, während sie in Deutschland ›erst‹ bei 260 Prozent dieser Leistungsgröße liegt. Ausschlaggebend für das flexiblere Reagieren der Arbeitslosenquote auf sinkende Zinsen, dürften in den USA die flexibleren Löhne sein. Bekanntlich liegt dort die Tarifautonomie weitgehend bei den einzelnen Betrieben. Das heißt, Unternehmen, die aufgrund des vorausgegange- nen Konjunktureinbruchs in die roten Zahlen geraten, kön- nen mit der Belegschaft geringere Löhne aushandeln und damit Entlassungen und sogar Betriebsschließungen ver- meiden. In Deutschland und in dem meisten europäischen Ländern werden dagegen durchweg die kleinen und gro- ßen, die finanzschwachen und -starke Betriebe über einen Kamm geschoren. Da hier die Unternehmen die nicht mehr tragbaren Kapitalkosten also weniger oder gar nicht durch Lohnkürzungen ausgleichen können, kommt es verstärkt zu Entlassungen und Firmenpleiten. Außerdem ist durch die hoch bleibenden Löhne der Druck zur Rationalisierung größer als in den USA, was ebenfalls zur Reduzierung von Mitarbeitern führt. Weil das zunehmend Probleme auf- wirft, kommt es auch in Europa zu einem wachsenden Druck auf den Lohnsektor wie auch auf die sozialen öffent- lichen Leistungen. Begonnen hat das bereits unter Margret Thatcher in Großbritannien vor 15 Jahren. Inzwischen müs- sen die Gewerkschaften auch auf dem Kontinent in vielen Punkten zurückstecken, Zusatzleistungen aufgeben und hier und da sogar Lohnkürzungen in Kauf nehmen., Finden solche Lohnkürzungen bei gleich bleibenden oder sogar steigenden Wirtschaftsleistungen statt, spiegeln sie – wie auch die Zinslastquote – den erhöhten Kapitalan- spruch an den nur einmal zu verteilenden Leistungskuchen wider. Hier bestätigt sich erneut: Durch Absenken der Löh- ne kann man zwar Arbeitsplätze erhalten oder sogar neue schaffen, aber nicht verhindern, dass die Arbeitleistenden insgesamt immer ärmer werden, gleichgültig ob über mehr Entlassungen oder allgemeine Lohnsenkungen.

Wie verhält sich der Staat in den Beschäftigungs-

krisen? Im allgemeinen erwartet man vom Staat bei Konjunktur- einbrüchen ein antizyklisches Verhalten. Geht die Nachfra- ge der Wirtschaft und Privathaushalte zurück und geraten damit Arbeitsplätze in Gefahr, soll der Staat seine Nachfra- ge verstärken. Dabei sollte er auch gegebenenfalls zur Schuldenaufnahme bereit sein. Dieses Einspringen des Staates zur Belebung der Konjunktur geht auf Keynes zurück, der dafür auch den Begriff »defecit-spending« geprägt hat. Dabei hat Keynes allerdings an einen Staat gedacht, der in guten Konjunkturzeiten Rücklagen bildet, um sie in schlechten Zeiten konjunkturbelebend einzubrin- gen. Ganz sicher schwebten ihm keine Staaten vor, die bereits in guten Zeiten Schulden machen und ihre Nachfra- ge in schlechten mit noch höheren Schulden finanzieren. Hat ein Staat in guten Zeiten keine Rücklagen gebildet, besteht im Übrigen die Gefahr, dass die aufgenommenen Kredite lediglich die Lücken schließen, die sich als Folge des Konjunktureinbruchs in den Steuertöpfen bilden. Außerdem wird in solchen Zeiten der Etat auch noch durch zusätzliche Sozialausgaben und vor allem steigende Zins-, ausgaben beansprucht. Für tatsächliche Konjunktursprit- zen, die den Arbeitsmarkt beleben, bleibt darum kaum noch etwas übrig. Im Gegenteil: Sieht man sich die Grafik des Deutschen Statistischen Bundesamtes in der Darstel- lung 79 an, dann zeigt sich das ganze Dilemma hoch ver- schuldeter Staaten. Darstellung 79:, Die in der Darstellung wiedergegebene Entwicklung greift über die Hochzinsphase 1978–1982 hinweg, deren Wirkun- gen in den ersten 80er Jahren zu Buche schlagen. Wie erkennbar, lässt der Anstieg der gesamten Staatsausgaben ab 1981 etwas nach. Die Investitionsausgaben aber, die alleine Arbeitsplätze schaffen können, gingen – nach einem deutlicheren Anstieg Ende der 70er Jahre – ab 1980 abrupt zurück. Während die Gesamtausgaben des deutschen Staates in den sieben dargestellten Jahren um knapp 40 Prozent zunahmen, lagen die Investitionsausgaben 1983 wieder auf dem Stand von 1978. Die entscheidende Ursache für diese problemverstärkende Reduzierung der Investitionsausga- ben geht ebenfalls aus der Grafik hervor: Es sind die Zins- ausgaben des Staates, die seit 1978 überproportional in die Höhe gingen, bis 1984 um 140 Prozent und damit 3,5-mal so stark wie die Staatseinnahmen. Obwohl der Zinssatzanstieg von 1988 bis 1992 geringer war als während der beiden vorausgegangenen Hochzins- phasen, hatte er aufgrund der extremen öffentlichen Schul- denanstiege für die Staaten einen noch größeren Be- lastungseffekt, als die Zinslastquote in der Darstellung 78 wiedergibt. Und da diese Verschuldung und damit die Zins- belastung auch noch bei sinkenden Zinsen weiter wächst, geraten die Staaten gleich reihenweise in die Schuldenfalle. An einer Belebung der Wirtschaft und Beschäftigung à la Keynes durch zusätzliche öffentliche Investitionen ist also kaum zu denken., 29. Kapitel

Marktwirtschaft – Kapitalismus – Globalisierung

»Die freie Marktwirtschaft, die mit der Sprengung des Privilegs begann und dadurch der persönlichen Leistung unglaubliche Vorteile verschaffte, endet in einem Kapitalismus, der die Leistung zunehmend geringer ent- lohnt und zugleich den Vermögens- ertrag phantastisch anwachsen lässt.« Gero Jenner* So wie Planwirtschaft und Sozialismus immer verwechselt bzw. gleichgesetzt wurden, so ist das auch bei Marktwirt- schaft und Kapitalismus der Fall. Dabei haben beide Begriffe gar nichts miteinander zu tun, ja sie schließen sich im Grunde sogar gegenseitig aus. Denn Marktwirtschaft ist eine Wirtschaftsordnung, bei der alle wirtschaftlichen Vor- gänge, also Produktionen, Preise und Austauschbedingun- gen, alleine von Angebot und Nachfrage bestimmt werden, während Kapitalismus – wie noch dargelegt wird – ein monopolartiges Herrschaftsinstrument ist. Eine unverfälschte Marktwirtschaft stellt also letztlich das gerechteste und effektivste System der Güterversor- gung und -verteilung dar, das auf Gegenseitigkeit und Gleichberechtigung aufbaut. Allerdings ist dies nur dann * in: »Das Ende des Kapitalismus«, Fischer Tb 1999, der Fall, wenn entsprechende staatliche Regelungen der Wirtschaftsvorgänge für die Vermeidung von Monopolen und Kartellen sorgen, die sich aufgrund der immer stärker werdenden kapitalistischen Effekte ergeben.

Was versteht man genauer unter Marktwirt-

schaft? In Deutschland hat man nach dem Krieg den Begriff ›Sozia- le Marktwirtschaft‹ geprägt, der den Gerechtigkeitsaspekt dieser Wirtschaftsform betont. Der Begriff suggeriert, dass die Wirtschaft aus sich selbst heraus bereits soziale Spannun- gen verhindert und evtl. entstehende reguliert. In Wirklich- keit ist dies jedoch ein System, bei der der Staat die Risiken durch gesetzlich festgelegte Hilfen auffängt. Denn eine Marktwirtschaft an sich kann zwar unter den genannten Mo- nopolausschlüssen tauschgerecht sein, nicht aber sozial im Sinne eines Lastenausgleichs für sozial Schwache. Diese als Soziale Marktwirtschaft bezeichnete Kombina- tion von Staat und Wirtschaft hat in Deutschland und in ähnlicher Form in vielen anderen Ländern über Jahrzehnte hinweg recht gut funktioniert, zumindest solange ein aus- reichend hohes Wirtschaftswachstum ständig steigende Steuern und Sozialabgaben in die öffentlichen Kassen spül- te. Warum aber kommt dieser Sozialstaat heute in Schwie- rigkeiten und aufgrund der Schwierigkeiten ins Gerede? Warum spricht man immer mehr von der Unbezahlbarkeit des Sozialstaats und beruft sogar sein Ende? Wie kommt es überhaupt dazu, dass sich die Industrienationen nach dem Kriege, obwohl vielmals ärmer, die Einrichtung solcher Sozialsysteme leisten konnten, aber heute, trotz mehrfach größeren Reichtums, nicht mehr finanzieren können? Geht man dieser Frage nach, dann taucht zuerst ein zwei-, ter viel benutzter Begriff auf, nämlich der von der ›Freien Marktwirtschaft‹. Inzwischen immer häufiger von dem Begriff ›Liberalisierung‹ abgelöst, wurde darunter ein Zurückweichen des Staates aus dem Bereich der Wirtschaft und der Abbau möglichst aller Regulierungen gemeint, ein- schließlich derjenigen, die bislang für den Begriff der Sozia- len Marktwirtschaft prägend waren. Betrachtet man die letzten fünf Jahrzehnte im Zeitraffer, dann hat sich in Wirklichkeit eine langfristige und fast unmerkliche Verschiebung von der sozialen zu einer freien Wirtschaft ergeben. Zu einer Wirtschaft allerdings, in der die unsoziale Verteilung der Einkommen ebenso zunimmt wie die Ver- und Überschuldung von Staat und Unterneh- men und die Vorherrschaft dessen, was wir im Widerspruch zur Marktwirtschaft sehen müssen: dem Kapitalismus.

Was versteht man unter Kapitalismus?

Unter Kapital versteht man im weitesten Sinne alle Mittel, die man zum Produzieren nutzen kann, von den Naturgü- tern über die vom Menschen geschaffenen Sachwerte bis hin zu seinem Verstand. Im engeren Sinn – und der ist hier gemeint – werden unter Kapital alle jene Vermögenswerte verstanden, die dem Eigentümer ein leistungsloses Ein- kommen abwerfen. Am einfachsten ist das beim Geldkapi- tal nachzuvollziehen, also bei den Ersparnissen und deren Verzinsung. Da jedoch alle Sachinvestitionen nur über Finanzierungen mit Geld zustande kommen, überträgt sich diese beim Geldkapital erzielbare Zinsrendite auch auf alle in der Wirtschaft eingesetzten Produktionsmittel, die man deshalb auch als Sachkapital bezeichnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich dieses Kapital in privaten, öffentlichen oder genossenschaftlichen Händen befindet: In allen Fällen, muss die Verzinsung des eingesetzten Geldes gesichert sein, bevor es zu Investitionen und damit Arbeitsplätzen kommt. Kapital ist also zinstragendes Eigentum, Kapitalist derje- nige, der über solches Eigentum verfügt, und Kapitalismus ein Wirtschaftssystem, in dem die Zinserfüllung Voraus- setzung aller wirtschaftlichen Vorgänge ist. Deshalb be- zeichnet man das bei uns herrschende System oft auch als Zinswirtschaft. Alle Produktions- und Dienstleistungen, so notwendig und sinnvoll sie auch sein mögen, kommen im Kapitalismus nur zustande, wenn vorweg die Kapitalbeloh- nung (Zins/Rendite) abgesichert ist. Und da die Höhe der Belohnung vom Geldzins ausgeht und ein Fallen dieses Zinses durch Geldzurückhaltung verhindert werden kann, haben wir es beim heutigen Geld mit einem Monopol zu tun, das jeder Marktwirtschaft widerspricht. Noch deutli- cher: Solange unsere Wirtschaft mit dem kapitalistischen System verbunden ist, kann es weder eine wirklich freie noch eine soziale Marktwirtschaft geben! Unter dem Begriff Kapitalisierung schließlich werden im Kleinen jene Vorgänge verstanden, mit denen sich die Unternehmen an den Börsen refinanzieren bzw. ihr Sach- vermögen stückweise verkaufen können. Im Großen ver- steht man unter Kapitalisierung eine Entwicklung, die alles Geschehen in der Wirtschaft den Interessen des Kapitals öffnet und letztlich unterordnet. Und dieser Trend, alle Sachvermögen zu Geld zu machen bzw. alles Geld weltweit in die Wirtschaft einzubinden, hat inzwischen eine neue Dimension erreicht. Dieser Kapitalismus ist dabei, sich weltweit in einer Weise durchzusetzen, die alle bisherigen Schutzzonen für die Menschen niederzuwalzen droht. Und diese Ausweitung ist gleichzeitig verbunden mit einem immer schnelleren Fressen und Gefressenwerden, das sich heute bei Börsen, Banken und Unternehmen fast täglich, verfolgen lässt. Je weniger ›Fische‹ schließlich übrig blei- ben und je größer diese sind, desto mehr bleibt das auf der Strecke, was einmal als freie und soziale Marktwirtschaft begonnen hat. Dabei wächst die Gefahr, dass die allergröß- ten und letzten Fische schließlich – wie einst die Saurier – an ihrer eigenen Größe zugrunde gehen. All das lässt sich unter dem Begriff Globalisierung zusammenfassen, der in den letzten Jahren in die erste Reihe wirtschaftspolitischer Schlagworte gerückt ist.

Was heißt Globalisierung?

Unter diesem Begriff wird im Allgemeinen das Zusammen- wachsen von Märkten und Produktionen über die nationa- len Grenzen hinweg verstanden. Er steht im Grunde also für eine jahrtausendalte Entwicklung, die mit den ersten Kontakten und Handelsbeziehungen zwischen den Völ- kern und Erdteilen begonnen und sich ständig ausgeweitet hat. Was ist nun das Neue an diesem Begriff? – Neu ist vor allem seine schwerpunktmäßige Übertragung und Konzen- tration auf jenen Bereich, der bislang nur als ein begleiten- der der Handelsströme angesehen wurde, nämlich der Bereich des Geldes. Konkret: Globalisierung heute meint vor allem die Vergeldlichung unseres Planeten, die Unter- ordnung aller ablaufenden Vorgänge unter das Primat des großen Geldes, dessen höchste Gewinnerzielung inzwi- schen zum Sinn allen Tuns auf dieser Erde zu werden scheint. Das auf der Welt im Übermaß angeschwollene und immer beweglicher gewordene Geldkapital nützt inzwi- schen sämtliche Zins- und Renditedifferenzen rund um den Globus aus, um seine Gewinne zu erhöhen. Da die von ihrer Arbeit lebenden Menschen nicht über eine vergleich-, bare Mobilität verfügen, führt diese Entwicklung tenden- ziell zu einer Verlagerung der Arbeit aus den Hochlohn- in die Billiglohnländer. Ernst Ulrich von Weizsäcker hat diese Entwicklung 1997 mit folgenden Worten charakterisiert: »Die globalisierte Wirtschaft führt zwangsläufig zur Forderung nach einer ›Spreizung‹ des Einkommenge- fälles. Im Klartext: Die Ärmeren müssen mit ihren An- sprüchen zurückstehen, damit die Reichen sich im Lan- de wohlfühlen und vor allem nicht ihr Kapital abzie- hen ..Eine neue Epoche, die Ära des globalen Kapita- lismus, bricht an und sie wird die Entwicklung der Ge- sellschaften in den nächsten Jahrzehnten bestimmen.« Im Hinblick auf die heutigen weltweiten Ungerechtigkei- ten der Arbeitseinkommen, die auch eine wesentliche Ursache der zunehmenden Immigrantenströme ist, ist eine gewisse Angleichung der Löhne sicher angebracht, ja sogar notwendig, wenn wir den Frieden in der Welt erhalten wol- len. Das heißt konkret: Die Entwicklung der Arbeitsein- kommen in den reichen Ländern muss zugunsten der armen Länder zumindest abgebremst, z. T. auf Dauer sicher auch abgesenkt werden. Aufgrund der ständig wachsenden Ansprüche des Kapi- tals an die Ergebnisse der weltweiten Wirtschaftsleistung (deren Höhe es letztlich auch noch selbst diktieren kann!) wird diese Art von Globalisierung jedoch nicht zu einem wünschenswerten Ausgleich zwischen Arbeitseinkommen in der Welt beitragen, sondern zwangsläufig zu einem Absenken der durchschnittlichen Löhne. Oder anders aus- gedrückt: Da das Wirtschaftswachstum, auch wenn es welt- weit ausgedehnt wird, nicht mit dem Wachstum der Geld- vermögen Schritt halten kann, müssen die Arbeitenden global den Kürzeren ziehen., Für das explosiv wachsende Geldkapital ist diese welt- weite Ausdehnung und Optimierung seines Einsatzes die wahrscheinlich letzte Chance, die mit der Kapitalmasse wachsenden Ansprüche noch eine Weile länger zu realisie- ren. Und das gilt zwangsläufig ebenso für die Existenz des ganzen hinter dieser Globalisierung stehenden kapitalisti- schen Wirtschaftssystems. Denn nur durch die weltweite Übertragung des Wettbewerbs, der immer mehr die For- men eines Konkurrenzkampfes annimmt, können die Lohneinkommen in dem Umfang gedrückt werden, wie es zur Sicherung der Kapitaleinkünfte und damit des Funktio- nierens dieses Systems erforderlich ist. Der Kapitalismus, einmal als harmloser Partner der Marktwirtschaft gesehen, hat die nationalen Standorte ver- lassen und sich über den so spielerisch klingenden Casino- kapitalismus inzwischen zu einem globalen Turbo- und Brutalokapitalismus entwickelt.

Was ist mit Liberalisierung und Deregulierung?

So wie früher Kapital und Unternehmen die Städte und Gemeinden bei ihren Standortentscheidungen unter Druck gesetzt und Steuernachlässe oder günstige Rahmenbedin- gungen erpresst haben, so geschieht das heute weltweit mit den Staaten. Dabei sind diese aufgrund der Arbeitslosig- keit in fast allen Regionen besonders erpressbar. Darüber hinaus verlangen Kapital und weltweit agierende Unter- nehmen einen Abbau aller nationalen wie internationalen Gesetze und Vereinbarungen, die ihren Einsatz behindern (man denke nur an die MAI- und WTO-Verhandlungen!). Gleichzeitig mit der Forderung nach besseren Konditionen und größeren Freiheiten, verlagern die weltweit operieren- den Unternehmen aber auch noch ihre Firmenzentralen in, andere Länder, in denen sie sich den Steuerzahlungen an den Produktionsstandorten oft entziehen können. Unter dem Begriff Liberalisierung und Deregulierung wird uns das alles als positiv verkauft. Die Staaten, die auf diese Weise nicht nur ihre Entschei- dungsspielräume verlieren, sondern auch noch Teile ihrer Einnahmen, sind dadurch gezwungen, sich vermehrt bei jenen zu bedienen, die nicht über die Mobilität des Kapitals verfügen. Das aber sind, neben den kleineren Unternehmen, vor allem die an ihren Wohnsitz gebundenen Arbeitskräfte Und wo diese Arbeitskräfte versuchen, es dem Kapital gleichzutun, also ebenfalls dort hinzugehen, wo die besten ›Renditen‹ winken, ist seltsamerweise von Globalisierung keine Rede mehr. Vor diesen Menschen schließen sich die Grenzen, so offen sie auch für das Kapital immer sind. Ist das, was unter dem Begriff Globalisierung und Libera- lisierung abläuft, vielleicht der letzte Versuch für den Kapi- talismus, noch einmal weltweit durchzustarten und über einen erneuten Wachstumsschub die eigene Existenz für eine Weile abzusichern? Oder gibt es vielleicht danach noch einen weiteren Versuch, sich z. B. durch Weltrauminseln, Mondbesiedelungen oder ähnlich gigantische Kapitalver- schwendungen und -vernichtungen über die Runden zu retten? Ohne Rücksicht auf die dabei weiter wachsende Diskrepanz zwischen Arm und Reich sowie die Umweltzer- störung auf dieser Erde? Oder wird am Ende die Welt in die ›Reinigungskrise‹ eines globalen Krieges gestürzt?

Was tut sich bei der Alterssicherung?

Bevor wir uns mit der Frage Krieg und Frieden befassen, soll hier noch ein spezielles und aktuelles Thema angesprochen werden, das allerdings eher indirekt mit den hier behandel-, ten Problemfeldern vom Sozialstaat bis zur Globalisierung zusammenhängt: Die Sicherung der Alterseinkommen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Län- dern stößt diese Absicherung über die staatlich organisier- ten Rentenkassen auf zunehmende Schwierigkeiten. Dabei spielt zweifellos einmal die zunehmende Überalterung in den meisten Industrienationen eine entscheidende Rolle, also die Verschiebung der Generationenanteile zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung. Mittelfristig gesehen werden diese erhöhten Kosten für die ›nicht-mehr-arbeitende- Generation‹ zwar zum Teil durch sinkende Kosten für die ›noch-nicht-arbeitende‹ ausgeglichen, aber angesichts der leeren öffentlichen Kassen wird die Lage trotzdem in eini- gen Ländern bedenklich. Als Lösung des Problems werden der heute arbeitenden Generation, die durch die Zahl der Rentner sowieso bereits überlastet ist, zusätzlich Altersabsicherungen auf privater Basis nahe gelegt und z. T. auch steuerlich begünstigt. Da- bei wird, unter Ausnutzung des derzeitigen Aktienbooms, den Anlegern vorgerechnet, zu welchen Zugewinnen sie über diese Kapitalversicherungen kommen können. So kann z. B. ein heute Zwanzigjähriger, der jeden Monat 380 DM einzahlt, bei 6 Prozent Verzinsung seiner Einlagen im Alter von 65 Jahren mit einer Auszahlung von einer Million DM rechnen. Die Frage, woher die Differenz zwischen den Ein- zahlungen von insgesamt 205 200 DM und einer Million eigentlich kommt, wird dabei niemals gestellt. Dass dieser Zuwachs auf das Fünffache der laufenden Einzahlungen aus Zinsen stammt, bedarf sicher keiner Erwähnung. Ebenso wenig wie der Tatbestand, dass diese Zinsen letztendlich von den gleichen Menschen zusätzlich erarbeitet werden müssen, die sich hinterher an den Zuge- winnen erfreuen sollen. Es gibt aber noch einen weiteren problematischen As-, pekt: Bei dem heutigen Umlageverfahren fließen die Bei- träge in die Rentenversicherung praktisch gleich an die heutigen Rentner weiter und damit direkt in die Nachfrage. Bei dem Kapitalansammlungsverfahren vergrößern die Beiträge die Geldvermögen, die erst über den Kreditum- weg in die Wirtschaft zurückgeführt werden. Das heißt, es vergrößert sich mit den Zinserträgen, die den Einzahlern später einmal gutgeschrieben werden, heute schon der volkswirtschaftliche Verschuldungszwang und mit ihm die Zinsbelastung. Und da sich bei den Versicherungen und Pensionskassen riesige Anlagebeträge sammeln, üben die- se mit ihren Dispositionen einen entsprechend großen Druck auf die Kreditnehmer bzw. Fonds aus, bei denen sie die Einzahlungen zinsbringend unterbringen. Dieser mas- sierte Druck wiederum zwingt die verschuldeten Unter- nehmen zu erhöhten Einsparungen und Rationalisierungs- maßnahmen, was zwangsläufig mit Lohnkürzungen oder zusätzlichen Entlassungen verbunden ist. Das heißt, die Einzahler müssen ihre späteren Gewinn- auszahlungen nicht nur im Voraus mit höheren Zinsantei- len in allen Preisen selbst bezahlen, sondern möglicherwei- se auch noch mit Einkommenssenkung oder sogar dem Verlust des Arbeitsplatzes. Und dass solche Hochrechnun- gen auf Gewinne im Erlebnisfall auch total schief gehen können, dann nämlich, wenn das Geld nur noch zum Tape- zieren taugt, haben unsere Väter und Großväter zwei Mal im vergangenen Jahrhundert erlebt. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, die mit den Ein- zahlungen entstehenden Geldvermögen im Ausland ›arbei- ten‹ zu lassen, ggfs. auch in Ländern auf der Südhalbkugel. In diesem Fall würden also Menschen, die viel ärmer sind als wir, für die Versicherungszugewinne geradestehen. Die- ses Beispiel zeigt noch einmal, dass die Definition der Zin- sen als versteckte Sklaverei gar nicht so abwegig ist., 30. Kapitel

Geld, Krieg und Kapitalvernichtung

»Wenn der Friede die Frucht der Gerechtigkeit ist, dann ist der Kon- flikt, die kriegerische Auseinanderset- zung, die Frucht der Ungerechtigkeit.« Adolf Paster* Die weltweiten Asylantenströme haben schon in den letz- ten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zunehmend Schlag- zeilen gemacht. Dabei spiegeln sich in den Fluchtursachen immer wieder die Auswirkungen unseres fehlstrukturierten Wirtschaftssystems auf vielfältige Weise wider. Das gilt für die schulden- und zinsbedingten Umverteilungen mit dem daraus resultierenden Gefälle zwischen Arm und Reich ebenso wie für die überall noch nicht gelöste Bodenfrage. Außerdem lassen inflationäre Währungsentwicklungen in vielen ärmeren Ländern die Flüchtlingsströme wachsen. Und nicht zuletzt vergrößern die Industrienationen mit ihren Rüstungsexporten noch die Notlage und Unterdrü- ckung in den armen Ländern. Noch gefährlicher für den Frieden in der Welt aber ist wahrscheinlich die Notwendigkeit, die wuchernden Geld- kapitalmassen renditeträchtig zu binden. Da dies trotz ständigen Wirtschaftswachstums kaum in einem ausrei- chenden Maße möglich ist, kann oft nur durch partielle Kapitalvernichtungen Platz für Neuanlagen geschaffen werden. Dies geschieht bereits im Zuge von Konjunktur- * Präsident der Hifa-Austria, »Die Zukunft beginnt jetzt«, »Rüstung bedeutet ökonomisch den Abzug zinsdrückenden Kapitals vom Markt. Und da die Rüstungsindustrie nicht für den Markt produ- ziert, bedeutet Rüstung die Trockenlegung zinsbedrohender Kapital- überschüsse auf Kosten der Steuerzahler.« Hans Fabricius, »Telos«, Dezember 1966 »Der Krieg ist die großzügigste und wirkungsvollste ›Reinigungskrise zur Beseitigung der Überinvestition‹, die es gibt. Er eröffnet gewaltige Möglichkeiten neuer zusätzlicher Kapitalinvestitionen und sorgt für gründlichen Verbrauch und Verschleiß der angesammelten Vorräte an Waren und Kapitalien, wesentlich rascher und durchgreifender, als es in den gewöhnlichen Depressionsperioden auch bei stärkster künstli- cher Nachhilfe möglich ist. So ist .der Krieg das beste Mittel, um die endgültige Katastrophe des ganzen kapitalistischen Wirtschaftssy- stems immer wieder hinauszuschieben.« Ernst Winkler, »Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung«, 1952 »Ich glaube, dass wir in unserem Geldsystem eine Art karzinombilden- des Element haben, was unsere Wirtschaft fortwährend krank macht .Meiner Meinung nach kann dieses Geldsystem nur dadurch funktionie- ren, dass es immer wieder zusammenbricht und dann immer wieder von vorn begonnen wird. Diese Zusammenbrüche nennt man dann Kriege oder Wirtschaftskatastrophen oder Inflationen, je nachdem, aber das bedeutet eigentlich nur, dass dieses System in sich selbst kein Regulativ hat, was zu einer vernünftigen Eindämmung führen würde ..« Michael Ende, Autor, Interview mit Helmar v. Hanstein, 1992 »Es kann keinen Frieden auf Erden geben, ehe wir nicht die Forderung unserer Zeit erfüllen und den großen ewigen Fluch unserer Rasse beenden und jedem Arbeiter den vollen Verdienst seiner Arbeit ver- schaffen.« Abraham Lincoln, ehemaliger Präsident der USA einbrüchen und Wirtschaftsrezessionen, in denen es durch

Firmenpleiten und -schließungen zu einer Minimierung der Sachkapitalien kommt. Noch effektiver tragen Naturkatastrophen zur Kapital-

verknappung bei und noch mehr die weiträumigen Zerstö- rungen durch militärische Auseinandersetzungen in Bür-, ger- oder Völkerkriegen. Hier sind nicht nur der Verschleiß an Waffen und die notwendigen Ersatzbeschaffungen lukrativ, sondern auch der nachträgliche Wiederaufbau. Mit Rüstung und Krieg kann man jedoch nicht nur auf eine besonders wirksame Weise die Überschüsse des renditesu- chenden Geldes binden, man kann damit ggfs. auch das Absinken der Zinsen unter jene Marke verhindern, die zum Geldstreik führt und damit zum deflationären Wirtschafts- zusammenbruch. Die Zitate in dem separaten Kasten be- stätigen diesen fast unglaublichen Tatbestand.

Hat der Krieg tatsächlich mit Zinsen zu tun?

In der Kundenzeitschrift »Sparkasse« des deutschen Spar- kassenverbandes erschien im Dezember 1988 der Nachdruck eines Artikels, der bereits rund einhundert Jahre vorher, ge- nau 1891, in der gleichen Zeitschrift erschienen war. Dieser Artikel befasste sich mit der Zinsentwicklung des ausgehen- den 19. Jahrhunderts, genauer mit dem damals zu registrie- renden Trend sinkender Zinsen. Darin hieß es erklärend: »Die Ursache für das Sinken des Zinsfußes wird vor- züglich darin gefunden, dass die besonders rentablen Capitalanlagen großen Maßstabes heute erschöpft sind und nur Unternehmungen von geringer Ergiebig- keit übrig bleiben.« Um den damals bei drei Prozent liegenden Zinssatz vor weiterem Fall zu bewahren, müssten, so hieß es weiter: ».die neuen Länder, beispielsweise Afrika, sehr rasch durch europäische Capitalien erschlossen wer- den, damit einem solchen Sinken begegnet werde.«, Doch da auch das zu einer Umkehr des Zinstrends nicht ausreichen würde, schließt der 1891 erschienene Artikel mit den inhaltsschweren Sätzen: »So spricht denn alles dafür, dass wir noch einem wei- teren Sinken des Zinsfußes entgegensehen. Nur ein allgemeiner europäischer Krieg könnte dieser Ent- wicklung Halt gebieten durch die ungeheure Capital- zerstörung, welche er bedeutet.« Wie wir wissen, hat sich ein solcher »allgemeiner europäi- scher Krieg« im letzten Jahrhundert zweimal realisieren, ja, sogar weltweit ausdehnen lassen!

Haben die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs

ausreichend lange vorgehalten? Etwa zwei bis drei Jahrzehnte waren die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg in den kriegszerstörten Ländern mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Angesichts dieser Aufbau- investitionen war das Kapital entsprechend knapp und mit real fünf bis sechs Prozent lange Zeit ausreichend hoch ver- zinst. An Rüstungs- oder gar Kriegsgeschäfte dachte in die- ser Zeit kaum jemand. Im Gegenteil: Viele Unternehmer hatten damals geschworen, nie mehr in die Rüstungspro- duktion einzusteigen. Mit dem Auslaufen des Wiederauf- baus, den ersten Sättigungserscheinungen auf den Konsum- märkten und einer zunehmenden Geldvermögensbildung, kam der Zins jedoch langsam wieder unter Druck. Schon in den 60er Jahren fiel z. B. der Realzins am Kapitalmarkt in Westdeutschland im Durchschnitt auf vier Prozent zurück. Als dann Adenauer 1956, über die Köpfe der Parla- mentsmitglieder hinweg, wieder eine Bundeswehr entste-, hen ließ, kam das Gros der benötigten Ausrüstung noch weitgehend aus fremden Produktionen. In Deutschland setzte man immer noch auf friedliche Methoden zur Garan- tie der Kapitalrentabilität. Vor allem forcierte man das dazu notwendige Wirtschaftswachstum durch ständige Export- ausweitung und Bedürfnisweckung im Konsumbereich. Doch sehr bald entstand hinter den Kulissen auch in Deutschland wieder eine Rüstungsindustrie, die schließlich sogar das Ausland mit ihren Qualitätsprodukten beglückte. In den 70er und 80er Jahren gewann die BRD sogar wieder Anschluss an die Siegermächte, die bereits in den 50er Jah- ren ihre Rüstungsindustrie auf Hochtouren gebracht hatten. Selbst der damalige US-Präsident und frühere Weltkriegs- general Eisenhower warnte mehrfach öffentlich vor dieser gefährlichen Verselbständigung des militärisch-industriel- len Komplexes. Aber das Kapital hatte im wahrsten Wort- sinn ›Blut gerochen‹, zuerst im Koreakrieg und dann auf vie- len anderen Kriegsschauplätzen in der Welt, so dass es für die Zunahme der Überrüstung kein Halten mehr gab.

Der Wahnsinn des Overkills

Obwohl man jeden potentiellen Gegner letztlich nur ein- mal töten kann, reichten die Waffenarsenale und Vernich- tungskapazitäten bereits in den 80er Jahren aus, um jeden Menschen auf der Erde 15 bis 20-mal umzubringen. Der Irr- sinn dieses ständig wachsenden Overkills ist mit keiner Logik erklärbar. Niemals in der Menschheitsgeschichte hatte es ein Tötungspotential in dieser Größenordnung gegeben. Allein ein U-Boot der Tridentklasse hatte damals bereits eine Sprengkraft an Bord, die achtmal größer war als das, was im letzten Krieg in aller Welt verschossen und als Bomben abgeworfen worden war. Und das gesamte, Zerstörungspotential wurde damals schon auf das 6000fa- che geschätzt! Doch dieser Wahnsinn hat Methode. Er garantierte ein- mal Tausenden von Waffenschmieden und -händlern in aller Welt lukrative und staatlich abgesicherte Gewinne. Vor allem aber sorgte er mit dafür, dass die Zinsen in der Welt hoch genug blieben, um den Rückzug des Geldes vom Markt zu vermeiden. Die Kapitalrenditen wurden auf diese Weise zwar lange Zeit abgesichert, kaum aber der Wohlstandsanstieg der Menschen. Denn mit den Waffen und Militäranlagen muss- ten sie Produkte schaffen, von denen sie nicht nur keinen Nutzen hatten, sondern die letztlich sogar ihr Leben immer mehr gefährden. Und für diesen Milliardenwahnsinn wur- den sie auch noch durch höhere Steuern zur Kasse gebe- ten!

Wird mit der Rüstung das Kapital nur bedient?

Mit der Rüstung wird nicht nur Kapital bedient, sondern auch gebunden, zutreffender: vom Markt genommen. Wür- de man das in die Rüstung, die Raketensilos, Kasernen und Kriegsschiffe investierte Kapital im zivilen Sektor einsetzen, dann wäre das Angebot an zivilen Gütern und Leistungen auf den Märkten deutlich größer. Ein größeres Angebot an Wohnungen, Konsumgütern usw. aber würde auf die Kapi- talrendite drücken und schließlich – wenn das Kapital nicht streiken könnte – den Zins gegen Null sinken lassen. Da aber das Geldkapital heute streiken, das heißt, sich vom Markt zurückziehen und damit schwere deflationäre Depressionen auslösen kann, sind auch die Staaten an seiner Knapphal- tung und ausreichend hohen Zinsen interessiert. Notfalls sogar unter Duldung oder Förderung von Kriegen., Statt also die Halter überschüssigen Geldes zu zwingen, dieses auch bei niedrigeren Zinsen oder sogar ohne eine Belohnung der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, sorgen die Staaten auf diese Weise also selbst für die heute notwen- dige Knappheit. Vergleichbar ist das mit der Praxis in der EG-Agrarmarktpolitik. Auch hier sorgt man bei allzu guten Ernten durch künstliche Verknappung des Angebotes (sprich Vernichtung) für hoch bleibende Preise, um Streiks der Bauern aus dem Weg zu gehen.

Findet diese Kapitalverknappung und -vernich-

tung tatsächlich statt? Wer zum ersten Mal von diesen Zusammenhängen hört, wird davon nichts akzeptieren wollen. Auch mir ging das lange so, bis die Indizien und Beweise zu überzeugend wur- den. Dabei braucht man sich nicht auf die Sparkassenzei- tung aus dem vergangenen Jahrhundert zu stützen. Auch in der wissenschaftlichen Literatur taucht der Vorgang der Kapitalvernichtung unter Begriffen wie ›Reinigungskrise‹ oder ›Beseitigung von Überinvestitionen‹ auf. Gemeint ist der Zustand, bei dem der Investitions- und Güterumfang so groß geworden ist, dass der Zins unter jene Grenze zu sin- ken droht, bei der es zu Geldzurückhaltungen und Rezes- sionen bzw. den erwähnten ›Reinigungskrisen‹ kommt. Durch ständige Ausweitung marktferner Investitionen – von der Raumfahrt bis zur Rüstung – kann man die Not- wendigkeit solcher ›Reinigungskrisen‹ zwar eine Zeitlang hinausschieben, aber kaum auf Dauer. Irgendwann wird eine große ›Reinigung‹ unausweichlich, die in extremer Form mit einem Staatsbankrott und der Vernichtung der Währung und aller Geldvermögen verbunden ist. Damit verschwinden auf einen Schlag besonders große Kapital-, polster aus der Welt. Die Gewinner solcher ›Reinigungen‹ sind diejenigen, die rechtzeitig in Sachvermögen oder Boden umgestiegen sind, möglichst außerhalb der Krisen- oder Kriegsgebiete. Den so ›Überlebenden‹ der Kapital- vernichtung wird jedenfalls ein ganz enormer Startvorteil beim Neuanfang beschert. John Maynard Keynes, als Zeuge über alle Zweifel erha- ben, hat diese Zusammenhänge in etwas komplizierterer Sprache beschrieben: »Jedesmal, wenn wir das heutige Gleichgewicht durch vermehrte Investitionen sichern, verschärfen wir die Schwierigkeit der Sicherung des Gleichgewichtes von morgen.« Und als Notausgänge aus diesem Dilemma zählt er auf: »Das Bauen von Pyramiden und Kathedralen, Erdbeben, selbst Kriege«, denn, so schreibt er weiter, »zwei Pyrami- den, zwei Steinhaufen für Tote sind doppelt so gut wie einer, aber nicht zwei Eisenbahnen von London nach York.« Die ›Pyramiden‹ unserer Tage sind die halb fertigen oder stillgelegten Ruinen von Atomkraftwerken oder anderen Industrieanlagen bis hin zum ›Raketenfriedhof‹, der im Orbit kreist, von den Milliardengräbern der x-mal ver- schrotteten und erneuerten Rüstung nicht zu reden. Und alle Projekte haben nicht nur bei ihrer Entstehung Milliar- den neutralisiert. Sie benötigen oft nicht minder große Summen für ihre Wartung und schließliche Beseitigung.

Wie war das beim ersten Golfkrieg?

Sieht man von den kriegsähnlichen Vorgängen in Jugosla- wien oder Russland ab, dann hat es seit fast 50 Jahren in, Europa keinen Krieg mehr gegeben. Darauf sind die meis- ten Politiker stolz. In Wirklichkeit ist es uns aber bislang nur gelungen, die »ungeheure Capitalzerstörung« durch Krieg, die in der Sparkassenzeitschrift als positives Mittel geschil- dert ist, durch eine ungeheure Naturzerstörung und Über- rüstung überflüssig zu machen. Doch wenn sich in der Welt die Möglichkeit zur kriegerischen Kapitalzerstörung bot, dann war Europa immer dabei: als Lieferant der Todeswaf- fen ebenso wie hinterher beim Kapital verschlingenden Wie- deraufbau. Diese ›Stellvertreterkriege‹ waren außerdem die beste Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der eigenen Rüs- tungsindustrie in der Praxis vorzuführen, um weitere Kun- den zu gewinnen. Man bedenke nur, dass »die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates der UNO (Großbritan- nien, UdSSR, USA, Frankreich, China), die den Weltfrieden sichern sollen, die größten Waffenlieferanten der Entwick- lungsländer sind«, (»terre des hommes«, Dez. 1991). Die ganze Skala aller für den Westen lukrativen ›Nach- kriegskriege‹ hier aufzulisten, würde zu weit führen. Hier soll darum nur noch einmal an den ersten acht Jahre dau- ernden Golfkrieg zwischen Irak und Iran erinnert werden, der uns, trotz schnelllebiger Zeit und täglicher Berichte über neue Kriegsschauplätze, wohl noch gegenwärtig ist. Dieser Krieg war wohl das bisher größte ›Nachkriegsge- schäft‹ für die Waffen liefernden Länder, bei denen die ›christlichen Nationen‹ immer an der Spitze lagen. Vor allem verstanden sie es dank ihrer Neutralität, gleich beide Seiten mit Rüstungsgütern zu beliefern. Und da es sich bei den Krieg führenden Ländern am Golf aufgrund der rei- chen Bodenschätze, um zahlungskräftige Kunden handelte, war der Dauer dieser Kriege kaum ein Ende gesetzt. Doch aufgrund der Zerstörungen und des wirtschaftlichen Leis- tungsrückgangs kam irgendwann der Punkt, an dem man auch in diesen Ländern wieder in die Hände spucken muss-, te, um das Funktionieren der Ölexporte und damit der Zahlungsfähigkeit zu erhalten. Außerdem versprach sich schließlich auch das weltweite Kapital vom Wiederaufbau noch größere Geschäfte, vor allem angesichts der Möglich- keit, ihn mit Krediten finanzieren zu können. So schrieb die deutsche Wochenzeitung »Die Zeit« am 18. 10. 1987, noch vor der Beendigung der Kämpfe: »Eine größere Zahl deutscher und japanischer Finanz- vertreter harrt in Teheran aus. Sie setzen auf die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Ende des Krieges .Wirtschaftsschäden von über 300 Milliarden habe der Krieg verursacht. Da winkt, so hoffen die Geschäfts- leute, mancher dicke Investitionsauftrag.«

Und was brachte der zweite Golfkrieg?

Der Irak unter Saddam Hussein war jahrelang – vor und im ersten Golfkrieg – einer der Spitzenkunden für die westlichen und östlichen Waffenlieferanten. Dass es sich bei Hussein um einen der übelsten Diktatoren handelt, hat dabei keinen Poli- tiker und Geschäftsmann gestört. Sie finanzierten seine Käu- fe sogar im Voraus gerne mit gut verzinsten Krediten. Auch das Nachbarland Kuweit, dem iranischen Funda- mentalismus wenig zugeneigt, half Hussein mit respektab- len Krediten bei der Bändigung des Irans. So war es für den überschuldeten Hussein schließlich eine doppelte Versu- chung, das kleine Kuweit einzukassieren. Einmal wurde er auf diese Weise einen lästigen Gläubiger los, gleichzeitig bescherte ihm der Überfall sprudelnde Ölquellen, mit deren Hilfe er seine Schulden in den Industrienationen leichter bedienen konnte. Was danach kam, ist uns noch geläufig: Während sich die, gut betuchten, kampffähigen Söhne der Kuweitis in Ägyp- ten und an der Riviera vergnügten, wurde das besetzte Land von den USA und einigen Helferstaaten mit ungeheu- rem Materialaufwand (bei nicht minder großer Behinde- rung der Berichterstattung!) befreit und der Irak in die Knie gezwungen. Allerdings nicht so weit, dass Saddam Hussein abdanken musste. Die USA hat dieser Krieg so gut wie nichts gekostet, außer ein ›paar Menschenleben‹. Wie ein Söldnerheer kas- sierte die führende Weltmacht bei allen Bündnisstaaten ab. Natürlich auch bei den reichen Scheichs, deren feudalisti- sche Herrschaftssysteme noch einmal eine Überlebens- chance erhielten. Das weltweit tätige katholische Hilfswerk Misereor, schrieb am 26. 1. 1992 in einer Stellungnahme mit dem Titel »Golfkrieg auf Kosten der Armen«, dass die Vergleichszah- len zwischen Kriegskosten und Entwicklungshilfe »fast unvorstellbar« anmuten. Und weiter hieß es, dass mit Aus- gaben von bis zu einer Milliarde Dollar allein auf Seiten der multinationalen Truppen, täglich (!) mehr Mittel ver- braucht worden seien, als Misereor »in den 32 Jahren seines Bestehens für die Entwicklungs- und Friedensarbeit in der gesamten Dritten Welt einsetzen konnte«. Aber auch beim zweiten Golfkrieg war die Materialver- nichtung und Zerstörung nur die eine Seite der Profitme- daille, der anschließende Wiederaufbau die zweite. Dank ihrer führenden Präsenz im Kriegsgeschehen hatten sich die USA auch dabei den Löwenanteil gesichert. Aber die Helferstaaten meldeten ebenfalls rechtzeitig ihre Ansprü- che an, wie der nachfolgende Kasten mit den Auszügen aus dem Berliner »Tagesspiegel« vom 12. 2. 1991 zeigt. »Bombenerfolge« im doppelten Wortsinn sind also mit solchen Kriegen für die Mitmacher verbunden! Und es ist entlarvend, dass es bei diesem Wiederaufbau-Geschacher,

Bombenerfolge für britische Industrie erhofft

London kämpft bereits mit den USA um Aufträge für den Wiederaufbau Kuwaits Von unserem Korrespondenten Die Londoner Regierung fordert mit größerem Nach- druck die Beteiligung britischer Unternehmen an dem Wiederaufbau in Kuwait, wenn der Krieg gegen Irak ein- mal vorüber ist. Die Briten erwarten eine bevorzugte Behandlung bei der Vergabe der Aufträge, welche den eigenen militärischen Beitrag zur Befreiung des Landes in Rechnung stellt. Der Korrespondent der Financial Times berichtet aus Riad über das Treffen: »Peinlichkeit bei den Diskussio- nen war nicht zu erkennen, obwohl Kuwait erst noch befreit werden muss, und ein großer Teil der Infrastruktur, welche britische Unternehmen wiederaufbauen wollen, noch nicht zerstört sind.« Jede erfolgreiche britische Bombe ist daher kommerziell und finanziell auch ein möglicher Erfolg für die britischen Firmen, die gerade in einer Zeit der Rezession dankbar für Aufträge sind. Das gleiche gilt prinzipiell genauso für die anderen Mitglie- der der Allianz gegen Saddam Hussein, voran die USA. sogar schon um Objekte ging, die noch gar nicht zerstört waren! Die schweizerische Zeitschrift »Der Zeitpunkt« be- richtete damals sogar von einem geheim gehaltenen Regie- rungsbericht, nach dem die britischen Steuerzahler »rund 500 Millionen Franken für Waffen bezahlen, mit denen der Irak die eigenen Truppen des Inselreiches beschossen hat. Die Rechnung geht zurück auf eine Exportgarantie, die die britische Regierung Firmen gewährte, die in den Irak aus- führten.« Und weiter hieß es in dem Text: »Unter dem Strich müssen die Briten .also zweimal bezahlen. Einmal für die irakischen Waffen und einmal für die eigenen, die irakischen zu zerstören. Der Kreislauf ähnelt in gewisser Weise demje- nigen, der vor allem die EG-Länder zwingt, Lebensmittel zu vernichten, deren Produktion subventioniert wurde.«,

Warum eigentlich keine Rüstungskonversion?

Schon 1962 hatte der damalige deutsche Bundesminister Alex Möller in seinem Buch »Währung und Außenpolitik« die Tore für eine deutsche Rüstungsentwicklung aufgesto- ßen: »In Zeiten der Überbeschäftigung ist es durchaus erstrebenswert, die Rüstungseinfuhr möglichst hoch zu halten; in der Phase mäßigen Konjunkturverlaufs aber können von Rüstungsaufträgen an das Inland volkswirtschaftlich erwünschte Impulse ausgehen.« Dass in Zeiten »mäßigen Konjunkturverlaufs« und der Unterbeschäftigung auch die letzten moralischen Skrupel über Bord geworfen werden und der umgekehrte Weg einer Rüstungskonversion nicht zur Debatte steht, bestätigte der Bremer Bürgermeister Wedemeier im Jahr 1987: »Rüstungsproduktion und Arbeitsplätze sind in Bre- men unzertrennbar verbunden. Angesichts von 40 000 Arbeitslosen stellt sich nicht die Frage der Umwand- lung von Rüstungsplätzen in friedliche.« Die Umstellung der Rüstungsproduktion auf friedliche Güter wird zwar von vielen Friedensgruppen immer wieder gefordert. Oft haben sie sogar mit viel Engagement und Idealismus detaillierte Umstellungspläne für bestimmte Unternehmen ausgearbeitet. Doch so eine Produktionsum- stellung ist nicht nur eine Frage des Wollens! Sie scheitert ganz einfach daran, dass eine erweiterte Produktion friedli- cher Güter das Angebot auf jenen Märkten vergrößern würde, auf denen bereits Überversorgung besteht. Dieses Überangebot im zivilen Sektor war ja einer der Gründe,, warum das Kapital in Bereiche drängte, die nicht rendite- drückend sind. Und das gilt nicht nur für die milliarden- schweren Investitionen in fragwürdige Hochtechnologien, sondern auch für jede Mark, die in irgendein produziertes Rüstungsgut geht. Denn einmal erscheinen diese Rüstungs- güter nicht auf dem normalen Markt, zum anderen werden sie, auch im Frieden, letztlich für die Schrotthalde produ- ziert, nachdem man sie – ebenfalls Kapital verzehrend – jahrelang mit größtem Aufwand gepflegt und gewartet hat. Selbst wenn der Staat die ganze zivile Produktion der Rüstungsfabriken aufkaufen und verschenken würde, z. B. an die armen Länder dieser Welt, wäre eine solche Umstel- lung für uns Bürger zwar billiger als die heutige Produktion von Waffen, deren Pflege wir zusätzlich bezahlen müssen. Außerdem hätte eine solche Aktion Vorbildcharakter und würde uns mehr Freunde in der Welt verschaffen als die heutigen Waffenlieferungen. Trotzdem ist diese Rüstungs- konversion so lange eine Illusion, wie der Staat zur Wah- rung des Geldumlaufs für eine ausreichend hohe Verzin- sung sorgen, das heißt, das Kapital knapp halten muss. Und was die Folgen dieser geldbedingten Zwänge sind, hat der evangelische Theologe Karl Barth vor rund einem halben Jahrhundert einmal in aller Deutlichkeit beschrieben: »Wo nicht der Mensch, sondern das zinstragende Kapital der Gegenstand ist, dessen Erhaltung und Mehrung der Sinn und das Ziel der politischen Ord- nung ist, da ist der Automatismus schon im Gang, der eines Tages die Menschen zum Töten und Getötetwer- den auf die Jagd schicken wird.«, 31. Kapitel

Der Krieg gegen die Dritte Welt

und gegen uns selbst »Der dritte Weltkrieg hat bereits begonnen – ein geräuschloser, aber deshalb nicht weniger unheilvoller Krieg. Es ist ein Krieg gegen den lateinamerikanischen Kontinent und gegen die gesamte Dritte Welt, ein Krieg um die Auslandsschulden. Sei- ne schärfste Waffe ist der Zinssatz, und sie ist tödlicher als die Atom- bombe.« Luis Ignacio Silva Das vorstehende Zitat stammt von dem bekannten brasi- lianischen Gewerkschaftler und mehrfachen Präsident- schaftskandidaten Silva, abgedruckt auf der Rückseite des Buches der US-Publizistin und derzeitigen Greenpeace- Aktivistin Susan George, »Sie sterben an unserem Geld«. Und das »Völkertribunal«, das 1988 bei der Tagung des Weltwährungsfonds in Berlin zusammenkam, hat in seinem Abschlusskommuniqué noch stärkere Worte gefunden: »Der Terrorismus der heutigen Welt ist der Terrorismus des Geldes.« Doch trotz dieser Aussagen bewegt sich die Dis- kussion über die Rolle des Geldes bezogen auf die so genannte Dritte Welt weitgehend nur an der Oberfläche. Die einen beißen sich an den Banken fest, andere an den Notenbanken oder dem Weltwährungsfond. Manche be- gnügen sich sogar mit personifizierten ›Buhmännern‹ aus, der Bankenszene, um ihren Unmut auszudrücken. Aber kaum jemand steigt tiefer in die Materie ein.

Haben uns auch die Entwicklungsländer vor Reinigungskrisen bewahrt?

Besonders interessant für Zins bringende Kapitalanlagen waren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die schon etwas fortgeschrittenen Schwellenländer in Lateinamerika, Ostasien und dem ehemaligen Ostblock. Aber auch die ärmsten Länder hat man in den 70er und 80er Jahren oft mit Krediten fast überschüttet, immer nach dem Motto, jede Mark und jeder Dollar, den man außerhalb der bereits überindustrialisierten Länder unterbringen kann, drückt hier nicht auf den Zins, sondern bringt sogar Zinsen ein! Ob die Menschen in den Schuldnerländern diese Kredite überhaupt bedienen konnten, darüber hat man sich wenig Gedanken gemacht: Schaffen sie es nicht, mit Hilfe der Kre- dite ihren Wohlstand zu heben, dann bleibt als ›Quelle‹ der Rendite eben die Verarmung dieser Länder übrig. In wel- chem Maße das in vielen dieser Länder der Fall gewesen und auch heute noch ist, kann man zwar nicht mehr täglich in der Zeitung lesen, aber immer noch oft genug. Von einem besonders extremen Beispiel solcher Verarmung berichtete sogar die Weltbank einmal im Dezember 1992 unter dem Titel, »Der gesamtwirtschaftliche Niedergang in Peru«. Daraus konnte man entnehmen, dass in diesem Land von 1980 bis 1990 das Sozialprodukt von 100 auf 70 Prozent gefallen war, der durchschnittliche reale Mindestlohn sogar von 100 auf 21 Prozent! Es bleibt die Frage, wo die Diffe- renz geblieben ist! Aber auch in Ländern mit positiven Wachstumsraten sind oft die Realeinkommen der Arbeit- leistenden abgesunken, während Schulden und Zinszahlun-, gen bis heute ständig angestiegen sind. Schon seit Jahren ist dieser Strom der Zinsen, der vom Süden in den Norden fließt, zwei- bis dreimal größer als alle rückzahlungsfreien Hilfen, die wir diesen Ländern zukommen lassen. Nicht ganz zu Unrecht sind wir Bürger in den reichen Industrienationen stolz auf unsere Spenden, die wir für die Dritte Welt aufbringen. Rund 5 000 Millionen Dollar jähr- lich, von den Hilfsorganisationen eingesammelt, sind auch eine beachtliche Summe. Doch diese 5 000 Millionen Dol- lar reichen den armen Ländern gerade, um 14 Tage ihren Zinsverpflichtungen nachzukommen. In den übrigen 350 Tagen im Jahr bleibt das Zusammenkratzen dieser Gelder ihr eigenes Problem. Oder anders ausgedrückt: Die Spen- den, die von allen Hilfsorganisationen in einem Jahr zusam- mengebracht werden, sind nach 14 Tagen wieder bei uns. Aber keinesfalls wieder in den Taschen der Spender. Sie landen vielmehr auf den Konten der Geldgeber, deren Ersparnisse als Kredite in den Süden weitergeleitet wur- den. Sie landen also bei denen, die bereits seit Jahren auf Kosten des Südens ihre leistungslosen Zinserträge bezie- hen, was wiederum Anlass ist für weitere Spendenaktio- nen.

Wie kam es zur Verschuldung der Entwicklungs-

länder? Bei dem Verschuldungsverhältnis zwischen Nord und Süd spielen drei Ausbeutungsfaktoren eine wichtige Rolle: ■ die Ausbeutung über ungerechte Austauschverhältnisse, ■ die Ausbeutung über die Zinsströme, ■ die Ausbeutung über zu niedrige Rohstoffpreise., Dabei löst eins das andere aus: Weil wir, die reichen Län- der, über unseren Technologievorsprung für viele Indus- trieprodukte eine Monopolposition besitzen, konnten wir durch immer höhere Güterpreise die Austauschverhältnis- se zu unseren Gunsten verändern. Weil wir für die Leistun- gen der Entwicklungsländer keine gerechten Preise zahlen, mussten sie für ihre dringend notwendigen Importe Kredi- te aufnehmen. Weil sie die Kreditzinsen mit Devisen bedie- nen mussten, waren sie zu immer größeren Exportanstren- gungen gezwungen. Und weil sie dabei mit anderen Dritte- Welt-Ländern in Konkurrenz standen, sanken die Preise für die an uns gelieferten Rohstoffe und Agrarprodukte, was als ein weiterer Nutzen für uns zu Buche schlug. Welche Folgen alle diese Gegebenheiten für die Austau- schergebnisse zwischen Nord und Süd hatten und immer noch haben, geht aus dem Fluss-Schema in Darstellung 80 hervor. Die entscheidenden Weichenstellungen, die diesen Leis- tungstausch für den Süden zu einem hohen Verlustgeschäft machen und für den Norden zu einem Gewinn, sind mit den Ziffern 1–3 gekennzeichnet. Ziffer 1 steht für den Tatbestand, dass etwa die Hälfte aller Sachkapitalien auf der Südhalbkugel direkt oder indi- rekt in den Händen des Nordens sind und die daraus flie- ßenden Renditen und Gewinne dem Süden als Einkommen verloren gehen. Ziffer 2 zeigt, dass den schuldenbedingten Zinszahlun- gen des Südens, die der Norden ohne konkrete Gegenleis- tung erhält, nur geringere leistungs- und rückzahlungsfreie Zahlungen an den Süden in Form von Entwicklungshilfe gegenüberstehen. Ziffer 3 weist auf den Tatbestand hin, dass die Menschen im Norden, aufgrund technologischer wie politischer Über- legenheiten, für gleiche Leistungen höhere Einkommen, Darstellung 80: beanspruchen und in ihre Preise einrechnen können als die Menschen im Süden. Die Folgen dieser weitgehend versteckten Austauschver- lustekönnenvondenbetroffenenLändern letztlichnurdurch Kreditaufnahmen ausgeglichen werden. Dieser Zwang zur Verschuldung wurde durch den mehrfachen Anstieg der Zinssätze und Erdölpreise jeweils noch verschärft. Zwar konnten einige Erdöl fördernde Entwicklungsländer aus den Preisanstiegen einen Vorteil ziehen (soweit er nicht von den Multis mitgenommen wurde!), umso mehr aber trafen diese Erhöhungen das Gros der übrigen Länder., Verstärkt wurde dieser Verschuldungsdruck in den Zei- ten hoher Erdölpreise und Zinsen noch durch die sich im Norden und bei den reichen OPEC-Ländern ansammeln- den Einkommensüberschüsse, die nach Anlagen suchten. Da es sich bei dieser Rückführung der monetären Über- schüsse auch um eine gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit handelt, wurde dieser Prozess, trotz seiner Probleme für die Schuldnerländer, auch aus der Sicht der übernationalen Gremien als positiv gewertet.

Welche Folgen hatten die Verschuldungen?

Nach Schätzungen von Insidern wurden höchstens ein Drit- tel der gesamten Kredite für irgendwelche Investitionen verwendet. Dabei floss ein großer Teil wiederum in äußerst fragwürdige Projekte. Das gilt nicht nur für Rüstungsgüter, sondern auch für Projekte, die sich oft als Fehlinvestitionen erwiesen und manchmal heute noch als halbfertige Ruinen in der Landschaft stehen. Die restlichen zwei Drittel der Gesamtverschuldung resultieren dagegen aus Aufschul- dungen zur Bedienung der Altschulden. Das heißt, die Ent- wicklungsländer haben dieses Geld überhaupt nicht in die Hand bekommen. Es wurde lediglich innerhalb der westli- chen Banken von einem Konto auf ein anderes umgebucht und der Schuldensumme zugeschlagen. Aber auch die so genannte westliche Wirtschaftshilfe floss überwiegend in sinnfremde Investitionen, vor allem in den Import von Waf- fen. Das zeigt die Darstellung 81 die 1990 in einer Zeit- schrift der Weltbank und des IWF veröffentlicht wurde. Sicher kann man sagen, dass zum Schuldenmachen immer zwei gehören und niemand die Entwicklungs- und Schwellenländer zur Kreditaufnahme zwingen konnte. Bedenkt man aber die ungerechten Austauschbedingun-, Darstellung 81: gen, dann ist der Zwang zur Kreditaufnahme bereits daher abzuleiten. Hinzu kommt noch, dass diese Länder vielfach mit geweckten falschen Hoffnungen zu Kreditkäufen ver- führt wurden. Noch leichter war es, Diktatoren und korrup- te ›Demokraten‹ für Rüstungskäufe auf Pump zu gewin- nen. Da aber bei solchen Geschäften immer der erfahrene- re und damit überlegenere Partner die Verantwortung trägt, ist die Schuldfrage eigentlich klar: Der Norden hätte diese Länder in diesem Maße niemals in die Verschuldung treiben dürfen!,

Ist Schuldenerlass der richtige Ausweg?

Die Forderung, zumindest den ärmsten Ländern die Schulden zu erlassen, ist verständlich. Soweit es sich um Staatskredite handelt, ist das auch relativ leicht möglich und hin und wieder bereits geschehen. Bei den Bankkredi- ten, die den größten Teil der Dritte-Welt-Schulden ausma- chen, ist das schwieriger. Denn das Geld, das die Banken verliehen haben, gehört ja nicht ihnen, sondern den Einle- gern. Der korrekte Weg wäre also, in Höhe der Schulden- verzichtssummen alle Guthabenkonten anteilig herabzu- setzen. Diese Reduzierung beider Posten um den gleichen Betrag ist bei direkt vergebenen Krediten und Zahlungs- unfähigkeit des Kreditnehmers auch die Regel: Wer sein Geld einem leiht, der Pleite macht, ist seinen Anspruch los. Das heißt, in diesen Fällen verschwindet mit den Schulden auch ein gleich hohes Geldvermögen aus der Welt. Den Banken ist diese Risikoumlage auf die Sparer aber nicht gestattet. Die Folge ist, dass sie die Verluste selbst auffangen müssen. Das tun sie durch entsprechende Rücklagenbildungen. Etwa zur Hälfte werden diese Rück- lagen durch erhöhte Zinsmargen aufgefüllt, die sie bei allen Kreditkunden abkassieren. Die Kreditkunden wie- derum legen sie zum größten Teil auf die Preise und damit die Endverbraucher um. Die andere Hälfte der verlorenen Kredite erhalten die Banken im Normalfall vom Finanz- amt zurück, da sie die Gesamtverluste bei der Steuer ab- setzen können. Das heißt, bei einem Schuldenerlass durch die Banken werden nicht etwa die Geldeinleger zur Ader gelassen, die jahrelang die Zinsen aus der Dritten Welt kassiert haben und damit die eigentlichen Verursacher der Zahlungsunfä- higkeit sind. Vielmehr müssen für solche Schuldenerlasse,, ob von Banken oder Staaten großzügig gewährt, letztlich alle Bürger geradestehen. Dabei sind vor allem jene Bürger die Verlierer, die keine oder nur geringe Zinsvorteile aus den ganzen Kreditgewährungen gezogen haben. Und das sind im Normalfall die ärmeren. Da auf diese heute gehandhabte Weise bei Schuldener- lassen also keine Geldvermögen verschwinden, eskaliert die Gesamtverschuldung in der Welt ungebremst weiter. Für die entlasteten Schuldner müssen nur möglichst rasch neue gefunden werden. Im Übrigen hat ein Schuldenerlass durch Banken zur Folge, dass das entlastete Land – ähnlich wie ein Kreditneh- mer in der Wirtschaft – als zahlungsunfähig erklärt wird. Damit ist das Land nicht nur mit einem Makel gekenn- zeichnet, es hat auch weniger Chancen, erneut Kredite zu bekommen, und wenn, dann nur zu höheren Zinsen.

Was sollte statt des Schuldenerlasses geschehen?

Mit dem Schuldenmachen ist es wie mit dem Trinken: Pro- blematisch wird beides erst mit der Höhe der Prozente. Nicht das Schuldenmachen an sich ist darum die Ursache des Übels, sondern der Tatbestand, dass dieses Schulden- machen mit Zinszahlungen verbunden ist. Der konstruktivere Weg zur Lösung des Schuldenpro- blems ist darum nicht ein Erlass der Schulden, sondern das Absenken der Zinsen. Damit werden Schulden für die Kre- ditnehmer nicht nur tragbarer, sondern auch eher rückzahl- bar. Außerdem verlangsamt sich mit sinkenden Zinssätzen das Wachstum der Geldvermögen und damit der Zwang zur ständigen Verschuldungsausweitung. Bei niedrigeren Zinsen, die die Schulden tragbarer ma- chen, würden beide Seiten – Bank und Schuldner – auch, ihr Gesicht bewahren können. Bezogen auf die Verschul- dung des Südens hieße das, dass kein Land als zahlungsun- fähig erklärt zu werden brauchte. Außerdem ginge mit sin- kenden Zinsen bei allen Schulden der Ausbeutungsgrad zurück. Weiterhin wären die Banken der schwierigen Ent- scheidung enthoben, welchem Land und welchem Schuld- ner sie in welcher Höhe Schulden erlassen, Entscheidun- gen, die zweifellos mit neuen Ungerechtigkeiten verbun- den sind. So würden durch einen Zinserlass jene Länder als ehrliche Dumme im Regen stehen, die bislang ihren Zinsverpflichtungen unter oft schweren Opfern nachge- kommen sind. Weiterhin würden allgemeine Zinssenkungen Spannun- gen zwischen den Banken und Bankenzusammenbrüche vermeiden. Denn bei Schuldenstreichungen werden die Banken, aufgrund ihres unterschiedlichen Engagements in den Entwicklungsländern, auch von unterschiedlich hohen Verlusten getroffen. Außerdem bedeutet ein Schuldener- lass die Abschreibung einer großen Summe auf einen Schlag. Zinssenkungen oder Zinserlasse verteilen sich dagegen mit kleinen Summen auf viele Jahre und werden letzten Endes von den Sparern durch Absenkung der Gut- habenzinsen aufgefangen. Der vormalige Präsident der Internationalen Vereinigung für Natürliche Wirtschafts- ordnung (INWO), der Schweizer Werner Rosenberger, hat darum schon Anfang der 90er Jahre der weltweiten Kam- pagne »Erlassjahr 2000«, die sich vor allem 1999 bei dem Kölner Wirtschaftsgipfel für die Entschuldung der ärmsten Länder eingesetzt hat, eine »Aktion Nullzins 2000« gegen- übergestellt.,

Welche Folgen hätten sinkende Zinsen?

Mit jedem Prozentpunkt, um den Zinsen sinken, gehen die zinsbedingten Einkommenumschichtungen von der Arbeit zum Besitz, also von arm zu reich, zurück. Damit verringert sich die Ungerechtigkeit, die Hauptursache der sozialen und damit wiederum der politischen Spannungen. Dieser Abbau ist die entscheidende Voraussetzung für den Frie- den in der Welt. Mit sinkenden Zinsen geht auch der Investitions- und Verschuldungszwang zurück. Damit wiederum verringert sich der Wachstumszwang und die Notwendigkeit jener ›Reinigungskrisen‹, mit denen heute – ob in Rezessionen oder Kriegen – die zinsdrückenden Kapitalanhäufungen ab und zu verringert werden müssen. Kurz: Es verschwinden die entscheidenden Ursachen, die die Staaten heute dazu zwingen, das Spiel der Überrüstung mitzumachen oder gar bewusst zu betreiben. In einer Welt, in der die Staaten nicht mehr aus wirt- schaftlichen Gründen auf Rüstung oder Krieg angewiesen sind, könnte sich vieles positiv verändern. Zum Beispiel wäre es möglich, endlich Schluss zu machen mit der Dop- pelmoral in unserem Rechtssystem. Denn während die Staaten ihren Bürgern das Faustrecht schon vor langer Zeit genommen und Mord als schlimmstes Verbrechen einge- stuft haben, nehmen sie dieses Recht für sich selbst weiter- hin unreflektiert in Anspruch. Dabei bezieht sich dieses Recht nicht nur auf das Umbringen gegnerischer Soldaten, sondern auch auf den Massenmord an der Zivilbevölke- rung. Darüber hinaus beanspruchen die Staaten sogar das Recht, ihre eigenen Bürger gegen deren Willen zur Ausfüh- rung dieser Verbrechen zu zwingen, in Bürgerkriegen häu- fig sogar an den eigenen Frauen und Kindern. Und das geschieht tagtäglich in Größenordnungen, die die Verbre-, chen aller Gangster und Sadisten, ja selbst der gesamten Mafia, zu Bagatellen werden lassen. Und diejenigen, die bei diesen Morden besonders erfolgreich sind, werden sogar als Helden mit Orden und Ehrenzeichen geschmückt oder mit hohen Renten belohnt, selbst in Europa und in Län- dern, die sich christlich nennen! Würden in den Ländern die Macht ausübenden Befug- nisse auf die Polizeigewalt reduziert, könnte auch im Straf- recht mit derartigen Widersprüchen aufgeräumt werden. Denn während Beihilfe zum Diebstahl als Delikt geahndet wird, geht Beihilfe zum Mord und Massenmord, die heute von jedem Waffenfabrikanten geleistet wird, noch straffrei aus. Wie das Geld, dürften Waffen nur noch mit staatlicher Lizenz produziert werden und nur in dem für die Polizei erforderlichen Umfang. Jede Eigenproduktion würde – wie beim Falschgeld – schärfstens verfolgt. »Jede Waffe, die hergestellt wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel läuft, jede abgefeuerte Rakete verkör- pert im Grunde einen Diebstahl an jenen, die hungern und nicht ernährt, oder an jenen, die frieren und nicht gekleidet werden.« Dies hat kein Geringerer als Dwight D. Eisenhower, Welt- kriegsgeneral und Präsident der USA in den 50er Jahren, von sich gegeben! Und wie sich die geldbezogenen Wirkungen in fataler Weise zur Gewalt aufschaukeln, geht aus dem Flussschema in der Darstellung 82 hervor., Darstellung 82:, Teil V Überwindung der Fehlstrukturen – Wege zu einer krisenfreien Wirtschaft, 32. Kapitel

Von den Symptomen zu den Korrekturen

»Unsere demokratische Ordnung und das bisherige Finanz- und Geld- wesen können nicht mehr zusammen bestehen bleiben. Eines muss dem anderen den Weg frei geben.« Vinvent C. Vickers* Wahrscheinlich käme kaum jemand auf die Idee, gegen das anhaltende Baumsterben durch eine Vergesellschaftung der Forstwirtschaft oder alternative Waldbauernbetriebe vorzugehen. Im Bereich der Wirtschaft und hier speziell des Geldsystems glauben jedoch allzu viele, die sich hier immer deutlicher abzeichnenden Probleme durch Verstaat- lichung der Banken, mehr Mitbestimmung bei der Kredit- vergabe oder alternative Betriebsformen überwinden zu können. Erkennend, dass irgendetwas mit dem Geld nicht stimmt, wollen andere durch lokale Ersatzgeld-Ausgaben, geldlose Verrechnungsringe usw. den Problemen entgehen. Noch Radikalere möchten – das Kind mit dem Bad aus- schüttend – gleich das gesamte Geld abschaffen. Wieder andere meinen, der Mensch müsste sich ändern, oder das gesamte System, was immer auch darunter verstanden wird. * britischer Großindustrieller, von 1910–1919 Gouverneur der Bank von England, »Wirtschaft als Drangsal«, 1938,

Wo müssen die Änderungen ansetzen?

In der nachfolgenden Darstellung 83 sind noch einmal die Entwicklungen der Inflations- und Zinssätze in Deutsch- land wiedergegeben und zwar mit ihren vierteljährlichen Veränderungsraten von 1960 bis Mitte 2000. Zusätzlich markiert ist dabei die 6-Prozent-Linie, die man bis in die 90er Jahre als eine Art »magische Untergrenze« für den Kapitalmarktzins ansehen konnte. Darstellung 83: Aus dieser Darstellung gehen die entscheidenden Sympto- me hervor, die es zu überwinden gilt: Einmal die dauernden Schwankungen der Geldkaufkraft, u. a. verantwortlich für die extremen Zinsausschläge und damit die auf Dauer zer- störerischen Wechselbäder zwischen Aufschwung und Re-, zession. Zum Zweiten der sich ständig im positiven Bereich bewegende Kapitalmarktzins, verantwortlich für die Über- entwicklung der Geldvermögen und Schulden mit ihren negativen Folgen im sozialen, ökonomischen und ökologi- schen Bereich. Aus dieser Eingrenzung ergeben sich auch die Ansätze zu einer Korrektur: 1. Die Kaufkraft unseres Geldes muss (endlich!) stabil ge- halten werden. Die Nachfrage muss dem Angebot ent- sprechen, die Geldmenge der notwendigen Nachfrage. 2. Der Zins muss den Marktkräften genauso unterstellt werden wie alle anderen Preise und Knappheitsgewinne. Er muss mit der Sättigung der Märkte gegen Null herun- tergehen. Um diese Forderungen erfüllen zu können, bedarf es meh- rerer Voraussetzungen: ■ Das Geld muss allen anderen öffentlichen Einrichtun- gen rechtlich gleichgestellt werden, um den Missbrauch als Spekulationsmittel einzudämmen. ■ Das Geld muss neben dem Annahmezwang mit einem Weitergabezwang verbunden werden, damit über den verstetigenden Geldumlauf die Menge steuerbar wird. ■ Geld und Guthaben müssen präzise unterschieden, die Giralgeldbestände ggfs. dem Kreditpotential der Ban- ken entzogen werden, damit die gesamten Nachfrage- bzw. Zahlungsmittel kontrollierbar werden.,

Was kennzeichnet öffentliche Einrichtungen?

Öffentliche Einrichtungen sind dadurch gekennzeichnet, dass jeder Bürger sie unter gleichen Voraussetzungen nut- zen, aber niemand sie blockieren darf. Denn mit jeder Blo- ckade einer öffentlichen Einrichtung werden andere zwangsläufig an deren Nutzung gehindert. Das gilt z. B. für jeden, der seinen Wagen nach Beendigung der Fahrt auf der Fahrbahn stehen lässt oder sich in einer Telefonzelle nach dem Anruf häuslich einrichtet. Öffentliche Einrichtungen sind außerdem dadurch ge- kennzeichnet, dass sie niemals gleichzeitig privates Eigen- tum sein oder als solches rechtlich behandelt werden kön- nen. Denn nichts kann zwei Herren dienen, ohne dass daraus Probleme entstehen. Ein weiteres Merkmal öffentli- cher Einrichtungen besteht darin, dass ihre Nutzung direkt oder indirekt mit Kosten verbunden ist. Überprüft man daraufhin das von den Notenbanken her- ausgegebene Geld, so gilt es in den meisten Ländern als »das alleinige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel«. Diese Einstufung und viele andere Indizien bestätigen zweifelsfrei, dass es sich bei dem heute vom Staat bzw. der dafür eingesetzten Notenbank herausgegebenen Geld um eine öffentliche Einrichtung handelt. Trotzdem wird der Geldschein gleichzeitig als privates Eigentum gesehen. Erklärt wird dieser Widerspruch mit der Einstufung des Geldes als ›bewegliche Sache‹. An beweglichen Sachen aber wird – wie die deutsche Bundesbank das einmal erläu- terte – »nach § 929 BGB Eigentum begründet«. Derjenige, der das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel in die Hand bekommt, ist also nicht nur Nutzer dieser Einrichtung, son- dern er wird sogar ihr Eigentümer. Das heißt, nicht nur der mit dem Geldschein dokumentierte Anspruch an den Markt ist Eigentum des Geldempfängers, sondern auch der, Schein selbst. Und »da der Eigentümer mit den ihm gehö- renden Sachen grundsätzlich nach Belieben verfahren kann (§ 903 BGB)«, bestätigte die Deutsche Bundesbank, »ist er .auch nicht gehindert, in seinem Eigentum stehen- de Banknoten und Münzen .unbrauchbar zu machen«. Dass er, nachdem ihm das Recht zur Vernichtung zugespro- chen wird, das Geld dem Kreislauf beliebig lange entziehen darf, steht wohl gar nicht erst zur Debatte.

Was ist die Folge der heutigen Rechtslage?

Die Folge dieser Einordnung des Geldes als privates Eigen- tum ist, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer das Recht hat, den Geldkreislauf zu unterbrechen und damit die Konjunk- tur zu stören. Unter dieser irrealen Bedingung erwartet man von den Notenbanken, dass sie die Geldmenge kauf- kraftstabil steuern! Man stelle sich einmal vor, die Bahnverwaltung würde den Güterverkehr nach dem gleichen Modell regeln wie die Geldverwaltungen den Geldverkehr: Wer bei der Bahn zu Gütertransporten einen Waggon benutzt – zweifelsfrei auch eine ›bewegliche Sache‹ – hätte das Recht, ihn beim Be- und Entladen beliebig lange an der Rampe festzuhal- ten und damit andere an der Nutzung zu hindern. Ganz gewiss hätte die Bahnverwaltung mit der Steuerung des Güterverkehrs ähnliche Schwierigkeiten, wie die ›Geldver- waltungen‹ – also die Notenbanken – heute mit der Steue- rung des Geldes: Mal würden dem Verkehr viele Waggons entzogen und die Bahnverwaltung wäre (mit Verzögerung) gezwungen, zusätzliche in den Verkehr zu geben. Mal gäbe es zu viele Waggons auf den Schienen und die Bahnverwal- tung müsste versuchen, sie aus dem Verkehr zu ziehen oder zusätzliche Umgehungsgleise zu verlegen, usw., Mit der Einstufung des Geldes als gleichzeitig privates und öffentliches Gut wird jedoch nicht nur der Geldkreis- lauf strapaziert, sondern auch unser normales Rechtsemp- finden. Denn während der Blockierer einer öffentlichen Einrichtung im Allgemeinen mit Sanktionen rechnen muss, ist das beim Geld umgekehrt. Hier wird das gemeinschafts- schädigende Verhalten nicht mit Strafgebühren belegt, son- dern die Aufgabe dieses Verhaltens mit einer Prämie belohnt. Und deren Höhe kann der Blockierer sogar noch selbst bestimmen! Überträgt man diese Methode auf den Straßenverkehr, dann bliebe der Blockierer einer Fahrbahn nicht nur unge- schoren, sondern die an der Weiterfahrt gehinderten Auto- fahrer müssten ihm zur Freigabe der Fahrbahn sogar eine Zahlung anbieten, deren Höhe ihm angemessen erscheint. Und wenn sich die Blockierungen häuften, dann müssten die Straßenbauverwaltungen eben die Straßen verbreitern und vermehren, so wie die Notenbanken das mit der Geld- menge tun.

Warum braucht unser Geld einen Weitergabe-

zwang? Unser heutiges Geld ist nicht nur das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel, sondern es untersteht in den meisten Län- dern auch einem Annahmezwang. Wer gegenüber einem anderen eine Forderung hat, ist also verpflichtet, die jewei- lige Währung dafür anzunehmen. Das heißt, er kann weder eine andere Währung fordern noch irgendeine andere Gegenleistung. Dabei ist dieser Annahmezwang eigentlich überflüssig, denn bekanntlich nimmt jeder gerne Geld für das, was er abgeben möchte. Fast alle sind sogar bemüht, ihre Leistungen in Form von Gütern oder Arbeit möglichst, schnell gegen dieses universale Zahlungsmittel einzutau- schen. Der an das Geld gekoppelte Annahmezwang ist also überflüssig. Sinn hat er allenfalls, wenn der Staat das Geld durch Inflation ruiniert. Doch in solchen Situationen ist der Annahmezwang kaum noch durchsetzbar. Wie wir zur Zeit in den Staaten mit hohen Inflationsraten erleben, kann man dann die Menschen von der Flucht in harte Währungen oder in den Tauschhandel nicht abhalten. Das Gegenteil vom Annahmezwang, ein Weitergabe- zwang, der bei unserem Geld dringend erforderlich wäre, fehlt seltsamerweise. Denn so gerne jeder Geld annimmt, so ungern gibt er es wieder her. Nimmt man jedoch Geld lieber an, als man es weitergibt, muss es zu Stockungen und Störungen im Geldkreislauf kommen. Vergleichbar ist das mit einer Straßenverkehrsordnung, die den Autofahrer zwar dazu verpflichtet, die öffentlichen Straßen zu benut- zen, ihn aber nicht dazu zwingt, sie auch wieder freizuge- ben. Es liegt auf der Hand, dass jede Notenbank in ihrer Auf- gabe, die Stabilität zu wahren, überfordert sein muss, solan- ge die Rahmenbedingungen für den Umgang mit Geld auf die beschriebene Weise unzulänglich bzw. falsch program- miert sind. Das gilt auch für den Tatbestand, dass Geld sowohl als Tauschmittel als auch als Wertaufbewahrungs- mittel betrachtet wird. Der deutsche Wirtschaftswissen- schaftler Wilhelm Hankel hat auf diese Problematik einmal hingewiesen: »Die Doppelrolle des Geldes als Tauschmittel für den Güterkauf und alternativ dazu als Wertaufbewahrungs- mittel für die Vermögensbildung ist in jeder Marktwirt- schaft für Überraschungen gut. Geld ist also kein pro- duktions- und beschäftigungsneutraler ›Schleier‹, son-, dern die ständig tickende ›Zeitbombe‹, die den markt- wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen gesamt- wirtschaftlichem Angebot und gesamtwirtschaftlicher Nachfrage auseinanderreißen kann.« Um die schwerwiegenden Folgen dieser Doppelfunktion we- nigstens zu minimieren, lockt bzw. treibt man das zurückge- haltene Geld heute mit Zins bzw. Inflation in den Kreislauf zurück. Man versucht also, einen groben Fehler in der Geld- funktionsordnung durch destruktive Mittel zu beheben.

Was versteht man unter einer Geldumlaufsiche-

rung? Selbstverständlich ist Geld zwischen Empfang und Wieder- ausgabe immer auch ein ›Wertaufbewahrungsmittel‹. Diese Funktion darf dem Geld auch nicht genommen werden. Vielmehr geht es darum, den Rhythmus zwischen Geld- empfang und -ausgabe nicht durch längerfristige und vor allem schwankende Geldzurückhaltungen zu unterbrechen. Denn diese längerfristigen Geldzurückhaltungen unterlau- fen nicht nur die Geldmengensteuerung der Notenbanken, sondern lösen gravierende Störungen des Wirtschaftskreis- laufs aus. Außerdem verhindern sie durch Verknappung des Kreditangebots ein marktgerechtes Absinken der Zinsen. Genau hier, bei der Möglichkeit, Geld ungestraft zurückzu- halten, liegt der Grund, warum der Kapitalmarktzins auch dann noch in positiven Größen bleibt, wenn die Wirtschafts- entwicklung gegen Null tendiert. Da dieses gemeinschaftsschädigende Verhalten der Geldzurückhaltung nicht durch Verbote aus der Welt zu schaffen ist, muss es mit Hilfe von ›Geldhalte-‹ oder ›Nut- zungsgebühren‹ abgebaut werden. So wie der Autofahrer, die Fahrbahn freigibt um nicht mit Strafgebühren belangt zu werden, und der Waggonbenutzer den Waggon entlädt, um kein ›Standgeld‹ bezahlen zu müssen, so wird auch der Geldhalter überschüssige Kaufkraft freigeben, wenn die Zurückhaltung mit Kosten belastet wird. Die Vermeidung dieser Kosten ist natürlich nicht nur durch Geldausgeben möglich, sondern auch durch Geldeinzahlung bei der Bank, also durch leihweise Überlassung an einen anderen.

Warum ist eine wirksame Umlaufsicherung not-

wendig? Nur wenn es den Notenbanken gelingt, durch einen verste- tigten Umlauf die herausgegebene Geldmenge mit der nachfragenden in Deckung zu bringen, ist Kaufkraftstabili- tät erreichbar. Auf den Umlauf des Geldes können die Notenbanken jedoch heute nur indirekt Einfluss nehmen, nämlich durch das Lockmittel Zins oder die Peitsche Inflation. Diese indi- rekten und zum Teil auf Psychologie aufbauenden Eingriffe sind jedoch in ihrer Wirkung weder zeitlich noch umfang- mäßig kalkulier- und berechenbar. Die heutigen Bemühun- gen der Notenbanken zur Stabilisierung des Geldumlaufs und damit der Geldkaufkraft sind darum zum Scheitern verurteilt, so vielschichtig und kompliziert sie auch sind. Sie ähneln dem Versuch eines Autofahrers, der seinen Wagen bei schlechter Sicht auf der Fahrbahnmitte halten will und die Abweichungen erst bemerkt, wenn er bereits auf den Randstreifen geraten ist. Wirken die Steuerkorrekturen außerdem erst mit schwankenden Verzögerungen und nimmt auch noch die Fahrgeschwindigkeit ständig zu, kann es ihm nur zufällig gelingen, das Fahrzeug einige Zeit auf der Fahrbahnmitte zu halten., Natürlich fürchtet der Fahrer ein Abweichen in den Gegenverkehr noch mehr als den unbefestigten Randstrei- fen. Genauso fürchten die Notenbanken ein Abdriften der Kaufkraft in die Deflation mehr als das Ausweichen in die Inflation, auch wenn sie bei den Korrekturen riskieren, immer mehr ins Schleudern zu geraten.

Wirkt sich eine konstruktive Umlaufsicherung

auch auf den ›Geldstreik‹ aus? Das Verhalten von Menschen wird entscheidend von den Vor- und Nachteilen beeinflusst, die damit verbunden sind. Bezogen auf das Geld: Bei steigenden Zins- und Inflations- sätzen nimmt die Bereitschaft zu, anderen überschüssige Einkommen leihweise zu überlassen, bei sinkenden Sätzen nimmt sie ab. Diese Wirkungen gehen ebenfalls aus Darstellung 83 (S. 534) hervor: Der Zins am Kapitalmarkt steigt zwar mit der Inflation auf und ab, sein Absinken verlangsamt sich jedoch mit der Annäherung an die markierte Untergrenze von sechs Prozent. Selbst wenn die Inflation ›in den Keller geht‹, wie beispielsweise 1986, blieb er in Deutschland bis- her an dieser Marke hängen. Erst in den 90er Jahren kam es zum ersten Mal zu einer deutlichen Unterschreitung. Ursa- che des ›Hängenbleibens‹ der Zinsen bei der Grenze von vier bis sechs Prozent ist die nachlassende Wirkung der heutigen Umlaufsicherungsmittel in solchen Situationen: Die Inflation fällt als Peitsche völlig aus und das Lockmittel Zins ist nicht mehr groß genug, um den Geldhalter zur lang- fristigen Geldfreigabe zu bewegen. Eine ständig gleichmäßig wirksame Umlaufsicherung würde dagegen einen gleich bleibenden Druck ausüben, unabhängig von der Zinshöhe. Sie würde also nicht nur die, Geldmenge steuerbar machen, sondern auch dafür sorgen, dass Angebot und Nachfrage die heutige Zinsuntergrenze von etwa 4 bis 6 Prozent durchbrechen können. Das heißt, der heute an dieser Grenze eintretende ›Geldstreik‹ könn- te verhindert werden. Mit einer solchen konstruktiven Umlaufsicherung würde sich also die Inflation überwinden und der Zins senken las- sen. Mit sinkenden Zinsen käme es über weitere Investitio- nen schließlich zu einer Sättigung der Märkte und zu einem Nachlassen des unnatürlichen Wachstumszwangs. Zu diesen partiellen Sättigungsprozessen bedarf es je- doch keiner Leistungssteigerung. Denn dafür könnten, nach Wegfall des zinsbedingten Wachstumszwangs, die frei werdenden Kapazitäten aus den inhumanen Produktions- bereichen eingesetzt werden, die heute nur zur rentablen Bindung des weiter wuchernden Kapitals erforderlich sind, von der Rüstung über die Raumfahrt bin hin zu den Ramschproduktionen und Reklameorgien.

Beispiele für zinsunabhängige Umlaufsicherun-

gen – von den Brakteaten bis Wörgl Erinnern wir uns an die im 5. Kapitel beschriebene Brakte- atenzeit im Hochmittelalter. Die Beständigkeit des Geld- umlaufs und damit der wirtschaftlichen Konjunktur wurde damals durch regelmäßige bzw. überraschende Umtausch- aktionen des gesamten gültigen Geldes erreicht, bei denen der Münzherr jeweils einen festen Anteil von 20 oder 25 Prozent als ›Schlagschatz‹ oder ›Prägesteuer‹ einbehielt. Die Folge war, dass kaum jemand Geld ansammelte, denn das zu tragende Verlustrisiko war umso höher, je mehr Geld man jeweils in der Hand behielt. Der natürliche ›Joker‹-Vorteil des Geldes (Dieter Suhr) gegenüber den, einzutauschenden Gütern, wurde also durch eine Art ›Schwarzer Peter‹ kompensiert. Um diesen dem Geld anhaftenden Nachteil möglichst klein zu halten, war man wahrscheinlich sogar bereit, sein übriges Geld auch ohne Aufschlag zu verleihen. Ein anderes historisches Beispiel, dessen Wirkungen genauer dokumentiert sind, ist das so genannte »Wunder von Wörgl« in der Rezession der 30er Jahre. Aufgrund des deflationären Preisverfalls und des ›Geldmangels‹ als Folge der Geldumlaufstockungen, erlahmte damals überall die Wirtschaft. In der Tiroler Gemeinde Wörgl, einem Eisen- bahnknotenpunkt zwischen Kufstein und Innsbruck, ver- suchte der dortige sozialdemokratische Bürgermeister Unterguggenberger die Ursachen der Stagnation und Arbeitslosigkeit und damit der leeren Gemeindekassen zu ergründen. Schließlich wurde er bei dem deutsch-argentini- schen Sozial- und Geldreformer Silvio Gesell fündig. In dessen Hauptwerk »Die natürliche Wirtschaftsordnung« fand er die Zusammenhänge zwischen Geldumlaufstörun- gen und Wirtschaftskrise dargelegt. Unterguggenberger verstand, dass dem Geld ›Beine ge- macht‹ werden musste. Die von ihm herausgegebenen ›Arbeitsbestätigungsscheine‹, für die er im gleichen Umfang Schillinge bei der lokalen Bank hinterlegte, waren deshalb mit einem ›Umlaufmotor‹ versehen, der ihre Zurückhaltung mit Nachteilen verband. Wie Darstellung 84 zeigt, waren auf den Scheinen zwölf Felder, die monatlich mit einer Marke zu bekleben waren, wenn der Nennwert erhalten bleiben sollte. Da jeder die Kosten der Klebemarke in Höhe von einem Prozent des Nennwertes sparen wollte, gab man die Scheine möglichst im gleichen Rhythmus wieder aus, in dem man sie einnahm: Die Wirtschaft belebte sich, in die Gemeindekasse floss wieder Geld, und während ringsherum die Arbeitslosig- keit weiter anstieg, ging sie in Wörgl deutlich zurück., Darstellung 84: »Das Wirtschaftswunder von Wörgl« erregte weltweites Aufsehen. Der spätere französische Ministerpräsident Daladier fuhr in die Tiroler Stadt und berichtete ausführ- lich im französischen Parlament darüber. Der amerika- nische Wirtschaftswissenschaftler Irving Fisher schickte einen Assistenten dort hin, hielt das Modell zur Überwin- dung der US-Rezession für geeignet und bezeichnete sich selbst als »bescheidenen Schüler Silvio Gesells«. Doch als mehrere hundert Bürgermeister Österreichs das Wörgler Modell nachahmen wollten, wurde es von der National- bank in Wien verboten. Sie betrachtete (mit Recht) die ›Arbeitsbestätigungsscheine‹ als Geld und sah sich in ihrer Autonomie gefährdet. Zum 50. Jahrestag dieses Wörgler Experimentes brachte die Monatszeitung des Österreichischen Gewerkschafts- bundes »Arbeit & Wirtschaft« im März 1983 noch einmal einen ausführlichen Bericht. Darin hieß es unter ande- rem:, Unterguggenberger hatte nicht die Absicht, in Österreich eine neue Währung einzuführen oder die Nationalbank in ihren Rechten zu schmälern. Was er aber wollte, ist ihm für die Spanne von 14 Mo- naten gelungen: Mit Herz und Ver- stand hat er in die kleine Gemein- de, in der er jeden kannte, in der Hunderte seiner Eisenbahnerkol- legen lebten und hungerten, einen Hoffnungsschimmer getragen. Er hat ermöglicht, dass Familien sich wieder satt essen konnten, dass Schuhe und Kleider wieder einmal instand gesetzt, dringende Schul- den teilweise abgezahlt werden konnten und dass aus einem ver- wahrlosten Winkel eine gepflegte kleine Stadt wurde.

Was heißt Nachfrage-, was Kreditpotential?

Wie die Einkommenzahlungen werden auch die Nachfra- gevorgänge heute sowohl mit Bargeld als auch mit der Übertragung von Sichtguthaben (›Giralgeld‹) vorgenom- men. Beide Bestände sind also die Nachfrage- bzw. Zah- lungsmittel, mit denen der Markt geräumt wird. Die Sum- me dieser Nachfragemittel ist also das Potential, das zur Erlangung eines stabilen Preisniveaus auf das Angebot abgestimmt werden muss. Umschichtungen zwischen Bar- geld und Giralgeld ändern nichts an der Größe dieses Nachfragepotentials. Mit der Einzahlung von Geld auf das eigene Girokonto nimmt der Bestand darauf nur im glei- chen Umfang zu, wie der Bestand des gehaltenen Bargeldes abnimmt. Im Gegensatz zum Nachfragepotential, das alleine von den Notenbanken vergrößert werden kann, resultiert das, Kreditpotential in einer Volkswirtschaft aus den Einkomm- mensüberschüssen der Wirtschaftsteilnehmer, die sie ande- ren leihweise zur Verfügung stellen, ob direkt oder über die Banken. Das Kreditpotential der Banken ist also identisch mit den bei ihnen gebildeten Guthaben der Wirtschaftsteil- nehmer, zuzüglich anderer Formen von Geldaufnahmen beim Publikum, von Schuldverschreibungen bis zu Aufsto- ckungen des Eigenkapitals. Da die Banken auch die Sichtguthaben als Kreditpoten- tial betrachten, kommt es hier zu einer Überschneidung zwischen Nachfrage- und Kreditpotential, wie die Darstel- lung 85 mit annähernden Größen zeigt. Darstellung 85: Diese Überschneidung scheint auf den ersten Blick eine Doppelnutzung wiederzugeben. Doch es handelt sich um eine Nacheinanderbenutzung. Das heißt, die Bank kann die Sichteinlage des Kunden nur so lange für Kreditvergaben, nutzen, wie der Einleger nicht selbst über den Betrag ver- fügt. Wohl aber kommt es durch diese Zwischennutzung zu einer Effektivitätssteigerung. Denn während ein in bar gehaltener Geldbetrag zwischen Annahme und Ausgabe ungenutzt in Kassetten, Schreibtischschubladen oder Brief- taschen schlummert, wird der unbar gehaltene Bestand zwischenzeitlich in der Wirtschaft eingesetzt. Diese Effektivitätssteigerung, die sich über die Auswei- tung des Kreditpotentials ergibt, ist jedoch ein einmaliger Vorgang, der sich nur mit den Verschiebungen der Zah- lungsgewohnheiten von bar zu unbar ergibt. Diese Steige- rung der Effektivität im unbaren Bereich kann jedoch durch einen Rückgang der Bargeldmenge ausgeglichen werden bzw. gleicht sich selbsttätig aus. Das hat sich z. B. bei der Umstellung der Bargeld-Lohnzahlungen auf Konten- übertragungen in Deutschland zwischen 1950 und 1970 gezeigt: Während die Bargeldmenge, gemessen am jeweili- gen Sozialprodukt, um rund zwei Prozent zurückging, nah- men die Sichtguthabenbestände nur um rund ein Prozent des BSP zu.

Welche sonstigen Wirkungen haben die Verän-

derungen der Zahlungsgewohnheiten? Die Banken erhalten mit der zunehmenden Nutzung unba- rer Zahlungen eine zusätzliche Möglichkeit zur Kreditver- gabe und können mit den daraus resultierenden Einnah- men einen Teil der Kosten des relativ teuren Giroverkehrs abdecken. Außerdem werden sie durch den Rückgang der Bargeldmenge von den damit verbundenen Refinanzie- rungskosten entlastet, müssen also weniger Zinsen an die Notenbank bezahlen. Aber auch für die Gesamtwirtschaft hat der unbare Zah-, lungsverkehr Vorteile, die als Einsparungen der Transakti- onskosten und Zeiteinsparungen zu Buche schlagen. Problematisch ist allerdings, dass der Einfluss der Noten- banken auf die Sichtguthabenbestände, im Unterschied zum Bargeld, nur ein indirekter ist. Außerdem kann es durch größere Umschichtungen von normalen Bankeinla- gen auf die Sichtguthaben zu einem Anstieg der Liquidität in den Händen der Guthabenbesitzer kommen. Solche Schwankungen der Geldhaltungen, die auch beim Bargeld zu registrieren sind, treten vor allem in Zeiten sich verän- dernder Zins- und Inflationsraten auf (siehe Kapitel 10). Auch wenn diese spekulativen Umschichtungen innerhalb der Geldbestände nur zu einem geringen Teil in die Nach- frage gehen, bildet sich hier ein Unsicherheitspotential, das die Stabilitätspolitik der Notenbanken erschwert. Das gilt vor allem für eine überproportionale Zunahme der Bar- geldhaltung, die durch den Rückgang der Kreditgewäh- rungsmöglichkeiten zu einem plötzlichen Rückgang der vorbeschriebenen Effizienzsteigerung führen kann. Das eigentliche Problem hängt also weniger mit den meist kon- tinuierlich verlaufenden Veränderungen der Zahlungsge- wohnheiten zusammen als mit der plötzlichen Zu- oder Abnahme der Bargeldkassen. Es wäre darum sinnvoll, über eine Trennung des unbaren Zahlungsverkehrs von den all- gemeinen Kreditgeschäften nachzudenken. Ähnlich wie vor rund hundert Jahren die von den Geschäftsbanken her- ausgegebenen Banknoten von den Notenbanken als offi- zielles Geld übernommen wurden, könnte das auch heute mit der Übernahme des von den Geschäftsbanken her- ausgegebenen Giralgeldes geschehen. Mit dieser klaren Trennung zwischen Nachfrage- und Kreditpotential, die in der Darstellung 86 wiedergegeben ist, würde sich darüber hinaus auch eine klare Trennlinie zwischen den Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Notenbanken und der Ge-, schäftsbanken ergeben. Außerdem könnte auf all jene Mischgrößen aus Geld und Guthaben verzichtet werden, die heute unter den verschiedensten Geld- und Geldmen- genbegriffen die Köpfe verwirren. Darstellung 86:

Wer kann die Rechtsordnung des Geldes

korrigieren? Die Aufrechterhaltung einer Demokratie auf der Grundla- ge eines undemokratischen Geldwesens, kann auf Dauer nicht möglich sein. Das bestätigt auch der in Kehl lehrende Verwaltungsjurist Roland Geitmann: »Das vom Staat als Tauschmittel und Wertmesser aus- gegebene Geld sollte zwischen den Wirtschaftsteilneh- mern neutral vermitteln, es begünstigt jedoch den Geldbesitzer und widerspricht dadurch zentralen Prin-, zipien unserer Verfassung, insbesondere den Frei- heitsrechten, dem Gleichheitssatz, dem Eigentums- recht, dem sozialen Rechtsstaat und dem Ziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.« Zur Korrektur unserer Geld-Rechtsordnung sind deshalb als Erstes die Juristen gefragt, vor allem die der Bundes- bank. Denn die Doppelfunktion des Geldes, sowohl als öffentliche Einrichtung als auch privates Eigentum, muss geändert werden, wenn wir es mit dem Bemühen, unser Geld und mit ihm unsere Volkswirtschaften stabil zu hal- ten, ernst meinen. Der Verfassungsrechtler Dieter Suhr hat bereits in den 80er Jahren in seinen Veröffentlichungen mehrfach auf die Verfassungswidrigkeit unseres Geldes hingewiesen. Vor allem darauf, dass unser Geld kein neutrales Tauschmittel ist, sondern ein gravierend parteiliches Medium, da es für denjenigen, der Geld übrig hat, mit einem Mehrwert ver- bunden ist, den andere erarbeiten müssen. Die Überprü- fung unserer Geldordnung aus rechtlicher Sicht ist also grundlegender Natur. Als Folge dieses Fehlers verschiebt sich in den Ländern die Macht immer stärker von der Politik zum Geld. Und eine wirklich freie und soziale Marktwirtschaft kann es so lange nicht geben, wie sich das wichtigste Medium, das Geld, den Kräften des Marktes entziehen und die Schere zwischen Arbeit und Besitz ständig ausweiten kann., 33. Kapitel

Die Auswirkungen der Korrekturen

»Ein in die Natur integriertes Geld kann wegen des ›Rostens‹ nicht mehr ohne Nachteil für den Inhaber aus dem Wirtschaftskreislauf zurückge- zogen werden, sondern es muss sich den Märkten als Tauschmittel zur Verfügung stellen, auch wenn es nicht mehr wie bisher mit Zins und Zinses- zins ›angemessen bedient‹ wird. Das Geld wird also verteilungsneutral.« Werner Onken*

Was bewirkt die Rückhaltegebühr?

Die Umwandlung des privaten Eigentumsrechts in ein Besitz- und Nutzungsrecht schafft die Voraussetzung zur Einführung einer entsprechenden Geldnutzungsgebühr. Da diese Nutzungs- oder Rückhaltegebühr auf die Geld- haltung einen gleich bleibenden Druck ausübt, bedarf es zur Umlaufsicherung des Geldes in der Wirtschaft keines ständig positiven Zinses mehr und schon gar nicht einer Inflation. Aufgrund dieses gleich bleibenden Freigabed- rucks auf überschüssiges Geld dürfte die heutige ›magische Unter- * Ökonom, Redakteur der »Zeitschrift für Sozialökonomie«, in »Gerech- tes Geld – Gerechte Welt«, 1991, grenze‹ des Kapitalmarktzinses sehr schnell durchbrochen werden. Denn das Zurückhalten von Geld ist dann nicht nur mit dem Verzicht auf Zinsen verbunden, sondern mit konkreten Kosten. Als Folge wird der Guthabenzins bei ausgeglichener Angebots- und Nachfragesituation am Kapitalmarkt im Endeffekt um Null pendeln, die Kredit- zinsen um die Größe der Bankmarge darüber liegen. Mit einem Zins um Null aber hätten wir ein »neutrales Geld« (Dieter Suhr), das nur noch dienende Funktionen in der Wirtschaft ausüben kann, keine herrschenden mehr.

Was wären die konkreten Folgen der Trennung

zwischen Nachfrage- und Kreditpotential für die

Notenbanken?

Da das Verrechnungs- oder Giralgeld nur durch Umwand- lung aus Bargeld entstehen kann und gegenüber den ande- ren Guthabengrößen klar abgegrenzt ist, haben die Noten- banken das gesamte Nachfragepotential im Griff und unter ständiger Kontrolle. Da alle Geldhalter – auch die Banken – aufgrund der Geldhaltegebühren ihre Bestände an den tatsächlichen Marktbedürfnissen orientieren, kommt es außerdem zu einer deutlichen Reduzierung des Nachfragepotentials und schließlich zu einer Übereinstimmung mit dem Angebot. Anders ausgedrückt: Die Summe der herausgegebenen Geldmenge wird mit der nachfragenden identisch. Damit wiederum wird die Kaufkraftstabilität erreichbar. Einwir- kungen der Notenbanken auf die Zinshöhe als Hilfsmittel der Mengensteuerung erübrigen sich. Die Zinsbildung ist allein Sache des Marktes, so wie die Stabilität der Kaufkraft allein Sache der Notenbanken ist., Die Notenbanken brauchen also nur aktiv zu werden, wenn sich das Preisniveau verändert. Ein Ansteigen des Preisniveaus signalisiert immer ein Zuviel an Geld, ein Absinken des Preisniveaus ein Zuwenig. Da durch die Umlaufsicherung Geldmenge und Nachfrage gekoppelt sind, ohne Leerlauf und Zeitverzögerung, ergibt sich über die Stabilhaltung des Preisniveaus automatisch auch die richtige Geldmengenanpassung an eine zunehmende (oder abnehmende) Wirtschaftsleistung. Spekulative Vorausbe- rechnungen der Geldmenge mit Hilfe komplizierter Erfas- sungen der verschiedendsten statistischen Daten, mit denen trotzdem keine Stabilitätssicherheit zu erreichen ist, erübrigen sich. Vor allem, weil sich die inaktiven und in ihren Reaktionen unberechenbaren Geldansammlungen im In- und Ausland automatisch abbauen werden. Die Inumlaufsetzung zusätzlich erforderlicher Kaufkraft könnte am einfachsten über eine Geldausgabe an den Staat erfolgen, ähnlich wie das heute im Allgemeinen mit den Gewinnüberschüssen der Notenbanken geschieht. Dieses zusätzlich ausgegebene Geld müsste vom Staat umge- hend für Projekte ausgegeben werden, die bislang an Fi- nanzierungskosten gescheitert sind. Damit würde gewähr- leistet, dass das zusätzliche Geld auch nachfragewirksam wird. Zeigt ein ansteigendes Preisniveau ein Zuviel an Kauf- kraft an, dann wird der Staat zur Rückgabe von Geld ver- anlasst und damit zu einer Reduzierung seiner Ausgaben. Geldausgabe und -rückzug könnte ggfs. über An- und Verkauf unverzinster aber jederzeit kündbarer Schuld- verschreibungen erfolgen. Der heutige umständliche, unge- naue und zeitraubende indirekte Weg der Geldmengen- steuerung über die Geschäftsbanken mit Hilfe ständiger Leitzinsveränderungen, würde völlig überflüssig.,

Was ändert sich für die Geschäftsbanken?

Auch für die Geschäftsbanken würden sich durch die Tren- nung des Geld- und Guthabenbereichs klare Verhältnisse ergeben. Sie sind einmal für die Abwicklung des baren und unbaren Zahlungsverkehr zuständig, zum anderen für die Weitergabe überschüssiger Einkommen als Kredite in die Wirtschaft. Da die Banken die Kosten des unbaren Zahlungsver- kehrs nicht mehr mit Zinserträgen aus der Ausleihung der Sichtguthaben finanzieren können, müssen sie diese den Kunden direkt in Rechnung stellen. Werden diese Kosten nicht mehr auf die Buchungsvorgänge umgelegt, sondern auf die gehaltenen Giralgeldbestände, reduzieren sich auch diese – wie beim Bargeld – auf das notwendige Optimum. Ob die Giralgeldbestände darüber hinaus noch mit einer Umlaufsicherungsgebühr belegt werden müssten, würde die Praxis ergeben. Auch die Dienstleistungen im Bargeldbereich sollten sich die Banken nach dem Verursacherprinzip – ähnlich wie heute beim Sortentausch – über Provisionen bezahlen las- sen. Mit solchen Gebühren für die Bargeldein- und -aus- zahlungen können die Banken auch die Kosten abdecken, die sie ihrerseits der Notenbank als Geldhaltegebühr für die Bestände in der Kasse und ihre Reserven in Zentral- bankgeld bezahlen müssen. Bundesbank und Geschäftsbanken haben im Wesentli- chen also nur noch Berührungspunkte im Bereich der Geldversorgung. Umgekehrt ist die Kreditvergabe an die Wirtschaft nur noch Sache der Geschäftsbanken und allein an der Größe der Ersparnisse orientiert. Die Zu- und Abnahme dieser Bestände ist ohne jeden Einfluss auf das Nachfragepotential., Ergibt sich im Bargeld- oder Giralgeldbestand eines Wirt- schaftsteilnehmers ein Überschuss, dann wird er ihn zur Kostenminimierung auf ein Guthabenkonto übertragen. Damit vergrößert sich das Kreditpotential der Banken und gleichzeitig ihr Kassenbestand an Zentralbankgeld, das indirekt über die Kredite wieder in den Kreislauf zurück- fließt. Hebt ein Sparer sein Guthaben ab, muss die Bank in gleicher Höhe die Kreditgewährungen reduzieren. Alle Kreditgewährungen sind damit immer gedeckt. Ihre Rückzahlung, wie die Risikovorsorge ist allein Sache der Banken. Ebenso die Einrichtung aller erforderlichen gemeinschaftlichen Absicherungs- und Clearingstellen. Die Notenbanken haben mit diesen Vorgängen – abgese- hen von der Überwachung ihrer Ordnungsmäßigkeit – direkt nichts zu tun und dürfen auch nicht mit ›frischem Geld‹ einspringen. Wie der Zins, muss auch die Regulierung der Wechsel- kurse den Märkten überlassen werden. Die Notenbanken haben nur dafür zu sorgen, dass der freie Devisen- und Kapitalverkehr mit dem von ihnen herausgegebenen Geld nicht spekulativ missbraucht werden kann.

Wie bilden sich nach der Geldordnungsreform

die Zinsen? In der Darstellung 12 wurde bereits gezeigt, dass der Gut- habenzins sich heute aus drei Teilen zusammensetzt: Dem Grundzins (Liquiditätsprämie), einem Knappheits- und einem Inflationsaufschlag. Die Liquiditätsprämie wird durch die Umlaufsiche- rungsgebühr gewissermaßen neutralisiert und verschwin- det weitgehend aus dem Zins. Mit der zunehmend präziser werdenden Geldmengensteuerung baut sich auch der Infla-, tionsanteil im Zins ab. Was dann noch als schwankende Grö- ße übrig bleibt, ist der Knappheitsaufschlag. Aufgrund des Drucks auf die Freigabe des Geldes, sinkt auch dieser Zins- anteil mit den Sättigungen am Kapitalmarkt gegen Null. In anzustrebenden ausgeglichenen Konjunkturlagen dürfte der Guthabenzins dann um diese Marke pendeln. Natürlich gilt dieses Pendeln um Null nicht für alle Gut- habenzinsen gleichermaßen. Wie die Darstellung 87 als Schema zeigt, wird es vielmehr – genauso wie heute – auch nach der Reform, je nach Marktlage und Einlagedauer, eine ›Zinstreppe‹ geben. Darstellung 87: Die heutige nur im positiven Bereich liegende Abtreppung wird also immer mehr nach unten sinken und sich schließ- lich weitgehend unter Null bewegen. Geringe positive Zin-, sen wird es höchstens noch für langfristige Geldüberlassun- gen geben. Die kurzfristigen Ersparnisse werden dagegen mit Negativzinsen belastet sein. Somit besteht auch hier ein Sog zur Umbuchung auf längerfristige Anlagen. Natürlich bedeutet ein Guthabenzins um Null keine kos- tenfreien Kredite! Der Kreditnehmer wird weiterhin mit den Bankvermittlungskosten belastet, mit denen auch das Kreditrisiko abgedeckt wird. Die Annahme, dass bei einem Nullzins alle Welt Kredite aufnimmt, ist also unbegründet. Außerdem wird auch auch bei Zinsen um Null die Bank auf die entsprechenden Sicherheiten achten. Und käme es tat- sächlich zu einem Run auf Kredite, dann würde sich natür- lich wieder ein positiver Knappheits- und damit Guthaben- und Kreditzins bilden. Im Übrigen hat das Beispiel Japan gezeigt, dass auch bei einem Nullzins nur dann Kredite auf- genommen werden, wenn die damit getätigte Investition Gewinn verspricht.

Wie könnte man dem Geld Beine machen?

Wenn Geld gleichmäßig in Umlauf bleiben soll, muss es unter einem gleich bleibenden Umlaufdruck stehen. Mit diesem Umlaufdruck wird der Vorteil des Geldes gegen- über den Waren und der Arbeit kompensiert bzw. neutrali- siert. Man kann das wieder mit einem Straßenverkehrs-Ver- gleich verdeutlichen: Wenn die Strafgebühren für das Par- ken auf der Fahrbahn in ihrer Höhe ständig schwanken, ist auch das Ergebnis schwankend: Bei höheren Gebühren klappt der ›Fahrzeugumlauf‹ auf den Straßen, bei zu niedri- gen nehmen die Behinderungen des Verkehrs durch abge- stellte Fahrzeuge zu. Auch hier kann nur mit gleich bleiben- den Gebühren ein gleich bleibendes Verhalten erreicht, werden. Dabei müssen die Gebühren mindestens so hoch sein, dass die Vorteile des Parkens auf der Fahrbahn (kurze Wege, bequemes Einsteigen usw.) aufgehoben werden. Die Einführung solcher Gebühren ist beim Giralgeld – falls die bankinternen Gebühren nicht genügen – äußerst einfach. Hier kann die Notenbank durch die Geschäftsban- ken bestandsbezogene Geldhaltekosten abbuchen lassen, z. B. in Höhe von jeweils einem halben oder einem Prozent pro Monat. Das heißt, alle Giralgeldbestände werden prak- tisch mit einem Negativzins von 6 bzw. 12 Prozent im Jahr belastet. Mit dieser Belastung würde erreicht, dass die liquiden Bestände auf den Girokonten den ausgabebezoge- nen Notwendigkeiten angepasst bleiben. Überschüssige Bestände würden auf normale Bankguthaben übertragen und könnten damit anderen Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung gestellt werden. Für Zahlungsvorgänge und Umbuchungen innerhalb des Banken- und Finanzwesens, z. B. für Käufe an den Börsen usw., könnte man ggfs. spezi- elle bankinterne Möglichkeiten schaffen, die den normalen Geldkreislauf nicht berühren. Relativ einfach wäre es auch, wenn sich statt des Bargel- des die vorausbezahlten Geldkarten durchsetzen würden, bei denen man über Chip oder Magnetstreifen eine zeitbe- zogene Wertabbuchung einbauen könnte. Beim heutigen Bargeld ist die Sache mit der Umlaufsicherung dagegen schwieriger. Hier gibt es keine direkte Möglichkeit, die Bestände bei den Wirtschaftsteilnehmern zu erfassen und zu belasten. Das ist auch gut so, denn mit ›gläsernen Taschen‹ wären wir Diktaturen Orwell’scher Prägung noch eher ausgeliefert. Nicht die Freiheit der Geldnutzung gilt es zu beschneiden, sondern lediglich seinen Missbrauch.,

Welche praktischen Möglichkeiten bestehen

beim Bargeld? Der regelmäßige Einzug des gesamten Geldes mit einem Umtauschabschlag wie im Hochmittelalter steht nicht zur Debatte. Er wäre viel zu kompliziert, aufwendig und markt- störend. Auch ein Klebe- oder Stempelgeld wie in Wörgl wäre eine relativ aufwendige Sache, obwohl heute eine Abstempelung an Automaten durchaus denkbar wäre. Vor allem wenn man berücksichtigt, dass sich die derzeitige Geldscheinmenge bei einer kontinuierlichen Nutzung auf ein Bruchteil reduzieren würde. Außerdem muss man im Auge haben, dass auch heute bereits jährlich etwa ein Drittel aller Geldscheine wegen Verschmutzungen und Beschädi- gungen aus dem Verkehr gezogen und gegen neue Scheine umgetauscht wird. Diese notwendige Umtauschhäufigkeit würde sich nach Einführung einer Umlaufsicherung durch die verringerte Geldscheinmenge und den höheren Abnut- zungsgrad sogar noch erhöhen. Im Übrigen ist für die Um- laufsicherung keinesfalls ein Gesamteintausch erforderlich. Man könnte auch alle Geldscheine mit großen Buchstaben oder Zahlen in drei oder vier Serien unterteilen, von denen jeweils nur eine Serie zum Umtausch aufgerufen wird. Oder man könnte eine einzelne Notengröße aufrufen, was ohne Änderung der heutigen Geldscheine jederzeit einzuführen ist. Noch einfacher und wirkungsvoller wäre eine regelmäßi- ge Auslosung nach dem Lottokugelprinzip z. B. an jedem Samstag oder einmal im Monat. Dabei könnte man den Geldscheinkugeln so viele Blindkugeln beifügen, dass es nur relativ selten zum Umtausch einer Geldscheingröße kommt, aber die Verlustmöglichkeit immer in Erinnerung gehalten wird. Außerdem könnte man für die größeren Stückelun- gen, in denen das Geld am häufigsten gehortet wird, mehre- re Kugeln in die Trommel geben., Eine solche Umtauschaktion erscheint vielleicht auf- wändig und schwierig. Sie ist jedoch viel einfacher als die heutigen Lottoausspielungen, die sogar mehrmals in der Woche stattfinden. Denn der zum Umtausch aufgerufene Geldschein kann mit dem festgelegten Abschlag überall in Zahlung gegeben werden und verschwindet über die Ban- ken sehr rasch aus dem Verkehr. Die neu herausgegebenen Scheine würden sich dann durch Farbe und Gestaltung deutlich unterscheiden, zweckmäßigerweise auch in den Maßen, womit die alten Scheine sich beim Bündeln heraus- heben würden. Rechtlich ist ein solcher Umtausch in man- chen Ländern heute schon möglich. So heißt es z. B. im Gesetz der Deutschen Bundesbank, Abs. 2 Par. 14: »Die Deutsche Bundesbank kann Noten zur Einziehung aufru- fen. Aufgerufene Noten werden nach Ablauf der beim Auf- ruf bestimmten Umtauschfrist ungültig.« Hilfreich wäre es in diesem Zusammenhang, wenn man – wie z. B. in Deutschland noch bis vor gut zehn Jahren üblich – die Geldscheine mit einem aufklärenden Aufdruck verse- hen würde, der nicht nur die Geldfälschung mit Konse- quenzen bedroht. Schon Ende der 80er Jahre haben die Teilnehmer eines Geldseminars an der Katholischen Aka- demie in Trier einen solchen erweiterten Vorschlag für das ›Kleingedruckte‹ ausgearbeitet, der auf S. 562 wiedergege- ben ist. Möglicherweise würde schon eine solche Ankündigung auf den Geldscheinen eine ähnliche Wirkung haben wie die in einer Schweizer Gemeinde, unzulässiges Parken mit 200 Franken, im Wiederholungsfall mit 1 000 Franken zu bestrafen: Fahrbahnen und Bürgersteige blieben frei von abgestellten Fahrzeugen ohne aufwändige Kontrollen und Installierung von Pollern, Blumenkübeln und anderen Hin- dernissen. Genügt jedoch der Aufdruck auf den Geldscheinen, nicht, dürfte ein einmal durchgeführter Umtauschaufruf mit einem deutlichen Abschlag, beispielsweise für einen der größeren Scheine, lange Wirkung haben. Mit einer sol- chen Maßnahme könnten auch die ›Auswanderungen‹ des Geldes minimiert werden, die heute, vor allem in inflations- trächtigen Ländern, als Ersparnisse gehortet oder als Zweitwährung genutzt wird.,

Was sagt die Wirtschaftswissenschaft zur Frage

der Umlaufsicherung? Sieht man von den Veröffentlichungen Felix G. Binn’s ab, (1932 bis 1986) und den Büchern des in Berlin lehrenden Bernd Senf, findet man in der Literatur nach 1950 kaum einmal eine Veröffentlichung eines Wirtschaftswissen- schaflers zu dem Themenkomplex Umlaufsicherung. Der Amerikaner Friedman hat mit seiner ›Chicagoer Schule‹ zwar die Bedeutung der Geldmenge für die Stabil- haltung der Währungen wieder in den Vordergrund gestellt, sich mit der Frage der Umlaufsicherung jedoch kaum befasst. Binn hat dessen Theorie darum als »naiven Monetarismus« bezeichnet. Fündig wird man in Sachen Umlaufsicherung jedoch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, z. B. bei Irving Fisher, der dem Versuch von Wörgl große Bedeutung zugemessen und 1933 geschrieben hat, das umlaufgesicherte Geld – von Gesell als »Freigeld« bezeichnet – »könnte der beste Regulator der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sein, die der verwirrendste Faktor in der Stabilisierung des Preisniveaus ist«. Besonders intensiv hat sich auch John Maynard Keynes in seinem Hauptwerk, »Allgemeine Theorie der Beschäfti- gung, des Zinses und des Geldes«, mit den Anregungen Ge- sells befasst und ihm mehrere Seiten gewidmet. Auch wenn Keynes die Theorie Gesells für unvollständig hielt, weil dar- in der Liquiditätsvorteil des Geldes nicht genügend beachtet sei, ist er mit ihm im Ansatz und Ziel weitgehend einig. Ähn- lich wie Gesell sieht er in der Überlegenheit des Geldes über alle Waren ein Problem und schreibt in seinem Buch: »Jene Reformatoren, die in der Erzeugung künstlicher Durchhaltekosten des Geldes ein Heilmittel gesucht, haben, zum Beispiel durch das Erfordernis periodi- scher Abstempelungen der gesetzlichen Zahlungsmit- tel zu vorgeschriebenen Gebühren, sind somit auf der richtigen Spur gewesen; und der praktische Wert ihrer Vorschläge verdient, erwogen zu werden .Der hin- ter dem gestempelten Geld liegende Gedanke ist gesund.« Während Silvio Gesell von ›rostenden Banknoten‹ und Rudolf Steiner von ›alterndem Geld‹ gesprochen hat – sie wollten das Geld den Eigenschaften der Güter anpassen – hat Keynes den Begriff ›Durchhaltekosten‹ (carrying costs) in die Diskussion eingebracht. Dabei hatte er nicht nur das anzustrebende Gleichgewicht zwischen Geld und Gütern im Blick, sondern beachtete auch die Folgen solcher Durch- haltekosten für die Kapitalrendite. Keynes erkannte, dass ein Geld, zum Angebot gezwungen wie die Güter und die menschliche Arbeit, enorme positive Wirkungen haben würde: »Wenn ich Recht habe mit meiner Annahme, dass es verhältnismäßig leicht sein sollte, Kapitalgüter so reichlich zu machen, dass die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals null ist, mag dies der vernünftigste Weg sein, um allmählich die verschiedenen anstößigen For- men des Kapitalismus loszuwerden. Denn ein wenig Überlegung wird zeigen, was für gewaltige gesell- schaftliche Veränderungen sich aus einem allmähli- chen Verschwinden eines Verdienstsatzes auf ange- häuftem Reichtum ergeben würden. Es würde einem Menschen immer noch freistehen, sein verdientes Ein- kommen anzuhäufen, mit der Absicht, es an einem späteren Zeitpunkt auszugeben. Aber seine Anhäu- fung würde nicht wachsen.« (S. 185), An anderer Stelle seines Buches nennt er die sozialen Aus- wirkungen noch deutlicher beim Namen: »Obschon dieser Zustand nun sehr wohl mit einem gewissen Maß von Individualismus vereinbar wäre, würde er doch den sanften Tod des Rentiers bedeuten und folglich den sanften Tod der sich steigernden Unterdrückungsmacht des Kapitalisten, den Knapp- heitswert des Kapitals auszubeuten .Ich betrachte daher die Rentnerseite des Kapitalismus als eine vor- übergehende Phase, die verschwinden wird, wenn sie ihre Leistung vollbracht hat.« (S. 317) Die ›Leistung‹, die das Zins tragende Kapital zu erfüllen hat, ist die der Überwindung der Knappheit an Produk- tionsstätten und Gütern, mit der sich ebenfalls die Knapp- heitszinsen und Renditen gegen Null abbauen würden, wenn dem Geld selbst die Möglichkeit zur Verknappung genommen würde. Mit der Durchbrechung des ›Geldstreiks‹ bzw. der ›Liquiditätsfalle‹, wie Keynes das nannte, gehen jedoch nicht nur die Zinsen und Kapitalrenditen zurück und damit die sich heute aufbauenden sozialen Spannungen, auch der Überschuldungsdruck baut sich ab und damit der Zwang zu einem ständigen Wirtschaftswachstum.

Was sagen die heutigen Ökonomen, Banker und Politiker zu den Reformvorschlägen?

Diese Frage wird mir bei Vorträgen immer wieder gestellt. Sie ist selbstverständlich nicht pauschal zu beantworten. Spricht man mit Wirtschaftsprofessoren über die Geldpro- blematik, dann hat man oft den Eindruck, es ist ihnen pein-, lich, mit solchen realwirtschaftlichen Zusammenhängen konfrontiert zu werden. Sie scheinen sich im Elfenbeinturm ihrer Theorien wohler zu fühlen und begeistern sich für komplizierte mathematische Formeln, bei denen die Wirk- lichkeit häufig auf der Strecke bleibt. Ein namhafter Wirtschaftswissenschaftler hat zum Bei- spiel auf die sozialen Folgen unseres Geldsystems mit der Antwort reagiert, dass dies eine ethische Frage sei, mit der sie in ihrer Wissenschaft nichts zu tun hätten. Andere nicht minder namhafte Ökonomen sehen – wie bereits in den ers- ten Kapiteln dieses Buches zitiert – im Auf und Ab der Konjunkturen, bis hin zu Rezessionen und Depressionen, letztlich natürliche und damit unvermeidbare Abläufe, die man eben hinnehmen müsse. Und auch im Zins sehen sie überwiegend kein Problem oder gehen über das Thema hinweg. Selbst wenn man auf die engen Beziehungen zwi- schen Zins und Beschäftigung hinweist, die aus den Dar- stellungen 76 bis 78 hervorgehen, streiten sie eine Wechsel- wirkung ab oder bezeichnen sie als rein zufällig. Auf die Geldproblematik angesprochene Politiker fragen – falls überhaupt interessiert – ihre Fachberater, die durch- weg mit ihrem Hochschulwissen abwinken. Schon Max Planck hat einmal gesagt, dass grundlegend neue Erkennt- nisse in der Wissenschaft erst über zwei Generationen hin- weg umzusetzen seien. Denn nicht nur die Generation der lehrenden Professoren müsse ausgestorben sein, sondern auch die der Studenten, die bei ihnen gelernt haben. Sieht man von Ausnahmen ab, sind sich auch die Bank- und Börsenfachleute über die Konsequenzen der Zinswirt- schaft überwiegend nicht im Klaren. Und die Notenbanker sind mit ihren vielfältigen und komplizierten Steuerungs- versuchen von Geldmenge, Zins und Inflation offenbar ausgelastet. Am ehesten begreifen Physiker, Mathematiker und Inge-, nieure die Brisanz im monetären Bereich. Einmal sind sie nicht theoretisch vorbelastet und blockiert. Zum anderen ist ihnen die Gefährlichkeit und letztendliche Unmöglich- keit aller dauernd wachsenden Prozesse bewusst, vor allem, wenn sie auch noch einer exponentiellen Beschleunigung unterliegen. So hat der technische Direktor der Stadtbetrie- be Linz/Österreich, Erhard Glötzl, die wichtigsten Tatbe- stände sogar als »Hauptsätze der Volkswirtschaftslehre« zusammengefasst, von denen z. B. der zweite lautet: »Die Gesamtheit der Guthaben und die Gesamtheit der Schulden nehmen in einem geschlossenen Geld- und Wirtschaftssystem der bestehenden Art stets zu. Sie können nur durch unerwünschte Ausnahmezus- tände wie Depressionen, Krieg, Hyperinflation oder Währungsreform abgebaut werden.« Was ein Umdenken in der Frage Geld bringen könnte, geht aus dem Kasten N hervor, in dem die real existierende Marktwirtschaft einmal einer kapitalismusfreien gegen- übergestellt wird. Kasten N: Vergleich zwischen einer Marktwirtschaft ohne und mit Umlaufsicherung real existierende umlaufgesicherte kapi- Marktwirtschaft ohne talismusfreie Markt- Umlaufsicherung wirtschaft Konjunktur: schwankt mit Zins und stabilisiert sich auf Inflation Bedarfsniveau Beschäftigung: Tendenz zum Abbau Vollbeschäftigung bei von Arbeitsplätzen, flexibler Arbeitszeit Druck auf Löhne möglich, real existierende umlaufgesicherte kapi- Marktwirtschaft ohne talismusfreie Markt- Umlaufsicherung wirtschaft Zinshöhe: schwankt mit Inflation schwankt mit Knapp- und Spekulation, geht heit und geht mit nicht gegen Null bzw. Marktsättigung gegen bewirkt Deflation Null stabile Kaufkraft: nur ansatzweise und durch gleich bleiben- vorübergehend den Umlauf gesi- erreichbar chert Geldvermögen: Überwachstum durch nur durch Arbeitsleis- Zinseszinseffekt tung möglich Verschuldung: Überwachstum wie geht tendentiell Geldvermögen zurück soziale Sicherheit: Rückgang mit Kapital- gesichert durch Vor- wachstum und -an- rang der Arbeit vor spruch Kapital Umwelt: durch Wachstums- Wachstum möglich, zwang gefährdet aber nicht notwendig

Kann ein Land allein mit der Geldordnungs-

reform beginnen? Jedes Land, das eine eigene Währung hat, bestimmt deren Stabilität und damit seine Konjunkturentwicklung selbst. Wäre es anders, würden wir in aller Welt die gleichen Infla- tions- und Zinssätze und die gleichen Leistungsergebnisse haben. Selbst innerhalb der EG klafften beispielsweise die Inflations- und Zinssätze zeitweise bis zum Zwei- und Drei- fachen auseinander. Deshalb könnte in einem Land auch dann die Inflation einmal bei Null und der Zins entspre-, chend niedrig gehalten werden, wenn das in den anderen Ländern nicht der Fall ist. Die Schweiz ist bekanntlich seit Jahrzehnten das Land mit den niedrigsten Zinsen in Europa und trotzdem hat es dort nie an Kapital gefehlt. Das Gleiche gilt für Japan. Und selbst Zinshöhen im Bereich der heutigen Deflationsgefah- ren sind positiv, wenn man den Geldstreik durch eine Umlaufsicherung verhindert. Denn unter dieser Bedingung macht jeder Prozentpunkt geringerer Inflations- und Zins- sätze ein Land wirtschaftlich stabiler und gesünder. Und das gilt auch für einen Zins um Null. Außerdem bieten Län- der mit niedrigen Zinsen günstige Standortbedingungen, ähnlich wie Länder mit niedrigen Löhnen oder Steuern. Das heißt, spekulatives Kapital (das alle Volkswirtschaften belastet) würde möglicherweise ins Ausland gehen. Investi- ves Kapital aber (das alleine den Volkswirtschaften nützt) würde ins Land kommen. Außerdem setzen Investoren auf langfristige Sicherheit, auch in Bezug auf politische Stabili- tät. Diese aber nimmt mit sinkenden Inflations- und Zinsra- ten zu. So wie in der ersten Hälfte des Jahrhunderts die Noten- banken jenen folgten, die sich von der Goldbindung befrei- ten, werden sie auch sehr rasch denjenigen folgen, die Infla- tion und Umlaufstörungen des Geldes durch geeignete Maßnahmen überwinden., 34. Kapitel

Diverse Gedanken und Einwände zur Geldreform

»Will die demokratische Politik über- haupt noch steuernd eingreifen, dann muss sie bei der Einsicht ansetzen, dass uns gar keine andere Wahl mehr bleibt, als unser politisches Denken und Handeln radikal zu verän- dern ..Und nicht zuletzt mehren sich die Anzeichen, dass wir über unser Geld- und Zinssystem nachdenken müssen, weil dessen ›Reziprozitätsde- fizite‹ und exponentiell symmetrie- zerstörende Wirkung immer offenba- rer wird.« Prof. Dr. Jürgen Borchert*

Muss sich der Mensch ändern?

Wenn von Ausbeutung und Gewalt, von Umweltzerstörung und Kriegen die Rede ist, dann wird zur Überwindung die- ser Probleme sehr oft eine Änderung des Menschen gefor- dert. Diese Forderung ist in Einzelfällen sicher häufig berechtigt und wünschenswert, aber im Hinblick auf die Gesamtheit aller Menschen wirklichkeitsfern. Im Übrigen ist es immer eine Anmaßung, wenn jemand zu wissen * Sozialrichter, in: Sozialstaat unter Druck, »Zeitschrift für Sozialreform« 1/94, glaubt, wohin sich andere Menschen oder die Menschheit entwickeln sollen. Auch der Kommunismus hat von einem anderen Men- schen geträumt, ohne dass die 70jährige Umerziehung in der UdSSR zu entsprechenden Erfolgen geführt hätte. Und selbst die christlichen Kirchen haben dieses Ziel in 2000 Jahren nicht erreicht. Im Gegenteil: Misst man die heutigen Kirchen und Christen an jenen der ersten Jahrhunderte, dann kann man im praktischen Verhalten der Gläubigen wie auch der Institutionen eher eine moralisch-ethische Rückentwicklung konstatieren. Zu Änderungen kann es jedoch kommen, wenn der Mensch durch Informationen und Wissen sein Bewusstsein erweitert. Die Erfahrung lehrt uns außerdem, dass Rücksichtslosigkeit und Gewalt im menschlichen Zusammenleben umso eher schwinden, je gerechter die Strukturen einer Gesellschaft sind. Umgekehrt nehmen Rücksichtslosigkeit und Gewalt mit der Verschlechterung wirtschaftlicher und sozialer Bedin- gungen zu. Wenn also in vielen Ländern die Menschen aggressiver und gewalttätiger werden und schließlich sogar aufeinander schießen, ist das nicht die Folge einer morali- schen Verrohung der Menschen. Es ist vielmehr fast immer die Folge verschlechterter Rahmenbedingungen, von Arbeitslosigkeit, Verelendung und sozialem Abstieg, vor allem wenn diesen Entwicklungen auf der anderen Seite ein zunehmender Reichtum gegenübersteht. Deshalb muss man bei allen Problementwicklungen untersuchen, ob sie auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind oder auf sachliche Fehlstrukturen. Häufen sich z. B. auf einer Kreuzung die Unfälle, dann kann das auf eine Zunahme des leichtfertigen Fahrverhal- tens zurückgehen oder auf einen Fehler in der Ampelschal- tung. Im ersten Fall müsste man zweifellos auf die Men- schen einwirken und mehr Vor- und Rücksicht anmahnen., Beim Vorliegen eines steuerungstechnischen Fehlers ist es dagegen einfacher und wirkungsvoller, die Ampelanlage zu reparieren. Das heißt, sachbezogene Fehler bedürfen auch sachbezogener Korrekturen. Das schreibt sinngemäß auch Walter Eucken in seinen »Grundsätzen der Wirtschaftspo- litik«: »Eine ethische Besserung des Menschen kann die Schäden der Ordnung nicht beseitigen .Die Ge- samtordnung sollte so sein, dass sie den Menschen das Leben nach ethischen Prinzipien ermöglicht.« Falsch ist es auch, bei Problemen in der Wirtschaft den Eigennutz der Menschen anzuklagen. Denn in einer wirk- lich freien Marktwirtschaft kann jeder seinen Eigennutz nur verwirklichen, wenn sein Tun gleichzeitig einem ande- ren nützt. Schon Proudhon hat diese Gegenseitigkeit, die jeder Markt zur Grundlage hat, als Voraussetzung der Gerechtigkeit bezeichnet. So wie das Christentum, bezo- gen auf das Zusammenleben, die Eigenliebe als Maßstab für die Nächstenliebe nennt (»Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst«), so sollten wir, bezogen auf das Wirtschaftsle- ben, den Eigennutzen als Maßstab für den Nächstennutzen akzeptieren.

Werden mit einer Geldreform die Spekulationen

eingedämmt? Auch die weltweit zunehmenden Spekulationsexzesse sind nicht dem Fehlverhalten der Menschen anzulasten. Viel- mehr sind sie letztlich wiederum die Folge jener monetären Fehlstrukturen, die heute bei Minderheiten in der Welt zu immer größeren Einkommensüberschüssen und Vermö-, genskonzentrationen führen. Außerdem sind sie die Folge falsch verstandener Vorstellungen eines freiheitlichen Geld- und Kapitalverkehrs. Diese Vermögensbestände und -konzentrationen würden zwar mit sinkenden Zinsen lang- samer wachsen als bisher. Andererseits ist jedoch zu befürchten, dass bei sinkenden Zinsen noch mehr Über- schussmilliarden versuchen werden, im Bereich spekulati- ver Anlagen Gewinne zu erwirtschaften. Einzudämmen ist dieser Missbrauch des freien Kapital- verkehrs auf einfache Weise: Man braucht nur jede Trans- aktion mit einer umsatzbezogenen Gebühr zu belegen, deren Höhe die kurzfristigen Gewinnmöglichkeiten über- steigt. Konkret: Bringt der Transfer eines Geldbetrags von beispielsweise 1 000 Dollar einen Gewinn von 12 % im Jahr (= 120 Dollar), dann würde eine Gebühr von zehn Dollar (also ein Prozent) den Transfer erst nach 30 Tagen in die Gewinnzone bringen. Selbst eine Gebühr von einem Dollar (also ein Promille bezogen auf die Transfersumme!) würde alle Transaktionen unter drei Tagen zu Verlustgeschäften machen. Für langfristige Anleger dagegen wäre eine solche Gebühr kein Hinderungsgrund zum Einsatz ihrer Mittel, denn sie würde mit der Länge der Transferzeiten immer bedeutungsloser. Mit einer solchen Spekulationsabgabe auf alle geldbezo- genen Transaktionen würden die Anleger in längerfristige Engagements gedrängt, was nach den Gesetzen des Mark- tes auf die Zinshöhe drückt. Und da eine Geldzurückhal- tung ebenfalls mit Gebühren belastet ist, fällt die Möglich- keit weg, durch Geldrückzug vom Markt die Kreditnehmer weiter zu höheren Zinszahlungen zu zwingen. Diese die Spekulationsexzesse bremsenden Transakti- onsgebühren hat der US-Nobelpreisträger James Tobin schon vor Jahren vorgeschlagen. Nach seinen Ermittlungen würden die daraus resultierenden Erträge auch schon bei, ganz geringen Sätzen rechnerisch zur Behebung der größ- ten Notlagen in der Welt ausreichen, ein Nebeneffekt, der ein weiterer Grund sein sollte, eine solche Abgabe einzu- führen. Die immer wieder zu hörende Behauptung, dass eine sol- che Transaktionssteuer nur mit Beteiligung aller Markt- und Börsenplätze in der Welt realisierbar wäre, einschließ- lich der Steuer- und Anlageparadiese von Liechtenstein bis zu den Bahamas, ist nicht stichhaltig. Denn wenn sich die großen Industrienationen in der Sache einig sind und den in ihren Grenzen tätigen Banken den Verkehr mit diesen Off- Shore-Zentren und Steuerparadiesen bei Strafe untersa- gen, werden diese sehr schnell ausgetrocknet sein.

Ist eine Flucht in Gold und andere Sachwerte zu

befürchten? Als Einwand gegen eine Geldreform wird in den volkswirt- schafltichen Lehrbüchern immer wieder ein spekulatives Umsteigen aus Geldanlagen in Gold, Schmuck, Kunstwer- ke, Antiquitäten o. ä. angeführt. Selbst Keynes ist in seinem bereits genannten Hauptwerk diesem Denkfehler unterle- gen. Denn in Wirklichkeit ist der Erwerb bzw. die Ersparnis in solchen dauerhaften Gütern für die Wirtschaft ohne jede negative Folge. Hier findet im Sekundärkreislauf bereits einmal erworbener Güter immer nur ein Austausch statt, bei dem ein vorhandenes Gut gegen Geld in andere Hände wechselt. Die im Primärkreislauf vorhandenen Geld- und Gütermengen bleiben davon unbeeinträchtigt. Und als Zahlungsmittelersatz sind die genannten Wertobjekte ebenso wenig geeignet, wie sich damit von anderen Zinsen erpressen lässt. Im Übrigen wäre eine solche Flucht aus den Geldüber-, schüssen in Kunstwerke sehr zu begrüßen, da sie sicher auch lebenden Künstlern zugute käme. Außerdem würde damit dafür gesorgt, dass »Geld aus den Kassen ohne Bedarf in die Kassen mit Bedarf« fließen (Dieter Suhr) und damit direkt in den Wirtschaftskreislauf, statt – wie sonst der Fall – über zusätzliche zinsbelastete Kredite.

Wird es eine Flucht in den Boden geben?

Anders als bei einer Flucht des Geldes in Gold, Kunst und Antiquitäten, wäre die in das Bodeneigentum problema- tisch. Denn der Boden ist als unvermehrbares Gut ebenfalls mit Zinseinnahmen verbunden, auch als Bodenrente bezeichnet. Und da alles Leben und Wirtschaften auf das Naturgut Boden angewiesen ist, würde eine Zunahme der spekulativen Bodenkäufe die Preise und damit auch die Belastungen durch die Bodenrente in die Höhe treiben. Bei Einführung einer Geldumlaufsicherung müsste darum relativ bald auch eine Bodenreform angegangen und die Bodenspekulation unterbunden werden. Die Notwendigkeit dieser Reform des Bodenrechtes ergibt sich jedoch auch aus dem Tatbestand, dass der Boden – wie Licht, Luft und Wasser – ein Geschenk der Natur und kein von Menschen produziertes Gut ist. Auf diese unver- mehrbaren Güter aber, die mit der Zahl der Menschen in der Welt immer knapper und damit wertvoller werden, haben alle gleichermaßen einen Anspruch. Das heutige römische Eigentumsrecht an Boden und Bodenschätzen, muss angesichts der zunehmenden Knappheit sowieso wie- der in ein Nutzungsrecht zurückverwandelt werden, durch das jeder gleichermaßen, ob direkt oder indirekt, an den Erträgen des Bodens beteiligt wird. Nur mit einer solchen Bodenreform, die jedem Menschen auf der Welt gleiches, Recht zugesteht, wird der Frieden in der Welt gesichert werden können. Ein solches Gemeinschaftsrecht am Boden ist in ver- schiedenen Regionen der Welt noch heute gültig und war auch in Europa bis ins späte Mittelalter die Regel. Das heißt, Boden darf – wie damals der Fall – nur als Lehen in langfristigen Nutzungs- und Erbbauverträgen vergeben werden. Die daraus resultierenden Pachtzahlungen wieder- um stehen allen Menschen gleichermaßen zu, wobei sich dieser Anspruch letztlich sogar auf alle Menschen dieser Erde beziehen muss, nicht auf die zufällig dort Wohnenden und damit leistungslos Bevorzugten. Privates Bodeneigen- tum ist im Prinzip genauso absurd wie Privateigentum an Luft oder Wasser, auch wenn wir uns über Jahrhunderte daran gewöhnt haben.

Was ist in Sachen Boden zu tun?

Für die Umsetzung einer solchen Bodenreform gibt es eine ganze Reihe praktikabler Modelle und Ansätze. Das in Bad Boll ansässige und im Buchanhang angeführte »Seminar für freiheitliche Ordnung« hat hierzu eine Reihe von Auf- sätzen und auch Musterverträgen ausgearbeitet. Ein erster praktischer Schritt in die richtige Richtung wäre ein grundsätzliches Verbot des Verkaufs aller Boden- flächen, die sich noch im gemeinschaftlichen bzw. öffentli- chen Besitz befinden. Dieser Boden dürfte zukünftig nur noch in Erbpacht bzw. als Baurecht vergeben werden. Außerdem sind die meist vorhandenen Vorkaufsrechte der Gemeinden zur Regel zu machen. Die Neutralisierung der heutigen bodenbezogenen Ungerechtigkeiten ist aber auch ohne Rückkauf möglich, nämlich durch eine Besteuerung des Bodens, deren Höhe, den heutigen Bodenrenten entspricht. Diese Besteuerung ist in den meisten Ländern bereits vorhanden, fasst aber sachlich ungerechtfertigt – wie in Deutschland die Grund- steuer – häufig die Gebäude mit ein. Mit einer Konzentrati- on dieser Steuer auf den Boden, würden auch die spekula- tiven Bodenhortungen und Baulücken reduziert und ein Druck auf die Preise entstehen, womit sich notwendige Rückkäufe durch die Gemeinden erleichtern würden. In welcher Größenordnung die Gemeinden und mit ihnen die Bürger von einer solchen Reform profitieren würden, machen einige Beispiele deutlich: Hätten z. B. die Stadtväter in Zürich im 19. Jahrhundert das Gebiet der frü- heren Wallanlagen nicht verkauft, sondern nur verpachtet, dann könnten mit den heute daraus fließenden Pachtein- nahmen die gesamten öffentlichen Kosten der Stadt bestrit- ten werden! Ähnliche Verluste für die Bürger fallen heute auch im Zusammenhang mit öffentlichen Infrastruktur- maßnahmen immer wieder an. So sind z. B. im Zusammen- hang mit dem Bau des neuen Münchener Flughafens – laut Berechnungen von Wolfram Engels, Ökonom und Heraus- geber der deutschen Zeitschrift »Wirtschaftswoche« – die Bauern zwischen München und Erding leistungslos um ins- gesamt rund 30 Mrd. DM reicher geworden. Und die Bo- denpreissteigerungen in Berlin, ausgelöst durch die Erklä- rung zur Hauptstadt und der Ankündigung des Regie- rungsumzugs, wurden auf eine Größenordnung geschätzt, die in etwa den Gesamtkosten dieses Umzugs einschließ- lich aller notwendigen Neubauvorhaben entspricht! Wäh- rend heute bei Wertminderungen durch öffentliche Maß- nahmen die Betroffenen häufig Entschädigungszahlungen erhalten, fließen die damit ausgelösten Wertsteigerungen statt an die Allgemeinheit, immer noch weitgehend in die privaten Taschen einer besitzenden Minderheit.,

Was ist mit der Kapitalflucht bei sinkenden Zinsen?

Wenn jemand eine Produktionsanlage in ein anderes Land schafft und damit dort weiterproduziert, liegt zweifelsfrei eine ›Kapitalflucht‹ vor. Denn dabei hat das andere Land nicht nur einen Zugewinn durch das dorthin verlagerte Sachkapital, sondern auch durch die damit verbundene Produktion. Diesen realen Gewinnen steht im Ursprungs- land ein ebenso hoher Verlust gegenüber. Wenn jedoch jemand einen Koffer voll Geld ins Ausland schafft und dort einschließt, hat das den gleichen negativen Effekt wie eine Hortung im Inland. Will er dagegen mit dem Geld im Aus- land etwas anfangen, dann muss er es zuerst gegen die dort gültige Währung umtauschen. Das heißt, wenn z. B. jemand aus dem Euro-Raum seine Ersparnisse in den USA anlegen oder dort investieren möchte, dann braucht er einen Tauschpartner, der ihm für seine Euros Dollar gibt. Ganz gleich, ob dieser Tauschvorgang direkt zwischen zwei Per- sonen abläuft oder über eine Bank, ob in bar oder über eine Guthabenübertragung – es findet also immer nur ein Aus- tausch statt. Und so wie der Europäer nun seine erworbe- nen Dollar in den USA anlegen oder ausgeben kann, so der Amerikaner die erhaltenen Euro letztlich nur im Euroland. Es werden also jeweils nur die Verfügungsrechte über Geld ausgetauscht, das jedoch selbst – im Gegensatz zu der ein- gangs genannten Produktionsanlage – jeweils in dem ihm zugehörigen Wirtschaftsraum verbleibt. Und benutzt der Amerikaner die eingetauschten Euro statt für zinsbringen- de Geldeinlagen für Käufe oder Investitionen, dann kommt das Geld sogar direkt und ohne Umweg über zinsbelastete Kredite in den Kreislauf zurück. Es gibt also im Geldbereich keine ›Kapitalflucht‹, die im Inland zu Verlusten führen kann. Schon gar nicht ist davon, zu reden, wenn jemand zur Umgehung der Zinsversteue- rung sein Geld im Koffer nach Luxemburg oder in ein ande- res Steuerparadies bringt. Denn dort wieder eingezahlt, steht sein Guthaben der Euro-Wirtschaft als Kreditpoten- tial genauso zur Verfügung wie vor der Abhebung sein Konto im Herkunftsland. Und das für den Transport be- nutzte Bargeld ist ebenfalls nach spätestens zwei Tagen wieder bei einer Zweigstelle der Zentralbank, oft noch mit deren Original-Banderolen verpackt, mit denen es abge- hoben wurde. Was uns dabei verloren geht, ist allein die hintergangene Steuerzahlung. Geldflucht in Steuerparadiese führt also ebenso wenig zu Veränderungen der Geldmenge wie die Umtauschvorgän- ge zwischen Währungen. Solche Umtauschvorgänge kön- nen allenfalls durch die verstärkte Nachfrage nach Devisen zu entsprechenden Wechselkursanstiegen führen. Dieser Kursanstieg für die begehrte Währung bremst dann die Übernachfrage wieder ab. Zu Schieflagen kann es nur dann kommen, wenn die Wechselkurse nicht mehr den normalen Marktgesetzen unterliegen und von Spekulationsmassen missbräuchlich überrollt werden.

Führt eine Umlaufsicherung zu einer Wachstumseuphorie?

Oft wird befürchtet, dass eine solche Umlaufsicherung über die Zinssenkung zu mehr Verbrauch und damit Wirt- schaftswachstum führt. Verbrauchen (= Ausgeben) kann man jedoch immer nur im Umfang seiner Einkommen. Diese Einkommen vergrößern sich bei sinkenden Zinsen nicht, sondern sie werden nur verlagert. Sinkt beispielswei- se die Miete einer Wohnung aufgrund halbierter Hypothe- kenzinssätze um 200 Euro oder Dollar, dann hat zwar der, Mieter in dieser Höhe mehr Geld zur Verfügung, der Ver- mieter jedoch entsprechend weniger. Weil die Arbeitleis- tenden (Unternehmer, Arbeitnehmer) bei sinkenden Zins- sätzen über mehr Kaufkraft verfügen, benötigen sie auch weniger Kredite. Und weil sich bei den Geldhaltern die Zinsgutschriften verringern, geht auch der Verschuldungs- zwang zurück. Da die Arbeitleistenden bei niedrigeren Zinsen weniger für Dritte arbeiten müssen, können sie zwar mehr konsu- mieren. Sie können aber auch, bei Wahrung ihres bisheri- gen Wohlstands, ihre Arbeitszeit in dem Umfang reduzie- ren, in dem sie bislang die Zinsen in der Miete und in allen anderen Preisen verdienen mussten. Das heißt: Nicht mehr das Kapital bestimmt wachstumserzwingend den Umfang der zu erbringenden Leistungen, sondern die Arbeitleisten- den selbst. »Erst auf der Basis eines störungsfreien Geldkreis- laufs lässt sich auch eine störungsfreie Kreislaufwirt- schaft etablieren, in der nicht mehr das destruktive Prinzip des exponentielles Wachstums, sondern das konstruktive Prinzip des dynamischen Gleichgewichts gilt«, schreibt der in Hamburg lehrende Wirtschaftsgeograf Eck- hard Grimmel in seinem 1993 erschienenen Buch »Kreis- läufe und Kreislaufstörungen der Erde«. Auch die Vermutung, dass es bei niedrigen Zinsen zu massenweisen Kreditaufnahmen kommt, ist irrig. Wie wir heute in Japan erleben, werden dort selbst bei Niedrigst- Zinssatz so lange keine Investitionen getätigt, wie der Markt keine zusätzlichen Absatzmöglichkeiten erwarten lässt.,

Ist der Euro eine Lösung?

Wenn eine Sache im Kleinen nicht funktioniert, kann eine Vergrößerung kaum bessere Ergebnisse bringen. Das gilt auch für die Ausweitung einer Währung auf einen größeren Wirkungsraum bzw. die Zusammenfassung mehrerer Wäh- rungen. Werden dabei ›kranke‹ und ›gesunde‹ Währungen zusammengepackt, besteht sogar, wie bei faulen und gesun- den Äpfeln, die Gefahr der Ansteckung. Im Maastricht-Vertrag, Grundlage der Zusammenfas- sung europäischer Einzelwährungen in eine Währungsge- meinschaft, sind darum Kriterien festgeschrieben, die eine solche negative Ansteckung möglichst vermeiden sollen. Das betrifft sowohl die Entwicklung der Inflations- und Zinssätze als auch des Wirtschaftswachstums und der Staatsverschuldung, deren Größen bzw. Entwicklungen halbwegs angeglichen sein sollen. Allerdings hat man diese Kriterien bereits beim Zusammenschluss der ersten elf Länder großzügig ausgelegt. Das gilt vor allem für die Staatsverschuldung, die eigentlich nicht über 60 Prozent des BIP liegen sollte, aber z. B. in Belgien und Italien fast bei der doppelten Höhe lag. Wie und bis wann diese Länder je auf den vorgeschriebenen Satz kommen sollen, steht in den Sternen. Noch fragwürdiger dürfte die Beachtung die- ser Kriterien im Hinblick auf die Aufnahmen weiterer Län- der sein, vor allem aus Osteuropa. Es kommt also beim Euro keinesfalls nur zu einer Vereinigung gleich stabiler Währungen, sondern eher um mehr oder weniger starke oder schwache. Selbst die weitgehende Übernahme des Modells der Deutschen Bundesbank für die Europäische Zentralbank ist keine Garantie für Stabilität, wie die Infla- tionsquoten in Deutschland während der letzten 50 Jahre gezeigt haben. Selbst wenn dieser ›Geleitzug‹ der elf Länder seit der, nominellen Einführung des Euro Anfang 1999 relativ dicht aufgeschlossen fährt, sagt das noch nicht viel über die wei- tere Entwicklung aus. Vor allem sagt es nichts über die Ver- gleichbarkeit der Wirtschaftsleistungen aus, die hinter der Gemeinschaftswährung stehen. Auch Länder mit schwä- cheren Wirtschaftsleistungen konnten bisher ein relativ sta- biles Geld haben. Und sie konnten auch ohne Schwierigkei- ten mit allen anderen Ländern Handel treiben und ggfs. auch Vollbeschäftigung erreichen, solange die Wechselkur- se halbwegs den Gegebenheiten in den Ländern entspra- chen bzw. die Unterschiede ausglichen. Wird aber Ländern unterschiedlicher Leistungsfähigkeit und unterschiedlicher Sozialstrukturen eine gemeinsame Währung übergestülpt, sind finanzielle Ausgleichzahlungen auf Dauer kaum ver- meidbar. Wenn auch direkt nicht vergleichbar, hat die DM- Einführung in den ostdeutschen Ländern doch einige die- ser Schwierigkeiten deutlich werden lassen. Die Einführung des Euro hat sicherlich auch ihre positi- ven Seiten, die sich keinesfalls nur auf die eingesparten Geldumtauschkosten bei grenzüberschreitenden Reisen beschränken. Bezogen auf die in diesem Buch dargelegten monetären Probleme, bedeutet die Euro-Einführung aller- dings keinerlei Fortschritt. Eher wird es schwieriger sein, die erstarrten Strukturen unserer Währungsordnungen aufzulo- ckern und einer Reform zuzuführen. Es sei denn, den Regio- nen in Europa werden größere Freiheiten eingeräumt, z. B. auch im Hinblick auf regionale Zahlungssysteme.

Sind Geldhaltekosten und Inflation vergleichbar?

Gegen die Vorschläge einer grundlegenden Reform unse- rer Währungen wird häufig der Einwand gebracht, dass eine Geldhalte- oder Geldnutzungsgebühr von fünf Pro-, zent in der Wirkung nichts anderes sei als eine dosierte Inflation in gleicher Höhe, beide würden das Geld in Bewe- gung bringen. Letzteres trifft natürlich zu. Trotzdem gibt es wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden Umlauf- sicherungen, sowohl in ihrer Wirkung als auch ihren Fol- gen. – Geldhaltekosten beziehen sich nur auf die Nachfrage- mittel, Bargeld und Giralgeld. Inflationen wirken sich auch auf die vielmals größeren Geldvermögen aus. – Geldhaltekosten treiben überschüssiges Geld in die Ban- ken und vergrößern das Kreditangebot. Inflationen trei- ben überschüssiges Geld in den Konsum oder zu Fehlin- vestitionen und heizen das Wirtschaftswachstum an. – Geldhaltekosten bewirken eine Stabilisierung der Geld- kaufkraft und damit des Preisniveaus. Inflationen bewir- ken dagegen ständige Preisveränderungen und Irritatio- nen im Gefüge aller Geldbeziehungen, vor allem aller Be- und Verrechnungen. – Geldhaltekosten ermöglichen nicht nur Kaufkraftstabili- tät, sondern drücken nach und nach die Zinsen gegen Null. Inflationen treiben die Zinsen hoch, einschließlich ihrer negativen Folgen. – Geldhaltekosten fließen aus den Kassen der Geldhalter in die des Staates und damit der Allgemeinheit zu. Die vielmals höheren Inflations- und Zinskosten müssen von der Allgemeinheit getragen werden und kommen priva- ten Minderheiten zu Gute. – Geldhaltekosten können mit einer festen Größe einge- plant und erhoben werden. Inflationen lassen sich in einer festen Größe weder berechnen noch erreichen. Sicher kann man die negativen Folgen von Inflationen durch eine indexierte Anhebung aller Preise, Löhne, Steu-, ern, Geldguthaben und Verbindlichkeiten weitgehend aus- gleichen. Diese Maßnahmen erfordern aber einen unge- heuren Arbeitsaufwand, der in der Praxis kaum zu koor- dinieren und zu kontrollieren ist. Wie die Erfahrung zeigt, haben solche Indexierungen außerdem einen Trend zu inflationären Selbstbeschleunigungen. Dagegen betrifft die Einziehung von Durchhaltekosten auf das Geld nur zwei relativ geringe Bestandsgrößen, nämlich Bar- und evtl. Giralgeld. Außerdem sind diese Größen leicht zu kon- trollieren und die praktische Handhabung des Einzugs ist – gemessen an dem Aufwand der Inflationsanpassungen – wesentlich einfacher., 35. Kapitel

Tauschringe und andere Alternativen

»Die ›Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus‹ ist nicht ein utopi- sches Ziel; die zentrale Fehlstelle in unserer Selbstorganisation ist längst erkannt: die schrankenlose Macht des Geldes, dem auf Erden alles offen ste- hen soll, während es den Menschen, die es nicht besitzen, mehr und mehr an Freiheit nimmt.« Peter Kafka* Erkennt man ein Problem, so möchte man es auch aktiv angehen. Dafür gibt es meist zwei Möglichkeiten: Durch Aufklärung der Öffentlichkeit oder durch Veränderung der eigenen Verhaltensweisen. Diese Zweigleisigkeit ist z. B. im Bereich der Ernährung, des Verkehrs, des Energiever- brauchs wie auch fast aller Umweltfragen möglich. Anders ist es bei Problemen, die mit öffentlichen Einrichtungen verbunden sind, wie z. B. das Steuersystem, das Militär oder die Währung. Hier ist eine Veränderung nur auf der öffent- lichen Ebene und damit durch Aufklärung möglich, es sei denn, man kann sich diesen Einrichtungen entziehen. Das aber ist, bezogen auf den Währungsraum in dem man lebt, nur sehr schwer zu realisieren. Da jedoch immer mehr Menschen, überwiegend intuitiv, * Astrophysiker am Max-Planck-Institut, Garching, »Süddeutsche Zei- tung« vom 16. 8. 1995, die Problematik des bestehenden Geldsystems erkennen, versuchen sie zumindest einen partiellen Ausstieg. Das lässt sich durch einen direkten Tausch von Leistungen gegen Leistungen, vor allem mit Hilfe so genannter Tausch- oder Verrechnungsringe, auch ermöglichen. Diese Tau- schringe schießen seit gut zehn Jahren in aller Welt wie Pil- ze aus dem Boden.

Wie funktionieren Tauschringe?

In einer Tauschring-Gemeinschaft kann jeder jedem eine Leistung erbringen, die der Empfänger nicht direkt durch eine Gegenleistung ausgleichen muss. Vielmehr erhält der Leistungserbringer eine Gutschrift, die er bei jedem anderen Tauschringmitglied einlösen kann. Der Leistungsempfänger erhält umgekehrt eine Lastschrift, die er durch Leistungsein- bringungen innerhalb des Tauschrings ausgleichen kann. Guthaben- und Defizitbestände in einem Tauschring sind also immer gleich hoch und in der Saldierung stets Null. Genau betrachtet handelt es sich also um gar keinen Tausch, sondern um wechselseitige Leistungsverrechnungen inner- halb eines bestimmten Teilnehmerkreises. Da es innerhalb dieser Kreise keinen einklagbaren Rechtstitel gibt, sind die Überziehungen zum Schutz von Missbrauch fast immer auf relativ begrenzte Beträge beschränkt. Damit sind natürlich auch die Objekte eingegrenzt, die sich in den Tauschringen finanzieren lassen. Solche Tausch- bzw. Verrechnungsringe gibt es in der Wirtschaft schon seit langem, bekannt unter dem Namen Barter-Clubs. Mitglieder dieser professionell gemanagten Clubs sind Unternehmen und Gewerbetreibende, die sich in der Praxis auf Verrechnungsbasis gegenseitig zeitbe- grenzte Warenkredite einräumen. In vielen Barter-Clubs, werden auch direkte, meist von der Clubleitung organisier- te Tausch- oder Dreiecksgeschäfte abgewickelt. In diesen Fällen finanzieren sich die Organisationen vor allem über Vermittlungsprovisionen. Ansonsten werden nicht uner- hebliche Eintritts- bzw. Mitgliedsbeiträge verlangt, die sich manchmal auch am Umsatz der Unternehmen orientieren. Wegen dieser hohen Vermittlungs- bzw. Transaktionskos- ten haben sich diese Bartergeschäfte bislang auch nur für größere Unternehmen und Tauschobjekte als lohnend erwiesen. Für Privathaushalte, bei denen die eingebrachten bzw. nachgefragten Einzelleistungen eine relativ geringe Höhe haben, sind die mit der Organisation verbundenen Kosten unverhältnismäßig hoch. Weitere Nachteile resultieren aus der meist geringen Teilnehmerzahl, ihrer räumlichen Streu- ung und des insgesamt meist unzureichenden Angebots- spektrums. Hinzu kommt noch ein relativ hoher Informati- onsaufwand. Aus all diesen Gründen sind solche Tausch- bzw. Verrechnungsringe bisher auch nur auf kommunaler oder regional überschaubarer Ebene erfolgreich, vor allem in abgelegenen Gegenden. Andere wiederum funktionie- ren nur, solange die Verwaltungs- und Organisationsarbei- ten von Mitgliedern ehrenamtlich übernommen werden. Bei bezahlten Kräften ergibt sich das Problem, dass sie min- destens einen Teil ihres Gehalts in der öffentlichen Wäh- rung erhalten müssen, was entsprechende Mitgliederbei- träge in dieser Währung erfordert. Positiv zu werten sind auf jeden Fall die sozialen Kontak- te und die Kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge, die durch solche Ringe vermittelt werden, vor allem auch, wenn sie die monetären Fragen mitbehandeln. Leider ist das oft erhoffte Ziel, gesellschaftliche Randgruppen und vor allem Arbeitslose zu integrieren und für die Mitarbeit zu motivieren, bisher nur begrenzt erfolgreich gewesen.,

Kann man über Tauschringe auch Geld in Um-

lauf setzen? Klammern wir die Frage der Zulassung von Privatgeld ein- mal aus, dann wäre eine Inumlaufsetzung von Geld in Tau- schringen durchaus möglich und sinnvoll. Denn damit könnten innerhalb des Tauschrings die hohen Informati- ons- und Transaktionskosten wie auch der Verwaltungsauf- wand erheblich verringert werden. – Wie wäre das prak- tisch möglich? Bekanntlich erhält A, der in einem Tauschring für B eine Leistung erbringt, ein entsprechendes Guthaben, das er bei jedem Tauschringmitglied einlösen kann. Für B entsteht um- gekehrt eine gleich hohe Verpflichtung zur Nachleistung. Die Tauschringleitung könnte nun – bei Einverständnis aller Mitglieder – das Guthaben von A gegen die Hergabe von Leistungsbestätigungs-Scheinen in weitergebbaren Stücke- lungen auflösen. Diese weitergebbaren Geld- oder Gutschei- ne wären also durch die Vorleistung von A ebenso gedeckt wie durch die noch offene Nachleistungspflicht von B. In dem Umfang, wie diese Leistungsbestätigungsscheine von der Tauschringzentrale ausgegeben und von den Teil- nehmern akzeptiert werden, würden sich allerdings die bis- her nachvollzieh- und kontrollierbaren Vorgänge innerhalb des Ringes wieder in anonyme Beziehungen verwandeln. Mit Einführung dieser Geld- oder Gutscheine wäre es dann auch möglich, angesammelte Geldscheine bei der Zentrale als Ersparnis zu hinterlegen, die von der Zentrale zwischenzeitlich an andere als Kredite vergeben würden. Mit diesen Geldscheinen und den evtl. Kreditvergaben würden allerdings nicht nur komplizierte Rechts- und Garantiefragen akut, sondern auch das Problem der Kreis- laufunterbrechungen. Außerdem käme es sehr schnell zu Tauschvorgängen zwischen den Geldscheinen im Tausch-, ring und der normalen Währung, und damit zwangsläufig zu einem Wechselkurs. Dabei würden sich die Nachteile der Tauschringwährung, vor allem die eingegrenzte Verwen- dungsmöglichkeit und die relativ hohen Transaktionskos- ten, als Kursabschlag abzeichnen. Das würde besonders bei den Tauschringen deutlich, die sich mit dem Wert ihrer Ver- rechnungseinheiten – gleichgültig wie sie auch immer hei- ßen mögen – an die normale Währung angelehnt haben. Da sich solche Wertverluste für das Ansehen der Tau- schringwährung und das Verhalten der Teilnehmer nachtei- lig auswirken, hat das älteste und wahrscheinlich auch größ- te Tausch- bzw. Verrechnungssystem, der schweizerische WIR-Wirtschaftsring, die Einführung eigener Geldzeichen sehr rasch wieder eingestellt.

Der WIR-Wirtschaftsring in der Schweiz

Der unter dem Kürzel WIR bekannte Wirtschaftsring in der Schweiz, wurde bereits 1934, also in der großen Rezession, als normaler Verrechnungsring von Mitgliedern der an Gesell orientierten Geldreformbewegung gegründet. Obwohl anfangs die Guthabenbestände nach dem Konzept Gesells mit einem Umlaufsicherungsabschlag versehen waren, wurden als Mitglieder nur Gewerbetreibende und Handwerker aufgenommen, also keine Privathaushalte. Nach einer schwankenden Entwicklung und einem Tief- punkt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der Ring Ende der 90er Jahre – längst von allen Geldreformideen gelöst – fast 70 000 Mitglieder. Vor allem in den Hochzins- und Flautezeiten der letzten Jahrzehnte hatte er einen gro- ßen Zulauf. Die Kreditbedingungen für Hypothekenzinsen von 1,75 und Kontokorrentzinsen von 2,5 bis 3,5 Prozent waren dann besonders verlockend., Natürlich sind diese günstigen Konditionen nur möglich, weil die Leistungserbringer für ihre Guthaben keine Zin- sen erhalten. Diese entgangenen Zinsen sind für die Leis- tenden aber nur einer der Nachteile. Noch problematischer ist, dass sie ihre WIR-Guthaben oft nur schwer umsetzen können, weil sie – trotz der relativ großen Mitgliederzahlen – nicht immer das Angebot vorfinden, das sie gerade brau- chen. Ein besonderes Manko ist dabei der Tatbestand, dass sie mit dem WIR-Geld weder Steuern noch Löhne noch Versicherungszahlungen leisten können. Die Illiquidität in den für diese Zahlungen notwendigen Schweizer Franken wird dann zur Falle. Denn ein Umtausch gegen die Landes- währung ist im WIR-Ring nicht möglich und ein Verkauf der WIR-Guthaben nach der Satzung nicht erlaubt. Des- halb werden WIR-Guthaben oft mit großen Abschlägen anonym in Tageszeitungen angeboten. »Marktüblich sind zur Zeit Einschläge von bis zu 30 Prozent bei Verkauf gegen Franken«, berichtete die »Berner Zeitung« am 11. 9. 1992. – Der Vorteil niedriger Zinsen wird also am Ende der Kette manchmal teuer bezahlt. Die Schwierigkeit, im WIR-Ring Guthaben abzusetzen, spiegelt sich auch in den geringen Umschlaghäufigkeiten des WIR-Geldes wider. Bei ähnlich hohen Kontobeständen wurden die WIR-Konten z. B. im Jahr 1990 nur dreimal um- geschlagen, während die Umschlagshäufigkeit der Postgiro- konten bei 154 lag. Noch gravierender klafften die Umsatz- größen auseinander, die beim Postgiro fast 1 100mal größer waren als beim WIR. Es dürfte also seine Gründe haben, dass sich das WIR-Geld-System, trotz fast 70jähriger Praxis, nicht deutlicher durchgesetzt hat und jetzt sogar der WIR- Ring in WIR-Bank umbenannt wurde, mit normalen Kredit- geschäften in Schweizer Franken.,

Was ist mit den Zinsen bei Verrechnungsringen

und anderen Alternativmodellen? Der Tatbestand, dass es in Tauschringen im Allgemeinen keine Guthaben- und Kreditzinsen gibt, wird oft als ent- scheidender Vorteil herausgestellt. Häufig ist das sogar der Anlass ihrer Gründung. Manche Tauschringe werben sogar damit, dass sie jedem Teilnehmer einen zinslosen Kredit in einer bestimmten Höhe einräumen. In Wirklichkeit aber wird dieser Kredit in Form eines Warenkredits (Lieferung bei verspätetem Ausgleich) bei jedem Verrechnungsvor- gang von den jeweiligen Leistungseinbringern eingeräumt, also nicht von der Tauschringorganisation. Der Vorteil für die Nachfrager, zinslose Warenkredite zu erhalten, schlägt also immer auch als Nachteil für die Leis- tenden zu Buche, die auf Zinsen für ihr Guthaben verzich- ten müssen. Verrechnungsringe sind darum für Kreditnehmer und Guthabenüberzieher vorteilhaft, für Vorleistende und Gut- habenbesitzer von Nachteil. Auch Barter-Clubs müssen sich deshalb durch entsprechende Maßnahmen gegen Tritt- brettfahrer schützen, die auf Kosten anderer Zinsen sparen wollen. Dies geschieht nicht nur mit Limitsetzungen bei den Überziehungen, sondern auch durch Vorschriften, diese nach einem bestimmten Zeitraum, z. B. einem Jahr, durch Zahlungen in normaler Währung auszugleichen. Trotzdem können in den Barter-Clubs und vor allem im WIR-Ring Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit erhebli- che Vorteile herausholen. Dazu ein Beispiel: Ein Unter- nehmer, der in einem Barter-Club einen Warenkredit für eine Produktionsanlage erhält, spart bis zu seiner Gegen- leistung bzw. der Ausgleichszahlung, auf jeden Fall die sonst fälligen Zinsen. Das heißt, er kann mit Hilfe der zinsfrei erworbenen Produktionsanlage auf dem normalen Markt, entweder die Preise der Konkurrenten unterbieten oder höhere Gewinne erwirtschaften. Und das, ohne eigene Leistungen in den Ring eingebracht zu haben. Noch größer können die Vorteile sein, wenn ein Unter- nehmer eine Produktionsanlage mit Hilfe eines Kredits der WIR-Genossenschaft erwirbt. Dort ist er überhaupt nicht zu entsprechenden Gegenleistungen gezwungen, sondern nur zur Zahlung der extrem niedrigen Zinsen, die praktisch den sonst üblichen Bankvermittlungs- und Risikokosten entsprechen. Erst wenn der Kredit fällig wird, muss er innerhalb des WIR-Ringes Leistungen anbieten und erbringen, um mit den Einkünften die Tilgung in WIR-Geld vornehmen zu können. Doch auch das ist noch nicht einmal nötig, da er sich – wenn auch offiziell verboten – das nötige WIR-Geld anonym mit Schweizer Franken und fast immer einem deutlichen Abschlag kaufen kann. Und der Verkäu- fer, von dem er dieses WIR-Geld unter Preis erwirbt, könn- te möglicherweise sogar der Lieferant jener Produktions- anlage sein, der immer noch auf seinem WIR-Guthaben sitzt. Im Extremfall hat er also für das mit der Lieferung der Produktionsanlage erworbene WIR-Guthaben nicht nur keine Zinsen erhalten, sondern er muss es wegen Zahlungs- engpässen möglicherweise jetzt auch noch mit Verlust ver- kaufen! Noch ungerechter wird das Ganze, wenn Tauschringe – das Gesell’sche Schwundgeld missverstehend – die benach- teiligten Guthaben sogar noch mit Geldhaltekosten belas- ten, wie das in einigen Fällen praktiziert worden ist. Eine gerechte und funktionierende Umlaufsicherung müsste in Tauschringen jedoch beide Seiten gleichermaßen treffen. Das heißt, Guthaben- und Defizitbesitzer müssten beide durch Bestandsgebühren unter Umlaufdruck gesetzt und zum Ausgleich angehalten werden. Ähnliche Ungleichgewichte wie bei vielen Tauschringen, ergeben sich auch bei manchen privaten Unterstützungsge- meinschaften, die z. B. als Kunden einem Ökobauern zins- losen Kredit gewähren. Auch dieses an sich positive Tun ist innerhalb eines ansonsten unveränderten Systems mit Ungerechtigkeiten bzw. Wettbewerbsverzerrungen ver- bunden. Denn entweder kann der Geförderte am Markt höhere Gewinne als seine Mitbewerber erzielen oder er kann sie preislich unterbieten. So gut manche Tausch-, Verrechungs- und Unterstüt- zungssysteme auch immer gemeint und gedacht sind und möglicherweise auch eine Zeit lang funktionieren, die Ungerechtigkeiten und Nachteile unseres allgemeinen Währungssystems sind damit kaum zu überwinden.

Was ist mit alternativen Geldsystemen?

Neben Tausch- und Verrechnungsringen kommen heute auch immer häufiger privat organisierte Geldemissionen ins Gespräch. Bernhard Lietaer, der in seinem Buch »Das Geld der Zukunft« weltweit 2 600 Tauschringe addiert hat, stellt eine ganze Reihe solcher privaten Geldausgaben vor. Er bezeichnet sie als »komplementäre« also ergänzende Währungen zu den gegebenen staatlichen, deren Bestand in der gegebenen Form er für nicht veränderbar hält. Aller- dings spricht er auch von Geld, wenn Konsumläden Rabatt- marken oder Fluggesellschaften Vielfliegerbons ausgeben, da sie ebenfalls – wenn auch eingegrenzt – als Zahlungsmit- tel weitergegeben werden könnten. Abgesehen davon, dass eine Ausgabe von privatem Geld in den meisten Ländern an der Genehmigung durch die zuständigen Notenbanken scheitern dürfte, sind die Vortei- le solcher komplementären Währungen für die Normalbür- ger nur schwer zu erkennen. Ein Geschäft sind sie jedoch, auf jeden Fall für den Emittenten, der sich – wenn der Markt die Scheine akzeptiert – als Erstzahler oder -käufer damit bereichern kann. Das zumindest, wenn keine Einlö- sungspflicht in die offizielle Währung zu einem bestimmten Satz besteht bzw. durchsetzbar ist. Aber auch darüber hinaus ist zu fragen, welche Wirkungen zusätzliche Wäh- rungen überhaupt haben können. Da jedes zusätzliche Geld allenfalls nur zum Teil auch zusätzliche Nachfrage und Produktion auslöst, muss es zuerst einmal für das gesamte vorhandene Geld inflationäre Wirkungen haben. Weiterhin wird sich – auch wenn das neue Geld anfangs mit dem Wert der vorhandenen Wäh- rung gleichgestellt wird – sehr bald ein Wechselkursgefälle ausbilden, das sich im Allgemeinen zu Ungunsten der neuen Währung auswirkt. Weil nicht jeder jede Währung akzeptie- ren wird, ist man oft zum Geldwechseln gezwungen, womit gewerbliche Geldwechsler jeweils ihre Provisionen kassie- ren. Außerdem tun sich für Spekulanten neue Möglichkei- ten auf, das Unwissen anderer auszunutzen usw. Die Hoffnung, mit solchen Komplementärwährungen würden sich die Probleme der staatlichen Geldsysteme ver- bessern, scheint mir fehl am Platze. Sie widersprechen außerdem den Tendenzen, die Zahl der Währungen mög- lichst zu verringern, um den Umgang mit Geld zu vereinfa- chen, wie das z. B. in Europa bereits der Fall ist. Geht man von der Erwartung eines großen Crashs unse- res Welt-Geldsystems aus, dann könnten solche Erfahrun- gen und die Gewöhnung an privat emittierte Geldsysteme für die Zeit danach natürlich hilfreich sein. Ähnlich wie es hilfreich gewesen wäre, wenn die Passagiere auf der Titanic angesichts der Eisberge angefangen hätten, sich aus den Betten ihrer Kabinen Rettungsflöße zu bauen. Aber im Hinblick auf die damit verbundenen geringen Rettungs- chancen würde ich es immer noch für sinnvoller halten, zur, Vermeidung einer solchen Katastrophe, auf den Kurs des Schiffes einzuwirken.

Können alternative Banken weiterhelfen?

Sieht man von der Bankmarge ab, belasten alle Banken ihre Kredite in dem Umfang mit Zinsen, wie sie den Geld- gebern Zinsen zahlen müssen. Als Aufschlag rechnen sie dann noch ihre Vermittlungskosten hinzu. Mit niedrigeren Zinsen können Banken also nur in dem Maß Kredite vergeben, wie die Geldgeber auf Zinsen ver- zichten. Auch hier resultiert also der Vorteil des Kreditneh- mers aus einem Verzicht des Sparers. Nur wenn alle Sparer auf Zinsen verzichten würden, käme auch allen Normal- verbrauchern der Zinsverzicht in Form sinkender Preise zugute. Untersucht man die Gegebenheiten bei den alternativen Banken, dann stellt man fest, dass die Bereitschaft zur zins- losen Hergabe von Geld auch bei dieser aufgeschlossenen Sparerkundschaft äußerst gering ist. Selbst bei der anthro- posophischen GLS-Bank in Deutschland sind zinsverzich- tende Geldgeber nur eine Minderheit. Die deutsche Öko- Bank hatte sogar immer größere Schwierigkeiten, zur Auf- stockung des Eigenkapitals – wie das bei der Gründung noch der Fall gewesen war – von Idealisten zinsfrei Geld zu erhalten. Entsprechend waren die Kredit-Zinssätze kaum günstiger als bei den übrigen Banken. Bedenkt man, dass diese alternativen Banken bisher nur einen ganz geringen Marktanteil erobern konnten, wird die Begrenztheit der von diesen Banken ausgehenden Refor- mansätze nachvollziehbar. So hatte die deutsche Ökobank im Jahr 1999 mit einer Bilanzsumme von 380 Millionen erst ein 30 000stel (= 0,0033 %!) des gesamten Geschäftsvolu-, mens aller deutschen Banken in Höhe von 11 800 Mrd. DM erreicht. Selbst wenn es 1 000 solcher alternativen Banken geben würde, hätten sie gerade drei Prozent des gesamten Bankgeschäftsvolumens in der Hand. Ein Vorteil der alternativen Banken ist zweifellos, dass die Sparer über die Kreditvergabe in bestimmte Förde- rungsbereiche mit entscheiden können, manchmal sogar objektbezogen. Aber auch auf diese Weise kommt es nur bedingt zu zusätzlichen Förderungen. Denn die Kreditver- gabekriterien der Öko-Bank, vor allem bezüglich der Risi- koabsicherung, entsprechen jenen aller Banken. Das heißt, die Kreditnehmer der Öko- oder Umweltbanken würden in der Mehrzahl aller Fälle auch bei ihren heimischen Kredit- instituten Geld zu ähnlichen Konditionen erhalten. Bes- timmte positive Förderungsbereiche, die sich sonst im Gros der Bankengeschäfte verlieren, werden durch die Alterna- tivbanken nur sichtbarer zusammengefasst. Die Masse der übrigen Kredite, ob für die Rüstung oder andere Industrie- bereiche, wird durch diese Konzentration jedoch nicht reduziert. Und dass solche Banken auch nicht vor Pleiten sicher sind, hat sich 1999 bei der deutschen Öko-Bank gezeigt, die auf Grund einiger größerer Kreditausfälle vor der Zahlungsunfähigkeit stand.

Was ist mit den Umwelt- und Ethikfonds?

Auch diese speziellen Fonds schießen inzwischen überall aus dem Boden und fast jede große Bank bemüht sich, mit solchen Einrichtungen das kritische Publikum im eigenen Haus zu halten. Oft werden sogar bei diesen Fonds beson- ders hohe Renditen versprochen. Trotzdem gilt für diese so genannten ›Ethik-‹ oder ›Grüne Fonds‹ dasselbe, was auch für alle anderen zutrifft. In allzu vielen Fällen dienen, sie in erster Linie dazu, die Gewissen der Anleger zu beru- higen. Vor diesem Hintergrund sind auch die Bezeichnungen zu hinterfragen, mit denen sich diese Banken schmücken. Denn solange Bankeinlagen mit Zinseinnahmen und damit der Ausbeutung anderer verbunden sind, können sie nie als ethisch bezeichnet werden. Und solange die Verzinsung der Einlagen zu erhöhter Verschuldung in der Wirtschaft zwingt und damit auch zu erhöhtem Wirtschaftswachstum, ist auch die Verbindung von Einlagen mit ›Grün‹ unange- bracht. Ähnlich, wie sich niemand an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen kann, gibt es auch keinen Trick, sich innerhalb des gegebenen Systems dem Zinsproblem zu ent- ziehen, es sei denn wiederum nur auf Kosten anderer. Wohl aber können die Tauschring- und Alternativbanken durch Thematisierung und Diskussionen dazu beitragen, ihre Kunden in Sachen Geld bewusster und sachkundiger zu machen. Das geschieht heute vor allem in solchen Tausch- ringen, in denen Anhänger von Silvio Gesell tätig sind, von dem John Maynard Keynes bereits 1936 schrieb: »Ich glau- be, dass die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird.«, 36. Kapitel

Eine abschließende Zusammenfassung

»Ohne Reformen hin zu einer neuen Form des Wirtschaftens, bei der es nicht mehr normal ist, dass Teile unserer Gesellschaft, große Teile der Weltbevölkerung sowie unsere Umwelt auf der Strecke bleiben, wird Fanatismus als Ventil von Angst sich weiter verbreiten, egal ob mit politi- schen, rassistischen, religiösen oder anderen Etiketten.« Volker Freystedt* Wie in diesem Buch ausführlich dargelegt, hängen die Pro- bleme im Geldbereich hauptsächlich mit zwei Überent- wicklungen zusammen: Den Überentwicklungen der Geld- menge, die zur Inflation führen, sowie den Überentwick- lungen der Geldvermögen (bedingt vor allem durch die dauernd positiven Zinssätze), die zur Überschuldung und einem ständigen Wachstumsdruck führen, mit der Folge immer größerer sozialer und ökologischer Spannungen. Diese Überentwicklungen wiederum hängen im Grunde mit simpel erscheinenden Tatbeständen zusammen. Zum Beispiel dem Tatbestand, dass der private Halter des öf- fentlichen Tauschmittels daraus einen zeitbezogenen Gewinn ziehen kann, während auf der anderen Seite der private Halter eines Tauschgutes, für dessen Absatz das * Sozialpädagoge, München 2000, Geld erfunden wurde, einen zeitbezogenen Verlust in Kauf nehmen muss. Die zunehmend problematischer werdende Gesamtsituation in unseren Volkswirtschaften ist also weniger die Folge überzogener Ansprüche der Bürger an den Sozialstaat, als die der zunehmenden Ansprüche des Kapitals an das Sozialprodukt. Um diese Entwicklungen und Überentwicklungen abzu- bauen, muss die Geldmenge kontrollierbar und der Umlauf verstetigt werden. Beides ist durch eine konstruktive Um- laufsicherung zu erreichen, die die heutigen Umlaufsiche- rungsmittel Zins und Inflation überflüssig macht. Dazu wiederum müssen drei Widersprüchlichkeiten überwunden werden: 1. bezogen auf die Rechtslage des Geldes: der Wider- spruch zwischen öffentlichem und privatem Eigentum, 2. bezogen auf die Geldfunktionen: der Widerspruch zwi- schen Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel, 3. bezogen auf die Geldbegriffe: der Widerspruch zwi- schen Geld und Guthaben. Der erste und dritte Widerspruch verhindern heute eine konkrete Geldmengensteuerung und damit die Überwin- dung von Inflation und Deflation. Der erste und zweite Widerspruch verhindern eine marktgerechte Absenkung der Zinsen und damit den Abbau der Geldvermögens- und Verschuldungseskalationen sowie der daraus resultieren- den ungerechten Umverteilungen des Volkseinkommens. Die Folgen dieser Fehlstrukturen sind Fehlentwicklun- gen schwerwiegender Natur. Sie zeichnen sich als zuneh- mende und immer weniger beherrschbare soziale, ökono- mische und ökologische Störungen ab, die schließlich in Zerstörungen enden müssen.,

Warum kommen wir unter die Räder?

In der zweiteiligen Grafik sind die Gesamtzusammenhänge zwischen Geld und Gesellschaft noch einmal als ineinander greifendes Rädersystem dargestellt. In Darstellung 88a ist der monetäre Bereich wiedergegeben und in Darstellung 88b der realwirtschaftliche. Schnittpunkt beider Bereiche ist die Wirtschaft, die wegen der Aufteilung der Darstellung zweimal abgebildet ist. Im monetären Bereich haben wir es mit einem Kreislauf zu tun (1), der sich selbst immer mehr hochschaukelt: Mit der Verschuldung (links oben) nehmen aufgrund der damit ver- bundenen Zinsen die Belastungen der Wirtschaft zu und mit diesen wiederum die Zinserträge des Geldkapitals. Da das Gros der Zinserträge auf den Konten stehen bleibt, ver- größern sich bei jedem Kreislauf, auch ohne weitere Neuer- sparnisse, die Geldvermögen und damit wiederum der Zwang zur Höherverschuldung usw. In der Sprache der Kybernetiker haben wir es bei unse- rem Geldsystem mit einem ›positiv rückgekoppelten Regel- kreis‹ zu tun, einem Regelkreis, der sich aus sich selbst her- aus beschleunigt. Vergleichbar ist das mit einem Motor, der bei steigenden Drehzahlen noch mehr Sprit ansaugt und damit die Drehzahlen weiter steigert, oder einem Heizungs- thermostaten, der das Ventil bei steigenden Raumtempera- turen weiter öffnet, statt schließt. Dauerhaft funktionieren- de technische wie natürliche Regelkreise sind deshalb ›negativ rückgekoppelt‹, das heißt, auftretende Überent- wicklungen bremsen sich selbst ab., Darstellung 88a: In Darstellung 88b sind die Folgen des monetären Über- wachstums, ausgehend von jenen in der Wirtschaft, in zwei Halbkreisen aufgezeigt. Der obere (2) gibt die ökono- misch-sozialen Auswirkungen wieder, der untere (3) die ökologischen. Gehen wir zuerst dem oberen Halbkreis nach: Die ständig zunehmenden Ansprüche des Geldkapitals an die (nicht so rasch steigende) Leistung der Wirtschaft führen zu einer Verringerung des Restanteils, der für die Arbeitleistenden übrig bleibt. Das heißt, die Einkommen, der Unternehmer und/oder der Arbeitnehmer müssen zwangsläufig mit der Überentwicklung der Geldvermögen und Schulden sinken. Die Folgen sind Nachfrage- und Inves- titionsrückgänge und schließlich zunehmende Firmenplei- ten und Arbeitslosigkeit. Auf Dauer und mit jedem Kon- junktureinbruch zunehmend, werden die sozialen Spannun- gen unerträglicher. Am Ende drohen Unruhen, Gewalt und Aufstände bis hin zu Bürgerkriegen oder Weltkriegen. Darstellung 88b: Vermeidbar ist die Einkommensminderung der Arbeitleis- tenden nur, wenn man – wie der Halbkreis 3 wiedergibt –, das Sozialprodukt ständig vergrößert. Das muss mindes- tens um jenen Anteil geschehen, den das Kapital von Jahr zu Jahr mehr beansprucht. Soll die gegebene Verteilungsre- lation zwischen Kapital und Arbeit beibehalten werden, muss sogar das prozentuale Wirtschaftswachstum dem des Geldkapitals entsprechen. Eine solche dauernde Leis- tungssteigerung vergrößert jedoch sowohl den Ressourcen- verbrauch als auch die Umweltzerstörung. Dieser ›Aus- weg‹ aus der sozial-ökonomischen Krise führt also beschleunigt in die ökologische. Damit wiederum drohen nicht nur Umweltkatastrophen, sondern auf Dauer auch gewaltsame Auseinandersetzungen um die knapper wer- denden Ressourcen.

Wo ist der Hebel anzusetzen?

Wie diese zusammenfassende Darstellung zeigt, gehen die entscheidenden Probleme vom Überwachstum der Geld- vermögen aus. Für die Politiker ergibt sich daraus eine Zwickmühle: Werden die wachsenden Geldvermögen nicht über Kredite in die Wirtschaft zurückgeschleust, kommt es zu einer deflationären Rezession. Führt man die wachsen- den Geldvermögen in den Wirtschaftskreislauf zurück, kommt es zur Überschuldung und als Folge zu einem öko- nomisch-sozialen oder einem ökologischen Kollaps. In der Wirklichkeit läuft die Entwicklung auf beides hinaus: Der soziale Kollaps ist unausweichlich, weil das Wirtschafts- wachstum nicht im Tempo der Geldvermögenszunahme gesteigert werden kann. Der ökologische Kollaps ist unaus- weichlich, weil die Umwelt ein ständiges Wirtschaftswachs- tum nicht verkraftet, schon gar nicht bei gleichzeitiger Bevölkerungszunahme auf unserem Planeten. Dieses sich zu einem ›Geld-Syndrom‹ anhäufende Bün-, del problematischer Symptome im monetären Umfeld, lässt sich nur an einem einzigen Punkt nachhaltig verän- dern, nämlich an der Zinshöhe: Durch eine Absenkung der Zinssätze lässt das Überwachstum der Geldvermögen nach und damit der weitere Verschuldungszwang. Mit nachlas- sender Verschuldung und sinkenden Zinssätzen reduziert sich die Verarmung der Arbeitleistenden und damit wieder- um der Zwang zum Wachstum. Unser Geld, so wie es heute ist, zerstört die Welt! Ganz sicher wird eine Korrektur der Fehlstrukturen nicht alle Probleme aus der Welt schaffen können. Es werden noch genügend übrig bleiben. So z. B. die noch zu lösende Bodenfrage, ein gerechter Familien-Lastenausgleich, die Einführung wirklich greifender Umweltsteuern und man- che andere. Doch ohne diese Korrektur im Geldbereich werden die problematischen Entwicklungen in aller Welt aus einfachen mathematischen Gründen mit jedem Tag dramatischer. Denn erst dann, wenn die Zinsansprüche des Kapitals die Wachstumsrate unterschreiten, kann der Überschuldungs- und Wachstumsdruck zurückgehen und die Verarmung der Arbeitleistenden gestoppt werden. Und erst dann, wenn jeder Leistende ein Anrecht auf den vollen Lohn für seine Arbeit hat, kommen wir zu einer gerechten Welt, die Voraussetzung ist für eine friedliche Zukunft.,

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Interna- tionalen Tagung in Bern, INWO-Schweiz, Aarau 1995 dito, Zukunftsfähige Gesellschaft – 7 Beiträge zur 5. Interna- tionalen Tagung in Wien, INWO-Schweiz, Aarau 1999 Issing, Otmar, Einführung in die Geldtheorie, München Jenetzky, Johannes, Abgaben als Instrument ökologischer Zielsetzungen, in Umweltplanung, Umweltrecht und Umweltbewußtsein, in: Ludwigsburger Hochschulschrif- ten 1990 Jenner, Gero, Das Ende des Kapitalismus – Triumph oder Kollaps eines Wirtschaftssystems?, Frankfurt 1999 Kafka, Peter, Gegen den Untergang – Schöpfungsprinzip und globale Beschleunigungskrise, München Wien 1994 Kennedy, Margrit, Geld ohne Zinsen und Inflation – Ein Tauschmittel das jedem dient, München 1991 Keynes, John Maynard, Allgemeine Theorie der Beschäfti- gung, des Zinses und des Geldes, Berlin 1936 Knauer, Peter, Wer bezahlt den Jokervorteil? Vorschlag zur besseren Nutzung des Geldes, Die neue Gesellschaft – Frankfurter Hefte, Nr. 1/89 Kühn, Hans, 5000 Jahre Kapitalismus – Prinzip, Entstehung, Folgen eines Ordnungssystems, St. Georgen 1990 Lang, Thomas, Geld und Zins als monetäre Ursachen des Wirtschaftswachstums, Lütjenburg 1998 Lietaer, Bernard, Das Geld der Zukunft – Über die destruk-, tive Wirkung des existierenden Geldsystems und die Ent- wicklung von Komplementärwährungen, Riemann, München 1999 Löhr, Dirk, Zins und Wirtschaftswachstum – Zu den mone- tären Voraussetzungen einer ökologischen Kreislaufwirt- schaft, Zeitschrift für Sozialökonomie Nr. 79, Lütjenburg Löhr/Jenetzky, Neutrale Liquidität – Zur Theorie und prak- tischen Umsetzung, Frankfurt 1996 Loen, Ernst van (Hrsg.), Johannes Kleinhappl – Christliche Wirtschaftsethik, Wien 1991 Martin, Paul C., Aufwärts ohne Ende, München 1991 Martin, Paul C., Der Kapitalismus – Ein System das funktio- niert, München 1991 Mayer, Lothar, Ein System siegt sich zu Tode – Zur Unver- söhnbarkeit von Ökologie und Ökonomie, Frankfurt 1991 Mittelstaedt, Robert, Das Geld und seine Glaubwürdigkeit, Alternative 2000, Nr. 34, 2000 Moeves, Günther, Verlierer und Verleiher – Die Überschüs- se fordern Opfer, Der Architekt Nr. 11, 1997 Olah, Norbert, Zahlungsnetzwerk Münchner – Umset- zungsstudie zum Bürgerbegehren, Düsseldorf/Kempten Onken, Werner, Ein vergessenes Kapitel der Wirtschaftsge- schichte: Schwanenkirchen, Wörgl und andere Freigeld- experimente, Zeitschrift für Sozialökonomie 57/58, Lüt- jenburg 1983 Onken, Werner (Hrsg.), Perspektiven einer ökologischen Ökonomie, Lütjenburg, 1993 Onken, Werner, 1492–1992, 500 Jahre Mord, Landraub und Ausbeutung in Lateinamerika, Zeitschrift für Sozialöko- nomie Nr. 94, 1992 Onken, Werner, Modellversuche mit sozialpflichtigem Boden und Geld, Lütjenburg 1997, Onken, Werner, Silvio Gesell und die Natürliche Wirt- schaftsordnung – Eine Einführung in Leben und Werk, Lütjenburg 1999 Onken, Werner, Frieden schaffen durch soziale Gerechtig- keit, Verlag für Sozialökonomie, Lütjenburg 2000 Onken/Bartsch, Natürliche Wirtschaftsordnung unter dem Hakenkreuz – Anpassung und Widerstand, Verlag für Sozialökonomie, Lütjenburg 1997 Otto, Georg, Warum der Marxismus scheitern musste – Basis eines Sozialismus in Freiheit, Rhade 1991 Otani, Yoshito, Ausweg Band Nr. 4, Ursprung und Lösung des Geldproblems, Hamburg 1981 Penserot, Fritz, Auf dem Wege zur freiheitlichen Wirt- schafts-Ordnung, X. Teil, John Maynard Keynes, Fragen der Freiheit Nr. 252, Bad Boll 1999 Pfannschmidt, Martin, Vergessener Faktor Boden, Lütjen- burg 1990 Probst, Jürgen, Fehlentwicklungen einer Zinswirtschaft – Ein Ausflug durch das Ausgeblendete, Hannover Popp, Klaus, Zinswahnsinn – die Vereinbarkeit von Sozialis- mus, Liberalismus und Ökologie – Das Ende von Wachs- tumszwang und Ausbeutung, Frankfurt 1997 Rams/Ehrentreich, Arbeitslosigkeit – wie kann sie überwun- den werden?, Lütjenburg 1996 Reuter, Norbert, Wachstumseuphorie und Verteilungsreali- tät – Wirtschaftspolitische Leitbilder zwischen Gestern und Morgen, Marburg 1998 Rosch, Hoffmann, Homolka, Ethische Geldanlagen – Kapi- tal auf neuen Wegen, Frankfurt 1992 Rosenberger, Werner, Die Welt im Umbruch – Entwurf einer nachkapitalistischen Wirtschaftsordnung, INWO- Schweiz, Aarau 1991 Rosenberger, Werner, Boden – Nutzen statt besitzen, Plädo-, yer für ein nachkapitalistisches Bodenrecht, INWO- Schweiz, Aarau 1997 Rosenbohm, Elimar, Überlegungen zu einer modernen Wirtschafts- und Währungsordnung in der DDR, Lütjen- burg 1990 Samuelsen/Nordhaus, Volkswirtschaftslehre, Grundlagen der Makro- und Mikroökonomie, Köln 1987 Schleisiek, Klaus-Peter, Übliche Einwände gegen die frei- wirtschaftliche Reform mit Entgegnungen, Aachen 1998 Schmitt, Klaus, Silvio Gesell – »Marx« der Anarchisten? – Texte zur Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalis- mus, Berlin 1989 Schulz, Reinhold, Menschenrecht oder Untergang, Hanno- ver 1985 Seminar für freiheitliche Ordnung, Die Ordnung der Kul- tur, des Staates und der Wirtschaft für die Gegenwart – sie- ben Thesen, Bad Boll 1981 Senf, Bernd, Der Nebel um das Geld – ein Aufklarungsbuch, Lütjenburg 1996 Senft, Gerhard, Weder Kapitalismus noch Kommunismus – Silvio Gesell und das libertäre Modell der Freiwirtschaft, Berlin 1990 Suhr, Dieter, Geld ohne Mehrwert – Entlastung der Markt- wirtschaft von monetären Transaktionskosten, Frankfurt Suhr, Dieter, Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalis- mus, Berlin 1986 Suhr, Dieter, Gleiche Freiheit – Allgemeine Grundlagen und Reziprozitätsdefizite in der Geldwirtschaft, Augsburg Suhr, Dieter, Alterndes Geld – Das Konzept Rudolf Steiners aus geldtheoretischer Sicht, Schaffhausen 1988 Suhr, Dieter, Kapitalismus als monetäres Syndrom, Frank- furt 1988, Suhr, Dieter, The Capitalistic Cost-Benefit Structure of Money – An Analysis of Money’s Structural Nonneutrality and its Effects on the Economy, Frankfurt/New York 1998 Timm, Uwe, Herrschaftsfreie Wirtschaft – Arbeitslosigkeit kein unabwendbares Schicksal, Contraste, Juni 97 Timm, Uwe, Geld regiert die Welt, espero, Febr. 1997 Vogel, Gesima, Aufbruch in eine neue Welt – Die Vergesell- schaftung der Existenzmittel Boden und Geld, Hamburg Walker, Karl, Neue Europäische Währungsordnung – Indexwährung, flexible Wechselkurse, Europa-Mark, Lauff bei Nürnberg 1962 Walker, Karl, Das Weltwährungssystem – Eine Kritik an den theoretischen Grundlagen und ein Entwurf zur Reform, Lütjenburg 1978 Walker, Karl, Das Buchgeld, Heidelberg 1952 Walker, Karl, Die Technik der Umlaufsicherung des Geldes, Heidelberg 1952 Walker, Karl, Ausgewählte Werke, Lütjenburg 1995 Walker, Karl, Das Geld in der Geschichte, Zürich 1999 Weitkamp, Hans, Das Hochmittelalter – ein Geschenk des Geldwesens, St.Georgen 1993 Wendnagel, Wera, Die Frauenfrage in der männlichen Öko- nomie, Zeitschrift für Sozialökonomie Nr. 118, 1998 Werner, Hans-Joachim, Geschichte der Freiwirtschaftsbe- wegung, 100 Jahre Kampf für eine Marktwirtschaft ohne Kapitalismus, Münster 1989 Winkler, Ernst: Theorie der natürlichen Wirtschaftsord- nung, Heidelberg 1952 Zinn, Georg, Wie Reichtum Armut schafft – Verschwen- dung, Arbeitslosigkeit und Mangel, Köln 1998 Zinn, Georg, Die Wirtschaftskrise, Wachstum oder Stagnati- on – Zum ökonomischen Grundproblem reifer Volkswirt- schaften, Mannheim 1994,

Anschriften von Vereinigungen und Initiativen

zum Thema Geld und Bodenreform: Christen für gerechte Wirtschaftsordnung e. V. / CGW, Geschäftsstelle: Rudloffweg 12, D–14195 Berlin Equilibrismus e. V. – Das sozialökologische Wirtschaftskon- zept, Geschäftsstelle: Andreestr. 6, D–80634 München Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung e. V./INWO Deutschland, Geschäftsstelle: Max-Bock-Straße 55, D– 60320 Frankfurt Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung / INWO- Schweiz, Geschäftsstelle: Postfach: CH–5001 Aarau Initiative für gerechte Wirtschaftsordnung / INWO-Austria, Geschäftsstelle: Staudingergasse 11, A–1200 Wien INWO-D Infobüro: Klaus Popp, Blasiusstr. 63, D–40221 Düsseldorf Seminar für freiheitliche Ordnung e. V. / SffO, Geschäfts- stelle: Badstraße 35, D–73087 Sozialwissenschaftliche Gesellschaft e. V. / SG, Geschäfts- stelle: Postfach 1550, D–33145 Northeim Stiftung für Reform der Geld- und Bodenordnung, Geschäftsstelle: Pinnaudamm 4, D–25421 Pinneberg Achtung: Internet-Portal zur Geld- und Bodenreformbe- wegung: www.inwo.de, sowie: www.geldreform.net

Anschriften von Zeitschriften:

Alternative 2000 – Zeitschrift für neues Denken in Politik und Gesellschaft, Redaktion: Gänseberg 11, D–31079 Eberholzen Der Dritte Weg – Zeitschrift für die natürliche Wirtschafts- ordnung, Redaktion: Rappenbergstraße 64, D–91757 Treuchtlingen, Evolution – Zur Neugestaltung von Wirtschaft, Politik und Umweltbeziehungen, Redaktion: Postfach, CH–5001 Aarau Fragen der Freiheit – Beiträge zur freiheitlichen Ordnung von Kultur, Staat und Wirtschaft, Redaktion: Badstraße 35, D–73087 Boll Zeitschrift für Sozialökonomie – Hrsg. Stiftung für Reform der Geld- und Bodenordnung und der Sozialwissen- schaftlichen Gesellschaft, Redaktion: Steenkamp 7, D– 26316 Varel,

Personenregister

Abbe, Ernst 163 f. Daladier, Eduard 70, 545 Adenauer, Konrad 506 Drewermann, Eugen 138 Alexander II., Papst 112 Aquin, Thomas von 30 Ehmke, Horst 479 Aristoteles 111 Ehrenberg 438 Ehrlicher, Werner 53 Barth, Karl 516 Eilers, Eckard 410 Batra, Ravi 309 Eisenhower, Dwight D. 507, 528 Bendikt XIV., Papst 113 Emminger, Ottmar 188 Bethmann 29 Ende, Michael 171, 392, 504 Biedenkopf, Kurt 279 Engels, Friedrich 124, 456 Binn, Felix G. 563 Engels, Wolfram 177, 385, 577 Binswanger, Hans Christoph Esambert, Bernhard 371 176 f., 428, 434 Eucken, Walter 572 Bodin, J. 30 Bombach, Gottfried 321, Fabricius, Hans 504 452 Fels, Gerhard 134 Bonifatius VIII., Papst Fisher, Irving 83, 545, 563 114 Freystedt, Volker 598 Borchert, Jürgen 570 Friderichs 420 Brandt, Willy 162 Friedman 563 Brecht, Bertolt 407 Bregger, Klaus E. 172 Gates, Bill 305, 356 Breit, Ernst 392 Geitmann, Roland 550 Bush, George 264 f. George, Susan 163, 517 Gesell, Silvio 104, 128, 450, 457, Camdessus 448 544 f., 563 f., 589, 592, 596 Churchill, Sir Winston 33 Gillies, Peter 181, 462, 482 Clemens IX., Papst 114 Glötzl, Erhard 225, 567 Clinton, Bill 264 Godschalk, Hugo 174, 312 Cornfield, Bernie 349 Goodfriend, Marvin 450, Gorbatschow, Michail 457, Lincoln, Abraham 504 464 Lothar I. 112 Gregor von Nyssa 112 Luther 437 Grimmel, Eckard 580 Lütje, F. 30 Lykurg 118 Hankel, Wilhelm 352, 435, 539 Hartmann, Wendelin 242 Martin, Paul C. 253 Hauff, Volker 420, 422 Marx, Karl 124, 326, 456, 596 Haußmann, Heinrich 145 f. Miegel 385 Helmstädter, Ernst 441 Mierheim 385 Hesse, Helmut 135 Möller, Alex 515 Hitler, Adolf 438 Hussein, Saddam 512 ff. Naumann, Friedrich 112 Hüwe, Joseph 292 Nietzsche, Friedrich 30 Issing, Ottmar 30, 60, 243, 248, Onken, Werner 552 270 Overhaus, Manfred 321 Jenetzky, Johannes 422 Paster, Adolf 503 Jenner, Gero 493 Planck, Max 566 Jochimsen, Reimund 322 Platon 30 Pohl, Rüdiger 291 Kafka, Peter 585 Pol Pot 455 Kennedy, Margrit 146 Proudhon 572 Keynes, John Maynard 115, 127, 176 f., 180, 223, 248, 435, 450, Quandt 346 f., 356 490, 492, 510, 563 ff., 574, 596 Klasen, Karl 211 Reagan, Ronald 91, 264 ff. Knauer, Peter S. J. 377 Reifner, Udo 91 f. Kohl, Helmut 266 Rosenberger, Werner 282, 526 Konfuzius 27 Runde, Ortwin 400 Kopernikus, Nikolaus 179 Kopper, Hilmar 173 f. Samuelson, Paul A. 212, 214 f. Kronawitter, Georg 390 Schalck-Golodkowski 278 Scherhorn, Gerhard 466 Lenin 455 Schiller, Karl 179 Leutwiler, Fritz 180, 183, 480 Schirmer, Dietrich 178 Lietaer, Bernhard 593 Schlesinger, Helmut 199, Schmeljow, Nikolai 451 Ude, Johannes 112 Schmölders, G. 30 Unterguggenberger 544, 546 Senjur, Marjan 458 Silva, Luis Ignacio 517 Vickers, Vincent C. 533 Smith, Adam 270 Vogelsang, Karl von 112 Soros, George 369 Späth, Lothar 280 Wallich, Henry C. 188 Stein, Lorenz von 270 Wedemeier 515 Steiner, Rudolf 564 Weder, Hansjürg 340 Struensee, Karl August von 270 Weitkamp, Hans 118 Suhr, Dieter 39, 156, 551, 543, Weizsäcker, Ernst Ulrich von 553, 575 498 Syrus, Publ. 30 Weizsäcker, Robert K. von 169 Szallies, Rüdiger 307 Wichmann von Magdeburg, Erzbischof 119 Thatcher, Margret 489 Wicke 385 Thurow, Lester C. 305 Winkler, Ernst 504 Tietmeyer, Hans 286, 371 Tobin, James 373, 573 Zimmer, Carl 280 Tolstoi, L. 30 Zinn, Karl-Georg 311,

Sachregister

AEG 476 ff. –, Kredite der 99 f. Aktien 293 f., 351–363 –, Macht der 89–93 Aktienbestände 353–356 –, Zinserträge und -aufwendun- Aktienspekulationen 351 ff., 363 gen der 135 ff., 312 ff. Alterssicherung 500 ff. Bankenzusammenbrüche 91, Annahmezwang 21, 34, 535, 437, 449 538 f. Bankguthaben 27, 29, 55, 58, 64, Arbeit 38 f., 159 ff., 164 f., 167, Bankmarge 125 ff., 129 f., 135, 603 151, 174, 312 Arbeitslosigkeit 81, 92, 181 f., Bargeld 29, 33, 35, 38, 41 ff., 47 f., 190, 223, 448, 466–492, 499 58 f., 61 f., 64, 68, 86 ff., 98 f., Arbeitszeitverkürzung 172, 100, 106, 134, 208, 214, 216, 469 f., 472 218, 243, 546, 555 f., 559 ff., Armut 138, 178, 393–397 583 f. –, Wechselbeziehungen zwischen Bargeldhaltung 117, 549 Reichtum und 395–406 Bargeldmenge 37, 41 ff., 51, 59, Ausgabenerhöhung 191 61, 64, 66 f., 73 f., 106, 199, Ausland, Geldbestände im 42, 204, 215 ff., 244, 548 44, 200 f. Barter-Clubs 586 f., 591 Auslandsverschuldung 254, 257, Beschäftigungsschwankungen 458, 462 466–476 –, kurzfristige 467 f. Bank, Geldumlauf bei Zwi- –, langfristige 467–474 schenschaltung einer 74 –, mittelfristige 467, 474 ff. Bankeinlagen, Umschichtung Bezahlen 67 f. von 549 BMW 356 –, Fehlbenennungen der 33 Bodenreform 575 ff. Banken 32, 61 f., 73 f., 83–108, Börsen 349 ff., 357–361, 364–367, 232–235 373, 496 –, alternative 595 f. Börsengeschäfte, Zunahme der –, Hauptaufgaben der 87 ff. 66, Börsengrößen 357–361 Devisen, Ankauf von 48 f. Brakteaten 118–122, 543 –, Hortung von 461 Bruttoeinkommen, Aufteilung Dienstleistungen 429 f. der 161 Diskontzins 131, 226, 228 Bruttosozialprodukt (BSP) Doppelphänomen 57 34, 41, 44 f., 64 ff., 86, 117, Dritte Welt 255, 517, 519 f., 514 160, 168, 203 ff., 207, 258 ff., Durchhaltekosten (carrying 271, 283 f., 296 f., 313 f., 316, costs) 564 323, 327, 333, 357, 401 f., 423, 427, 429, 444, 485, 599, E-Cash 31 ff. 603 Eigenkapitalverzinsung 123, 313 Buchgeld 29, 55 Einkommen 60, 80 f., 87, 97, 157, 170, 189, 261 f., 381, 386, 393, Clearingbestände 100, 102 398, 402, 424, 472 f., 579, 601 –, leistungslose 113, 125, 378, 495 Daimler-Benz 478 f. –, ungerechte 116, 377 f. defecit-spending 490 –, verfügbare 395 ff., 398, 404 Deflation 197 f., 206, 447, 449, Einkommens- und Verbrauchs- 542, 599 stichprobe 300 ff. Deregulierung 499 f. Einnahmen-Ausgabenrechnung Derivate 365 ff. 123 Destabilisierung, monetäre 458 Einrichtungen, öffentliche 20, Deutsche Bundesbank 29, 32, 42, 51 f., 535–538, 551, 585 66, 88, 93 ff., 98, 106, 108, Einzelpreisveränderungen, 134 f., 153, 182, 188, 196 f., marktbedingte 191 f. 199 f., 203, 207, 209, 212, Eisengeld 118 214 ff., 218, 220, 222, 226 f., Entwertung, inflationäre 41, 152, 229, 236, 242, 246, 269, 286, 271, 458 293, 304, 306, 312, 536 f., 561, Entwicklungsländer 253 f., 257, 581 266, 518–523 Deutschland 41 f., 44, 46 f., 49, –, Schuldenerlass für die 524 ff. 51, 64, 86, 88, 92, 101 f., 131 f., –, Verschuldung der 519–523 134, 149, 159, 201, 247, 254, Ersparnisbildungen, Folgen von 256–259, 266 f., 271 f., 300, 75 ff. 305 f., 313, 322 f., 333, 341, 353, Euro 43 ff., 46, 98, 102, 133, 232, 355 f., 359, 392, 396–399, 322, 581 f. 403 ff., 416, 431, 437, 487, 489, Euroländer, Bargeldmengen in 494, 501, 507, 534, 581 den 43, –, Inflationsentwicklung in den Geld- und Währungsbereich, 186 f. Bedeutung des 22 –, Verschuldung der 273 ff. Geldbasis 33, 86, 106 Europäische Union, Armut in Geldbegriffe 27–52 der 394 f. Geldhortung 68, 199–210, 450 Europäische Zentralbank Geldkarten 31 f., 559 (EZB) 30, 32, 55, 60, 83, 95, Geldkreislauf 35 f., 70–82, 114, 98, 103 f., 106, 108, 133, 186, 120, 537 ff. 215, 218, 228–232, 246, 581 –, Unterbrechung des 35 f., 113, Europäisches System der Zen- 448 tralbanken (ESZB) 43, 93, Geldmangel 77, 197 f., 202, 206, 95 544 Geldmenge 27, 29, 33 f., 47 ff., Fehlstrukturen, monetäre 19, 53 f., 56, 60, 64, 71 f., 77, 82, 99, 572, 598–604 103, 105 f., 131, 180, 184, Forderungsausgleich 37 201 ff., 209, 212–220, 223, 226, Fremdkapitalverzinsung 123 232, 236, 242 ff., 293, 543, 554, Fristentransformation 137, 152 599 Geldmenge M0 86 G7-Länder, Geldvermögen der Geldmenge M1 33, 66, 106, Privathaushalte in den 299 208 f., 215, 218 –, Konsumentenschulden in den Geldmenge M2 33, 242 282 f. Geldmenge M3 33, 106, 215, –, Verschuldung der 271 ff. 217 f., 242 Geld 19 ff., 27 ff., 31 f., 34–41, Geldmenge, Überentwicklung 51 f., 55 ff., 63, 66 f., 69, 115, der 598 144 f., 171–174, 189, 212, 215 f., Geldmengenausweitung 47 ff., 242, 292, 351, 362, 423, 456, 51, 105, 190, 192, 195, 214, 221, 497, 535 f., 599 480 –, Bedeutung von 21 ff. Geldmengenregulierung 48, –, Definition von 28 ff., 34 f. 103 f., 214 f., 459 –, Eigentümer von 20, 51 f., Geldmengensteuerung 42, 47 f., 537 f., 551, 599 101, 106 f., 198, 210, 211–224, –, Nutzungszwecke von 35 f. 227, 461, 554, 556, 599 –, Überlegenheit von 38 f., 111, Geldmengenverminderung 438 115, 145 Geldmengenziele 105 –, Widersprüchlichkeiten von Geldnutzungsgebühr 552 f., 20 f., 27, 599 582 ff., Geldrechtsordnung, Korrektur 155, 190, 447, 450, 456, 496, der 550 f. 509, 540 f., 553, 573 Geldreform, Auswirkungen der Gesamtpreisveränderungen, 552–569 geldmengenbedingte 191 –, Einwände zur 570–584 Gesamtrechnung, volkswirt- –, Zinsbildung nach der 556 ff. schaftliche (VGR) 314 Geldsammelstellen 67 Gesamtverschuldung 194, Geldschöpfung 103, 118, 225, 258–262, 319, 333 236–249 Geschäftsbanken 83 f., 99, 101, –, multiple 238 ff., 243 104,131, 134, 225, 549 f., Geldstreik 449, 505, 542 f., 565, 554 f. 569 –, Geldschöpfung durch die Geldsystem, Korrektur des 236–249 533–551 Gesellschaft, Zusammenhänge Geldsysteme, alternative zwischen Geld und 600 ff. 593 ff. Gewalt, Geldzerstörung und Geldüberhang 454 f., 463 457 Geldumlauf 34, 46 f., 70–82, Gewinne 79, 122 f., 144, 598 95 ff., 103 f., 116, 120, 190, Giralgeld 29, 35, 57, 60, 62, 68, 211–224, 446, 459, 541 86, 243, 546, 549, 553, 555 f., Geldumtausch, innerdeutscher 559, 583 f. 64, 464 f. Girokonten 29, 34, 41, 60, 68, Geldverknappung 113 f., 116, 88 f., 122, 129, 145, 154 f., 438, 447 Globalisierung 497–501 Geldverleih 35 f., 53 f., 63, 70 ff., Gold- und Silbergeld 40, 51 76 ff., 113, 115, 176 Golfkrieg 510–514 Geldvermögen 56 f., 61, 82, 87, Größen, Entwicklung monetärer 91, 124, 148, 159, 173, 288, 65 292–311 ff., 314, 348, 379, 398, Güter 38 ff., 115, 155, 192, 363, 401 f., 424, 426 f., 430, 432, 439, 456, 538 472, 479, 498 Guthaben 33, 53–58, 62 f., 69, –, private 298 ff., 307 71 f., 77, 81, 87, 215 f., 242, –, Überentwicklung der 292–311, 292 f., 535, 599 598, 602 ff. –, Geld und 53–69 Geldvermögensarten 294, 301 Guthabenübertragung 37, 58 f., Geldverruf 119, 121 61, 73 f., 88 Geldwertstabilität 179 f., 184 Guthabenzins 58, 127, 152, 553, Geldzurückhaltungen 73, 116 ff., 556, 558, Habenzins 125, 127, 129 Kapitalrendite 508, 564 f. Hochzinsphasen 341, 399, 444 f., Kapitalverkehr, Freizügigkeit 476, 478 ff., 482, 487, 492 des 351, 372 ff. Hyperinflationen 183, 186, 223 Kapitalvernichtung 503, 509 f., Industrienationen, Inflation in Kaufkraft 21, 32, 38, 40 f., 54 f., den 183–187 87 f., 126, 161, 181, 189, 192, Inflation 27, 97, 179–198, 323, 213, 216, 244, 308, 318, 535, 363, 379, 446, 448, 453, 458, 542, 580 481, 539–543, 568, 582 f., 598 f. Kaufkraftstabilität 93 ff., 99, –, importierte 49, 193 104 f., 152, 186, 213, 215, 226, –, Zinserhöhung bei 195 ff. 541, 553, 583 Inflationsaufschlag 128, 556 Kaufkraftverlust, inflationsbe- Inflationsausgleich 126 f., 193, dingter 379 f., 455 379 Knappheitsaufschlag 128, 556 f. Inflationsentwicklung- und Knappheitsgewinne 39, 124, 144, erwartung 151, 153 f. 535 Inflationspotenzial 202, 207 Knappheitspreis 39, 145, 174 f. Inflationsrate 127, 191, 193, Konjunktureinbrüche 81, 369, 202 f., 215, 223, 442, 569 399, 440–444, 490 ff., 503 f., 602 Inlandsverschuldung 254, 257 Konsumentenkredite 282–286, Internet, Zahlungen im 31 ff. 341 ff. Konten, Zahlungsabwicklungen Japan 91 f., 131, 149, 198, 264, über 59 271, 284, 291, 300, 353, 355 f., Kredite 48, 55, 63 ff., 66 f., 87, 436, 449, 558, 569, 580 98 ff., 244 f., 269, 308, 430 Jugoslawien 66, 457 f. Kreditkarten 27, 31, 35 Kreditpotenzial 62, 74, 99, 233, Kapital 123, 142, 159–162, 164 f., 546–550, 553, 579 167, 189, 216, 432, 439, 495 f., Kreditschöpfung 237–241 498 ff., 507, 516, 569, 580, 603 f. Kreditzins 129 Kapitalflucht 578 f. Kriege 189, 405, 416 ff., 437 f., Kapitalisierung 496 504–508, 510–514, 527 Kapitalismus 178, 439 f., 493, Kurseinbrüche 351 f., 362, 364 f. 495 ff., 499 f., 585 Kursschwankungen 362 ff. Kapitalkosten 142 f., 158 f. Kapitalmarktzins 134, 163, 534 f., Lebenshaltungsindex 191 540, 542, Leihgebühren 114 f., Leistungen 28, 34 ff., 40, 80 f., 87, Nachfrage 38, 54, 77, 80 f., 87, 115, 139, 144, 180 f., 184, 189, 144, 154, 189 f., 191 f., 198, 192, 456, 580 210, 448, 450, 453, 490, 502, Leistungstausch 28, 36 554 Leitzinsen 131 ff., 135, 152, 226, –, Angebot und 33, 36, 104, 128, 228, 480 f., 554 143, 151, 155, 175, 180, 184, –, Erhöhung der 97, 135, 152 189 f., 213, 363, 449, 493, 535, Liberalisierung 495, 499 f. 543, 553 Liquidität 33, 144, 176, 234, 549 –, Kreislaufmodell mit direkter Liquiditätshaltungen, spekulati- und kreditfinanzierter 80 ve 202 f. Nachfragepotential 546 f., 549 f., Liquiditätsprämie 128, 556 553, 555 Liquiditätssteuerung 228 ff. Nachkriegsinflationen 185 Liquiditätsvorteil 115, 563 Nachsparleistung 54, 63 Lohnerhöhungen 192 ff. Nennwert 40, 50, 544 Lombardzins 133, 226, 228 Nettoersparnis 82 Nettogeldvermögen 299, 301 f., Maastricht-Vertrag 581 304 Marktwirtschaft 453, 493 ff., 496, Neue Armut 392–406 567 f., 585 Nichtbanken 83, 86, 88, 106, 134, –, freie 493, 495 f., 551, 572 215 –, soziale 494 ff., 551 Nominalzins 125 Marktzins, Einfluss der Noten- Notenbanken 33, 37 f., 47–51, banken auf den 133 ff. 55, 63 f., 67 f., 83 f., 93, 95 ff., Mehrwert 27, 122, 551 98 ff., 100 f., 103–108, 131, Mehrwertsteuer 142, 157 ff., 134, 154, 181, 186, 188, 190 f., 339 193, 195, 197 f., 201, 210, Mengentender 230 f. 212 f., 215, 220–226, 228, Microsoft 356 293, 480 f., 539, 541 f., 549, Mindestreserven 86, 98, 100–103, 553 f. 131, 214, 246 f. –, Aufgaben der 93 f. Mindestreserveregelungen, län- –, Geldmengenziele der 105 derspezifische 101 –, Geldschöpfung durch die Mindestreservesätze, Verände- 225–235 rungen der 102 Notenbankgewinne 107 f. Monetäre Finanzinstitute Nullwachstum 172, 417, 425 (MFIs) 84, 231 Nullzins 163, 172, 175, 425, 526, Münzgeld 29, 41 f., 50 553, 557 f., 569, 583, Ökosteuern 433 f. Rüstung 504 ff., 508 f., 511, 522 f., Ostblockstaaten, Auslandsver- 527 schuldung der 275–279 Rüstungskonversion 515 f. –, Zinsprobleme in den 459–462 Sachkapital 495 Papiergeld 41 f., 49, 186, 202 Sachleistungen 37 f. Pensionssatz 227 Sachvermögen 124, 159, 313, Planwirtschaften 451–465 326, 331–334, 337, 398, 402, Preise 142 ff., 157, 159, 162, 174, 424, 496 189, 191, 338, 380, 390, 453, Sachwerte, Flucht in 574 f. 471, 535 Schattenwirtschaft 199 Preisniveau 27, 191, 454, 554, 583 Schecks 27, 31, 35, 37 f. –, steigendes 181, 185, 223, 454, Schenkungen 35 f., 71, 75, 87 554 Schneeballeffekt 362 f. Primär- und Sekundärphänome- Schrift, Vergleich von Sprache ne 56 und 56 f. Privatschulden 280, 282–286, Schulden 53 f., 63, 71 ff., 77 ff., 302, 341 f. 81 f., 91, 173, 256, 280, 282, Profit 27, 122 302, 308, 312 ff., 427, 439, 602 Publikum 83, 86 –, Überentwicklung der 253–263 Schuldenerlass 524 ff. Quellenbesteuerung 209 Schuldenüberwindung 280, 287–291 Realwirtschaft, Aktienspekulati- Schwarze Märkte 455, 460 on und 361 f. Schweiz 51, 130 f., 226, 305, 329, Realzins 125, 127 380, 392, 569, 589 Referenzgröße M3 215 Schweizerische Nationalbank Refinanzierung 132 f., 230, 106, 180, 207, 209 235 ff., 548 Siemens 350, 477, 479 Refinanzierungssätze 228 f. Sicherungsfonds 92, 392, 64 Reichtum 178, 393–397, 571 Sichtguthaben 29, 34 f., 57 ff., Reinigungskrisen 509 f., 518, 527 60 ff., 64, 66, 68 f., 86, 88, 106, Rendite 27, 122, 500 203, 216, 237, 243 f., 546 f., Rentabilitätsgrenze, Überschrei- 549 tung der 127 Sollzins 125, 127, 152 Rezessionen 310, 504, 509, 527, Spannungen, soziale 82, 111, 183, 603 309, 424, 494, 598, 602 Risikoprämie 444 Sparen 67 f., Spekulationen 348–374, 572 ff. Unternachfrage 447 Spitzenrefinanzierung 233, 235 Unternehmen, verschuldete Spitzenrefinanzierungssatz 229 476 ff. Staatsverschuldungen 79, 92, Unternehmensschulden 280 ff. 264–279, 440, 581 Unternehmenssektor, Zins- größen im 326–339 Tauschmittel 21, 28, 113, 115, US-Dollar 32, 42, 46, 108, 300, 171, 174, 539, 550 f., 599 305 Tauschringe 585–589, 591 ff. USA 49, 91, 151, 201, 256, 258, Tendersatz 230 ff. 264 f., 271, 284, 323, 341, 344, Teufelskreis, monetärer 308 353 ff., 359, 361, 365, 403, 405, Tilgungen 71 ff., 290 f. 487 ff., 513 f. Tilgungsvorgänge 71 ff. Transaktionen, bargeldlose Verfügungen, girale 68 233 Verluste 123, 598 Transaktionsgebühr 573 f. Vermögenseinkommen 169 Vermögensverteilung 298 ff., Überalterung 501 305 f., 382 ff., 386 Überlassungen, leihweise 54 f., Volkswirtschaften 21, 36, 46, 54, 68, 77 f., 134, 242, 541 61, 77, 79, 82 f., 87, 91, 98, Übernacht- und Innertagkredite 116, 149, 184, 194, 202, 309, 232, 235 314, 319, 327, 332, 348, 405, Überschuldung 282, 287 f., 430, 446, 484, 547, 551, 569, 293 599 Überschuss 122 f. Vollbeschäftigung 471 Übertragungen 68 VW 350 Umlaufsicherung 97, 99, 104, 198, 224, 450, 540–543, 552, Wachstum, exponentielles 21, 554, 557–560, 563 ff., 567 ff., 146, 409 ff., 414, 423 575, 579, 583, 599 Wachstumsabläufe 408 ff. –, zinsunabhängige 543–546 Wachstumsförderung, staatliche Umschichtungen, spekulative 62, 431 f. 549 Wachstumsraten 413, 415, 485, Umverteilung, zinsbedingte 604 141 f., 149, 156–178, 173, 382, Wachstumsregeln 407 f., 412 f., 388, 391 422, 438 Umwelt- und Ethikfonds 596 f. Wachstumszwang, zinsbedingter Umweltzerstörung 428–434, 603 177, 423–427, 543, Währung, stabile 180, 182 ff., Wirtschaftsteilnehmer, Ein- 481 kommensüberschüsse der –, private 32 98 f., 547 Währungsreform 46, 437, 469 Wirtschaftswachstum 47, 79, 82, Währungssicherung 94 ff. 104, 134, 172, 268, 273, 282, Währungsspekulationen 368 ff. 398, 402 f., 413–434, 485, 494, Währungsumstellung 44 f. 498, 503, 507, 565, 579, 583, Warenkorb 191 f. 603 Wechselkredite 131 f. –, Umweltfolgen durch das Wechselkurse 94, 101, 367–370, 428–434, 439 460, 463, 556, 579 Wirtschaftswunder 149, 468 Wechselkursspekulationen Wirtschaftswunder von Wörgl 367–370 543–546 Weichwährungsländer 200 Wohnungswirtschaft, Zinsans- Weitergabezwang 21, 535, 538 f. ziege in der 329 ff., 380 Wertaufbewahrungsmittel 36, 539 f., 599 Zahlungs- und Tilgungsvorgän- Wertpapier-Pensionsgeschäfte ge, Geldumlauf mit 73 133 Zahlungs- und Verleihvorgänge, Wertschöpfung 168, 280 f., 327 Geldumlauf mit 72 Wiedervereinigung 64, 66, 271, Zahlungsgewohnheiten, Verän- 319, 390, 464 f. derung der 60, 62, 548 ff. WIR-Wirtschaftsring 589–592 Zahlungshilfsmittel 31 Wirtschaft, Geldversorgung der Zahlungsmittel 20, 32 f., 34 f., 37, 63, 93 f., 96, 99, 225–232 55, 61, 66, 106, 115, 216, 457, –, Kreditversorgung der 63, 98 f., 546, 593 225, 555 –, gesetzliches 20, 30, 34, 115, –, unbarer Zahlungs- und Ver- 536, 538 rechnungsverkehr in der Zahlungsunfähigkeit 77, 127, 88 235, 288, 349, 465 Wirtschaftsentwicklung 415 ff., Zeit, Geld und 171–174 428, 540 Zeiten, zinsfreie 118 f. Wirtschaftskrisen 435–450 Zentralbanken 42, 62 f., 83 f., Wirtschaftsleistung 54, 64, 66, 82, 93 f., 96, 98 f., 107, 131, 134, 87, 160, 165, 167, 226, 282, 402, 225 f. 415, 427 f., 438 f., 490, 498, 554 Zentralbankgeldguthaben 33, Wirtschaftssektoren 168, 257, 59, 86, 98 f., 100, 102, 106, 131, 295 f., 314 134, 556, Zentralbankgeldmenge –, Zwang zum Wachstum durch (ZBGM) 86, 209, 214, 216, 424 f. 218 f., 230, 233 ff., 236 Zinseszins 145, 148, 151, 423 Zentralbankkredite 98 Zinseszinseffekt 21, 78, 145 ff., Zero-Bonds 150 149, 249, 307, 424 Zins-Minimum 145 Zinshöhe 151 f., 604 Zinsanspruch 78 f., 164 Zinslasten, private 340–347, Zinsbegriffe 124 ff. 381 f., 385–391 Zinsbesteuerung 170 f. –, staatliche 318–325 Zinsen 21, 27, 39, 50, 58, 79, 82, –, unternehmerische 326–332 99 f., 111–118, 120, 122–178, Zinsproblem 111–114 189, 193 ff., 307 f., 312–347, Zinssätze 126, 130 f., 153 ff., 380 f., 403, 423 f., 427, 432, 162, 168, 228, 231, 442, 476, 444 ff., 450, 453, 474 ff., 502, 484 f., 505 f., 508 f., 518, 541, 543, 569, –, sinkende 604 599 –, steigende 162 f., 193, 323, –, Absenkung der 525 ff. 445 –, Arbeitslosigkeit bei fallenden Zinssatzschwankungen 152 ff., 482–492 312, 315, 318, 330, 442, 484 –, Aufgaben der 116 ff. Zinsschwankungen 152 ff., –, Geldaufnahmen mit 79 444 –, Konjunktur und 444–448 Zinsströme, Überentwicklung –, langfristige von Industrielän- der 312–325 dern 130 Zinsstromgrößen, Veränderung –, sinkende 118, 124, 145, 151 f., der 314–318 163, 202, 573, 578 ff. Zinstender 230 –, steigende 118, 127, 151, 167, Zinsverbot 113, 177 f. 260, 316, 323 Zinswirtschaft 496 –, versteckte 142 f., 158, 336–339 Zwischentauschmittel 28, 36]
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